Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.02.2010, Az. 28 W (pat) 112/09

28. Senat | REWIS RS 2010, 8994

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Gegenstand

Markenbeschwerdeverfahren – Löschungsverfahren - "BALANCE" – keine Unterscheidungskraft


Tenor

In der Beschwerdesache

betreffend die Marke 302 48 822

(hier: Löschungsverfahren [X.])

hat der 28. Senat ([X.]) des [X.] auf die mündliche Verhandlung vom 24. Februar 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], der Richterin [X.] und des Richters Schell

beschlossen:

1. Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.

2. [X.] werden zurück-

 gewiesen.

Gründe

I.

1

Die Beschwerdeführerin ist Inhaberin der Wortmarke 302 48 822

2

BALANCE

3

die seit 26. Februar 2003 für die Waren

4

„Elektromedizinische Geräte, nämlich Schwerhörigen- und Hörmessgeräte.“

5

im Markenregister eingetragen ist.

6

Die Antragstellerin hat im Juli 2008 die vollständige Löschung der Marke nach § 50 Abs. 1 i. V. m. § 8 [X.] beantragt und dazu vor dem [X.] ausgeführt, das Wort „Balance“ sei im [X.] als [X.] Übersetzung für das Gleichgewichtsorgan (balance system) geläufig und bezeichne zudem den [X.] von akustischen Signalen in Audiogeräten. Folglich müsse diese Angabe zur Bezeichnung einschlägiger Waren von jedermann frei verwendet werden können. Ihrem Löschungsantrag hat sie umfangreiches Material zur Verwendung von „balance“ beigefügt.

7

Die Markeninhaberin hat dem Löschungsantrag rechtzeitig widersprochen und ausgeführt, die Eintragung der Marke sei zu Recht erfolgt.

8

Die Markenabteilung des [X.] hat die Löschung der angegriffenen Marke mit der Begründung angeordnet, sie sei entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 2 [X.] eingetragen worden.

9

Die Bezeichnung „Balance“ komme aus der [X.] und habe die Bedeutung „Waage, Gleichgewicht, Gegengewicht, Ausgleich“. Im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren sei der Begriff geeignet, [X.] für akustische Signale in Audiogeräten zu beschreiben. Die Balance sei bei [X.] eine wichtige Eigenschaft im Sinne des Ausgleichs der unterschiedlichen [X.] beider Ohren. Die Hörmessgeräte dienten dazu, die [X.] zu messen, um die erforderliche Balance zu ermitteln. Für die Annahme des Schutzhindernisses sei es ausreichend, dass mittels der angebotenen Produkte insbesondere der Klang bzw. die Lautstärke ausbalanciert werden solle. Aus den im Löschungsverfahren eingereichten Unterlagen sei die beschreibende Verwendung des Begriffs bereits erkennbar. Als glatt beschreibende Angabe für Hörgeräte und Zubehör sei „Balance“ auch vom [X.] angesehen worden. Der Bezeichnung fehle darüber hinaus auch die Eignung, Produkte eines Unternehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]), denn der Verbraucher werde die Information, dass unterschiedliche Hörschwächen beider Ohren mittels eines Hörgerätes ausgeglichen werden sollen, keinem bestimmten Unternehmen zuordnen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin, mit der sie beantragt,

die angefochtene Entscheidung aufzuheben und den Löschungsantrag zurückzuweisen.

Zur Begründung trägt sie vor, das [X.] habe unzutreffend nur auf den Zeitpunkt der Entscheidung über den Löschungsantrag abgestellt. Ein absolutes Schutzhindernis bestehe jedoch auch für diesen Zeitpunkt nicht. Die von der Antragstellerin eingereichten Unterlagen bezögen sich auf englischsprachige Homepages, so dass zweifelhaft sei, ob die beteiligten inländischen Verkehrskreise den fremdsprachigen Begriff „Balance“ erkennen. Dieser sei weder leicht verständlich noch handele es sich um eine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende Angabe. Das [X.] argumentiere unzulässigerweise nicht mit dem Begriff „Balance“, sondern stelle auf den Ausgleich der [X.] beider Ohren ab und damit auf die [X.] Übersetzung des fremdsprachigen Begriffs. Im Zusammenhang mit einem Hörgerät denke der Verkehr aber nicht daran, dass etwas ausgeglichen werde. Es komme nicht auf den Ausgleich, sondern auf eine ausreichende [X.] auf beiden Ohren an. Aus den dem Beschluss beigefügten Unterlagen sei nicht zu entnehmen, welche Bedeutung das Wort „Balance“ neben Lautstärke und Klang besitze. Die Anlagen 3-5 beträfen keine Hörgeräte, sondern völlig andere Branchen. Ein Schutzhindernis habe auch nicht im Zeitpunkt der Eintragung bestanden. Die damalige Rechtsprechung zur Schutzfähigkeit, insbesondere die BONUS-Entscheidung des [X.], müsse ebenso berücksichtigt werden wie die zu dieser Zeit zahlreichen Eintragungen des Markenworts „Balance“ für unterschiedliche Waren. Für die Beurteilung der Unterscheidungskraft müsse grundsätzlich ein großzügiger Maßstab gelten, den die Marke ohne Weiteres erfülle.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen mit der Maßgabe, der Beschwerdeführerin die Kosten des [X.] aufzuerlegen.

