Bundessozialgericht, Urteil vom 11.07.2019, Az. B 14 AS 23/18 R

14. Senat | REWIS RS 2019, 5557

© Bundessozialgericht, Dirk Felmeden

ARBEITSLOSENGELD WECHSELMODELL WOHNBEDARF ELTERN

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Gegenstand

Arbeitslosengeld II - Mehrbedarf für Alleinerziehende - familienrechtliches Wechselmodell - Anerkennung eines doppelten Unterkunftsbedarfs des Kindes - gleichwertiger Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern - kein Wahlrecht der Eltern


Leitsatz

1. Alleinerziehenden steht beim familienrechtlichen Wechselmodell weiterhin der hälftige Mehrbedarf zu (Festhalten an BSG vom 3.3.2009, B 4 AS 50/07 R = BSGE 102, 290 = SozR 4-4200 § 21 Nr 5).

2. Betreuen getrennt lebende Eltern ihr Kind gleichmäßig im Sinne eines familienrechtlichen Wechselmodells, hat das Kind einen grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 8. März 2018 - [X.] AS 4184/16 - wird zurückgewiesen.

Der Beklagte hat den Klägern die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand

1

Im Streit stehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Januar bis Juni 2015.

2

Der Kläger zu 1 ist Vater der 2003 und 2005 geborenen Kläger zu 2 und 3, die sich im streitbefangenen Zeitraum zu gleichen Anteilen bei der getrennt lebenden Mutter und bei ihm aufhielten. Auf den Widerspruch gegen die vorläufige Bewilligung aufstockender existenzsichernder Leistungen entschied das beklagte Jobcenter abschließend über die streitbefangenen Ansprüche (Widerspruchsbescheid vom [X.]). Dabei teilte es die Aufwendungen für Unterkunft und Heizung kopfteilig auf die Kläger auf und legte der Festsetzung einen monatlichen Durchschnittsverdienst des [X.] zu 1 zugrunde. Die Anerkennung eines anteiligen Mehrbedarfs bei [X.] lehnte es ab.

3

Das [X.] hat den Beklagten unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids zur Gewährung existenzsichernder Leistungen dem Grunde nach unter Berücksichtigung eines hälftigen Mehrbedarfs für [X.] und des tatsächlichen monatlichen Einkommens des [X.] zu 1 sowie zu weiteren Leistungen für die Kläger zu 2 und 3 verurteilt (Urteil vom 8.3.2018). Die Ansprüche bestimmten sich nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 41a [X.]B II monatsweise. Bei einem familienrechtlichen Wechselmodell - wie hier praktiziert - sei zwar die kopfteilige Aufteilung der Unterkunftskosten nicht zu beanstanden, jedoch habe der Kläger zu 1 Anspruch auf einen anteiligen Mehrbedarf bei [X.].

4

Mit der vom [X.] zugelassenen Sprungrevision rügt der Beklagte sinngemäß eine Verletzung von § 41a und § 21 Abs 3 [X.]B II. Die Erwägungen des B[X.] zum Mehrbedarf bei [X.] beim familienrechtlichen Wechselmodell überzeugten jedenfalls mit Blick auf das Alter der Söhne nicht.

5

Der Beklagte beantragt,
das Urteil des [X.] vom 8. März 2018 - [X.] AS 4184/16 - aufzuheben und die Klagen abzuweisen, soweit er zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts unter Berücksichtigung des monatsweisen Einkommens des [X.] zu 1 sowie eines hälftigen Mehrbedarfs bei [X.] verurteilt worden ist.

6

Die Kläger verteidigen die angegriffene Entscheidung und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision des Beklagten ist unbegründet (§ 170 Abs 1 Satz 1 [X.]G). Zutreffend hat das [X.] entschieden, dass in die Bemessung existenzsichernder Leistungen nach dem [X.]B II bei der abwechselnden Betreuung minderjähriger [X.]inder nach dem familienrechtlichen Wechselmodell neben deren anteiligen Unterkunftskosten - wie vom Beklagten zu Recht einbezogen - unabhängig von ihrem Alter ein hälftiger Mehrbedarf bei [X.] einzustellen und das Einkommen des [X.] zu 1 hier (noch) monatsweise zu berücksichtigen ist.

