Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2015, Az. IV R 44/12

4. Senat | REWIS RS 2015, 12581

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Gegenstand

Betriebliche Veranlassung der Kosten einer Anteilsübertragung - Gewährung rechtlichen Gehörs - Kostentragung und Kostenerstattung des Beigeladenen


Leitsatz

NV: Die Übernahme der den Gesellschaftern durch eine Anteilsübertragung entstehenden Kosten durch die Gesellschaft ist regelmäßig nicht betrieblich veranlasst.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.] vom 17. März 2011  4 K 582/2009 wird mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass der Hilfsantrag der Klägerin bereits unzulässig war.

Die Kosten des Revisionsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst zu tragen hat, hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

1

I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine gewerblich tätige [X.] mit vom Kalenderjahr abweichendem Wirtschaftsjahr vom 1. Juli bis 30. Juni. Gesellschafter waren zunächst die [X.] als Komplementärin ohne Kapitalbeteiligung und [X.] als einziger Kommanditist.

2

Mit Wirkung zum 9. Dezember 2002 übertrug [X.] einen Teil seiner Kommanditbeteiligung auf seine [X.]hefrau ([X.]). Mit notariellem Vertrag vom 19. Dezember 2002 übertrug [X.] den verbleibenden Anteil mit Wirkung zum 30. Dezember 2002 auf seinen [X.] [X.]. Darüber hinaus übertrug er in diesem Vertrag ein an die Klägerin vermietetes Grundstück auf [X.]. Als Gegenleistung verpflichtete sich [X.], ein im [X.]onderbetriebsvermögen des [X.] gehaltenes Darlehen in Höhe von ca. 5.700 € zu übernehmen und an diesen einen monatlichen Geldbetrag in Höhe von 5.000 € als dauernde Last bis zu dessen Tod zu zahlen. Im Vertrag wurde zudem vereinbart, dass die Kosten für die Beurkundung, für erforderliche Genehmigungen und für den Vollzug des [X.] zu tragen habe. Dementsprechend stellte der beurkundende Notar unter dem 19. Dezember 2002 dem [X.] Notarkosten in Höhe von … in Rechnung, die durch die Klägerin beglichen wurden.

3

Mit Wirkung zum … Januar 2003 übertrug [X.] ihre Kommanditanteile auf [X.].

4

Mit Bescheid über die gesonderte und einheitliche [X.]eststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheid) vom … stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das [X.]inanzamt --[X.]A--) für 2003 --im Wesentlichen erklärungsgemäß-- unter Vorbehalt der Nachprüfung [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € fest. Mit Bescheid vom … änderte das [X.]A den Bescheid antragsgemäß hinsichtlich der --hier nicht [X.] anrechenbaren Kapitalertragsteuer.

5

Im [X.] an eine Außenprüfung vertrat das [X.]A die Auffassung, dass die Notarkosten --entgegen der der [X.]eststellungserklärung der Klägerin zugrunde liegenden [X.] nicht als Betriebsausgaben bei der [X.]rmittlung des Gesamthandsgewinns zu berücksichtigen seien. Vielmehr sei die Zahlung durch die Klägerin als [X.]ntnahme zu werten. Mit Änderungsbescheid für 2003 vom … stellte das [X.]A daraufhin --unter Berücksichtigung weiterer im Rahmen der Außenprüfung getroffener [X.]eststellungen-- [X.]inkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von … € fest.

6

Der hiergegen gerichtete, durch den ausgeschiedenen Gesellschafter [X.] eingelegte [X.]inspruch blieb ohne [X.]rfolg. Nach Hinzuziehung der Klägerin und der [X.] wies das [X.]A den [X.]inspruch als unbegründet zurück.

7

Das [X.]inanzgericht ([X.]G) wies die hiergegen gerichtete Klage der Klägerin nach Beiladung des [X.] aus den in [X.]ntscheidungen der [X.]inanzgerichte 2011, 1688 abgedruckten Gründen als unbegründet ab.

8

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der Revision und rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das [X.]G habe unter Missachtung des § 4 Abs. 4 des [X.]inkommensteuergesetzes in der im [X.]treitjahr gültigen [X.]assung ([X.][X.]tG) betrieblich veranlasste Notarkosten nicht zum Betriebsausgabenabzug zugelassen. Zudem macht die Klägerin Verfahrensfehler geltend. Das Urteil verstoße gegen den Inhalt der Akten. Das [X.]G habe seine [X.]achaufklärungspflicht verletzt und kein rechtliches Gehör gewährt.

9

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das vorinstanzliche Urteil aufzuheben und den [X.] in Gestalt der [X.]inspruchsentscheidung vom … dahin zu ändern, dass der Gesamthandsgewinn der Klägerin, hilfsweise der Gewinnanteil des [X.], um die Notarkosten in Höhe von 10.939,61 € gemindert wird.