Sie vertritt die Ansicht, „Balance“ werde vom inländischen Verkehr lediglich als Sachhinweis verstanden, dass die beanspruchten Waren dazu dienten, Messungen an den Ohren durchzuführen, um monaurale (einohrige) oder binaurale (beidohrige) Hörschwächen mit Hilfe der Messergebnisse und entsprechend angepassten [X.] auszubalancieren. Das Wort sei auch Bestandteil eines Tests („monaural loudness balance test“, [X.]), der in [X.] eingebaut sei und bei Hörtests verwendet werde. Zur [X.] von „Balance“ auf dem vorliegenden Warengebiet überreicht sie weitere Unterlagen, die ein Schutzhindernis auch bezogen auf den Eintragungszeitpunkt belegten. Mit Schriftsatz vom 18. Februar 2010 hat die Markeninhaberin hierzu Stellung genommen.

II.

Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin hat keinen Erfolg.

Das [X.] hat vielmehr zu Recht die angegriffene Marke wegen Nichtigkeit gelöscht (§ 50 Abs. 1 [X.]), da sie entgegen § 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] eingetragen worden ist und dieses Schutzhindernis auch im Entscheidungszeitpunkt noch besteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 [X.]).

Von der Eintragung ausgeschlossen ist eine Marke, der für die beanspruchten Waren jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.]). Unterscheidungskraft im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende, konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens im Unterschied zu solchen anderer Unternehmen wahrgenommen zu werden (std. Rspr., vgl. z. B. [X.] GRUR 2003, 1050 - [X.]) und damit eine eindeutige betriebliche Zuordnung dieser Waren und Dienstleistungen zu ermöglichen. Die Eintragung einer Marke kommt daher nur in Betracht, wenn sie geeignet ist, den Verbrauchern klar und eindeutig den betrieblichen Ursprung der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu offenbaren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen. Diesen Anforderungen genügt die angegriffene Marke nicht.

Wie die Markenabteilung zutreffend festgestellt hat, handelt es sich bei „Balance“ entgegen der Ansicht der Markeninhaberin um ein ursprünglich aus der [X.] stammendes, seit langem aber in den [X.]n Sprachgebrauch eingegangenes Wort mit der Bedeutung „Gleichgewicht, Ausgleich“. Ausgehend von der im [X.] geläufigen Grundbedeutung von „Balance“ wird bei Audiogeräten der [X.] zwischen zwei Schallquellen üblicherweise als „Balance (-Regler)“ bezeichnet. Ob eine Marke die erforderliche Unterscheidungskraft aufweist, muss stets im Hinblick auf die mit ihr konkret beanspruchten Waren beurteilt werden. Dabei ist auf das Verständnis der inländischen Verkehrskreise abzustellen, zu denen neben den Endverbrauchern (hier: Hörgeräteträger) auch die beteiligten Fachkreise und somit in erster Linie Hörgeräteakustiker gehören, die die beanspruchten Schwerhörigenmessgeräte bedienen und die ebenfalls vom Schutz der Marke umfassten [X.] dem Patienten anpassen. Im Zusammenhang mit Schwerhörigkeit werden üblicherweise zunächst die individuellen Hörschwächen mit Hilfe von Messgeräten oder audiometrischen Verfahren, die Eigenschaften und Parameter des Gehörs vermessen, für jedes Ohr gesondert festgestellt und sodann durch entsprechende Hörgeräte ausgeglichen bzw. ausbalanciert. Ziel der Hörgeräteanpassung ist es dabei, dass der Hörgeräteträger unterschiedliche Höreindrücke aus verschiedenen Richtungen ohne unangenehme [X.] und ohne dass der [X.] störend hervortritt, wahrnehmen kann. Dabei kommt es entscheidend darauf an, dass zum einen die Balance zwischen dem unter Umständen unterschiedlichen Hörvermögen der Ohren hergestellt wird. Im Rahmen dieser Untersuchungen werden Testverfahren angewendet, wie zum Beispiel der „[X.]“, kurz [X.]. Vor diesem Hintergrund reicht es daher entgegen der Ansicht der Markeninhaberin gerade nicht aus, bei der Hörgeräteanpassung nur auf eine ausreichende [X.] auf beiden Ohren abzustellen. Zwar ist mit der Markeninhaberin davon auszugehen, dass „Balance“ im Warenkontext nicht direkt eine objektive Produkteigenschaft der beanspruchten Geräte bezeichnet, jedoch zeigt bereits die geschilderte übliche Vorgehensweise bei Ermittlung der Schwerhörigkeit und bei der Anpassung dementsprechender Hörgeräte, dass die Balance bzw. das Ausbalancieren im Zusammenhang mit den Waren in mehrfacher Hinsicht eine Rolle spielen können. Darüber hinaus führt beispielsweise die Gebrauchsanweisung des Produkts „ CROSLink “ der Hörgerätefirma [X.], die Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung war, die Relevanz des Begriffs „Balance“ vor Augen. Dort nimmt der gleichnamige Sender Signale auf der Seite auf, wo kein Hörgerät getragen werden kann und überträgt diese drahtlos per Funk an den Empfänger auf der hörenden Seite. Ein Abschnitt der Gebrauchsanweisung befasst sich mit dem Thema: „[X.]“. In der von der Antragstellerin ins Beschwerdeverfahren eingeführten [X.]n Offenlegungsschrift DE 3512999 aus dem [X.] ist von einer Hörhilfe die Rede, die dem Schwerhörigen die Möglichkeit gibt, einzelne Unterhaltungen inmitten einer Umgebung mit lauten Hintergrundgeräuschen zu hören. Zu diesem Zweck wird die gewünschte Ansprechcharakteristik der Hörhilfe auf den jeweiligen Benutzer zugeschnitten programmiert, wobei die „Balance der Eingangssignale“ gesteuert werden kann (vgl. Anlage 8 Zusammenfassung und Patentanspruch 4). Nicht zuletzt zeigt diese Schrift, dass mit dem Wort „Balance“ auf dem einschlägigen Warensektor bereits weit vor dem [X.] eine rein sachbezogene Aussage verbunden wurde. Für die beteiligten Verkehrskreise steht dieser Sachbezug im Vordergrund, so dass die Bezeichnung im Zusammenhang mit den beanspruchten Waren als Hinweis auf deren betriebliche Herkunft nicht geeignet war und auch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde diese Markenfunktion nicht erfüllen kann.

