Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. IX ZR 151/10

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 4475

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BUNDESGERI[X.]HTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IX ZR 151/10
Verkündet am:

21. Juli 2011

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja
[X.] § 89 Abs. 2 Satz 2, § 302 Nr. 1; ZPO § 850 f Abs. 2; [X.] § 393
a)
Hat der Schuldner eine vorsätzliche unerlaubte Handlung begangen, bestimmt sich der Kreis der von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Forderungen danach, welche Rechtsfolgen das materielle Schadensrecht an die unerlaubte Handlung knüpft.
b)
Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch kann auch aus vorsätzlicher uner-laubter Handlung begründet sein, sofern zugleich ein materiell-rechtlicher delikti-scher Erstattungsanspruch besteht.
c)
Der Anspruch des Geschädigten einer vorsätzlichen unerlaubten Handlung, wel-cher im Strafverfahren gegen den Schädiger als Nebenkläger aufgetreten ist, auf Erstattung der Kosten der Nebenklage ist allein prozessualer Natur und daher nicht aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung begründet.

[X.], Urteil vom 21. Juli 2011 -
IX ZR 151/10 -
OLG Dresden

LG Dresden

-

2

-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 durch [X.] [X.], den Richter [X.], die Richterin [X.], [X.] [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des
13.
Zivilsenats
des Oberlan-desgerichts Dresden
vom 28.
Juli
2010 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger
(fortan auch Schuldner) wurde
durch rechtskräftiges Urteil des Landgerichts
Leipzig vom 6. April 2006 wegen gemeinschaftlicher Körper-verletzung in Tateinheit mit gemeinschaftlicher Vergewaltigung und
wegen [X.] Hilfeleistung zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Mit der Verurteilung wurden ihm die Kosten des Strafverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des
[X.]
auferlegt. Am 30.
April 2008 wurde auf den Eigen-antrag des Klägers das vereinfachte Insolvenzverfahren über sein Vermögen eröffnet, in welchem
er Restschuldbefreiung beantragte. In diesem Verfahren
meldete der beklagte [X.] die Forderung auf Erstattung der Gerichtskosten des vorangegangenen Strafverfahren einschließlich der aus der Staatskasse verauslagten Rechtsanwaltsvergütung des [X.]s
in Höhe von insgesamt 63

als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung
1
-

3

-
zur Tabelle an. Der Kläger
hat
dieser Anmeldung
widersprochen, soweit der [X.] der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung geltend gemacht wird.

Die Klage des Schuldners auf Feststellung, dass
die angemeldeten [X.] nicht aus vorsätzlicher
unerlaubter
Handlung begründet sind, ist im ersten Rechtszug erfolglos
geblieben. Das Berufungsgericht hat die vom Schuldner begehrte Feststellung getroffen. Mit der vom Berufungsgericht zuge-lassenen Revision verfolgt der Beklagte seinen Abweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe:

Die Revision des Beklagten bleibt ohne Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in [X.] 2010, 429 veröffentlicht ist,
meint, die
von
dem
Beklagten
angemeldeten Gerichtskosten des [X.] stellten keine auf
einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung [X.] Verbindlichkeiten dar, die
nach
§
302 Nr.
1 [X.] von einer eventuel-len Restschuldbefreiung ausgenommen seien.
Durch ihre Entstehung werde kein von §
823 Abs.
1 [X.] geschütztes Rechtsgut erfasst.
Die materiellen [X.] der §§
464
ff StPO, auf denen die Forderungen basierten, seien auch keine Schutzvorschriften im Sinne des §
823 Abs.
2 [X.]. Mit den von der Restschuldbefreiung ausgenommenen Kosten des Geschädigten aus der pri-vatrechtlichen Durchsetzung eines Anspruchs aus vorsätzlich begangener uner-laubter Handlung seien die aufgrund der Durchsetzung des staatlichen Strafan-2
3
4
-

4

-
spruchs entstandenen
Kosten nicht vergleichbar.
Diese Betrachtungsweise ste-he in Einklang mit der herrschenden Meinung zu §
393 [X.], nach der sich das Verbot der Aufrechnung nicht auf Ansprüche erstrecke, die in keinem inneren Zusammenhang mit der unerlaubten Handlung stünden. Gegen eine ausge-nommene Forderung spreche zudem, dass der Gesetzgeber in §
302 Nr.
2
[X.] zwar Geldstrafen von der Restschuldbefreiung ausgenommen habe, nicht aber die
Kosten des
Strafverfahrens.

