Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2011, Az. LwZB 2/11

Senat für Landwirtschaftssachen | REWIS RS 2011, 2345

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
[X.]ZB 2/11

vom

17. Oktober 2011

in dem Rechtsstreit
Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 D
a) Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann nicht gewährt werden, wenn trotz Befolgung der für die [X.] bestehenden Anweisungen durch das [X.] die Frist wegen eines Verschuldens des [X.] bei der Unterschriftsleistung versäumt wurde.
b) Ist eine Kanzleianordnung nicht geeignet, den konkreten Fehler des Rechtsan-walts (hier
die Unterzeichnung des falschen Schriftstücks) bei einem normalen Verlauf der Dinge aufzufangen, ist das [X.] bei der Unterschrifts-leistung als für die versäumte Frist ursächlich anzusehen und bei einer wertenden Betrachtung weiterhin dem Anwalt und nicht (allein) dem Büropersonal zuzurech-nen.
[X.], Beschluss vom 17. Oktober 2011 -
[X.]ZB 2/11 -
OLG Zweibrücken

AG [X.] i.d. Pfalz

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Der [X.], [X.], hat am 17.
Oktober 2011 durch den Vorsitzenden Richter Prof.
Dr.
Krüger und die Richter Dr.
Lemke und Dr.
Czub -
gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 2 [X.] ohne Zuziehung [X.] -
beschlossen:

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des [X.] als [X.] vom 23. Februar 2011 wird auf Kosten der Kläger zurückgewiesen.
Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde beträgt 35.836,37

.

Gründe:
I.
Die Kläger haben den Beklagten u.a. auf Räumung und Herausgabe [X.] an ihn verpachteten Hofstelle verklagt.
Das Amtsgericht -
Landwirtschaftsgericht
-
hat die Klage abgewiesen. Am letzten Tage der verlängerten Frist für die Berufungsbegründung ist bei dem [X.] per Telefax eine 19-seitige Berufungsbegründung mit einer 4-seitigen Anlage, einer Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft, einge-gangen. Nur die Strafanzeige ist von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger unterschrieben. Am folgenden Tage ist bei dem [X.] auf dem Postweg eine von dem Rechtsanwalt unterschriebene Berufungsbegründung mit einer (nicht unterschriebenen)
Strafanzeige als Anlage eingegangen.
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Die Kläger haben nach dem richterlichen Hinweis, dass
die am letzten Tag der verlängerten Frist eingegangene Berufungsbegründung entgegen §
520 Abs. 5, §
130 Nr. 6 ZPO nicht unterschrieben worden sei, Wiedereinset-zung gegen die Versäumung der Berufungsbegründungfrist beantragt. Das [X.]

[X.]