Das [X.]A beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

[X.] ist Rechtsnachfolger der mit [X.]enatsbeschluss vom … beigeladenen [X.] und [X.]. Mit [X.]chriftsatz vom … hat [X.] das gemäß § 155 der [X.]inanzgerichtsordnung ([X.]GO) i.V.m. § 239 Abs. 1 der Zivilprozessordnung unterbrochene Revisionsverfahren aufgenommen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision der Klägerin ist unbegründet und mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass der im Klageverfahren gestellte Hilfsantrag der Klägerin bereits unzulässig war (§ 126 Abs. 2 [X.]O). Das [X.] ist im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass die Notarkosten den [X.] der Klägerin nicht mindern (dazu II.2.). Ob die Notarkosten den dem [X.] zuzurechnenden Gewinnanteil mindern können, durfte das [X.] indes sachlich nicht entscheiden, da die Klage insoweit bereits unzulässig war (dazu II.3.). Die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (dazu II.4.).

1. Der [X.]enat legt das Klage- und Revisionsbegehren der Klägerin dahin aus, dass sie die Berücksichtigung der Notarkosten in Höhe von … € als den [X.], hilfsweise als den dem [X.] zuzurechnenden Gewinnanteil mindernde Betriebsausgabe begehrt.

a) Als prozessuale Willenserklärungen sind Klage- und Revisionsschrift in gleicher Weise wie Willenserklärungen im [X.]inne des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) analog § 133 BGB auszulegen. Dabei sind zur Bestimmung des Gegenstands des Klagebegehrens (vgl. § 65 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]O) alle bekannten und vernünftigerweise erkennbaren Umstände tatsächlicher und rechtlicher Art zu berücksichtigen (vgl. z.B. Urteil des [X.] --B[X.]H-- vom 23. [X.]ebruar 2012 IV R 32/09, [X.], 1479, m.w.N.). An die [X.]assung der Anträge ist das Gericht nicht gebunden (§ 96 Abs. 1 [X.]atz 2 [X.]O).

b) Die Klage gegen einen [X.]eststellungsbescheid kann verschiedene Ziele verfolgen. Ein [X.]eststellungsbescheid fasst einzelne [X.]eststellungen von Besteuerungsgrundlagen zusammen, die --soweit sie eine rechtlich selbständige Würdigung enthalten und eines rechtlich selbständigen [X.]chicksals fähig sind-- selbständiger Gegenstand des Klagebegehrens sein können. [X.]olche selbständigen [X.]eststellungen sind insbesondere die Qualifikation der Einkünfte, das Bestehen einer Mitunternehmerschaft, die Höhe des [X.], des laufenden Gewinns, eines Veräußerungsgewinns oder eines [X.]ondergewinns bzw. einer [X.]ondervergütung (vgl. z.B. B[X.]H-Urteil vom 1. Juli 2010 IV R 34/07, [X.], 2246, m.w.N.).

c) Im [X.]treitfall wendet sich die Klägerin sowohl im Klageverfahren als auch im Revisionsverfahren gegen die Nichtberücksichtigung der Notarkosten in Höhe von insgesamt … €. Weder dem Klage- noch dem [X.] lässt sich dabei eine Beschränkung auf den [X.] entnehmen. Der [X.]enat legt das Begehren der Klägerin daher dahin aus, dass sie zwar vorrangig --wie von ihr ursprünglich bereits in ihrer im Rahmen der [X.]eststellungserklärung eingereichten Gewinnermittlung berücksichtigt-- eine Minderung des [X.]s begehrt, hilfsweise aber auch eine Berücksichtigung im Rahmen des den [X.] betreffenden Gewinnanteils geltend macht.

2. In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das [X.] entschieden, dass die Zahlung der Notarkosten durch die Klägerin den [X.] der [X.] nicht mindere und das [X.] den Vorgang zu Recht als Entnahme beurteilt habe.

a) Gemäß § 4 Abs. 1 [X.]atz 2 E[X.]tG sind Entnahmen alle Wirtschaftsgüter, die der [X.]teuerpflichtige dem Betrieb für sich, für seinen Haushalt oder für andere betriebsfremde Zwecke entnommen hat. Betriebsausgaben sind demgegenüber Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlasst sind (§ 4 Abs. 4 E[X.]tG).

b) Wie das [X.] zu Recht ausführt, betrifft die Auswechslung der [X.]er aufgrund einer [X.] grundsätzlich nur das [X.]sverhältnis. Der Betrieb der [X.] bleibt dadurch in der Regel unberührt. Die Übernahme der den [X.]ern durch die [X.] entstehenden Kosten ist daher regelmäßig nicht betrieblich veranlasst.