II.

Diese Ausführungen halten rechtlicher Prüfung in vollem Umfang Stand.

1. Nach §
302 Nr.
1 [X.] werden Verbindlichkeiten des Schuldners aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung
von der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht berührt, sofern der Gläubiger die entsprechende Forderung unter Angabe dieses
Rechtsgrundes nach §
174 Abs.
2 [X.] ange-meldet hat.
Die Vorschrift des §
302 Nr.
1 [X.] regelt nicht näher, welche [X.] als Ansprüche aus [X.]
von der Restschuldbefreiung ausge-nommen werden, sondern setzt eine solche Begriffsbestimmung voraus.
Auch soweit Forderungen
aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung
durch andere Vorschriften
privilegiert werden, fehlt jeweils eine
nähere
Bestimmung
der damit erfassten Ansprüche (vgl. §
89 Abs.
2 Satz 2 Fall 2 [X.], §
850
f Abs.
2 ZPO, §
393 [X.]; ferner
§
273 Abs.
2, §
1000 Satz 2 [X.]).
Im Aus-gangspunkt besteht im Hinblick auf sämtliche genannten Bestimmungen Einig-keit, dass der Begriff der vorsätzlichen unerlaubten Handlung auf das Delikts-recht der §§
823
ff [X.] Bezug nimmt ([X.], Urteil vom 6.
Dezember 1979 -
IX
ZR 40/76, LM Nr.
6 zu §
393 [X.]; vom 16.
November 2010 -
[X.]
ZR 17/10, 5
6
-

5

-
Z[X.]
2011, 430
Rn.
7 [zu §
302 Nr.
1 [X.]]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], [X.], 2010, §
184 Rn.
47; [X.] in Kübler/[X.],
[X.], 2008, §
302 Rn.
1a; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl., §
302 Rn.
7; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
302 Rn.
2; HambKomm-[X.]/Streck, 3.
Aufl., §
302 Rn.
2; [X.], Insolvenzrecht, §
302 [X.] Rn.
2; Graf-Schlicker/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
302 Rn.
4; [X.]/[X.], 3.
Aufl., §
850
f Rn.
14; [X.]/[X.], [X.], 2006, §
393 Rn.
5; Soergel/[X.], [X.], 13.
Aufl., §
393 Rn.
1; [X.]/Wagner, [X.], 12.
Aufl., §
393 Rn.
2). Die Frage, ob über die Deliktstatbestände der
§§
823
ff [X.] hinaus
auch spezial-gesetzlich geregelte Vorschriften des außervertraglichen Schadensersatzrechts
zum Recht der unerlaubten Handlungen zählen
(so [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
850
f Rn.
25; Musielak/[X.], ZPO, 8.
Aufl., §
850f Rn.
9; [X.]
in Prütting/Gehrlein, ZPO, 3.
Aufl., §
850
f Rn.
37; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
393 Rn.
2; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
393 Rn.
5; [X.]/[X.], [X.], 70.
Aufl., §
393 Rn.
3; Pfeiffer
in Prüt-ting/Wegen/Weinreich, [X.], 6.
Aufl., §
393 Rn.
3),
kann vorliegend dahinste-hen, weil der Schuldner eine vorsätzliche unerlaubte Handlung gemäß §
823 Abs.
1 [X.] sowie gemäß §
823 Abs.
2 [X.] in Verbindung mit §
177 Abs.
1 und 2, §
223 Abs.
1, §
224 Abs.
1 StGB begangen hat.

