Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. V ZB 225/12

V. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 2306

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
V [X.]/12
vom
9. Oktober 2014
in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4; § 522 Abs. 1
Wird eine Berufung ausschließlich auf neues Vorbringen gestützt, kann sie [X.] weiteres durch Beschluss verworfen werden, wenn die Berufungsbegrün-dung keine Angaben zu den Tatsachen enthält, die eine Zulassung des neuen Vorbringens nach §
531 Abs.
2 ZPO rechtfertigen. Dass das Vorbringen [X.] wäre, wenn es sich im Verlauf des Berufungsverfahrens als unstreitig erwiese, steht dem nicht entgegen.
[X.], Beschluss vom 9. Oktober 2014 -
V [X.]/12 -
LG [X.] (Oder)

[X.]/Spree

2

Der V. Zivilsenat des [X.] hat am 9. Oktober 2014 durch die Vorsitzende Richterin Dr.
Stresemann, [X.]
[X.], die Richterinnen Dr.
Brückner
und
Weinland und [X.]
Kazele

beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 5.
Zivilkammer des [X.]s [X.]
(Oder) vom 27.
November
2012 wird auf
ihre Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert des [X.] beträgt 1.500

Gründe:
I.
Auf dem
Grundstück der Beklagten lastet eine Grunddienstbarkeit, die
zugunsten des jeweiligen Eigentümers des der
Klägerin
gehörenden Nachbar-grundstücks ein Geh-
und Fahrrecht vorsieht.
Die [X.] ist auf einem Lageplan eingezeichnet, der bei der Bestellung der Grunddienstbarkeit der [X.] beigefügt wurde.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Grunddienstbarkeit umfasse auch eine gepflasterte Freifläche an der Grundstücksgrenze. Soweit hier noch von Interesse,
will sie mit ihrer Unterlassungsklage verhindern, dass die Beklagten Fahrzeuge und sonstige Gegenstände auf der Freifläche abstellen oder das Geh-
und Fahrrecht auf dieser Fläche in sonstiger Weise beeinträchtigen.
1
2

3

Nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Ausdehnung
der auf dem Lageplan eingezeichneten Fläche hat das Amtsgericht der Klage nur hinsichtlich einer Teilfläche stattgegeben.
Gegen die teilweise Klageabweisung hat die Klägerin Berufung eingelegt und unter Beifügung von Urkunden [X.] vorgetragen, es sei zudem eine beschränkt
persönliche Dienstbarkeit zu-gunsten der Baubehörde bestellt worden; aus dem hierfür angefertigten detail-lierteren
Lageplan ergebe
sich, dass auch die von der Klagabweisung betroffe-ne Fläche umfasst sei.
Das [X.] hat die Berufung im [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde.
II.
Das Berufungsgericht meint, die Berufung sei unzulässig, weil das Rechtsmittel nicht in einer den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz
2 ZPO genügenden Weise begründet worden
sei. Werde die Berufung auf neue [X.] gestützt, müssten auch die Umstände
bezeichnet werden, die zur Zulassung des neuen
Vorbringens führen sollen. Daran fehle es.
III.
Die nach §
574 Abs.
1 Satz
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statt-hafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil keiner der in §
574 Abs.
2 ZPO genannten Zulässigkeitsgründe vorliegt. Insbesondere ist eine Entscheidung des [X.] nicht zur Sicherung einer einheitlichen Recht-sprechung erforderlich. Die Verwerfung der Berufung als unzulässig verletzt nicht den Anspruch der Klägerin auf Gewährung wirkungsvollen Rechtsschut-zes (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip, vgl. [X.] 77, 275, 284). Eine unzumutbare, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigende Er-3
4
5

4
schwerung des Zugangs zu dem von der Zivilprozessordnung eingeräumten Instanzenzug (dazu etwa Senat, Beschluss vom 23. Oktober 2003

