Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.01.2011, Az. 2 B 73/10

2. Senat | REWIS RS 2011, 10162

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Gegenstand

Bleibevereinbarung; Wegfall der Geschäftsgrundlage; besoldungsrechtlicher Gesetzesvorbehalt


Gründe

1

Die Beschwerde des [X.] kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO hat. Der behauptete Verfahrensmangel gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt nicht vor.

2

Der Kläger, der beamteter [X.]sprofessor im Dienst des [X.]n ist, lehnte im [X.] einen Ruf der [X.] ab, nachdem sich der [X.] in einer [X.] auf der Grundlage der damaligen Vorbemerkung Nr. 2 zur Bundesbesoldungsordnung [X.] zur Zahlung eines nicht ruhegehaltfähigen, an den gesetzlichen Besoldungserhöhungen teilnehmenden Zuschusses von 1 500 DM monatlich verpflichtet hatte. Der Zuschuss glich ca. 74 % der damaligen Differenz zwischen dem jährlichen Bruttoeinkommen des [X.] im Dienst des [X.]n und dem höheren jährlichen Bruttoeinkommen aus, das der Kläger bei Annahme des Rufs voraussichtlich erzielt hätte. Der Vereinbarung lag eine Vergleichsberechnung des [X.]n zugrunde, in die er die dem Kläger für das [X.] zustehenden Sonderzuwendungen in der damaligen gesetzlichen Höhe eingestellt hatte.

3

Der Kläger hält die Erhöhung des Zuschusses nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für geboten, um die gesetzlichen Kürzungen der jährlichen Sonderzuwendungen seit dem [X.] auszugleichen. Die Beteiligten seien bei Abschluss der [X.] übereinstimmend davon ausgegangen, dass der Kläger im Dienst des [X.]n künftig annähernd gleichviel verdienen sollte wie bei Annahme des [X.]. Zweck der Vereinbarung sei die Herstellung einer dauerhaften Einkommensparität gewesen. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn Kürzungen ab 2004 nicht ausgeglichen würden. Diese seien 1998 nicht vorhersehbar gewesen.

4

Die auf Nachzahlung der [X.] seit 2004 gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. In dem Berufungsurteil hat das Oberverwaltungsgericht ausgeführt, die in § 60 Abs. 1 Satz 1 [X.] geregelten Voraussetzungen für den Wegfall der Geschäftsgrundlage lägen nicht vor. Die Beteiligten hätten weder die dauerhafte Einkommensparität noch eine Besitzstandswahrung unabhängig von der [X.] Entwicklung zur gemeinsamen Grundlage der [X.] gemacht. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass der [X.] die Entwicklung der Einkommen von [X.]sprofessoren in [X.] und in der [X.] dauerhaft habe beobachten und die Höhe des zugesagten Zuschusses entsprechend habe anpassen sollen. Auch habe der [X.] aufgrund der Geltung des [X.] Gesetzesvorbehalts keine Gewähr für den ungeschmälerten Fortbestand der Besoldungsansprüche des [X.] übernehmen können. Die Höhe der jährlichen Sonderzuwendungen im [X.] sei lediglich als Rechengröße in die Vergleichsberechnungen eingeflossen.

5

Der Kläger wirft als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO sinngemäß die Fragen auf,

- welche Umstände und Entwicklungen gemeinsame Grundlage einer zur Abwendung eines Rufs geschlossenen [X.] zwischen Hochschullehrer und Dienstherrn sein können;

- ob einseitige Eingriffe des Dienstherrn in das der [X.] zugrunde gelegte Verhandlungsergebnis grundsätzlich zulässig sind;

- ob die vom [X.] entwickelten Grundsätze zur Änderungskündigung auf Änderungen des [X.] entsprechende Anwendung finden;

- ob nachträgliche Besoldungsabsenkungen unabhängig von ihrem Umfang die Erhöhung der in einer [X.] zugesagten Leistungen gebieten, wenn ansonsten das Verhandlungsergebnis entwertet würde.