8

1. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist neben dem Urteil des [X.] der Widerspruchsbescheid vom [X.] - der die ursprüngliche vorläufige Bewilligung für Januar bis Juni 2015 abschließend ersetzt hat (§ 39 Abs 2 [X.]B X; vgl näher B[X.] vom [X.] AS 18/16 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]0) -, soweit der Beklagte unter dessen Änderung verurteilt worden ist, den [X.]lägern höhere Leistungen unter Berücksichtigung eines hälftigen Mehrbedarfs bei [X.] und des monatlichen Einkommens des [X.] zu 1 zu zahlen. Soweit der Widerspruchsbescheid danach noch im Streit steht - gegen den Ausspruch des [X.] im Zusammenhang mit der Dauer des Aufenthalts seiner Söhne beim [X.]läger zu 1 wendet sich der Beklagte nicht - verfolgen die [X.]läger ihr [X.] zutreffend mit kombinierten Anfechtungs- und Leistungsklagen (§ 54 Abs 1 Satz 1 und Abs 4 [X.]G), zulässig gerichtet auf die Verurteilung des Beklagten dem Grunde nach (§ 130 Abs 1 Satz 1 [X.]G; vgl letztens B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/18 R - vorgesehen für B[X.]E und [X.] 4).

9

2. Die Sprungrevision ist zulässig. Nach § 161 Abs 1 Satz 1 [X.]G steht den Beteiligten die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und sie vom [X.] im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird; nach § 161 Abs 1 Satz 3 [X.]G ist die Zustimmung des Gegners der Revisionsschrift beizufügen, wenn die Revision im Urteil zugelassen ist. Das [X.] hat die Sprungrevision im Urteil vom 8.3.2018 zugelassen, die [X.]läger haben ihrer Einlegung zugestimmt.

3. Rechtsgrundlage des Anspruchs der [X.]läger auf (ergänzende) existenzsichernde Leistungen für Januar bis Juni 2015 ist § 19 iVm §§ 7 ff und §§ 20 ff [X.]B II idF, die das [X.]B II vor dem streitbefangenen [X.]raum zuletzt durch das [X.] ([X.]) erhalten hat; denn in Rechtsstreitigkeiten über schon abgeschlossene Bewilligungszeiträume ist das zum damaligen [X.]punkt geltende Recht anzuwenden (Geltungszeitraumprinzip; vgl B[X.] vom 19.10.2016 - [X.] [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]4 f). Daran ändert nichts, dass zwischenzeitlich § 41a [X.]B II mit (auch) materiell abweichenden Regularien zur abschließenden Entscheidung über zunächst vorläufig bewilligte Leistungen in [X.] getreten ist (zum [X.] eingefügt durch das [X.] zur Änderung des [X.] - sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom [X.], [X.] 1824). Wie der [X.] bereits ausgesprochen hat, ergeht eine abschließende Entscheidung zu einer nach alter Rechtslage erlassenen vorläufigen Bewilligung nach neuem Recht nur, wenn der Bewilligungszeitraum bei Inkrafttreten der Neuregelung noch nicht beendet war (B[X.] vom 12.9.2018 - B 4 AS 39/17 R - B[X.]E 126, 294 = [X.] 4-4200 § 41a [X.], Rd[X.]1 ff); so liegt es hier nicht.

a) Die Grundvoraussetzungen, um [X.] und Sozialgeld zu erhalten (§ 7 Abs 1 Satz 1 und Abs 2 Satz 1 [X.]B II), erfüllten die miteinander in (temporärer) Bedarfsgemeinschaft lebenden [X.]läger (§ 7 Abs 3 [X.] und [X.] 4 [X.]B II; vgl grundlegend B[X.] vom 7.11.2006 - B 7b [X.] - B[X.]E 97, 242 = [X.] 4-4200 § 20 [X.], Rd[X.]7 ff); ebenso lag kein Ausschlusstatbestand vor, wie sich aus dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] ergibt.

b) Von dem hälftigen Mehrbedarf des [X.] zu 1 bei [X.] (dazu unter 4.) abgesehen hat der Beklagte als Bedarfe der [X.]läger zutreffend berücksichtigt den Regelbedarf des [X.] zu 1 in Höhe von 399 Euro (§ 20 Abs 2 Satz 1 [X.]B II iVm § 2 der [X.] 2015 vom 14.10.2014, [X.] 1618), zudem die kopfteilig umzulegenden Bedarfe für Unterkunft und Heizung (§ 22 Abs 1 Satz 1 [X.]B II; dazu unter 5.) in Höhe von jeweils 1/3 der tatsächlichen, nach dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des [X.] angemessenen [X.]osten von insgesamt 401,70 Euro, und er wendet sich im Revisionsverfahren nicht mehr gegen die Entscheidung des [X.] zur Höhe des bei den [X.]lägern zu 2 und 3 zu berücksichtigenden anteiligen Regelbedarfs für die Dauer des Aufenthalts bei ihrem Vater (vgl dazu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/12 R - [X.] 4-4200 § 7 [X.] Rd[X.]7 ff).

c) Von diesen Bedarfen ist das Einkommen des [X.] zu 1 (noch) monatsweise abzusetzen (dazu unter 6.).