hat durch Beschluss den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen und die Berufung als unzu-lässig verworfen. Dagegen wenden sich die Kläger mit der Rechtsbeschwerde.
II.
Das Berufungsgericht geht davon aus, dass die [X.] versäumt ist, weil die rechtzeitig per Telefax eingegangene [X.] nicht unterschrieben worden und die unterschriebene Strafanzeige kein an das Berufungsgericht gerichtetes Schreiben gewesen sei.
Der Wiedereinsetzungsantrag sei unbegründet, weil
die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtig-ten der Kläger beruhe, das diese sich nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen müssten. Ihr Rechtsanwalt habe eine wesentliche Ursache für die Fristversäu-mung gesetzt, indem er die ihm außerhalb des routinemäßigen Geschäftsbe-triebs vorgelegte Berufungsbegründung an der falschen Stelle -
nämlich auf der zu Informationszwecken beigefügten Strafanzeige -
unterschrieben habe.
Dieser Fehler des Anwalts, der ohne Lektüre des auf eine Strafanzeige hinweisenden Textes auf der letzten Seite des vorgelegten Vorgangs unter-schrieben haben müsse, sei für die Versäumung der Begründungsfrist mitur-sächlich gewesen. Dass auch das Büropersonal bei der [X.] den Fehler nicht erkannt habe, vermöge die Zurechenbarkeit des [X.] nicht auszuschließen.
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III.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1 Nr.
1 i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO, § 48 [X.]). Auch die weitere [X.] des §
574 Abs.
2 ZPO ist gegeben, weil die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Rechtsfrage, unter welchen Voraussetzun-gen eine [X.] -
trotz schuldhafter Nichtunterzeichnung eines bestimmenden
Schriftsatzes durch ihren Prozessbevollmächtigten
-
ohne ihr Verschulden an der Einhaltung einer der in §
233 ZPO bezeichneten Fristen verhindert gewe-sen ist, wenn nach der Büroorganisation bei der [X.] eine Unter-schriftenprüfung vorgesehen hat, von grundsätzlicher Bedeutung ist.
2. Die Rechtsbeschwerde ist jedoch unbegründet, weil die Kläger nicht ohne ein ihnen zuzurechnendes Verschulden ihres Prozessbevollmächtigten verhindert waren, die Frist für die Begründung der Berufung einzuhalten (§
233, §
85 Abs.
2 ZPO).
a) Wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, beruht die Un-terschriftsleistung "an der falschen Stelle"
auf einem Verschulden des [X.]. Ein Rechtsanwalt, der für den mangelfreien Zu-stand der
aus seiner Kanzlei herausgehenden Schriftsätze -
einschließlich einer erforderlichen Unterschrift nach §
130 Nr. 6 ZPO
-
zu sorgen hat ([X.], Urteil vom 20.
November 1986 -
III
ZR 18/86, NJW 1987, 957; Beschluss vom 19.
Februar 2009 -
V
ZB 168/08, Rn. 10, juris), handelt nicht nur dann [X.], wenn er einen ihm zur Unterschrift vorgelegten Schriftsatz versehentlich nicht unterschreibt ([X.], NJW 1966, 799), sondern auch, wenn er zwar die Unterschrift leistet, dabei jedoch versehentlich nicht den bestimmenden Schrift-satz, sondern eine beigefügte Anlage unterschreibt. Zu den Sorgfaltspflichten des Rechtsanwalts gehört es nämlich auch, sich zu vergewissern, dass die Un-7
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terschrift auf das richtige Schriftstück (hier die Berufungsbegründung) gesetzt wird (vgl. [X.], Urteil vom 25. Mai 1979 -
I
ZB 3/79, [X.], 823). Die Rechtsbeschwerde erhebt insoweit keine Einwendungen.
b) Ebenfalls zutreffend hat das Berufungsgericht die Mitursächlichkeit des [X.]s für die Fristversäumung bejaht. Die Kausalität des Versehens des Rechtsanwalts ergibt sich -
unabhängig von einem etwaigen weiteren Verschulden der [X.] bei einer nachfolgenden Unter-schriftsprüfung
-
schon daraus, dass die Berufungsbegründungsfrist eingehal-ten worden wäre, wenn der Anwalt die rechtzeitig per Telefax an das [X.] übermittelte Berufungsbegründung (und nicht die Anlage) unter-schrieben hätte.
c) Das den Klägern zuzurechnende [X.] steht der bean-tragten Wiedereinsetzung entgegen, obwohl das [X.] allgemein angewiesen war, ausgehende Schriftsätze darauf zu kontrollieren, ob sie unter-schrieben worden sind. Die in Bezug darauf erhobenen Angriffe der Rechtsbe-schwerde sind unbegründet.
aa) Richtig ist allerdings, dass nach ständiger Rechtsprechung des [X.] ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten die Gewährung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht ausschließt, wenn der Pro-zessbevollmächtigte im Rahmen seiner Büroorganisation durch eine Anweisung
an seine Angestellten dafür Vorsorge getroffen hatte, dass bei normalem [X.] der Dinge die versäumte Berufungsbegründungsfrist -
trotz seines Verse-hens
-
mit Sicherheit gewahrt worden wäre ([X.], Beschlüsse vom [X.] 1984 -
IVb
ZB 103/84, NJW 1985, 1226; vom 6. Dezember 1995 -
VIII
ZR 12/95, NJW 1996, 998, 999; vom 15. Februar 2006 -
XII
ZB 215/05, [X.], 1205, 1206 Rn. 11). Ob in diesen Fällen die Wiedereinsetzung deshalb zu ge-10
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währen ist, weil nicht mehr das frühere [X.] als für die Versäu-mung der Frist ursächlich anzusehen ist, sondern das spätere von der [X.] nicht verschuldete Ereignis, welches sich der Fristwahrung entgegengestellt hat ([X.], Beschlüsse vom 29. Mai 1974 -
