Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2003, Az. 3 StR 435/02

3. Strafsenat | REWIS RS 2003, 3690

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[X.] DES VOLKESURTEIL3 [X.]/02vom27. März 2003in der Strafsachegegenwegen Vergewaltigung u. [X.] 2 -Der 3. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 27. März2003, an der teilgenommen haben:Vorsitzender [X.] am [X.] Prof. Dr. [X.],die [X.] am [X.] Dr. [X.], [X.], [X.], [X.]als beisitzende [X.],[X.]als Vertreter der [X.],Rechtsanwalt ,Rechtsanwalt als Verteidiger,Rechtsanwalt als Beistand der Nebenklägerin [X.],Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,- 3 -für Recht erkannt:- 4 -Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 6. Juni 2002 wird verworfen.Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels unddie der Nebenklägerin [X.] im Revisionsverfahren entstan-denen notwendigen Auslagen zu tragen.Von Rechts wegenGründe:Das [X.] hat den Angeklagten unter Freisprechung im übrigenwegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie wegen Körper-verletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von [X.] verurteilt und im Adhäsionsverfahren der Nebenklägerin [X.](imfolgenden nur: die Nebenklägerin) ein Schmerzensgeld von 5.000 Euro nebstZinsen zugesprochen. Mit seiner - nachträglich wirksam auf die Einzelstrafewegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Körperverletzung sowie auf den [X.] beschränkten - Revision rügt der Angeklagte die Verlet-zung formellen und materiellen Rechts. Er beanstandet insbesondere, daß das[X.] eine alkoholbedingt erheblich verminderte Schuldfähigkeit bei [X.] ausgeschlossen und zwei in diesem Zusammenhang ge-stellte Beweisanträge auf Anhörung eines Sachverständigen zurückgewiesenhat. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg.- 5 -1. Nach den Feststellungen hatte sich der Angeklagte am Tattag mit [X.] - der Nebenklägerin - heftig gestritten und war gegen sie tätlichgeworden. (Dies ist Gegenstand der von der Revision nicht angegriffenen [X.] wegen Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung.) Die Nebenkläge-rin war daraufhin vor dem Angeklagten geflüchtet, es kam jedoch im weiterenVerlauf des [X.] zu mehreren Telefonaten zwischen den beiden, die aberwiederum im Streit endeten. Schließlich sandte der Angeklagte um 19.59 Uhrder Nebenklägerin eine provozierende SMS-Nachricht, legte sich "im weiterenVerlauf des Abends" in die Badewanne und trank hierbei "lieblichen Weißweinin ungeklärter Menge". Gegen 23.30 Uhr rief er erneut bei der [X.]. Er kündigte an, gleich vorbeizukommen, um direkt mit ihr "zu ficken", erhabe schon "genug gesoffen". Die Nebenklägerin erklärte, sie werde die [X.] rufen, wenn er sie aufsuchen sollte. Hierauf antwortete der Angeklagte la-chend, daß er dann ja gemeinsam mit der Polizei ankommen werde. [X.] er sich ein Taxi, da er wegen seines vorangegangenen Weinkonsumsnicht mehr selbst fahren wollte, und ließ sich zu der Wohnung der Nebenkläge-rin bringen. Nachdem diese ihn aus Angst, er werde sich ansonsten gewaltsamZutritt verschaffen, in ihre Wohnung eingelassen hatte, ließ der Angeklagte"seinen aufgestauten Aggressionen ... freien Lauf" und erzwang von der [X.] verschiedene sexuelle Handlungen. Danach redete er etwa nocheine Stunde auf die teilnahmslose Nebenklägerin ein und verließ sodann derenWohnung.2. Nach Ansicht des [X.]s war die Fähigkeit des Angeklagten,das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln,durch den vor der Tat genossenen Alkohol nicht erheblich vermindert im Sinnedes § 21 StGB. Seine Einlassung, er habe in der Badewanne zwei [X.] getrunken, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Zwar sei davon- 6 -auszugehen, daß der Angeklagte in seiner Wohnung Wein getrunken habe,jedoch nicht in der von ihm angegebenen Menge, die bei dem nicht alkoholge-wohnten Angeklagten "eine erhebliche Alkoholisierung" hätte [X.]