Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. VIII R 37/12

8. Senat | REWIS RS 2014, 5560

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen hinsichtlich einzelner, konkret angestrebter Kapitalanlagen - Kein nachträgliche Schuldzinsenabzug


Leitsatz

1. NV: Die Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen setzt die Absicht voraus, auf Dauer gesehen einen Überschuss zu erzielen, sofern die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren, nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist (st. Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 21. Juli 1981 VIII R 128/76, BFHE 134, 119, BStBl II 1982, 36) .

2. NV: Die Einkünfteerzielungsabsicht ist für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen (st. Rechtsprechung seit BFH-Urteil vom 23. März 1982 VIII R 132/80, BFHE 135, 320, BStBl II 1982, 463).

3. NV: Für diese auf einzelne Anlagen bezogene Prüfung ist grundsätzlich nur der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen, nicht aber ein hypothetischer, nicht verwirklichter Sachverhalt wie die Nichtdurchführung eines Vorhabens zu einer bestimmten Kapitalanlage .

Tatbestand

1

I. Streitig ist die [X.]erücksichtigung von Schuldzinsen aus Darlehensverträgen als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen.

2

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind verheiratet und werden zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie veräußerten im Jahr 2004 ein teilweise fremdfinanziertes und zur Vermietung genutztes Mehrfamilienhaus zu einem Kaufpreis von [X.]. Die zu diesem [X.]punkt noch bestehenden beiden [X.]ankdarlehen mit einer vertraglichen Laufzeit bis zum 30. Juli 2007 und einem Sollzinssatz von 5,95 % valutierten (bei Veräußerung) mit [X.]. Zur Sicherung der Darlehen verpfändeten die Kläger den Kaufpreis am 11. Dezember 2004 in Höhe von [X.] an die darlehensgewährende [X.]ank ([X.]) und legten den [X.]etrag in der [X.] vom 3. Februar 2005 bis 15. Juli 2005 auf einem Tagesgeldkonto bei der A mit einer Verzinsung von 2,5 % an.

3

Die Kläger gaben in ihrer Selbstauskunft vom 31. Januar 2005 gegenüber der A die Kredittilgung per 30. Juni 2005 in Höhe von [X.] als besonderes Ziel an. Zum 15. Juli 2005 wurden die Darlehen in Höhe von [X.] inklusive einer Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von [X.] und Zinsen für die [X.] vom 1. Januar 2005 bis 15. Juli 2005 in Höhe von [X.] bei [X.] getilgt.

4

Nachdem der [X.]eklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) die Kläger zunächst erklärungsgemäß unter Ansatz eines [X.] bei den Einkünften aus Kapitalvermögen zur Einkommensteuer veranlagt hatte, lehnte er dessen [X.]erücksichtigung aufgrund einer Außenprüfung mit [X.] nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung ab, weil es wegen der Höhe der Schuldzinsen von [X.] sowie der demgegenüber niedrigeren Zinseinnahmen von [X.] an der Einkünfteerzielungsabsicht fehle.

5

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das [X.] ([X.]) mit seinem in Entscheidungen der [X.]e 2012, 2199 veröffentlichten Urteil als unbegründet ab.

6

Mit der Revision tragen die Kläger vor, sie hätten beabsichtigt, mit den für das Mehrfamilienhaus aufgenommenen Krediten nach Veräußerung des Hauses zumindest bis zum Ablauf der Zinsbindungsfrist (30. Juli 2007) eine Kapitalanlage zu erwerben, die einen höheren Zinssatz als den für die Kredite zu zahlenden Zinssatz erzielt hätte.

7

Das [X.] habe bei Prüfung der entscheidungserheblichen Einkünfteerzielungsabsicht verkannt, dass die Anlage auf dem Festgeldkonto nur der Vorbereitung einer späteren weiteren Geldanlage gedient habe. Sie habe lediglich den [X.]raum überbrücken sollen, der für die darlehensrechtlichen oder bankrechtlichen Voraussetzungen dieser weiteren Geldanlage einschließlich der Zustimmung der [X.]ank zu dem angestrebten Sicherheitstausch (Wertpapiere statt Kaufpreisverpfändung) erforderlich gewesen sei. Die zwischenzeitliche Anlage auf einem Tagesgeldkonto sei üblich und zweckmäßig und im Zusammenhang mit der abschließenden Geldanlage zu beurteilen.

