Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. XI ZR 477/12

11. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6048

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Gegenstand

Bankenhaftung bei Kapitalanlageberatung: Aufklärungspflichten bei dem Erwerb von Aktien an einem offenen Immobilienfonds


Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 8. Zivilsenats des [X.] vom 15. November 2012 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt von der beklagten Bank aus eigenem und aus abgetretenem Recht ihres Ehemannes Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an dem offenen Immobilienfonds [X.] (nachfolgend: Fonds). Dem liegt, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, folgender Sachverhalt zugrunde:

2

Die Klägerin und ihr Ehemann (nachfolgend: Anleger) ließen sich im März 2008 von einer Mitarbeiterin (nachfolgend: Beraterin) der Rechtsvorgängerin der [X.] (nachfolgend: Beklagte) über eine Kapitalanlage beraten. Die Beraterin empfahl den Anlegern den Erwerb von Anteilen an dem Fonds, ohne darauf hinzuweisen, dass die Rücknahme der Fondsanteile durch die Kapitalanlagegesellschaft ausgesetzt werden kann. Die Anleger erwarben am 12. März 2008 insgesamt 182 Anteile an dem Fonds zum [X.] von 57,85 €. Im Oktober 2008 wurde die Rücknahme der Fondsanteile durch die Kapitalanlagegesellschaft ausgesetzt. Am 22. Oktober 2010 veräußerten die Anleger die Fondsanteile an der Börse zum [X.] von 18,45 €.

3

Die Klägerin beansprucht von der [X.] den Ersatz der Differenz zwischen dem [X.]wert der Anteile am 12. März 2008 und dem am 22. Oktober 2010 erzielten Erlös in Höhe von 7.180,80 € nebst Zinsen. Sie meint, die von der [X.] vorgenommene Einschätzung der Beteiligung an einem offenen Immobilienfonds als grundsolide und wertbeständige Anlage sei bereits im [X.] nicht mehr gerechtfertigt gewesen. Darüber hinaus habe sie über die Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme und über das Risiko eines völligen Anlageverlustes aufgeklärt werden müssen.

4

Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung der Klägerin hatte keinen Erfolg. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren in vollem Umfang weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I.

6

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner in [X.], 363 ff. veröffentlichten Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Beratung der [X.] sei nicht fehlerhaft gewesen. Die Anlage in einen offenen Immobilienfonds, dessen Immobilienbesitz über zehn [X.] gestreut sei, habe die Beklagte im März 2008 als risikoarme Anlage empfehlen dürfen. Ein offener Immobilienfonds habe zu diesem Zeitpunkt noch als grundsolide und wertbeständige Anlage gegolten. Nachdem diese Anlageform bis zum Jahre 2004 rund 50 Jahre "problemlos gelaufen" sei, sei Ende 2005/Anfang 2006 in wenigen Fällen vorübergehend die Rücknahme von Anteilen ausgesetzt worden, ohne dass den Anlegern dadurch Verluste entstanden seien. Die offenen Immobilienfonds seien erst in Folge der Finanzkrise ab [X.] 2008 in Schwierigkeiten geraten. Die Empfehlung der [X.] im März 2008 sei daher - ex [X.] betrachtet - vertretbar gewesen.

8

Die Beklagte habe im Frühjahr 2008 noch nicht über die Möglichkeit einer dauerhaften oder vorübergehenden Aussetzung der [X.] aufklären müssen, da diese Schutzmaßnahme zugunsten der Anleger einen Kapitalverlust vermeiden solle. Dies habe zum damaligen Zeitpunkt kein die Kundenentscheidung nach vernünftigem Ermessen beeinflussendes, aufklärungs-pflichtiges Risiko dargestellt. Die in den Jahren 2005/2006 von einer Aussetzung betroffenen Beteiligungen seien nicht im Wert gesunken. Ein Kapitalverlustrisiko allein aufgrund einer vorübergehenden Aussetzung der [X.] sei deshalb zum damaligen Zeitpunkt eher theoretischer Natur gewesen. Zudem berge eine Aufklärung über ein - aus damaliger Sicht eher theoretisches - Risiko die Gefahr, dass ein Beratungsgespräch mit Details überfrachtet werde, was dem [X.] eine Gewichtung verschiedener Risiken erschwere.