2. Liegt eine vorsätzliche unerlaubte Handlung vor, so bestimmt sich
der Kreis der gemäß §
89 Abs.
2 Satz
2 Fall 2,
§
302 Nr.
1 [X.], §
850
f Abs.
2 ZPO, §
393 [X.]
privilegierten Forderungen einheitlich
danach, welche Rechts-folgen das materielle Schadensrecht
an die begangene
unerlaubte Handlung knüpft.

a) Für einen Verzicht auf gesonderte Bestimmung
des Begriffs der For-derung aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung im Sinne des
jeweili-7
8
-

6

-
gen Privilegierungstatbestandes
spricht zunächst der Umstand, dass diese [X.] ihren
Anwendungsbereich nicht eigenständig regeln, sondern auf das Recht der unerlaubten Handlungen Bezug nehmen. Es erscheint
daher
nicht angebracht, einem Gläubiger den Genuss des Privilegs von [X.] auch dann zuzugestehen, wenn die mit der Forderung geltend gemachte [X.] nach materiellem Schadensrecht
nicht ersatzfähig ist, mag auch ein anderweitig begründeter Ersatzanspruch in tatsächlichem Zusammen-hang mit dem begangenen Delikt stehen. Gewährt hingegen
das Recht der un-erlaubten Handlungen
Ersatz für eine bestimmte [X.], so
ist kein Sachgrund ersichtlich, die Privilegierung von Ansprüchen aus Delikt demge-genüber enger zu fassen.

b) Für die Auslegung des Begriffs der Forderung aus vorsätzlich
began-gener unerlaubter Handlung nach den Maßstäben des Deliktsrechts spricht fer-ner, dass auf diese Weise eine einheitliche Reichweite dieses [X.] im Sinne sämtlicher Privilegierungsvorschriften erreicht werden kann.

Würde
der Kreis
der Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung im Sinne dieser Privilegierungstatbestände
jeweils
eigenständig ausgelegt, so folgte
daraus, dass die Rechtskraft eines zu einer dieser Bestimmungen ergan-genen Feststellungsurteils keine Wirkung für die [X.] entfaltete, weil dann wegen der fehlenden Übereinstimmung des festgestellten Rechtsver-hältnisses ein anderer Streitgegenstand
vorläge. Ein Gläubiger, der [X.] aufgrund des Widerspruchs des Schuldners gegen die rechtliche Qualifi-kation der zur Tabelle angemeldeten Forderung die Feststellung erstritten hat,
dass dieser Anspruch aus [X.] begründet sei,
könnte sich dann nicht auf die Rechtskraft dieses Feststellungsurteils berufen,
wenn er die [X.] nach §
850
f Abs.
2 ZPO beantragte.
Die vom 9
10
-

7

-
[X.] bereits in der Vergangenheit erstrebte einheitliche Ausle-gung der Privilegierungsvorschriften für Ansprüche aus vorsätzlicher unerlaub-ter Handlung (vgl. [X.], Urteil vom 16.
November 2010 -
[X.]
ZR 17/10, Z[X.] 2011, 430
Rn.
8
f; vom
18.
November 2010 -
IX
ZR 67/10, Z[X.]
2011, 102
Rn.
16
f; Beschluss vom 10.
März 2011 -
[X.]I
ZB 70/08, [X.], 944 Rn.
15
f) erscheint daher auch geboten, um die
in der Sache nahe liegende Identität des festzustellenden Rechtsverhältnisses im Sinne der jeweiligen Tatbestände her-zustellen und mehrfache Feststellungsklagen entbehrlich zu machen. In diesem Sinne hat der Senat in der Vergangenheit in solchen Fällen, in welchen der Gläubiger nach einem Widerspruch des Schuldners die Feststellung begehrte, dass
die zur Tabelle angemeldete Forderung aus [X.]
begründet sei, eine Urteilsformel gebilligt, durch welche die Eigenschaft als Anspruch aus vor-sätzlich
begangener unerlaubter Handlung festgestellt wird, ohne dies
im Tenor ausdrücklich auf die Ausnahme von der Restschuldbefreiung gemäß §
302 Nr.
1 [X.] zu beschränken
([X.], Urteil vom 18.
Mai 2006 -
IX
ZR 187/04, Z[X.]
2006, 704
Rn.
3, 12; vom 18.
Januar
2007 -
IX
ZR 176/05, Z[X.]
2007, 265
Rn.
2, 7
ff; vom 12.
Juni 2008 -
IX
ZR 100/07, Z[X.]
2008, 809 Rn.
2, 4
ff; vom 18.
Dezember 2008 -
IX ZR 124/08, Z[X.]
2009, 278
Rn. 2, 5 ff; vom 5.
November 2009 -
IX
ZR 239/07, [X.]Z 183, 77
Rn.
2; vom 2.
Dezember 2010 -
IX
ZR 247/09, Z[X.]
2011, 41
Rn.
3).

