Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2014, Az. XII ZB 346/13

12. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6787

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Gegenstand

Tätigkeit und Vergütung des Berufsbetreuers: Beiordnung eines Gebärdendolmetschers für die Kommunikation mit dem gehörlosen Betreuten zum Zwecke späterer Kostenerstattung


Leitsatz

Die Kosten für die Hinzuziehung eines Gebärdendolmetschers für die Kommunikation mit einem gehörlosen Betreuten sind mit der Pauschalvergütung nach §§ 4, 5 VBVG abgegolten. Der Berufsbetreuer kann daher die Beiordnung eines Gebärdendolmetschers zum Zwecke einer späteren Kostenerstattung nicht verlangen.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des [X.] vom 12. Juni 2013 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

[X.]: bis 2.000 €

Gründe

I.

1

Die Beteiligte zu 1 (nachfolgend: Betreuerin) wurde zur [X.] des mittellosen Betroffenen mit den Aufgabenkreisen Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Vertretung gegenüber Behörden und Institutionen, Wohnungsangelegenheiten sowie Entgegennahme und Öffnen der Post, außer [X.], bestellt. Der Betroffene ist gehörlos.

2

Dem Antrag der Betreuerin, ihr für die notwendige Kommunikation mit dem Betroffenen einmal im Monat einen Dolmetscher für die Gebärdensprache auf Kosten der Landeskasse beizuordnen, hatte das Amtsgericht zunächst stattgegeben. Nachdem der Beteiligte zu 2 (nachfolgend: [X.]) dem entgegengetreten ist, hatte das Amtsgericht seinen Beschluss aufgehoben und den Antrag der Betreuerin abgewiesen. Den erneuten Antrag der Betreuerin hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Beschluss ebenfalls abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Betreuerin ist ohne Erfolg geblieben. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihren Antrag weiter.

II.

3

Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, durch die Einführung des Gesetzes über die Vergütung von [X.] und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz - [X.]) vom 21. April 2005 ([X.] I 2005, 1073, 1076) sei die dem Betreuer zustehende Vergütung pauschaliert worden. Dabei sei gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] in den Stundensätzen jeweils ein pauschaler Anteil für Aufwendungsersatz sowie anfallende Mehrwertsteuer enthalten. Eine gesonderte Geltendmachung entstandener Aufwendungen komme nur in Betracht, wenn der Betreuer gemäß § 1835 Abs. 3 BGB Dienste erbringe, die zu seinem Gewerbe oder Beruf gehörten. Danach könne eine Erstattung der Kosten für einen Dolmetscher für die Gebärdensprache nicht erfolgen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus § 10 Abs. 2 des [X.] [X.] - [X.] ([X.]) vom 16. Dezember 2002 (GVOBl. 2002 S. 264), weil sich diese Vorschrift nur auf Verwaltungsverfahren beziehe.

5

2. Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.

6

a) Nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB erhält der Betreuer für seine Tätigkeit eine Vergütung, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers feststellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Hat das Gericht diese Feststellung getroffen und ist der Betreute mittellos im Sinne von § 1836 d BGB, kann der Berufsbetreuer die zu bewilligende Vergütung aus der Staatskasse verlangen, § 1 Abs. 2 Satz 2 [X.]. Die Höhe der Vergütung bestimmt sich nach dem zu [X.] (§ 5 [X.]) und dem nach § 4 Abs. 1 [X.] maßgeblichen Stundensatz. Mit diesen Stundensätzen sind gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] auch die anlässlich der Betreuung entstandenen Aufwendungen sowie anfallende Umsatzsteuer mit abgegolten. Nur die gesonderte Geltendmachung von Aufwendungen im Sinne des § 1835 Abs. 3 BGB bleibt daneben möglich (§ 4 Abs. 2 Satz 2 [X.]).

7

b) Auf dieser rechtlichen Grundlage hat das Beschwerdegericht zu Recht den Antrag der Betreuerin auf Beiordnung eines [X.]s zum Zwecke einer späteren Kostenerstattung abgelehnt.