II.

9

Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Überprüfung in einem entscheidenden Punkt nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung lässt sich ein Schadensersatzanspruch der Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB insoweit nicht verneinen, als er darauf gestützt wird, dass die Anleger von der [X.] nicht über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der [X.] durch die Kapitalanlagegesellschaft aufgeklärt wurden.

1. Das Berufungsgericht geht allerdings zutreffend und unangegriffen davon aus, dass zwischen den Parteien im März 2008 ein Beratungsvertrag geschlossen worden ist.

2. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Anleger jedoch nicht objektgerecht beraten und damit ihre Pflichten aus dem Beratungsvertrag verletzt (§ 280 Abs. 1 Satz 1 BGB).

a) Eine beratende Bank ist zu einer anleger- und objektgerechten Beratung verpflichtet (st. Rspr., vgl. Senatsurteil vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.], 126, 128 f.). Inhalt und Umfang der Beratungspflicht hängen dabei von den Umständen des Einzelfalls ab. Maßgeblich sind einerseits der Wissensstand, die Risikobereitschaft und das Anlageziel des Kunden und andererseits die allgemeinen und speziellen Risiken, die sich aus den Besonderheiten des [X.] ergeben. Die Beratung hat sich auf diejenigen Eigenschaften des [X.] zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können. Während die Bank über diese Umstände richtig, sorgfältig, zeitnah, vollständig und für den Kunden verständlich zu unterrichten hat, muss die Bewertung und Empfehlung des [X.] unter Berücksichtigung der genannten Gegebenheiten lediglich ex [X.] betrachtet vertretbar sein. Das Risiko, dass eine aufgrund anleger- und objektgerechter Beratung getroffene Anlageentscheidung sich im Nachhinein als falsch erweist, trägt der Anleger (vgl. zusammenfassend Senatsurteile vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 22 und [X.], [X.], 2261 Rn. 23 sowie vom 24. September 2013 - [X.], [X.], 2065 Rn. 20).

b) Danach hat das Berufungsgericht zutreffend und unangegriffen festgestellt, dass die Klägerin eine "risikoarme" Kapitalanlage gewünscht habe. Das Berufungsgericht ist insoweit weiter rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass die Einstufung der Fonds[X.]ile im März 2008 als risikoarme Anlage ex [X.] betrachtet vertretbar gewesen sei. Die von der Revision gegen diese tatrichterliche Würdigung vorgebrachten Angriffe rechtfertigen keine abweichende Beurteilung.

Soweit die Revision auf vorinstanzlichen Vortrag der Klägerin verweist, wonach vier andere offene Immobilienfonds vor dem Erwerb der streitgegenständlichen Fonds[X.]ile Ende 2005/Anfang 2006 in "Schwierigkeiten" geraten seien (vgl. hierzu etwa Ledermann, AG 2006, [X.] und [X.], [X.] 2013, 1613, 1617), lässt dieser vom Berufungsgericht berücksichtigte Umstand für sich genommen keine Rückschlüsse auf das Kapitalverlustrisiko des streitgegenständlichen Fonds zu und war dementsprechend für die von der [X.] vorzunehmende Risikobewertung (vgl. Senatsurteile vom 6. Juli 1993 - [X.], [X.], 126, 129, vom 7. Oktober 2008 - [X.], [X.], 149 Rn. 12 und vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 119 Rn. 24) ohne Belang. Die Revision zeigt nicht auf, dass die Klägerin in den Vorinstanzen Umstände vorgetragen hätte, wonach sich der streitgegenständliche Fonds in vergleichbaren Schwierigkeiten befunden hat.