. Allerdings spreche für einen "gewissen Weinkonsum", daß der Ange-klagte bei seinem Anruf bei der Nebenklägerin um 23.30 Uhr erklärte, er habe"genug gesoffen". Auch habe seine Mutter ebenso wie sein Stiefvater beim [X.] seiner Wohnung eine leere Weißweinflasche auf dem [X.] bemerkt und sei seiner Mutter darüber hinaus eine weitere leere Flascheim Abfallbehälter in der Küche aufgefallen. Dennoch ist das [X.] sicherdavon überzeugt, daß der Angeklagte vor der Tat weniger als angegeben ge-trunken hat.a) Die dem zugrunde liegende Beweiswürdigung des [X.]s hältim Ergebnis den sachlich-rechtlichen Beanstandungen der Revision stand.Der Tatrichter muß die Einlassung des Angeklagten zu seinem Alkohol-genuß vor der Tat, für deren Richtigkeit oder Unrichtigkeit es keine unmittelba-ren Beweise gibt, nicht ohne weiteres als unwiderlegt hinnehmen. Vielmehr hater sich im Rahmen freier Beweiswürdigung (§ 261 StPO) und ohne Bindung [X.] aufgrund der im konkreten Fall gegebenen Erkenntnismöglich-keiten eine Überzeugung davon zu verschaffen, ob der Angeklagte in [X.] Alkohol zu sich genommen hat, daß eine erhebliche Verminderungoder Aufhebung seiner Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit in Betracht kommt.Dabei ist es ihm unbenommen, Trinkmengenangaben des Angeklagten als un-glaubhaft einzustufen, wenn er dafür durch die Beweisaufnahme gewonneneGründe hat, welche seine Auffassung argumentativ tragen (vgl. [X.]St 34, 29,34; [X.]R StGB § 20 Blutalkoholkonzentration 12 sowie § 21 [X.] und 22). Auch hierbei ist die Beweiswürdigung allein Sache des- 7 -Tatrichters, in die das Revisionsgericht nur eingreifen darf, wenn diesemRechtsfehler unterlaufen sind, also seine Würdigung etwa widersprüchlich,lückenhaft oder unklar ist bzw. gegen Denkgesetze oder gesicherte - auch wis-senschaftliche - Erfahrungssätze verstößt. [X.] derartige Rechts-fehler läßt die Überzeugungsbildung des [X.]s hier nicht erkennen.Nach Überzeugung des [X.]s hat der Angeklagte Weißwein inungeklärter Menge, aber jedenfalls weniger als die von ihm behaupteten zweiFlaschen und nur in einem Maße getrunken, daß eine alkoholbedingte erhebli-che Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit auszuschließen war. Es hat [X.] zunächst nicht übersehen, daß die Angaben der Mutter und des [X.] Angeklagten zu den nach der Tat in dessen Wohnung gefundenen [X.] für die Richtigkeit der Trinkmengenangaben des Angeklagtensprechen konnten. Demgegenüber hat es jedoch aus dem [X.] dem Verhalten des Angeklagten vor, bei und nach der Tat den Schluß ge-zogen, daß dieser nicht in der von ihm behaupteten Menge Wein zu sich ge-nommen hatte. Soweit es sich dabei darauf stützt, daß die Nebenklägerin beidem Angeklagten während der Tat und in der nachfolgenden Stunde keinerleialkoholbedingte Auffälligkeiten festgestellt habe, das [X.] Angeklagten uneingeschränkt erhalten geblieben sei und er sich vor allemüberlegt verhalten habe, indem er wegen des getrunkenen Alkohols nicht mitseinem eigenen Pkw, sondern mit einem Taxi zu der Nebenklägerin [X.], während der [X.] von zwei Flaschen Weißwein bei dem [X.] Angeklagten andererseits "eine erhebliche Alkoholisierung" (gemeintersichtlich: erkennbare alkoholbedingte Beeinträchtigungen) hätte [X.], stellt dies die gebotene argumentative Auseinandersetzung mit [X.] des Angeklagten dar, die einen Rechtsfehler im oben dargestelltenSinne - insbesondere einen Verstoß gegen gesicherte medizinische Erfah-- 8 -rungssätze - nicht erkennen läßt. Gleiches gilt für den darauf aufbauendenSchluß, der tatsächliche, im Umfang ungeklärte Weinkonsum des Angeklagtenhabe nicht zu einer erheblichen Verminderung seiner Schuldfähigkeit geführt.b) Die Verfahrensrügen sind - in Konsequenz dessen, daß das [X.] die Trinkmengenangaben des Angeklagten aus den dargelegten Gründenals widerlegt ansehen durfte - offensichtlich unbegründet im Sinne des § 349Abs. 2 StPO.3. Nach Auffassung des Senats hätte die Revision aber auch dann kei-nen Erfolg haben können, wenn das [X.] eine alkoholbedingt erhebli-che Verminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten rechtsfehlerhaft ver-neint hätte. Denn eine Strafrahmenverschiebung nach § 21, § 49 Abs. 1 [X.] hier ohnehin nicht in Betracht gekommen.Bei dieser Strafrahmenverschiebung handelt es sich zwar um eine [X.], im Ermessen des Tatrichters stehende Strafmilderung, von [X.] nur dann abgesehen werden darf, wenn die durch die [X.] verminderte Tatschuld durchschulderhöhende Umstände aufgewogen wird. Beruht die Einschränkung derSchuldfähigkeit auf den Wirkungen von Alkohol, kann ein derartiger Umstandallerdings darin liegen, daß sich der Täter schuldhaft in den Alkoholrausch ver-setzt hat. Dies gilt, abgesehen von den Fällen, in denen der Rechtsgedankeder actio libera in causa zur Ablehnung der Strafmilderung führt, nach bisheri-ger Auffassung des [X.] aber nur dann, wenn der Täter schonfrüher unter [X.] straffällig geworden ist und daher wußte oder sichhätte bewußt sein können, daß er in einem solchen Zustand zu [X.]. Darüber hinaus wird gefordert, daß die früher unter [X.] [X.] Straftaten nach Ausmaß und Intensität mit der nunmehr begangenen- 9 -Tat vergleichbar sind. Der Täter muß danach zwar früher unter [X.]keine gleichartige oder ähnliche Tat begangen haben, er muß aber aufgrundseines früheren Verhaltens damit rechnen können, unter [X.] ein dernunmehrigen Tat vergleichbares Delikt zu begehen (vgl. - mit Unterschieden imeinzelnen - 1. Strafsenat: NStZ 1993, 537; [X.]St 43, 66, 78; 2. Strafsenat:[X.]R StGB § 21 Strafrahmenverschiebung 14; 3. Strafsenat: NStZ 1986, 114,115; 4. Strafsenat: [X.]St 34, 29, 33; [X.]R StGB § 21 Strafrahmenverschie-bung 3; Beschl. vom 7. Januar 2003 - 4 [X.]; 5. Strafsenat: [X.] 1991,254, 255; 1993, 355 [X.] will der Senat nicht weiter festhalten. Er ist vielmehr der [X.], daß eine Strafrahmenverschiebung nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB in [X.] schon allein dann nicht in Betracht kommt, wenn die erhebliche [X.] der Schuldfähigkeit des [X.] auf verschuldeter Trunkenheit beruht.Dagegen ist es ohne Belang, ob der Täter schon früher unter Alkohol - ver-gleichbare - Straftaten begangen hat. Hierfür sind folgende Überlegungenmaßgebend:a) Die bisherige Rechtsprechung des [X.] steht nicht inÜbereinstimmung mit den Überlegungen des historischen Gesetzgebers (zumfolgenden s. [X.] 1990, 417, 418). Eine dem § 21 StGB entsprechendeRegelung war ursprünglich im [X.] nicht vorgesehen. Dieses kannte [X.] Schuldfähigkeit (Zurechnungsfähigkeit) oder volle Schuldunfähigkeit (Zu-rechnungsunfähigkeit). Erst der Amtliche Entwurf eines Allgemeinen [X.] von 1925 beinhaltete eine Bestimmung, wonach bei [X.], dessen Fähigkeit, das Unerlaubte der Tat einzusehen oder dieser Ein-sicht gemäß zu handeln, zur [X.], wegenkrankhafter Störung der Geistestätigkeit oder wegen Geistesschwäche in ho-- 10 -hem Maße vermindert war, die Strafe nach § 72 des Entwurfs zu mildern ist.Gleichzeitig wurde jedoch ausdrücklich vorgesehen, daß dies nicht bei [X.] gelte, die auf selbstverschuldeter Trunkenheit beruhen.Die Strafmilderung bei erheblich verminderter Schuldfähigkeit sollte demgemäßzwingend sein, ebenso zwingend aber auch das Absehen von der Strafmilde-rung, wenn die Minderung der Schuldfähigkeit auf verschuldeter Trunkenheitberuhte, ohne daß es darauf ankam, ob der Täter schon früher unter Alkohol-einfluß Straftaten begangen hatte.Im Entwurf von 1927 war dann (ebenso wie später im Entwurf 1962) diefakultative Strafmilderungsmöglichkeit bei erheblicher Einschränkung derSchuldfähigkeit vorgesehen, wie sie der Regelung des heutigen § 21 StGBentspricht. Sie wurde durch das Gesetz gegen gefährliche Gewohnheitsverbre-cher und über Maßregeln der Sicherung