6

Diese Fragen können schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO führen, weil es bei Anwendung der allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage für den Ausgang des Rechtsstreits nicht darauf ankommt, wie sie beantwortet werden (vgl. Beschluss vom 2. Oktober 1961 - BVerwG 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91> = [X.] 310 § 132 VwGO Nr. 18 S. 21 f.; stRspr).

7

Das Oberverwaltungsgericht hat die Frage, ob dem Kläger aufgrund der [X.] ein Anspruch der 2004 einsetzenden Kürzungen der jährlichen Sonderzuwendungen zusteht, nach § 60 Abs. 1 Satz 1 [X.] beurteilt. In dieser Vorschrift, die wörtlich mit § 60 Abs. 1 Satz 1 VwVfG übereinstimmt, sind die Voraussetzungen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags und die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen kodifiziert. Danach kann eine Vertragspartei die Anpassung des [X.] verlangen, wenn sich die für die Festsetzung des Vertrags maßgebenden Verhältnisse seit dessen Abschluss wesentlich zu ihrem Nachteil geändert haben und ihr aus diesem Grund ein Festhalten an der ursprünglichen vertraglichen Regelung nicht zuzumuten ist.

8

Der Bedeutungsgehalt dieser gesetzlichen Begriffe ist in der Rechtsprechung des [X.], die ihrerseits an die Rechtsprechung des [X.] zum Wegfall der Geschäftsgrundlage anschließt, geklärt, soweit es für den vorliegenden Fall von Bedeutung ist. Danach setzt eine wesentliche Änderung der Verhältnisse im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 [X.] voraus, dass nach Vertragsschluss tatsächliche Umstände oder rechtliche Bedingungen weggefallen sind, die die Vertragspartner zwar nicht zum Vertragsinhalt gemacht haben, deren Bestand sie jedoch als gemeinsame Grundlage des Vertrags angenommen und als beständig vorausgesetzt haben. Allerdings reicht es für die Annahme einer wesentlichen Änderung nicht aus, dass eine Vertragspartei nach ihrer gegenwärtigen Interessenlage in den Verschlagsschluss vernünftigerweise nicht mehr einwilligen würde. Vielmehr muss die Änderung zu schwerwiegenden, bei Vertragsschluss nicht absehbaren Nachteilen für eine Vertragspartei führen, denen die Vertragspartner billigerweise Rechnung getragen hätten, wenn sie die Entwicklung vorhergesehen hätten. Die Folgen der nachträglichen Änderung müssen den Risikorahmen überschreiten, den ein Vertragspartner nach [X.] und Glauben hinzunehmen hat. Dies ist insbesondere der Fall, wenn - bei Annahme der Gleichwertigkeit der gegenseitigen Leistungen bei Vertragsschluss - durch die nachträgliche tatsächliche Entwicklung oder eine nachträgliche Rechtsänderung ein eklatantes Missverhältnis zwischen ihnen entstanden ist. Die rechtliche Würdigung, ob ein Umstand eine gemeinsame Grundlage des Vertrags darstellt und ob sich aus seiner Änderung unzumutbare Folgewirkungen für einen Vertragspartner ergeben, ist auf der Grundlage aller maßgebenden Umstände des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. Urteile vom 25. November 1966 - BVerwG 7 [X.] 35.65 - BVerwGE 25, 299 <302 f.>; vom 9. November 1990 - BVerwG 8 [X.] 36.89 - BVerwGE 87, 77 <80 f.> und vom 24. September 1997 - BVerwGE 11 [X.] 10.96 - [X.] 407.2 § 19 [X.] Nr. 1 = NVwZ 1998, 1075).

9

Diese Rechtsgrundsätze hat das Oberverwaltungsgericht dem Berufungsurteil zugrunde gelegt (vgl. S. 13 des Urteilsumdrucks). Davon ausgehend hat es den von ihm gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindend festgestellten Sachverhalt dahingehend gewürdigt, dass weder der dauerhafte Schutz des [X.] gegen nachteilige Entwicklungen der Beamtenbesoldung noch die Herstellung einer dauerhaften Parität seines Einkommens mit den Verdienstmöglichkeiten als Professor an der [X.] gemeinsame Geschäftsgrundlage, d.h. übereinstimmendes Verhandlungsergebnis, der [X.] war.