c) Soweit die Revision erstmals geltend macht, dass die Beklagte die Anleger nicht nur beim Erwerb, sondern auch im Zusammenhang mit der Veräußerung der Fonds[X.]ile falsch beraten habe, handelt es sich um eine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageerweiterung (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 2013 - [X.], juris Rn. 22; [X.]/[X.], ZPO, 30. Aufl., § 559 Rn. 10), denn damit soll ein neuer Streitgegenstand eingeführt werden.

d) Mit Recht beanstandet die Revision dagegen die Auffassung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Anleger im Frühjahr 2008 nicht ungefragt darüber aufklären müssen, dass die Rücknahme der Anteile durch die Kapitalanlagegesellschaft - seinerzeit gemäß § 81 [X.] in der bis zum 7. April 2011 gültigen Fassung (nachfolgend: aF), nunmehr gemäß § 257 KAGB -vorübergehend ausgesetzt werden kann.

aa) Die Frage, ob eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der [X.] durch die Kapitalanlagegesellschaft aufklären muss, wird in der Instanzrechtsprechung und der Literatur unterschiedlich beantwortet.

Nach einer Auffassung, der sich das Berufungsgericht angeschlossen hat, hat bis zum Beginn der Finanzkrise im Oktober 2008 eine solche Aufklärungspflicht nicht bestanden, weil es sich bei der Möglichkeit, die [X.] auszusetzen, bis dahin um ein fernliegendes, rein theoretisches Risiko gehandelt habe, die Aussetzung der [X.] ein Instrument zum Anlegerschutz sei und die Anleger auch während einer solchen Aussetzung ihre Anteile jederzeit an der Börse veräußern könnten (vgl. [X.], [X.], 2258, 2262 ff.; [X.], [X.], 475 f.; [X.], [X.] 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, [X.] 5.- 3.13).

Demgegenüber bejaht die Gegenansicht eine Aufklärungspflicht der Bank, weil die Möglichkeit einer Aussetzung der [X.] ein die Anlage in offene Immobilienfonds prägendes Strukturprinzip und ein ihr grundsätzlich innewohnendes ([X.] darstelle (vgl. [X.], [X.], 290 Rn. 21 ff.; [X.], Beschluss vom 23. August 2012 - 4 U 512/12, juris Rn. 8 f.; [X.], [X.] 7/2012 [X.]. 6; Merk, [X.], 290, 294).

bb) Der erkennende Senat entscheidet die Frage im Sinne der zuletzt genannten Meinung.

(1) Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 Abs. 1 [X.] aF (nunmehr § 187 Abs. 1 Nr. 1 KAGB) ihre Fonds[X.]ile grundsätzlich jederzeit liquidieren und deren Rückgabe zu einem in § 23 Abs. 2 Satz 3, § 79 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 79 Abs. 1 [X.] aF geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft verlangen können (sog. Open-End-Prinzip; vgl. [X.]/Schmies in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 113 Rn. 140; [X.]/[X.], BuB Rn. 9/277; [X.] in [X.]/[X.]/[X.][X.], [X.], 2013, § 37 Rn. 7 ff.; [X.] in [X.]/[X.], Bank- und Kapitalmarktrecht, 4. Aufl., Rn. 9.55; Schödermeier/[X.] in [X.]/Scherer, [X.], 2003, § 11 Rn. 5 ff.; [X.], [X.], 106, 107; [X.]/[X.], [X.] 2013, 1603, 1604; [X.], [X.] 2013, 1613, 1614; [X.], [X.] 5/2009 [X.]. 3). Von diesem Grundsatz macht § 81 [X.] aF eine Ausnahme (vgl. BT-Drucks. 17/3628, [X.]; [X.] in [X.]/[X.]/[X.][X.], aaO, § 81 Rn. 1). Danach wird der Kapitalanlagegesellschaft bei nicht ausreichender Liquidität das Recht eingeräumt, die Rücknahme der Anteile vorrübergehend zu verweigern mit der Folge, dass die Anleger ihre Fonds[X.]ile nicht mehr zu dem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis zurückgeben können.