3. Nach materiellem Schadensrecht
stellt die vom beklagten [X.] zur Insolvenztabelle angemeldete Forderung keine Verbindlichkeit aus vorsätzlich begangener unerlaubter Handlung dar, weil dem
Kläger zwar ein [X.] anzulasten ist, der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten jedoch nicht aus Deliktsrecht begründet ist.

11
-

8

-

a) Wie der [X.]. Zivilsenat des [X.] nach Erlass des Beru-fungsurteils entschieden hat, stellt der Anspruch der Staatskasse gegen einen verurteilten Straftäter auf Ersatz der Kosten des Strafverfahrens gemäß §
465 Abs.
1 Satz 1 StPO keine Forderung aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung dar
([X.], Urteil vom 16.
November 2010 -
[X.]
ZR 17/10, Z[X.]
2011, 430
Rn.
7). Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Ein Anspruch aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung setzt nicht nur vo-raus, dass der Schuldner eine unerlaubte Handlung begangen hat, sondern auch, dass der Gläubiger seine Forderung
gerade aus dem Recht der unerlaub-ten Handlungen herleiten kann.
Die Staatskasse ist aber nicht allein aus dem Grund
Geschädigter einer unerlaubten
Handlung, weil diese zugleich einen Straftatbestand erfüllt hat. Richten sich Straftaten gegen Rechtsgüter im Sinne des §
823 Abs. 1 [X.], so stehen diese dem Staat nur in Ausnahmefällen wie etwa dem Diebstahl von Staatseigentum
zu. Die materiellen Strafgesetze
und die strafprozessualen Kostenerstattungsvorschriften
stellen auch keine
Schutz-gesetze im Sinne des §
823 Abs.
2 [X.] zur
Verschonung
der Staatskasse vor der Belastung mit den Kosten
des Strafverfahrens dar, weil nur auf den Schutz von Individualinteressen zugeschnittene Bestimmungen Schutzgesetzcharakter haben können (vgl. [X.], Urteil vom 3.
Februar 1987 -
[X.]
ZR 32/86, [X.]Z 100, 13, 14
f, st.Rspr.). Die Schaffung von Strafgesetzen dient auch
nicht dem Schutz der Allgemeinheit
vor der Belastung mit den Kosten des Strafverfahrens, sondern zieht diese Kosten erst nach sich.

b) Nichts anderes gilt im Ergebnis für den
Anspruch auf Erstattung der notwendigen Auslagen des [X.] gegen
einen verurteilten Straftäter, welchem diese Kosten
gemäß §
472 Abs.
1 Satz
1 StPO auferlegt worden sind. Auch dieser Anspruch
ist nicht aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Hand-12
13
14
-

9

-
lung begründet,
weil die Nebenklagekosten außerhalb des Schutzbereichs der Deliktstatbestände liegen und daher
schadensrechtlich nicht erstattungsfähig sind (ebenso
LG Hannover, [X.] 1982, 232 [zu §
850
f Abs.
2 ZPO]; MünchKomm-[X.]/[X.], 2.
Aufl. §
302 Rn.
8; FK-[X.]/[X.], 6.
Aufl. §
302 Rn.
11; HambKomm-[X.]/Streck, 3.
Aufl. §
302 Rn.
7; [X.]/
Schütze/[X.], aaO, §
850
f Rn.
26;
Brei,
Entschuldung [X.], 2005, S.
117
ff, 137; [X.], [X.] Forderungen und Restschuldbefreiung, 2009, S.
43; a.A. [X.],
[X.], §
302 Rn.
4; [X.] in Leonhard/[X.]/[X.], [X.], 3.
Aufl., §
302 Rn.
7; [X.]/[X.], 3.
Aufl. §
850
f Rn.
14).

aa) Der Umstand, dass ein aufgrund einer Kostenentscheidung beste-hender Erstattungsanspruch prozessrechtlicher Natur ist, hindert dessen Quali-fikation als Anspruch aus [X.] nicht, wenn daneben ein [X.] nach materiellem Schadensrecht
besteht.