8

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben sowie die Einkommensteuer für das [X.] unter Änderung des [X.]es vom 11. Mai 2010 in Gestalt der Einspruchsentscheidung durch [X.]erücksichtigung des [X.] bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von [X.] auf [X.] festzusetzen.

9

Das [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) zurückzuweisen.

Die angefochtene Entscheidung verletzt weder Verfahrensrecht noch materielles Recht.

1. Materiell-rechtlich hat das [X.] zu Recht den streitigen Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen außer Ansatz gelassen.

a) Die streitigen Zinsaufwendungen kämen allerdings --wenn überhaupt-- nur als Erwerbsaufwendungen i.S. des § 9 des Einkommensteuergesetzes bei den Einkünften aus Kapitalvermögen in Betracht, weil ein Abzug als nachträgliche Schuldzinsen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung --im Zusammenhang mit der früheren Vermietung des veräußerten (fremdfinanzierten) [X.] nach der Rechtsprechung des [X.] ([X.]) wegen der möglichen Tilgung der Darlehen aus dem Veräußerungserlös im Streitfall ausscheidet (vgl. [X.]-Urteil vom 20. Juni 2012 IX R 67/10, [X.]E 237, 368, [X.], 275).

b) Der streitige Werbungskostenüberschuss bei den Einkünften der Kläger aus Kapitalvermögen ist indessen zu Recht in der angefochtenen Entscheidung unberücksichtigt geblieben.

Selbst wenn man zugunsten der Kläger davon ausgeht, dass die den Schuldzinsen zugrundeliegenden Darlehensverträge nach der Veräußerung der Immobilie durch die Verpfändung des Verkaufserlöses an die darlehensgewährende Bank in der erforderlichen Eindeutigkeit aus dem früheren Zusammenhang mit den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gelöst wurden (obwohl die Verwendung des Verkaufserlöses zur Tilgung der [X.] noch möglich war und später auch tatsächlich stattfand; vgl. zur notwendigen Eindeutigkeit der Umwidmung durch Lösung des Zusammenhangs mit einer früheren Einkunftsart Beschluss des Großen Senats des [X.] vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, [X.]E 161, 290, [X.] 1990, 817; [X.]-Beschluss vom 27. März 2001 VIII B 124/00, [X.]/NV 2001, 907, jeweils m.w.N., sowie zum Veranlassungszusammenhang zwischen Schuldzinsen und dem Surrogat eines fremdfinanzierten Objekts nach dessen Veräußerung [X.]-Urteil vom 25. Februar 2009 IX R 52/07, [X.]/NV 2009, 1255), kann der Werbungskostenüberschuss wegen fehlender Einkünfteerzielungsabsicht nicht berücksichtigt werden.

aa) Zu Recht geht das [X.] im Einklang mit der ständigen [X.]-Rechtsprechung davon aus, dass die Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für jede einzelne Kapitalanlage getrennt zu beurteilen ist ([X.]-Urteile vom 23. März 1982 VIII R 132/80, [X.]E 135, 320, [X.] 1982, 463; vom 27. Juni 1989 VIII R 30/88, [X.]E 157, 541, [X.] 1989, 934; [X.]-Beschlüsse vom 22. Januar 2007 VIII B 161/05, [X.]/NV 2007, 889; vom 12. März 2013 VIII B 85/12, [X.]/NV 2013, 931).

bb) Ebenso geht das [X.] zu Recht davon aus, dass für diese auf einzelne Anlagen bezogene Prüfung grundsätzlich nur der tatsächlich verwirklichte Sachverhalt zugrunde zu legen ist. Denn die Besteuerung knüpft grundsätzlich nur an die effektiv verwirklichten, nicht hingegen an hypothetische, zwar realisierbare, aber tatsächlich nicht verwirklichte Sachverhalte und Gestaltungen an (vgl. [X.]-Beschluss in [X.]/NV 2001, 907 unter Bezugnahme auf [X.]-Urteile vom 17. April 1997 VIII R 48/95, [X.]/NV 1998, 20, m.w.N.; vom 24. April 1997 VIII R 12/95, [X.]/NV 1998, 290; vom 12. November 1997 XI R 98/96, [X.]E 184, 502, [X.] 1998, 144; vom 7. Juli 1998 VIII R 57/96, [X.]/NV 1999, 594). Dies gilt in besonderer Weise für den Streitfall, in dem die Kläger andere Kapitalanlagen tatsächlich nicht erworben oder konkrete Maßnahmen zu ihrem Erwerb unternommen, sondern den auf dem Festgeldkonto angelegten Betrag zur Tilgung der für das frühere Vermietungsobjekt eingegangenen [X.] verwendet haben.