Über dieses Risiko hat die Bank den Anleger im Rahmen der von ihr geschuldeten vollständigen Risikodarstellung in verständlicher Weise aufzuklären. Diese Verpflichtung besteht, weil das dem Anleger kraft Gesetzes gemäß § 37 Abs. 1 [X.] aF gemachte Versprechen, seine Investition in einen offenen Immobilienfonds jederzeit durch die Rückgabe seiner Anteile an die Kapitalanlagegesellschaft zu einem gesetzlich bestimmten Rücknahmepreis liquidieren zu können, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 81 [X.] aF nicht eingehalten wird.

(2) Ob hier zum Zeitpunkt der Beratung im März 2008 bei dem Fonds bereits konkrete Anhaltspunkte für eine bevorstehende Aussetzung der [X.] vorgelegen haben, ist für das Bestehen dieser Aufklärungspflicht ohne Bedeutung, da es für die Entscheidung des Anlegers auch ohne solche konkreten Anhaltspunkte von wesentlicher Bedeutung sein kann, dass er dieses Risiko während der gesamten Investitionsphase übernimmt. Dementsprechend ist es für die Beantwortung der Frage, ob die Bank den Anleger über dieses Risiko aufklären muss, - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - unerheblich, ob bis zum Ausbruch der Finanzkrise im Oktober 2008 insoweit ein fernliegendes oder gar ein nur theoretisches Risiko (so auch [X.], [X.], 2258, 2262; vgl. auch [X.], [X.] 2013, 1613, 1617; Thume/Edelmann, [X.] 5.- 3.13) bestanden hat. Die Möglichkeit, die Rücknahme der Anteile auszusetzen, stellt ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Entscheidung trifft.

(3) Der Umstand, dass die Anleger eines offenen Immobilienfonds ihre Anteile während einer Aussetzung der [X.] jederzeit an der Börse veräußern können, spricht ebenfalls nicht gegen die Pflicht der Bank, über die Möglichkeit einer solchen Aussetzung aufzuklären (ebenso [X.], [X.] 7/2012 [X.]. 6; a.A. [X.], [X.], 2258, 2262; [X.], [X.], 475 f.; [X.], [X.] 2013, 1613, 1617).

Die Revisionserwiderung weist zwar zutreffend darauf hin, dass die Anleger damit weiter die Möglichkeit haben, ihre Anteile jederzeit zu liquidieren. Diese Möglichkeit stellt aber angesichts der an einer Börse oder an einem sonstigen Sekundärmarkt bestehenden Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente keinen gleichwertigen Ersatz für die gesetzlich geregelte Möglichkeit dar, die Anteile zu einem vorab festgelegten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurück zu geben. Dem Anleger wird die Liquidität seiner Fonds[X.]ile im Fall einer Aussetzung der [X.] daher nicht mehr mit der Qualität eines vorab im Gesetz bestimmten Rücknahmepreises gewährleistet.

(4) Soweit die Revisionserwiderung meint, dass es sich bei der Möglichkeit einer Aussetzung der [X.] um eine Schutzmaßnahme zugunsten der Anleger handele, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank hierauf nicht an. Die Regelungen des § 81 [X.] aF über die Aussetzung der Rücknahme von Anteilen an offenen Immobilienfonds sollen es der Kapitalanlagegesellschaft ermöglichen, sich im Fall einer unerwartet hohen Zahl ihr zur Rückgabe angedienter Fonds[X.]ile während der Aussetzung die Liquidität zu beschaffen, die für die Bedienung der rückgabewilligen Anleger erforderlich ist (vgl. [X.], [X.], 106, 108; [X.] in [X.]/[X.]/[X.][X.], [X.], 2013, § 81 Rn. 2; [X.], Investmentgesetze, 1997, § 36 [X.] Rn. 1; [X.]/[X.] in Bankrecht und Bankpraxis, Rn. 9/283; vgl. auch BT-Drucks. 17/3628, [X.] und zu BT-Drucks. [X.], S. 6). Zugleich soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorgebeugt werden. Da die Aussetzung jedoch - wie dargelegt - dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlagenentscheidung aufzuklären.