(1) Ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch kann zugleich aus ma-teriellem Recht begründet sein. Nach materiellem Schadensrecht erfasst der Schadensersatzanspruch aus §§
823
ff, §§
249
ff [X.] auch die den [X.] nach erforderlichen Kosten der Rechtsverfolgung ([X.], Urteil vom 8.
November 1994 -
[X.]
ZR 3/94, [X.]Z 127, 348, 350
mwN). Dieser
materiell-rechtliche
Anspruch auf Erstattung von Rechtsverfolgungskosten wird überla-gert, wenn der Geschädigte im Prozess obsiegt und hierdurch einen durchsetz-baren prozessualen Erstattungsanspruch erlangt ([X.], Urteil vom 9.
März 1976 -
[X.]
ZR 98/75, [X.]Z 66, 112, 124; [X.]/[X.], [X.], 2005, §
251 Rn.
115). Der Geschädigte kann seinen materiell-rechtlichen Anspruch auf Erstattung der aufgewandten Prozesskosten dann regelmäßig wegen feh-lenden [X.] nicht im Wege einer Leistungsklage geltend machen, weil ihm mit dem Kostenfestsetzungsverfahren ein schnellerer und 15
16
-

10

-
einfacherer Weg zur Verfügung steht ([X.], Urteil vom 6.
November 1979 -
[X.]
ZR 254/77, [X.]Z 75, 230, 235). Ein gleichermaßen prozessual wie [X.] begründeter Kostenerstattungsanspruch besitzt damit eine [X.] (vgl. [X.], Urteil vom 24.
April 1990 -
[X.]
ZR 110/89, [X.]Z 111, 168, 178;
[X.]/Giebel, 3.
Aufl., Vor §§
91
ff Rn.
14, 16).

(2) Ist
der prozessuale Erstattungsanspruch zugleich
aus materiellem Recht begründet, so muss er auch die Qualifikation als Anspruch aus vorsätz-lich
begangener unerlaubter Handlung teilen
(vgl. Brei,
Entschuldung [X.], 2005, S.
104
f; [X.], [X.] Forderungen und Restschuldbefreiung, 2009, S.
43). Der Anspruch auf Erstattung der zur Verfolgung von Ansprüchen aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung aufgewandten Prozesskosten unterfällt daher
ebenfalls
denjenigen
Bestimmungen, welche Forderungen aus Vorsatz-delikt privilegieren ([X.], Urteil vom 18. November 2011 -
IX ZR 67/10, Z[X.] 2011,
102
Rn. 15 ff
[zu §
302 Nr. 1 [X.]]; Beschluss vom 10.
März 2011 -
[X.]I ZB 70/08, [X.], 944 Rn.
14 ff
[zu §
850
f Abs.
2 ZPO]).

[X.])
Der strafprozessuale Anspruch auf Erstattung der Kosten einer erho-benen Nebenklage gemäß §
472 Abs.
1 Satz
1, Abs.
2 StPO ist hingegen allein prozessualer Natur und nicht auch aus materiellem
Recht begründet.

(1) Der Geschädigte einer unerlaubten Handlung kann diese Kosten nach allgemeiner Auffassung nicht im [X.] geltend machen, wenn ihm nach den strafprozessrechtlichen Kostenvorschriften kein [X.] zugesprochen
worden ist. Wird der Angeklagte im Strafprozess freige-sprochen, so mag der Geschädigte zwar aufgrund desselben [X.] im Zivilprozess eine Verurteilung auf Schadensersatz erreichen, die im [X.] angefallenen Nebenklagekosten kann er dabei aber
nicht als Schaden 17
18
19
-

11

-
beanspruchen ([X.], Urteil vom 17.
Mai 1957 -
[X.]
ZR 63/56, [X.]Z 24, 263, 266
ff; vom 18.
Mai 1966 -
I
ZR 73/64, [X.]Z 45, 251, 257). Dasselbe gilt, wenn das Strafverfahren eingestellt wird und das Strafgericht im Rahmen einer Er-messenentscheidung (vgl. §
472 Abs.
2 StPO) davon absieht, dem Angeklagten die Kosten der Nebenklage aufzuerlegen ([X.], Urteil vom 24.
September 1957 -
[X.]
ZR 300/56, NJW 1957, 1878; vgl. auch [X.], Urteil vom 20.
Mai 1958 -
[X.]
ZR 127/57, NJW 1958, 1044). Im Ergebnis kann der Geschädigte einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung damit die Erstattung der Kosten seiner im Strafverfahren erhobenen Nebenklage nur aus einem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nach Maßgabe der Strafprozessordnung verlangen.