4. Zutreffend ist das [X.] davon ausgegangen, dass beim [X.]läger zu 1 ungeachtet des Alters der [X.]läger zu 2 und 3 ein anteiliger Mehrbedarf bei [X.] anzuerkennen ist; dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.

a) Anspruch auf Anerkennung eines Mehrbedarfs bei [X.] besteht nach § 21 Abs 3 [X.]B II bei Personen, die mit einem oder mehreren minderjährigen [X.]indern zusammenleben und allein für deren Pflege und Erziehung sorgen, ua in Höhe von 36 % des nach § 20 Abs 2 [X.]B II maßgebenden Bedarfs, wenn sie mit zwei oder drei [X.]indern unter 16 Jahren zusammenleben ([X.] Alt 2). Eine in diesem Sinne "alleinige Sorge für deren Pflege und Erziehung" liegt nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen [X.]e des B[X.] grundsätzlich ausschließlich dann vor, wenn der hilfebedürftige Elternteil während der Betreuungszeit von dem anderen Elternteil, Partner oder einer anderen Person nicht in einem Umfang unterstützt wird, der es rechtfertigt, von einer nachhaltigen Entlastung auszugehen. Entscheidend ist danach, ob eine andere Person in erheblichem Umfang bei der Pflege und Erziehung mitwirkt (vgl B[X.] vom [X.] - B 4 [X.]/07 R - B[X.]E 102, 290 = [X.] 4-4200 § 21 [X.], Rd[X.]9; B[X.] vom 2.7.2009 - [X.] [X.]/08 R - B[X.]E 104, 48 = [X.] 4-1500 § 71 [X.], Rd[X.]5; B[X.] vom [X.] AS 167/11 R - Rd[X.]5; B[X.] vom 11.2.2015 - B 4 [X.]6/14 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]0 Rd[X.]2). Bezug genommen ist damit auf die besondere Bedarfssituation Alleinerziehender, die dadurch geprägt ist, dass bei diesem Personenkreis - in gleicher Weise wie bei den weiteren von § 21 [X.]B II erfassten Leistungsberechtigten (werdende Mütter, erwerbsfähige behinderte Leistungsberechtigte) - besondere Lebensumstände vorliegen, bei denen typischerweise ein zusätzlicher Bedarf zu bejahen ist (B[X.] vom [X.] - B 4 [X.]/07 R - B[X.]E 102, 290 = [X.] 4-4200 § 21 [X.], Rd[X.]5).

b) Abweichend hiervon kann ein - dann hälftiger - Mehrbedarf bei [X.] nach der Rechtsprechung des B[X.] ausnahmsweise ebenfalls anzuerkennen sein, wenn sich getrennt lebende Eltern bei der Pflege und Erziehung des gemeinsamen [X.]indes in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen abwechseln und sich die anfallenden [X.]osten in etwa hälftig teilen. In dieser [X.]onstellation ist es weder angemessen, Berechtigten den Mehrbedarf bei [X.] gänzlich zu versagen noch erscheint es sachgerecht, ihnen den vollen Mehrbedarf zuzubilligen. Das B[X.] hat deshalb für diese Gestaltung der hälftigen Aufteilung der Pflege und Erziehung die Rechtsfolgen des § 21 Abs 3 [X.]B II teleologisch reduziert und den Mehrbedarf auf die Hälfte der ausdrücklich geregelten Leistung begrenzt (B[X.] vom [X.] - B 4 [X.]/07 R - B[X.]E 102, 290 = [X.] 4-4200 § 21 [X.], Rd[X.]6). Damit ist für das Grundsicherungsrecht der familienrechtlichen Wertung Rechnung getragen, wonach insbesondere beim Anspruch auf den Barunterhalt ausnahmsweise dann nicht zwischen einem (überwiegend) betreuenden und einem (überwiegend) auf die Ausübung des Umgangsrechts beschränkten Elternteil zu unterscheiden ist, wenn ein [X.]ind in etwa gleichlangen Phasen abwechselnd jeweils bei dem einen und dem anderen Elternteil lebt (so genanntes Wechselmodell, vgl letztens nur B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]4 Rd[X.]5 mwN).