8

aa) Nach § 1901 Abs. 1 BGB umfasst die Betreuung alle Tätigkeiten, die erforderlich sind, um die Angelegenheiten des Betreuten rechtlich zu besorgen. Zu diesen durch die Bestellung übernommenen Pflichten des Betreuers zählt als eine mit dem übertragenen Aufgabenkreis unabdingbar verknüpfte Nebenpflicht (Jurgeleit/[X.] Betreuungsrecht 3. Aufl. § 1901 BGB Rn. 21) auch die persönliche Kontaktaufnahme zu dem Betreuten (vgl. § 1901 Abs. 3 Satz 3 BGB). Die Kosten, die dem Betreuer hierdurch entstehen, sind anlässlich der Führung der Betreuung entstanden und daher durch die Einbeziehung des Aufwendungsersatzes in die Pauschalvergütung nach §§ 4, 5 [X.] abgegolten (vgl. BT-Drucks. 15/4874 S. 31). Benötigt ein Betreuer für die Kommunikation mit dem Betreuten einen Dolmetscher, stellen die Kosten für dessen Beauftragung ebenfalls Aufwendungen [X.]. § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] dar, die von der Pauschalvergütung des Betreuers erfasst werden und daher nicht gesondert geltend gemacht werden können ([X.] FamRZ 2009, 1180, 1181 f.; [X.] FamRZ 2009, 1008 f.; [X.] Betreuungsrecht [September 2011] § 4 [X.] Rn. 51; HK-BUR/[X.] [2005] § 4 [X.] Rn. 10; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 4 [X.] Rn. 45; [X.]/[X.]. [X.]. zu § 1836 § 4 [X.] Rn. 21; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 4 [X.] Rn. 1).

9

bb) Das gilt auch dann, wenn im Einzelfall dem Betreuer durch die Beauftragung eines Dolmetschers so hohe Kosten entstehen, dass sich seine Vergütung, die er in diesem Betreuungsverfahren erhält, erheblich reduziert. § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] regelt den Aufwendungsersatzanspruch des [X.] abschließend. Eine gesonderte Erstattung von Aufwendungen nach § 1835 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 BGB kann der Berufsbetreuer daneben nicht verlangen ([X.] Betreuungsrecht [September 2011] § 4 [X.] Rn. 51; [X.]/[X.] Betreuungsrecht 4. Aufl. § 4 [X.] Rn. 1; [X.]/[X.]. [X.]. zu § 1836 § 4 [X.] Rn. 21). Der Gesetzgeber wollte mit der Einführung der Pauschalvergütung von Berufsbetreuern in den §§ 4, 5 [X.] ein Vergütungssystem schaffen, das einerseits eine einfache und streitvermeidende Abrechnung der Betreuervergütung ermöglicht, andererseits den Berufsbetreuern jedoch eine auskömmliche Vergütung für ihre Tätigkeit gewährt (BT-Drucks. 15/2494 S. 31). Dabei hat sich der Gesetzgeber in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise (vgl. [X.] FamRZ 2009, 1123 Rn. 6) für ein Vergütungssystem auf der Grundlage einer Mischkalkulation entschieden, das zwangsläufig dazu führt, dass die gesetzlich festgelegte Vergütung in einzelnen Fällen nicht leistungsäquivalent ist (vgl. [X.] FamRZ 2011, 1642 Rn. 22; [X.] FamRZ 2007, 622, 625). Bei Berufsbetreuern, die regelmäßig mehr als zehn Betreuungen führen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 [X.]), werden diese Fälle durch solche ausgeglichen, bei denen die Pauschale den erbrachten Leistungs- und Aufwendungsumfang übersteigt (vgl. auch Senatsbeschluss vom 9. Oktober 2013 - [X.] 667/12 - FamRZ 2013, 1967 Rn. 15).

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass der Betroffene gehörlos ist und die Betreuerin daher um die Beiordnung eines Dolmetschers für die Gebärdensprache ersucht hat.

aa) Zutreffend ist das Beschwerdegericht davon ausgegangen, dass sich ein solcher Anspruch nicht aus § 10 Abs. 2 des [X.] [X.] - [X.] ([X.]) vom 16. Dezember 2002 (GVOBl. 2002 S. 264) herleiten lässt. Zwar sieht § 10 Abs. 2 Satz 4 und 5 [X.] vor, dass hörbehinderten Menschen auf Kosten des Trägers der öffentlichen Verwaltung eine Gebärdensprachdolmetscherin oder ein Gebärdensprachdolmetscher oder eine andere geeignete Kommunikationshilfe bereitgestellt werden soll, wenn dies zur Wahrnehmung eigener Rechte unerlässlich ist. Diese Regelung bezieht sich jedoch nur auf die Kommunikation gehörloser Menschen mit Verwaltungsbehörden des [X.]. Vorliegend geht es dagegen um die Frage, wer die Kosten für die notwendige Einschaltung eines [X.]s zu tragen hat, um die Kommunikation zwischen der Betreuerin und dem Betroffenen zu ermöglichen. Dafür gibt die Bestimmung nichts her.

bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gebietet im vorliegenden Fall auch das in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG enthaltene Verbot einer Diskriminierung behinderter Menschen nicht die Beiordnung eines [X.]s für die Kommunikation der Betreuerin mit dem Betroffenen. Unabhängig davon, dass die Betreuerin nicht Trägerin dieses Grundrechts ist und es daher fraglich erscheint, ob sie sich überhaupt auf Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG berufen kann, führt die angegriffene Entscheidung jedenfalls nicht zu einem Verstoß gegen das in dieser Vorschrift enthaltene Diskriminierungsverbot zugunsten behinderter Menschen.