cc) Die --im Streitfall vom [X.] verneinte-- Einkünfteerzielungsabsicht bei den Einkünften aus Kapitalvermögen setzt nach der bis einschließlich 2008 geltenden Gesetzeslage die Absicht voraus, auf Dauer gesehen einen Überschuss zu erzielen, sofern die Absicht, steuerfreie Wertsteigerungen zu realisieren, nur mitursächlich für die Anschaffung der ertragbringenden Kapitalanlage ist (vgl. [X.]-Urteile vom 21. Juli 1981 VIII R 128/76, [X.]E 134, 119, [X.] 1982, 36; vom 21. Juli 1981 VIII R 154/76, [X.]E 134, 113, [X.] 1982, 37; in [X.]E 135, 320, [X.] 1982, 463; vom 4. Mai 1993 VIII R 7/91, [X.]E 171, 495, [X.] 1993, 832; vom 4. Mai 1993 VIII R 89/90, [X.]/NV 1994, 225; vom 7. Dezember 1999 VIII R 8/98, [X.]/NV 2000, 825; vom 8. Juli 2003 VIII R 43/01, [X.]E 203, 65, [X.] 2003, 937).

dd) Nach den für den Senat nach § 118 Abs. 2 [X.]O bindenden tatsächlichen Feststellungen des [X.] war ein solcher Einnahmeüberschuss in dem maßgeblichen Anlagezeitraum für das Festgeldkonto nicht zu erzielen.

2. Entgegen der Ansicht der Kläger beruht die angefochtene Entscheidung des [X.] auch nicht auf Verfahrensfehlern.

Auf der Grundlage der maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des [X.], dass für die Beurteilung der Einkünfteerzielungsabsicht nur auf die verwirklichten Kapitalanlagegeschäfte abzustellen ist, kam es ersichtlich auf die von den Klägern vermisste Sachaufklärung des Gerichts zu Art und Umfang ggf. beabsichtigter, aber nicht realisierter Kapitalanlagegeschäfte nicht an, sodass die Entscheidung nicht auf einem Mangel unzureichender Sachaufklärung i.S. des § 76 Abs. 1 [X.]O beruhen kann.

Da das Gericht auf seine vorbezeichnete Rechtsauffassung selbst nach Darstellung der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, fehlen insoweit auch Anhaltspunkte für die Annahme einer Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 [X.]O).

3. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VIII R 37/12

14.05.2014

Bundesfinanzhof 8. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 9. November 2011, Az: 9 K 799/11, Urteil

§ 2 EStG 2002, § 9 Abs 1 Nr 1 EStG 2002, § 20 EStG 2002, EStG VZ 2005

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 14.05.2014, Az. VIII R 37/12 (REWIS RS 2014, 5560)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 5560

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

VIII R 20/08 (Bundesfinanzhof)

Nachträgliche Schuldzinsen - Wesentliche Beteiligung - Berücksichtigung von Schuldzinsen als Werbungskosten nach Absenkung der Wesentlichkeitsschwelle


VIII R 7/15 (Bundesfinanzhof)

Aufteilung von Finanzierungskosten auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen und auf sonstige Einkünfte


VIII R 23/11 (Bundesfinanzhof)

(Einkünfteerzielungsabsicht bei Vermietung und Verpachtung - Begriff der "nahestehenden Person" - Scheingeschäft - Leerstandszeiten - …


VIII R 3/09 (Bundesfinanzhof)

Fehlende Einkünfteerzielungsabsicht bei Verzugszinsen


VIII R 53/14 (Bundesfinanzhof)

Schuldzinsenabzug bei steuerpflichtigen Erstattungszinsen


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.