c) Hieran ist festzuhalten. Soweit sich die Revision gegen diese Rechtsprechung mit grundsätzlichen Einwänden gegen die gesetzliche Regelung wendet (ähnliche Zweifel bei [X.] in [X.], [X.]B II, § 21 Rd[X.]6.3, Stand Juni 2018), obliegen [X.]orrekturen dem Gesetzgeber und nicht den Gerichten. Das gilt ebenso, soweit die Anerkennung des Mehrbedarfs vom Nachweis dem Grunde nach entstandener Mehrkosten wegen einer anteiligen Betreuung in [X.] abhängen soll; das widerspräche dem pauschalierenden Regelungsansatz des Mehrbedarfs nach § 21 Abs 3 [X.]B II. [X.]ein Anlass besteht vor diesem Hintergrund schließlich, jedenfalls beim familienrechtlichen Wechselmodell von einer Anerkennung des (jeweils hälftigen) [X.] bei der Versorgung von Schulkindern durch teleologische Reduktion abzusehen, wie die Revision geltend macht. Vielmehr gilt weiterhin, dass sich in dieser [X.]onstellation mit einer über einen längeren [X.]raum andauernden (vgl B[X.] vom 12.11.2015 - [X.] [X.]/14 R - [X.] 4-4200 § 21 [X.]4 Rd[X.]8) annähernd gleichen Verteilung der [X.] zwischen den Elternteilen nicht feststellen lässt, wer "allein" die Sorge für Pflege und Erziehung trägt, und deshalb weder eine Zuordnung des [X.] zu ausschließlich einem Elternteil noch ein vollständiger Ausschluss von diesem Mehrbedarf gerechtfertigt erscheint (ebenso [X.] in jurisP[X.]-[X.]B II, 4. Aufl 2015, § 21 Rd[X.] 37 ff; von [X.] in LP[X.]-[X.]B II, 6. Aufl 2017, § 21 Rd[X.]1; [X.], [X.]B II/[X.]B III, § 21 [X.]B II Rd[X.]0, Stand März 2018; [X.][X.], in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 21 Rd[X.] 32; [X.] in [X.]/[X.], [X.]B II, [X.] § 21 Rd[X.] 43, Stand Mai 2011; aA Gerenkamp in [X.]/Zink, [X.]B II, § 21 Rd[X.] 9, Stand Januar 2012; [X.] in [X.], [X.]B II, § 21 Rd[X.]6.3, Stand Juni 2018).

d) So liegt es nach den - bindenden (§ 163 iVm § 161 Abs 4 [X.]G) - Feststellungen des [X.] hier, nachdem der [X.]läger zu 1 im streitgegenständlichen [X.]raum von der Mutter der [X.]läger zu 2 und 3 - die im streitbefangenen [X.]raum jünger als 16 Jahre alt waren - getrennt lebte und sich deren Pflege und Erziehung auf der Grundlage einer längerfristigen Vereinbarung mit ihr zu gleichen Anteilen aufteilte.

5. Zu Recht hat der Beklagte die von ihm in tatsächlicher Höhe anerkannten Bedarfe für Unterkunft und Heizung kopfteilig auf die [X.]läger aufgeteilt. Betreuen getrennt lebende Eltern ihre [X.]inder gleichmäßig im Sinne eines familienrechtlichen Wechselmodells, haben die [X.]inder einen grundsicherungsrechtlich anzuerkennenden Wohnbedarf in den Wohnungen beider Eltern. Soweit das [X.] insoweit von einem Wahlrecht ausgegangen ist und ausgeführt hat, beim Vorliegen eines Wechselmodells sei sowohl die Berücksichtigung des gesamten [X.] beim Elternteil zulässig als auch dessen kopfteilige Aufteilung zwischen dem Elternteil und seinen [X.]indern, ist dem nicht zu folgen. Vielmehr gilt im Zusammenhang mit den Unterkunftsbedarfen in [X.], in denen ein familienrechtliches Wechselmodell praktiziert wird, Folgendes:

a) § 22 [X.]B II dient der Befriedigung des [X.], eine Wohnung als räumlichen Lebensmittelpunkt zu besitzen. Werden mehrere Wohnungen genutzt, ist daher grundsicherungsrechtlich ein Wohnbedarf nur für die Wohnung anzuerkennen, die den Lebensmittelpunkt bildet, also (nur) für die Wohnung, die überwiegend genutzt wird (B[X.] vom 17.2.2016 - B 4 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.] Rd[X.]7; [X.] in Eicher/[X.], [X.]B II, 4. Aufl 2017, § 22 Rd[X.] 38 mwN). Damit im Zusammenhang steht, dass höhere Wohnkosten, die einem umgangsberechtigten Elternteil wegen der Wahrnehmung des Umgangsrechts mit seinem [X.]ind entstehen, einen zusätzlichen Bedarf dieses Elternteils darstellen und nicht dem Wohnbedarf des [X.]indes zuzurechnen sind, wenn dieses seinen Lebensmittelpunkt bei dem anderen Elternteil hat (B[X.] vom 17.2.2016 - B 4 [X.]/15 R - [X.] 4-4200 § 22 [X.]).

b) Auf den vorliegenden Fall lassen sich diese Grundsätze nicht ohne Weiteres übertragen. Soweit die Familie den Umgang in Form eines familienrechtlichen Wechselmodells praktiziert, lässt sich ein Lebensmittelpunkt des [X.]indes tatsächlich nicht bestimmen. Vielmehr hat es einen gleichwertigen Wohnbedarf in den Wohnungen seiner beiden Elternteile und ist grundsicherungsrechtlich jeweils als weiteres Haushaltsmitglied zu berücksichtigen. Für die Feststellung des existenzsicherungsrechtlich relevanten [X.] ist insoweit allein eine solche, die tatsächliche Lebenssituation nachvollziehende Betrachtung entscheidend. Dies schließt es aus, die Eltern darüber entscheiden zu lassen, wo der Lebensmittelpunkt liegt und der Unterkunftsbedarf anfällt (vgl zur melderechtlich relevanten Einigung der Eltern auf das Bestehen eines Hauptwohnsitzes im Fall eines Wechselmodells [X.] vom [X.] 38.14 - [X.]E 153, 89; vgl ferner zur elterlichen Bestimmung des [X.]indergeldberechtigten in einem solchen Fall BFH vom 23.3.2005 - [X.]/03 - [X.], 338; vgl zur Behandlung des Wechselmodells in den unterschiedlichen Rechtsgebieten auch [X.] vom 1.2.2017 - [X.] 601/15 - [X.]Z 214, 31 Rd[X.]9; [X.] in [X.], [X.], 2018, § 1684 Rd[X.]63 ff; [X.], [X.] 2016, 825).

c) Hiergegen spricht nicht, dass die Anerkennung eines doppelten [X.] beim [X.]ind dessen sozialrechtliches Existenzminimum entsprechend erhöht, was dem in verschiedenen Regelungen zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen [X.]onzept, den Lebensunterhalt von [X.]indern von [X.]B II-Leistungsbeziehern möglichst außerhalb dieses Leistungssystems zu sichern, zuwiderlaufen könnte. Unter Berücksichtigung der insoweit maßgeblichen vorrangigen Sozialleistungen kollidiert die Anerkennung eines entsprechend erhöhten [X.]B II-[X.] des [X.]indes mit diesem [X.]onzept nicht: Soweit die Gewährung von ([X.]inder-)Wohngeld die Vermeidung einer Hilfebedürftigkeit des [X.]indes nach dem [X.]B II voraussetzt (§ 7 Abs 2 Satz 2 [X.] iVm Abs 1 Satz 3 [X.] [X.], vgl hierzu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - B[X.]E 126, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 84, Rd[X.]7), ist das [X.]ind in Fällen eines Wechselmodells bei beiden Elternteilen Haushaltsmitglied (§ 5 Abs 4 Satz 1 [X.]), sodass der erhöhte grundsicherungsrechtliche Unterkunftsbedarf ggf mit einem erhöhten Wohngeldanspruch korrespondiert. Im Hinblick auf das [X.], das die Leistung an ältere [X.]inder ebenfalls von der Vermeidung von Hilfebedürftigkeit abhängig macht (§ 1 Abs 1a Satz 1 [X.] UVG), ist anspruchsberechtigt ohnehin nur das [X.]ind, das "bei einem seiner Elternteile" lebt (§ 1 Abs 1 [X.] UVG), was nach der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung bei einer wesentlichen Betreuung durch den anderen Elternteil nicht der Fall ist ([X.] vom 11.10.2012 - 5 C 20.11 - [X.]E 144, 306). Es betrifft auch nicht das [X.]inderzuschlagsrecht nach § 6a B[X.]GG, weil dessen Anspruchsvoraussetzungen eine individuelle Zuordnung der Unterkunftsbedarfe nicht verlangen (§ 6a Abs 1 [X.] 4 B[X.]GG) bzw - soweit sie im Hinblick auf die elterlichen Bedarfe erforderlich ist - eine vom [X.]B II losgelöste Regelung in Anlehnung an das steuerfrei zu stellende Existenzminimum enthalten (§ 6a Abs 5 Satz 3 B[X.]GG).