[X.], [X.], 367, 368 [X.]) liegt nicht vor. Das Berufungsgericht hat die Anforderungen, die nach §
520 Abs.
3 Satz
2 ZPO an den Inhalt der [X.] zu stellen sind,
nicht überspannt.
1. Zutreffend geht das
Berufungsgericht davon aus, dass eine aus-schließlich auf neue Angriffsmittel gestützte Berufung nach §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO auch diejenigen
Tatsachen bezeichnen
muss, die zur Zulassung neuer Angriffsmittel nach §
531 Abs.
2 führen sollen. Fehlt es daran, ist die [X.] nach §
522 Abs.
1 Satz
1 und 2 ZPO als unzulässig zu verwerfen (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Dezember 2006

IV
ZR
180/04, VersR
2007, 373; Beschluss vom 28.
Mai 2003

XII
ZB
165/02, NJW
2003, 2531, 2532; HK-ZPO/[X.], ZPO, 5.
Aufl., §
520 Rn.
16, 29).
a) Neu sind Angriffsmittel
im Sinne von § 520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO, wenn sie erstmals in der Berufungsinstanz in den Prozess eingeführt werden. Etwas anders gilt nur dann, wenn ein bereits schlüssiges erstinstanzliches [X.] durch weitere Tatsachenbehauptungen lediglich konkretisiert, verdeut-licht und erläutert wird ([X.], Urteil vom 1.
Dezember 2009

VI
ZR
221/08, NJW-RR
2010, 839 Rn.
22; Beschluss vom 21.
Dezember 2006

VI
ZR
279/05, NJW
2007, 1531 Rn.
7; Urteil vom 8.
Juni 2004

VI
ZR
199/03, [X.]Z
159, 245, 251 [X.]). So verhält es sich hier jedoch nicht. Die Begründung des amtsgerichtlichen Urteils hat die Klägerin nicht an-gegriffen; sie selbst geht davon aus, dass das Amtsgericht auf der Grundlage des erstinstanzlichen Streitstoffs richtig entschieden hat. Ihr Hauptvortrag, die [X.] reiche weiter als von dem Amtsgericht festgestellt, ist zwar im [X.] gleichgeblieben. Es werden aber nunmehr andere und vollständig neue Hilfstatsachen zur Stützung dieser Behauptung vorgetragen, nämlich die flä-chenmäßige Übereinstimmung mit der zugunsten der Baubehörde bestellten 6
7

5
beschränkt persönlichen Dienstbarkeit. Dieses neue Vorbringen soll mit den erstmals in der Berufungsinstanz vorgelegten Unterlagen -
also mit neuen Be-weismitteln
-
nachgewiesen werden.
b) Dass im [X.] nicht (mehr) bestrittene oder unstreitig gestellte Tatsachen nach der Rechtsprechung des [X.] nicht als neue Angriffs-
oder Verteidigungsmittel im Sinne von §
531 Abs. 2 ZPO behan-delt werden und damit der Präklusion entzogen sind (grundlegend [X.], [X.] vom 23. Juni 2008 -
GSZ 1/08, [X.]Z 177, 212 Rn. 10 ff.
[X.];
vgl. auch [X.], Urteil vom 18.
November 2004

IX
ZR
229/03, [X.]Z
161, 138, 141
ff. [X.]), macht es nicht entbehrlich, in der Berufungsbegründung gemäß §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO die Tatsachen vorzutragen, auf Grund deren das neue Vorbringen nach Ansicht des Berufungsführers zuzulassen ist. Im Rah-men der [X.] ist davon auszugehen, dass es sich bei neuem tatsächlichen Vorbringen des Rechtsmittelführers, mit dem das erstinstanzliche Urteil zu Fall gebracht werden soll, um ein neues Angriffsmittel im Sinne von §
531 Abs. 2 ZPO handelt. Wird
die Berufung ausschließlich hierauf gestützt, sind deshalb die in
§
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO genannten Angaben erfor-derlich; fehlen diese, kann die Berufung ohne weiteres nach §
522 Abs.
1 ZPO zurückgewiesen werden.
Dass das neue Vorbringen kein neues Angriffsmittel (mehr) wäre, wenn es von der Gegenseite nicht
bestritten
wird, ist in diesem Verfahrensstadium nicht relevant. Dabei kann offenbleiben, ob
eine ausschließlich
auf neues [X.] gestützte Berufung trotz Fehlens der nach
§
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 Halbsatz
2 ZPO vorgeschriebenen Angaben zulässig wird, wenn sich das neue Vorbringen als unstreitig
erweist, oder ob dies eine unzulässige Vermengung von Zulässigkeit und Begründetheit des Rechtsmittels bedeutete. Denn
es steht jedenfalls erst am Schluss
der (letzten) mündlichen Verhandlung fest, ob das neue Vorbringen unstreitig
ist. Bis dahin kann es von
dem Berufungsbeklagten 8
9