Soweit die Markeninhaberin die Auffassung vertritt, Maßstab für die Beurteilung der Schutzfähigkeit von Marken müsse die zum Eintragungszeitpunkt geltende Rechtsprechung sein, kann dem nicht gefolgt werden. Eine nachträgliche Korrektur von [X.] durch Löschung hat der Gesetzgeber im Rahmen des harmonisierten Markenrechts ausdrücklich in den Vorschriften der §§ 50 ff. [X.] vorgesehen. Somit kann der Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes in eine einmal erfolgte, jedoch zu Unrecht vorgenommene Registrierung einer Marke vor diesem Hintergrund bereits nicht verfangen. Im Eintragungszeitpunkt (Anfang 2003) war die Rechtsprechung, insbesondere des [X.] anlässlich ihm vorgelegter Rechtsfragen zur Auslegung des harmonisierten Gemeinschaftsrecht, stets davon geprägt, dass das Interesse der Allgemeinheit an einem unverfälschten Wettbewerb und der Schutz vor ungerechtfertigten Monopolen im Rahmen der Unterscheidungskraft angemessen berücksichtigt werden muss. Falls die Anforderungen an die Unterscheidungskraft im Eintragungszeitpunkt nicht zutreffend beurteilt wurden, findet dies daher auf Antrag im Löschungsverfahren Berücksichtigung, soweit dies unter den Voraussetzungen des § 50 [X.] nachträglich zulässig ist.

Was die vorliegend zu beurteilende Bezeichnung „Balance“ betrifft, steht zur Überzeugung des Senats fest, dass sie im Zusammenhang mit den eingetragenen Waren - auch bezogen auf den Eintragungszeitpunkt - wegen fehlender Unterscheidungskraft nicht hätte eingetragen werden dürfen. Sie ist daher gemäß §§ 50 Abs. 1 und 2, 8 Abs. 2 Nr. 1 [X.] vollständig zu löschen. Ob der angegriffenen Marke zudem im Hinblick auf die beschwerdegegenständlichen Waren das Schutzhindernis gemäß § 8 Abs. 1 Nr. 2 [X.] entgegensteht, kann dahingestellt bleiben.

[X.] hat daher keinen Erfolg ebenso wie die von der Antragstellerin beantragte Auferlegung der Verfahrenskosten. Für ein Abweichen vom Grundsatz, dass jeder Beteiligte die ihm entstandenen Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 71 Abs. 1 [X.]) selbst zu tragen hat, sind weder [X.] ersichtlich noch von der Antragstellerin vorgetragen worden. Im patentamtlichen Löschungsverfahren hat die Markenabteilung eine Kostenauferlegung nach § 63 Abs. 1 [X.] mangels Vorliegen besonderer Umstände für ein Abweichen vom genannten Grundsatz zu Recht nicht ausgesprochen. Die Antragstellerin hat ihren diesbezüglichen Antrag auch nicht näher begründet.

Meta

28 W (pat) 112/09

24.02.2010

Bundespatentgericht 28. Senat

Beschluss

Sachgebiet: W (pat)

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Beschluss vom 24.02.2010, Az. 28 W (pat) 112/09 (REWIS RS 2010, 8994)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 8994

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