d) Würde man demgegenüber, wie vom [X.] für zulässig gehalten, jeweils den gesamten Unterkunftsbedarf ausschließlich bei dem jeweiligen Elternteil berücksichtigen, wäre die Folge, dass das [X.]ind, obwohl es zwei Wohnungen bewohnt, grundsicherungsrechtlich über keinen eigenen Unterkunftsbedarf verfügt, was den tatsächlichen Gegebenheiten nicht entspricht und auch ansonsten - zB im Hinblick auf einen dann bestehenden [X.]indergeldüberhang nach § 11 Abs 1 Satz 5 [X.]B II (vgl hierzu B[X.] vom [X.] - [X.] [X.]/17 R - B[X.]E 126, 70 = [X.] 4-4200 § 11 [X.] 84; vgl zum [X.]opfteilprinzip zuletzt B[X.] vom 14.2.2018 - [X.] AS 17/17 R - B[X.]E 125, 146 = [X.] 4-4200 § 22 [X.] 94) - problematisch sein kann. Ein Wahlrecht zwischen der Berücksichtigung des gesamten [X.] beim Elternteil [X.] und dessen kopfteiliger Aufteilung zwischen dem Elternteil und seinen [X.]indern andererseits besteht insoweit nicht. Wie sonst auch bedarf es vielmehr einer klaren Zuordnung der einzelnen Bedarfspositionen im Hinblick auf die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, um deren individuellen Leistungsanspruch bestimmen zu können.

6. Als Einkommen zur Deckung des [X.] der [X.]läger (vgl § 9 Abs 2 [X.]B II) sind im Rahmen der abschließenden Entscheidung für den [X.]raum von Januar bis Juni 2015 nur die Einnahmen zu berücksichtigen, die der [X.]läger zu 1 im jeweiligen Monat hatte; ein Durchschnittseinkommen für diesen [X.]raum ist entgegen der Auffassung des Beklagten nicht zu errechnen. Vor der Geltung von § 41a [X.]B II (vgl oben Rd[X.]0) bestand Anlass, der abschließenden Entscheidung über Leistungen nach dem [X.]B II abweichend von § 11 Abs 2 Satz 1 [X.]B II ein Durchschnittseinkommen zu Grunde zu legen nur, soweit die Voraussetzungen von § 2 Abs 3 Satz 3 [X.]-V in der in der strittigen [X.] geltenden Fassung vorlagen. Wie der [X.] bereits entschieden hat, setzt das jedoch voraus, dass das tatsächliche monatliche Durchschnittseinkommen das bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen um nicht mehr als 20 Euro übersteigt, und es ordnet als die Leistungsberechtigten begünstigende Rechtsfolge an, dass der abschließenden Entscheidung das gegenüber dem tatsächlichen Durchschnittseinkommen niedrigere bei der vorläufigen Entscheidung berücksichtigte monatliche Durchschnittseinkommen zugrunde zu legen ist (B[X.] vom [X.] AS 18/16 R - [X.] 4-4200 § 11 [X.] Rd[X.]7 ff mwN). So liegt es nach den bindenden (§ 163 iVm § 161 Abs 4 [X.]G) Feststellungen des [X.] hier nicht.

Die [X.]ostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 [X.]G.

Meta

B 14 AS 23/18 R

11.07.2019

Bundessozialgericht 14. Senat

Urteil

Sachgebiet: AS

vorgehend SG Dresden, 8. März 2018, Az: S 52 AS 4184/16, Urteil

§ 21 Abs 3 SGB 2, § 22 Abs 1 S 1 SGB 2

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 11.07.2019, Az. B 14 AS 23/18 R (REWIS RS 2019, 5557)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2019, 5557

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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