IV
ZB 8/74, [X.], 1001 und vom 6. Dezember 1995 -
VIII
ZR 12/95, NJW 1996, 998, 999),
oder weil -
wegen der Zulässigkeit der
Delegation bestimmte Kontrollmaßnahmen auf das Büroperso-nal
-
eine wertende Einschränkung bei der Zurechnung des Anwaltsverschul-dens geboten ist (so Ostler, NJW 1967, 2300, 2301; [X.], ZPO, 22. Aufl., §
233 Rn.
30; [X.]/Schütze/[X.], ZPO, 3.
Aufl., §
233 Rn.
22), ist im Ergebnis unerheblich.
bb) Hier fehlt es jedoch an den Voraussetzungen dafür, unter denen ein [X.] bei der Unterschriftsleistung wegen eines nachfolgenden Verstoßes gegen eine allgemeine Kanzleianweisung zur [X.] als für die versäumte Frist unerheblich anzusehen ist.
(1) Das kommt nur bei einer solchen Anordnung in Betracht, deren Ein-haltung durch das Büropersonal die Frist
mit Sicherheit gewahrt hätte (vgl. [X.], Beschluss vom 18. April 2000 -
XI
ZB 1/00, [X.], 2511, 2512). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kann demgegenüber nicht gewährt werden, wenn trotz Befolgung der für die [X.] bestehenden Anweisungen die Frist wegen Verschuldens des Prozessbevollmächtigten gleichwohl versäumt wurde. Ist die Anordnung nicht geeignet, den konkreten Fehler des Rechtsanwalts (hier die Unterzeichnung des falschen Schriftstücks) bei einem normalen Verlauf der Dinge
aufzufangen, ist das [X.] bei der Unterschriftsleistung als für die versäumte Frist ursächlich anzusehen und bei einer wertenden Betrachtung weiterhin dem Anwalt und nicht (allein) dem Büropersonal zuzurechnen.
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(2) So ist es hier, weil die in der Kanzlei der Prozessbevollmächtigten der Kläger bestehende Anordnung nur das Fehlen einer Unterschrift, jedoch nicht Fehler bei der Unterschriftsleistung aufzufangen vermag. Nach der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegten allgemeinen Anweisung
für die [X.] von [X.] per Telefax ist nach der Versendung von dem Personal die Richtigkeit der gewählten Rufnummer, die Zahl der übermittelten Seiten und das Vorhandensein einer Unterschrift zu prüfen.
(a) Eine derartige Anordnung vermag zwar zu gewährleisten, dass eine
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ohne Unterschrift des Anwalts
-
versendete Fristsache dem Anwalt sogleich zur Unterschrift vorgelegt und dadurch der Fehler nachträglich, aber noch rechtzeitig durch Unterschreiben und nochmalige Versendung behoben wird. Von einem solchen Geschehensablauf ist das Berufungsgericht angesichts der vorangegangen, abgebrochenen Übermittlung der Berufungsbegründung auch ausgegangen.
(b) Die Anweisung ist aber nicht dazu geeignet, den hier entscheidenden Fehler des Rechtsanwalts, nämlich die Unterzeichnung des falschen Schrift-stücks, aufzufangen. Das Berufungsgericht stellt zutreffend fest, dass das [X.] die angeordnete [X.] nicht unterlassen, sondern vorgenommen hat.
Nach der Anweisung hat das [X.] das Vorhandensein einer Unterschrift zu prüfen. Diese Kontrolle ist vorgenommen worden. Nach der ei-desstattlichen Versicherung der [X.] hat sie das Vorhandensein der Unterschrift geprüft, dabei die Unterschrift des Anwalts auf der letzten Seite des versendeten Schreibens vorgefunden und danach ihr -
die Erledigung vermer-kendes
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Handzeichen
auf den Sendebericht gesetzt.
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Dass der [X.] insofern dasselbe Versehen wie dem Rechts-anwalt bei der Unterschriftleistung unterlaufen ist, als auch sie nicht bemerkt hat, dass die letzte Seite des übermittelten Vorgangs nicht zugleich die letzte von dem Rechtsanwalt zu unterschreibende Seite der Berufungsbegründung war, stellt keinen Verstoß gegen die vorgelegte Anordnung dar. Danach hat das Büropersonal im Rahmen der [X.] nach der Versendung von [X.] per Telefax sich zu vergewissern, dass bestimmte Formalien (Ruf-nummer, Zahl der versendeten Seiten und das Vorhandensein der Unterschrift) eingehalten sind, aber nicht den Inhalt der versendeten Schriftstücke im [X.] durchzusehen und dabei zu prüfen, ob der Rechtsanwalt auch die richtigen Schriftstücke unterschrieben hat. Diese Überprüfung konnte der Anwalt auch nicht seinem Personal überlassen, sondern sie ist von ihm selbst vorzunehmen.
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III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Festsetzung des [X.] aus § 3 ZPO.
Krüger

Lemke

Czub

Vorinstanzen:
AG [X.] i.d. Pfalz, Entscheidung vom 10.09.2010 -
[X.] 8/08 -

OLG Zweibrücken, Entscheidung vom 23.02.2011 -
4 [X.] [X.] -

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Meta

LwZB 2/11

17.10.2011

Bundesgerichtshof Senat für Landwirtschaftssachen

Sachgebiet: False

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 17.10.2011, Az. LwZB 2/11 (REWIS RS 2011, 2345)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 2345

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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