(2) An dieser Rechtsprechung ist festzuhalten. Sie trifft zu.

(a) Ein materiell-rechtlicher Erstattungsanspruch des Geschädigten einer unerlaubten Handlung auf Ersatz der Vergütung des [X.] scheidet von vornherein aus, soweit der Geschädigte selbst seinem anwaltli-chen Vertreter keine Vergütung schuldet.
20
21
-

12

-

Wird zur Vertretung des [X.] ein Rechtsanwalt gemäß §
397a Abs.
1 StPO bestellt oder gemäß §
397a Abs.
2 StPO im Wege der [X.] beigeordnet, so kann dieser seine Vergütung gemäß §
45 Abs.
1 [X.] gegenüber der Staatskasse abrechnen. Aus §
53 Abs.
2 Satz 1
[X.], §
126 ZPO steht dem [X.] zudem ein Anspruch gegen den Verurteilten zu, welchem die Auslagen des [X.] auferlegt worden sind (AnwK-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
53 Rn.
7; [X.]/[X.], [X.], 19.
Aufl., §
53 Rn.
10; [X.]/Schons/Enders, [X.], §
53 Rn.
14, 21). Der Nebenkläger selbst haftet hingegen gemäß §
53 Abs.
2 Satz 1 [X.], §
122 Abs.
1 Nr.
3 ZPO in Verbindung mit §
397a
Abs.
2 StPO grundsätzlich nicht für die Vergütung seines gerichtlich bestellten oder beigeordneten anwalt-lichen Vertreters ([X.]/[X.], [X.] Straf-
und Bußgeldsachen, 2.
Aufl., Teil
[X.] §
53 [X.] Rn.
2
f; [X.]/Schons/Enders, aaO, §
53 Rn.
9
f, 17). Ein materiell-rechtlicher Ersatzanspruch kann
daher hier im Hinblick auf die Kosten der Nebenklage schon deshalb nicht bestehen, weil der Nebenkläger
insoweit keinen Schaden erlitten hat. Soweit die Staatskasse für die [X.] Rechtsanwaltsvergütung beim Verurteilten
Regress nimmt, wenn die-sem die Kosten der Nebenklage auferlegt worden sind (§
472 Abs.
1 Satz
1 StPO, §
59 [X.])
oder der [X.] seine Vergütung unmittelbar vom Verurteilten fordert, sind diese Erstattungsansprüche rein prozessualer Natur, weil die Staatskasse und der [X.] nicht Geschädigte der unerlaubten Handlung sind
(vgl. zur Prozesskostenhilfe Brei, Entschuldung [X.], 2005, S.
114
f).

(b) Auch soweit der Nebenkläger selbst die Vergütung seines anwaltli-chen Vertreters schuldet, ist dessen Kostenerstattungsanspruch gegen den Verurteilten aus §
472 Abs.
1 Satz
1 StPO nicht zugleich aus materiellem Recht begründet.