6
noch bestritten werden, ein vorheriges Nichtbestreiten in vorbereitenden Schriftsätzen bindet ihn nicht [X.], Urteil vom 12. März 1991 -
XI ZR 85/90, NJW
1991, 1683; vgl. auch [X.]/[X.], §
522 Rn.
21 zu §
522 Abs.
2 ZPO). Zu einer mündlichen Verhandlung kommt es aber nicht, wenn das Berufungsgericht die Berufung nach §
522 Abs.
1 Satz
2 ZPO durch Beschluss verwirft.
Das Gericht ist auch nicht gehalten, eine mündliche Verhandlung anzu-beraumen. Der Berufungskläger hat keinen Anspruch darauf, dass allein wegen der -
meist ohnehin nur theoretischen -
Möglichkeit, dass das neue Vorbringen im Verlauf des [X.]es unstreitig wird, von der in §
522 Abs.
1 ZPO vorgesehenen Möglichkeit einer (beschleunigten) Verwerfung der Beru-fung durch Beschluss abgesehen wird. Eine unzumutbare Erschwerung des Zugangs zur Berufungsinstanz geht damit nicht einher. Es ist dem [X.], der die Berufung allein auf neues Vorbringen
stützt, schon deshalb [X.], die nach §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO erforderlichen Angaben zu machen, weil die Vorschrift nur formale Anforderungen aufstellt. Ob die in der Berufungsbegründung genannten Tatsachen tatsächliche eine Zulassung des Vorbringens nach §
531 Abs.
2 ZPO rechtfertigen, ist eine Frage der Begrün-detheit des Rechtsmittels ([X.], Beschluss vom 28. Mai 2003 -
XII [X.], NJW
2003, 2531, 2532).
c) Entgegen der Auffassung der Klägerin entbindet auch §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
3 ZPO nicht von den Vorgaben der
Nr. 4. Zwar kann die [X.] nach Nr. 3 (auch) auf konkrete Anhaltspunkte gestützt werden, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der erstinstanzlichen Tatsachen-feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Werden diese Zweifel aber auf neue Angriffs-
oder Verteidigungsmittel gestützt, so sind die besonderen Begründungsanforderungen des §
520 Abs.
3 Satz
2 Nr.
4 ZPO zu beachten ([X.]/[X.], aaO, §
520 Rn.
47, 10
11

7
55 und §
529 Rn.
21; zu §
529 ZPO vgl. auch Senat, Urteil vom 19.
März 2004

V
ZR
104/03, [X.]Z
158, 295, 301; [X.], Urteil vom 18.
Oktober 2005

VI
ZR
270/04, [X.]Z
164, 330, 333).
2. Gemessen daran geht das Berufungsgericht zutreffend davon aus, dass die Berufung nicht den Anforderungen nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 4 ZPO genügt. Angaben zur Berücksichtigungsfähigkeit hat die Klägerin innerhalb der Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs. 1 Satz
1 ZPO nicht gemacht. Sie hat nicht dargetan, dass und warum ihr
der nunmehr gehaltene Sachvortrag und die Vorlage der beigebrachten Urkunden nicht bereits in erster Instanz möglich war.
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Stresemann

[X.]

Brückner

Weinland

Kazele

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 30.08.2012 -
12 [X.] -

LG [X.] (Oder), Entscheidung vom 27.11.2012 -
15 [X.]/12 -

12
13

Meta

V ZB 225/12

09.10.2014

Bundesgerichtshof V. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 09.10.2014, Az. V ZB 225/12 (REWIS RS 2014, 2306)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 2306

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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