3. Nach den bislang vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen hat die Beklagte die Klägerin nicht entsprechend aufgeklärt.

a) Nach dem unstreitigen Sachverhalt ist eine solche Aufklärung durch die Beraterin im Rahmen des Beratungsgesprächs im März 2008 nicht erfolgt.

b) Soweit die Revisionserwiderung geltend macht, die Klägerin habe Anfang 2003 die "Basisinformationen für Wertpapier-Vermögensanlagen" (nachfolgend: Basisinformationen) erhalten, in denen auf die Möglichkeit einer vorübergehenden Aussetzung der [X.] hingewiesen werde, kann diese Unterlage als Mittel der Aufklärung zwar grundsätzlich geeignet sein (vgl. Senatsurteile vom 11. November 2003 - [X.], [X.], 24, 26 f. und vom 27. September 2011 - [X.], [X.], 2261 Rn. 32; [X.], [X.], 399, 403; [X.], [X.], 2111, 2114). Vorliegend konnte die Beklagte ihre Aufklärungspflicht jedoch von vornherein nicht durch die Übergabe der Basisinformationen an die Anleger erfüllen. Bei einem offenen Immobilienfonds konnte die [X.] nach § 81 [X.] aF nur dann ausgesetzt werden, wenn die Vertragsbedingungen des jeweiligen Fonds eine solche Befugnis vorsahen (vgl. [X.]/Schmies in Schimansky/Bunte/[X.], [X.], 4. Aufl., § 113 Rn. 141). Informationen darüber, ob hier der Kapitalanlagegesellschaft in den Vertragsbedingungen eine solche Befugnis eingeräumt worden war, enthalten die allgemeinen Basisinformationen naturgemäß nicht. Hierüber hätte die Beklagte die Anleger entweder in verständlicher Weise mündlich oder durch die rechtzeitige Übergabe eines auf den streitgegenständlichen Fonds bezogenen Informationsmaterials schriftlich aufklären müssen.

c) Zu einer etwaigen Aufklärung der Anleger durch die "Kundeninformationen zum Wertpapiergeschäft" (nachfolgend: Kundeninformationen), welche die Anleger nach dem Vorbringen der [X.] am 1. November 2007 per Post erhalten haben, hat das [X.] keine Feststellungen getroffen. Nachdem die Anleger den Erhalt dieser Broschüre bestritten haben, ist in Ermangelung etwaiger Feststellungen des Berufungsgerichts revisionsrechtlich davon auszugehen, dass die Anleger nicht mit dieser Broschüre aufgeklärt worden sind.

III.

Das Berufungsurteil ist deshalb aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Dieses wird zunächst Feststellungen dazu zu treffen haben, ob die Anleger durch die Kundeninformationen richtig, sorgfältig, vollständig und zeitnah im Zusammenhang mit dem Erwerb der Fonds[X.]ile im März 2008 über das Risiko einer Aussetzung der [X.] aufgeklärt worden sind.

Falls das Berufungsgericht eine [X.] der [X.] feststellen sollte, wird es, nachdem die Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Sachvortrag hatten, zudem die zur Frage der Kausalität fehlenden Feststellungen nachzuholen haben. Dabei wird es im Hinblick auf etwaige Beweisangebote der Parteien sowie hinsichtlich der Beweislast für die Kausalität die einschlägige Rechtsprechung des Senats zu beachten haben (vgl. Senatsurteil vom 8. Mai 2012 - [X.], [X.]Z 193, 159 Rn. 28 und 38 ff.).

Wiechers                           Joeres                           Ellenberger

                    [X.]

Meta

XI ZR 477/12

29.04.2014

Bundesgerichtshof 11. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Dresden, 15. November 2012, Az: 8 U 512/12, Urteil

§ 280 Abs 1 S 1 BGB, § 37 InvG vom 21.12.2007, § 81 InvG vom 15.12.2003

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 29.04.2014, Az. XI ZR 477/12 (REWIS RS 2014, 6048)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6048

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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