Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2014, Az. 2 StR 643/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2014, 6572

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
2 StR 643/13
vom
3. April 2014
in der Strafsache
gegen

1.

2.

wegen
versuchten Totschlags u.a.

-
2
-
Der 2. Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung
des Generalbun-desanwalts und der Beschwerdeführer am 3.
April 2014 gemäß § 349 Abs.
4 StPO beschlossen:
1.
Auf die Revisionen der Angeklagten K.

und [X.]

wird das Urteil des [X.] vom 3.
Juni 2013 mit den Feststellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Schwurge-richtskammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat den Angeklagten K.

wegen versuchten [X.] in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und den Angeklagten [X.]

wegen versuchter Strafvereite-lung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt, die es zur [X.] ausgesetzt hat. Die Revisionen der Angeklagten haben mit der Sachrüge Erfolg.
[X.] Die Verurteilung des Angeklagten K.

wegen versuchten [X.] hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Es kann dahinstehen, ob schon -
wie die Revision des Angeklagten K.

meint
-
die Beweiswürdigung der Schwurgerichtskammer an durchgreifenden rechtlichen Mängeln leidet. Denn das [X.] hat einen Rücktritt des Angeklagten K.

vom ver-suchten Tötungsdelikt mit einer rechtsfehlerhaften Begründung abgelehnt.
1
2
3
-
3
-
1. Nach den Feststellungen des [X.] gerieten der Angeklagte K.

und der Geschädigte Kü.

in einen Streit, der mit einer Beleidigung durch den Geschädigten, die der Angeklagte erwiderte, seinen Ausgang nahm und schließlich in eine körperliche Auseinandersetzung mündete. Der Geschä-digte
schlug den Angeklagten, der zu diesem Zeitpunkt bereits
-
vom Geschä-digten zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht bemerkt
-
ein Einhandmesser in der Hand hielt, ins Gesicht, worauf sich beide gegenseitig an den Oberarmen griffen und miteinander rangen.
Sie kamen zu Fall, setzten ihre Auseinander-setzung aber am Boden fort. Der Angeklagte führte das Messer nunmehr auch in Richtung des später Geschädigten, der die Hand zunächst abblocken konnte und schließlich -
als der Angeklagte mit seiner anderen Hand nachgriff
-
aus Angst vor Stichen in den [X.] von dessen linker Hand biss. Zeitgleich oder
unmittelbar auf den Biss folgend versetzte der Angeklagte dem weiter auf dem Boden liegenden Geschädigten mit dem Messer zwei Stiche in den Be-reich des linken Mittelbauchs, wobei er den Tod des Opfers billigend in Kauf nahm. Mittlerweile war der Zeuge S.

, der als zufälliger Passant auf das Geschehen aufmerksam geworden war, hinzugetreten. Er richtete eine von ihm mitgeführte pistolenähnliche Anscheinswaffe auf den Angeklagten und for-derte ihn lautstark zum Aufhören auf. Dieser sah sich zur weiteren Tatausübung nicht mehr in der Lage, erhob und entfernte sich -
das [X.] weiter in der Hand haltend
-
vom Tatort (UA S.
6 f.).
Das [X.], das offenbar vom Vorliegen eines unbeendeten [X.] ausgegangen ist, hat einen strafbefreienden Rücktritt vom Tö-tungsversuch verneint; der Angeklagte K.

habe von der Fortführung der Tat nur deshalb abgelassen, weil der Zeuge S.

ihn unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Anscheinswaffe zum Aufhören aufgefordert habe. Die [X.] sei deshalb nicht freiwillig erfolgt, ginge vielmehr auf das Einschrei-ten des
Zeugen zurück (UA S.
40).
4
-
4
-
2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Freiwilligkeit liegt nach ständiger Rechtsprechung des [X.] vor, wenn der Täter "Herr seiner Entschlüsse" geblieben ist
und die Ausführung seines Verbrechensplans noch für möglich gehalten hat, er also weder durch eine äußere Zwangslage daran gehindert noch durch seelischen Druck unfähig geworden ist, die Tat zu vollbringen. Maßgebliche Beurteilungsgrundlage ist insoweit nicht die objektive Sachlage, sondern die Vorstellung des [X.] hiervon (vgl. nur [X.], 9 f. mwN).
Der Annahme von Freiwilligkeit steht es dabei nicht von [X.] entgegen, dass der Anstoß zum Umdenken von außen kommt ([X.], 366 f.) oder die Abstandnahme von der Tat erst nach dem [X.] erfolgt (s. [X.] NStZ 1988, 69 f.).
Entscheidend für die [X.] ist, dass der Täter die Tatvollendung aus selbstgesetz-ten Motiven nicht mehr erreichen will ([X.], Beschluss vom 10.
Juli 2013
-
2 [X.]).
Unter Zugrundelegung dieses rechtlichen Maßstabs tragen die Feststel-lungen des [X.] den Ausschluss eines strafbefreienden, freiwilligen Rücktritts des Angeklagten nicht.
Das [X.] hat insoweit lediglich festgestellt, dass der Zeuge S.