22
23
-

13

-

Der [X.] hat einen materiell-rechtlichen Kostenerstat-tungsanspruchs des [X.] nach einem Freispruch im Strafverfahren zwar im Wesentlichen mit der
Spezialität der strafprozessualen [X.] begründet, zugleich aber auch auf den unterschiedlichen Schutzzweck des Strafverfahrens gegenüber dem auf Wiedergutmachung [X.] Zivilprozess hingewiesen ([X.], Urteil vom 17.
Mai 1957 -
[X.]
ZR 63/56, [X.]Z 24, 263, 267). Anknüpfend an diese zuletzt genannte Erwägung wird in der Instanzrechtsprechung und im Schrifttum überwiegend angenommen, Ne-benklagekosten seien deshalb nicht als Schadensersatz aus unerlaubter Hand-lung ersatzfähig, weil diese außerhalb des Schutzbereichs der verletzten [X.] ([X.], [X.], 831; [X.], [X.], 1111, 1112; [X.], Urteil vom 25.
August 1976 -
8
S 154/76,
juris; [X.], Urteil vom 17.
Oktober 1989 -
3
S 231/80, juris; [X.], NJW-RR 1989, 1369; MünchKomm-[X.]/[X.], 5.
Aufl., §
249 Rn.
182; [X.]/[X.]/[X.], [X.], 2.
Aufl., §
249 Rn.
78; [X.]/[X.], [X.], 13.
Aufl., Vor §§
249-254 Rn.
32; Brei, Entschuldung [X.], 2005, S.
125
ff; differenzierend [X.]/[X.], [X.], 2005, §
251 Rn.
119; a.[X.], NJW-RR 1988, 1434
f).
Diese Auffassung trifft zu. Der Ver-letzte einer Straftat
kann keinen Ersatz für die Auslagen verlangen, welche durch die Einleitung des Strafverfahrens gegen den Straftäter entstanden sind. So erstreckt sich etwa der Eigentumsschutz des Verletzten eines Diebstahls
nicht auf die Verwirklichung des Strafanspruchs;
der Ersatzanspruch wird durch die Aufgabe der verletzten Haftungsnorm begrenzt ([X.], Urteil vom 6.
November 1979 -
[X.]
ZR 254/77, [X.]Z 75, 230, 235). Liegt das Interesse des Geschädigten an der Bestrafung des Schädigers damit außerhalb des Schutz-bereichs der zivilrechtlichen Haftungsnorm, so ist der Kostenerstattungsan-spruch des als Nebenkläger aufgetretenen Geschädigten nach den Regelungen 24
-

14

-
der Strafprozessordnung
allein
prozessualer Natur und nicht zugleich aus mate-riellem Recht begründet.

c) Der
Senat weist ergänzend darauf hin, dass der
Anspruch auf [X.] der Kosten der Nebenklage auch dann keine Forderung aus vorsätzlich
begangener unerlaubter Handlung darstellt, wenn der anwaltliche Vertreter
des [X.]
für diesen im Strafprozess zugleich einen Schadensersatzan-spruch im Wege des [X.] gemäß §
403
ff StPO geltend ge-macht
hat. Zwar liegen nach materiellem Recht ersatzfähige Rechtsverfol-gungskosten vor, soweit die Aufwendungen für das Adhäsionsverfahren zur Durchsetzung des Schadensersatzanspruchs erforderlich waren. Dem Kosten-erstattungsanspruch
des Geschädigten aus §
472a Abs.
1 StPO
kommt damit ebenso wie einem zivilprozessualen Kostenerstattungsanspruch eine [X.] zu, so dass dieser Anspruch die Qualifikation des Schadensersatzan-spruchs als Forderung aus vorsätzlicher unerlaubter Handlung teilt. Diese recht-liche Qualifikation beschränkt sich jedoch stets auf die Kosten des Adhäsions-verfahrens
(vgl. dazu [X.], [X.] Straf-
und Bußgeldsachen, 2.
Aufl., Teil [X.], Nr.
4143 VV
[X.] Rn.
13
ff)
und erstreckt sich nicht auf den Anspruch aus §
472 Abs. 1 Satz 1 StPO auf Erstattung der Nebenklagekosten. Von der Ertei-lung der Restschuldbefreiung ausgenommen (§
302 Nr.
1 [X.]) wären in einem solchen Fall nur die durch das Adhäsionsverfahren verursachten Kosten.
Auch in diesem Fall sind die Strafverfolgungskosten
der Befriedigung des persönli-chen Strafbedürfnisses des Opfers zuzuordnen und fallen deshalb nicht in den Anwendungsbereich des §
302 Nr.
1 [X.]. Eine Lücke hinsichtlich des Schut-zes des Geschädigten bei der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Schadens-ersatzansprüche entsteht deshalb nicht. Das Interesse an der Durchführung eines Strafverfahrens gegen den Schadensverursacher reicht auch in diesem

25
-

15

-
Sonderfall nicht aus, um zu einer Aufwertung der Forderung hinsichtlich der Auslagen des Geschädigten im Strafverfahren zu gelangen.

Kayser
[X.]
[X.]

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 18.03.2010 -
9 O 2815/08 -

OLG Dresden, Entscheidung vom 28.07.2010 -
13 U 539/10 -

Meta

IX ZR 151/10

21.07.2011

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.07.2011, Az. IX ZR 151/10 (REWIS RS 2011, 4475)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 4475

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VI ZR 17/10 (Bundesgerichtshof)


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IX ZR 151/10

IX ZR 67/10

VII ZB 70/08

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