Die Betreuerin sieht die Benachteiligung des Betroffenen darin, dass ohne die Beiordnung eines [X.]s die bei ihm aufgrund seiner Behinderung bestehenden körperlichen Defizite nicht ausgeglichen werden, um eine für die Führung der Betreuung sinnvolle Kommunikation zwischen ihr und dem Betroffenen zu ermöglichen. Durch die Ablehnung des Antrags der Betreuerin auf Beiordnung eines [X.]s erfährt der Betroffene indes keine Benachteiligung, die ihre Ursache gerade in seiner Behinderung hat.

Das Benachteiligungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG ist verletzt, wenn ein behinderter Mensch eine nachteilige Ungleichbehandlung im Vergleich zu Nichtbehinderten erfährt (vgl. [X.] NJW 1999, 1853, 1855). Eine Benachteiligung kann sich auch durch einen Ausschluss von Entfaltungs- und Betätigungsmöglichkeiten durch die öffentliche Gewalt ergeben, wenn dieser nicht durch eine auf die Behinderung bezogene Fördermaßnahme kompensiert wird (vgl. [X.] NJW 2011, 2035 Rn. 55 mwN).

Gemessen hieran liegt ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG nicht vor. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, inwieweit im Verfahren zur Betreuerbestellung das Gericht dafür Sorge tragen muss, dass der Betroffene trotz seiner körperlichen Einschränkungen seine Verfahrensrechte angemessen wahrnehmen kann und ob hierzu vom Betreuungsgericht - wie geschehen - ein [X.], etwa für die [X.]örung nach § 278 Abs. 1 Satz 1 FamFG, einzuschalten ist. Vorliegend geht es allein um die Verständigungsmöglichkeit des gehörlosen Betroffenen mit seiner Betreuerin, weil diese die Kosten für den erforderlichen [X.] nicht aus ihrer Vergütung bestreiten will. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Sachverhalt nicht von Fällen, in denen der Betroffene die [X.] nicht beherrscht und der Betreuer nicht bereit ist, zu den persönlichen Unterredungen mit dem Betreuten auf eigene Kosten einen Fremdsprachendolmetscher beizuziehen oder der Betreuer von persönlichen Gesprächen mit dem Betroffenen deshalb absieht, weil ihm die dadurch entstehenden Aufwendungen, etwa für Reisekosten, im Hinblick auf seine Vergütung zu hoch erscheinen. Die Behinderung des Betroffenen ist daher in diesem Zusammenhang nicht von entscheidender Bedeutung. Seine Situation entspricht im Wesentlichen der eines nicht behinderten Menschen, dessen Kommunikation mit dem für ihn bestellten Betreuer dadurch eingeschränkt ist, dass dieser nicht bereit ist, entgegen der Vergütungsregelung in § 4 Abs. 2 Satz 1 [X.] die hiermit verbundenen Aufwendungen zu tragen. Deshalb hat das Beschwerdegericht durch seine Entscheidung den Betroffenen nicht schlechter gestellt als einen Nichtbehinderten in gleicher Lage. Eine Benachteiligung wegen einer Behinderung kann daher in dem angegriffenen Beschluss nicht gesehen werden.

cc) Fehlt es im vorliegenden Fall an einer Benachteiligung des Betroffenen aufgrund seiner Behinderung, ergibt sich ein Anspruch der Betreuerin auf Beiordnung eines [X.]s auch nicht aus Art. 12 des [X.] über die Rechte von Menschen mit Behinderungen - [X.] - vom 21. Dezember 2008 ([X.] II 2008 S. 1419 ff.), für die [X.] in [X.] getreten am 26. März 2009 ([X.] II 2009 S. 812).

Dose                   Klinkhammer                                 Schilling

           [X.]

Meta

XII ZB 346/13

26.03.2014

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Kiel, 12. Juni 2013, Az: 3 T 136/13

§ 4 Abs 2 S 1 VBVG, § 5 VBVG, § 1901 Abs 1 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 26.03.2014, Az. XII ZB 346/13 (REWIS RS 2014, 6787)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6787

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