den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen Waffe zum Aufhören aufgefordert und dieser deshalb von der weiteren Tatbegehung abge-lassen habe. Ob aber allein dieser Umstand geeignet war, eine äußere Zwangslage zu schaffen, die den Angeklagten hinderte, die Tat fortzusetzen, lässt sich den Feststellungen des [X.] nicht zweifelsfrei entnehmen. Das Schwurgericht hat sich insoweit auf die Angaben des Zeugen S.

gestützt, der angegeben hat, die Stiche wahrgenommen, nach Hinzutreten
zu den
am Boden Kämpfenden umgehend seine Anscheinswaffe auf den Ange-klagten, der ihm den Rücken zugewandt habe, gerichtet und "Aufhören" ge-5
6
7
-
5
-
schrieen zu haben (UA S.
29). Auch wenn der Zeuge S.

weiter versi-cherte, der Angeklagte habe ihn -
entgegen dessen Bekundung
-
"wahrgenom-men", belegt dies noch nicht das Vorliegen einer äußeren Zwangslage, die das [X.] in der Sache damit begründet hat, dass der Zeuge S.

den Angeklagten unter Vorhalten einer pistolenähnlichen
Anscheinswaffe
zum
Auf-hören aufgefordert habe. Hätte der Angeklagte den Zeugen S.

mit auf ihn gerichteter Waffe gesehen, könnte dies zwar die Annahme einer äußeren Zwangslage durch das [X.] stützen; ob dies aber der Fall gewesen ist, lässt sich den insoweit nicht eindeutigen Äußerungen des Zeugen S.

nicht entnehmen, der lediglich davon gesprochen hat, der Angeklagte habe ihn "wahrgenommen". Dies lässt offen, ob der Angeklagte nur das Rufen des Zeu-gen S.

gehört oder ob er ihn auch gesehen hat. Sollte der Angeklagte aber nur die
Rufe des herbeigeeilten Zeugen vernommen haben, ohne zu [X.], dass dieser seine Aufforderung mit einer gezogenen Waffe unterstützte, würde dies die Möglichkeit eines freiwilligen Rücktritts nicht ausschließen. Wei-tergehende Zweifel daran, dass der Angeklagte den Zeugen S.

tat-sächlich nicht gesehen hat, ergeben sich im Übrigen daraus, dass dieser nach den Feststellungen des [X.] im Rücken des Angeklagten stand (UA S.
29).
Da sich auch aus anderen Umständen, insbesondere auch nicht aus den Angaben der Zeugin A.

, deren Kenntnis es sich entzog, warum der Ange-klagte aufgestanden und weggegangen sei (UA S.
30), nicht erschließt, dass der Angeklagte nicht freiwillig von der Tat abgelassen hat, bleibt letztlich offen, ob die gegenteilige Annahme des [X.] auf tragfähigen Feststellungen beruht.
3. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Schuldspruchs sowie sämtlicher Feststellungen, die nicht nur hinsichtlich des [X.]
-
6
-
hens, sondern auch in Bezug auf die eigentliche Tat auf die Bekundungen des Zeugen S.

gestützt waren. Der neue Tatrichter soll Gelegenheit zu einer widerspruchsfreien und in sich schlüssigen Würdigung des [X.] erhalten.
I[X.] Die Aufhebung der Verurteilung des Angeklagten K.

entzieht oh-ne Weiteres dem Schuldspruch gegen den Angeklagten [X.]

die Grundlage. Auch insoweit bedarf die Sache neuer Verhandlung und Entscheidung.
[X.][X.]

Eschelbach

Ott Zeng
9

Meta

2 StR 643/13

03.04.2014

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 03.04.2014, Az. 2 StR 643/13 (REWIS RS 2014, 6572)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6572

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2 StR 643/13

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