Daher würden sich die vom Kläger aufgeworfenen Fragen in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Die Fragen betreffen die Voraussetzungen und die Zumutbarkeit wesentlicher Änderungen einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage der Vertragspartner. Eine derartige Grundlage existiert nach der Sachverhaltswürdigung des [X.] gerade nicht. Diese Würdigung der Umstände des vorliegenden Falles ist nicht verallgemeinerungsfähig. Soweit ihr der Kläger seine eigene, ihm naturgemäß günstigere fallbezogene Würdigung entgegensetzt, kann er die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht begründen. Denn er wendet sich gegen die Anwendung der hinreichend geklärten allgemeinen Rechtsgrundsätze zum Wegfall der Geschäftsgrundlage auf den festgestellten Sachverhalt.

Im Übrigen hat das Oberverwaltungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass der besoldungsrechtliche Gesetzesvorbehalt entscheidend gegen die Annahme spricht, der [X.] habe einen dauerhaften Schutz des [X.] gegen [X.] zur gemeinsamen Geschäftsgrundlage der [X.] machen wollen. [X.] dürfen gemäß § 2 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 [X.] (nunmehr § 2 Abs.1 und Abs. 2 Satz 1 ThürBesG) nur auf gesetzlicher Grundlage und in der gesetzlich vorgesehenen Höhe gewährt werden. Dies gilt auch für die Besoldung beamteter [X.]sprofessoren. Der [X.] hat den monatlichen Zuschuss nicht außerhalb oder entgegen gesetzlicher Regelungen zugesagt, sondern die Vorbemerkung 2 der Bundesbesoldungsordnung [X.] in der 1998 geltenden Fassung angewandt. Dabei hat er einen gesetzlich eröffneten Spielraum wahrgenommen (vgl. Urteil vom 12. November 2009 - BVerwG 2 [X.] 24.08 - [X.] 240 § 73 [X.] Nr. 15 Rn. 19). Der [X.] hätte sich rechtswidrig verhalten, wenn er einem Verhandlungsergebnis zugestimmt hätte, das den Kläger dauerhaft von einer ihm nachteiligen Geltung der Besoldungsgesetze ausgenommen hätte.

Dass auch die Garantie einer dauerhaften Einkommensparität nicht übereinstimmendes Verhandlungsergebnis - weil vom [X.]n nicht gewollt - war, ergibt sich aus dem festgestellten Umstand, dass die Entwicklung der Professoreneinkommen in der [X.] nach 1998 nicht in den Blick genommen werden sollte. Dies wäre aber zur Gewährleistung einer dauerhaften Parität erforderlich gewesen. Zudem ließe sich auch diese Garantie schwerlich mit dem [X.] Gesetzesvorbehalt vereinbaren.

Es stellt keinen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO dar, dass das Oberverwaltungsgericht die [X.] nicht zu dem Verfahren beigeladen hat. Die Voraussetzungen einer notwendigen Beiladung gemäß § 65 Abs. 2 VwGO sind nicht erfüllt, weil Rechte der [X.] durch das Verfahren nicht berührt werden. Das Beamtenverhältnis des [X.] besteht mit dem [X.]n als Dienstherrn, so dass dieser den Kläger zu besolden hat. Auch Ansprüche aus der [X.] richten sich ausschließlich gegen den [X.]n als Vertragspartner des [X.].

Meta

2 B 73/10

25.01.2011

Bundesverwaltungsgericht 2. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Thüringer Oberverwaltungsgericht, 9. Juni 2010, Az: 2 KO 60/09, Urteil

§ 60 Abs 1 VwVfG TH, § 60 VwVfG, § 2 BBesG, § 2 BesG TH

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 25.01.2011, Az. 2 B 73/10 (REWIS RS 2011, 10162)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 10162

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