Dahinstehen kann, ob und ggf. in welchen [X.]ällen eine [X.] ein steuerlich anzuerkennendes Interesse an der Beteiligung einer bestimmten Person als [X.]er haben kann. Denn das [X.] hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise entschieden, dass die Klägerin ein entsprechendes betriebliches Interesse an der Beteiligung gerade des [X.] jedenfalls nicht nachgewiesen habe und deshalb davon auszugehen sei, dass die Beteiligung des [X.] aus privaten Gründen erfolgt sei. Es hat dabei in zulässiger Weise entscheidend darauf abgestellt, dass es sich bei dem Erwerber um den [X.]ohn des bisherigen Betriebsinhabers handelte und keine für den Betrieb der Klägerin bedeutsame besondere Qualifikation des [X.] dargelegt worden sei.

[X.]oweit die Klägerin im Revisionsverfahren vorträgt, sie sei im Innenverhältnis verpflichtet gewesen, die Notarkosten zu tragen, ist dies schon deshalb unbeachtlich, weil es sich um einen neuen Tatsachenvortrag handelt, der im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden darf (§ 118 Abs. 2 [X.]O sowie ständige Rechtsprechung; vgl. z.B. B[X.]H-Urteile vom 12. Juni 2013 [X.], [X.], 28, B[X.]tBl II 2013, 907; vom 19. [X.]eptember 2002 IV R 45/00, [X.], 317, B[X.]tBl II 2003, 21, m.w.N.).

3. Ebenfalls dahinstehen kann, ob --wie die Klägerin sowohl im Klage- als auch im Revisionsverfahren hilfsweise begehrt-- die Notarkosten im Rahmen des dem [X.] zuzurechnenden Gewinnanteils (ggf. über Korrekturen in einer Ergänzungsbilanz oder als [X.]onderbetriebsausgaben in der [X.]onderbilanz des [X.]) zu berücksichtigen sein könnten. Denn insoweit war die Klage bereits unzulässig.

Als zum Einspruchsverfahren des [X.] konnte die Klägerin den angegriffenen Änderungsbescheid mit ihrer Klage nur in dem Umfang angreifen, in dem er durch einen zulässigen Einspruch des [X.] angegriffen worden war. [X.] war durch eine etwa unterlassene Berücksichtigung der Notarkosten im Rahmen des dem [X.] zuzurechnenden Gewinnanteils jedoch nicht beschwert und daher insoweit nicht einspruchsbefugt.

4. Die von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensrügen greifen nicht durch.

a) Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 [X.]O) liegt nicht vor. Das Recht der Beteiligten auf Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. z.B. B[X.]H-Urteil vom 30. August 2012 IV R 44/10, B[X.]H/NV 2013, 376). Die Gewährung des rechtlichen Gehörs bedeutet jedoch nicht, dass das Gericht die Klägerin "erhören", sich also ihren rechtlichen Ansichten oder ihrer [X.]achverhaltswürdigung anschließen müsste (z.B. B[X.]H-Beschluss vom 12. Dezember 2012 V B 70/12, B[X.]H/NV 2013, 515). Allein daraus, dass das [X.] aus dem [X.]achverhalt andere [X.]chlüsse zieht als die Klägerin, ergibt sich mithin kein Verstoß gegen das Recht auf Gehör.

b) [X.]oweit die Klägerin geltend macht, das [X.] habe gegen die ihm obliegende [X.]achaufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]O) und den klaren Inhalt der Akten verstoßen (§ 96 Abs. 1 [X.]atz 1 [X.]O) sieht der [X.]enat von einer Begründung ab (§ 126 Abs. 6 [X.]O).

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 [X.]O. Dem Beigeladenen können nach § 135 Abs. 3 [X.]O keine Kosten auferlegt werden, da er weder einen [X.]achantrag gestellt noch ein Rechtsmittel eingelegt hat. Da er das Verfahren weder durch [X.]achvortrag noch durch die [X.]tellung eines eigenen [X.]achantrags wesentlich gefördert hat, entspricht es nicht der Billigkeit, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen nach § 139 Abs. 4 [X.]O aufzuerlegen (vgl. B[X.]H-Beschluss vom 29. Mai 2009 IV B 143/08, B[X.]H/NV 2009, 1452).

Meta

IV R 44/12

16.04.2015

Bundesfinanzhof 4. Senat

Urteil

vorgehend FG Nürnberg, 17. März 2011, Az: 4 K 582/2009, Urteil

§ 4 Abs 4 EStG 2002, § 96 Abs 2 FGO, Art 103 Abs 1 GG, § 135 Abs 3 FGO, § 139 Abs 4 FGO, § 15 Abs 1 S 1 Nr 2 EStG 2002

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 16.04.2015, Az. IV R 44/12 (REWIS RS 2015, 12581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 12581

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