und Besserung vom 24. [X.] ([X.] 995) in das Strafgesetzbuch aufgenommen, ohne daß hiermiteine Bestimmung über den zwingenden Ausschluß der Strafmilderung bei ver-schuldeter Trunkenheit verbunden war. Dem lag erkennbar die Vorstellungzugrunde, daß hiervon deswegen abgesehen werden konnte, weil die [X.] Bestimmung die Möglichkeit eröffnete, diese Fälle bei der Ermessensent-scheidung von der Strafmilderung auszuschließen, andererseits aber flexiblereLösungen gestattete als eine zwingende Vorschrift. Entsprechend heißt esauch noch in der Begründung zum Entwurf 1962, daß die "schuldhafte Herbei-führung der verminderten Schuldfähigkeit" erschwerend berücksichtigt werdenkönne ([X.]. IV/650 S. 142).Diesen Überlegungen ist der [X.] zunächst gefolgt. [X.] er es im Jahre 1951 noch gebilligt, daß der Tatrichter eine alkoholbedingteVerminderung der Schuldfähigkeit des Angeklagten offen ließ, weil "der [X.] -holrausch jedenfalls selbst verschuldet sei und deshalb dem Angeklagten [X.] zugute gehalten werden könne". Hierin liege kein [X.] in der Regel die selbstverschuldete Trunkenheit Anlaß sein wird, [X.] nicht zu mildern" ([X.] bei [X.] 1951, 657; vgl. die weiterenNachweise bei [X.] aaO). Erst in der Folgezeit hat sich die oben dargestellteeinschränkende Rechtsprechung zur Versagung der Strafmilderung bei ver-schuldeter Trunkenheit entwickelt.b) Wenn eine Strafrahmenverschiebung nach § 21, § 49 Abs. 1 StGB beierheblicher Verminderung der Schuldfähigkeit infolge verschuldeter Trunken-heit nur in den Fällen versagt werden kann, in denen der Täter die Warnwir-kung früher unter [X.] begangener - vergleichbarer - Straftaten miß-achtet hat, steht dies in Widerspruch zu der gesetzlichen Regelung des Voll-rausches in § 323 a StGB. Nach dieser Vorschrift wird mit Freiheitsstrafe bis zufünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft, wer sich vorsätzlich oder fahrlässigdurch alkoholische Getränke oder andere berauschende Mittel in einen Rauschversetzt, wenn er in diesem Zustand eine rechtswidrige Tat begeht und ihret-wegen nicht bestraft werden kann, weil er infolge des Rausches schuldunfähigwar oder weil es nicht auszuschließen ist. Die Strafbarkeit knüpft damit an dasschuldhafte [X.] an, nicht an die im Rausch begangene rechtswid-rige Tat; diese ist lediglich Bedingung der Strafbarkeit ([X.]St 16, 124 ff.; 32,48, 54 f.). Stellt der Gesetzgeber aber das schuldhafte [X.], das- nicht ausschließbar - zur Aufhebung der Schuldfähigkeit führt, [X.] unter Strafe, ob sich der Täter aus früheren Ereignissen hätte [X.] können, daß er nach erheblichem Alkoholgenuß zur Begehung vonrechtswidrigen Handlungen neigt, läßt es sich nicht rechtfertigen, diese [X.] gesetzliche Bewertung des [X.]s für die Fälle einzuschränken,in denen der Alkoholkonsum nicht zur Aufhebung, sondern nur zur erheblichen- 12 -Verminderung der Schuldfähigkeit führt. Denn ansonsten würde derjenige,dessen Schuldfähigkeit erhalten geblieben ist, besser gestellt als der, [X.] zur Schuldunfähigkeit geführt hat. Insbesondere dann, wenn der nach§ 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte Strafrahmen für die unter [X.] be-gangene Tat niedriger liegt, als die durch § 323 a StGB für den Vollrausch beientsprechender Rauschtat angedrohte Strafe, liegt hierin ein nicht auflösbarerWertungswiderspruch ([X.]R StGB § 323 a Abs. 2 Strafzumessung 5). [X.] wird nicht dadurch gerechtfertigt, daß die Strafbarkeit beim Voll-rausch auf dem [X.] beruht, während sie bei nur verminderterSchuldfähigkeit an die unter dem [X.] begangene Tat anknüpft ([X.]/[X.] in [X.]/[X.], StGB 26. Aufl. § 21 Rdn. 21 m. w. [X.] es geht hier wie dort um die strafrechtliche Bewertung der [X.] übermäßigen Alkoholgenusses, die nicht unterschiedlich je da-nach ausfallen kann, ob das Berauschen zum völligen Wegfall oder lediglich zueiner erheblichen Verminderung der Schuldfähigkeit geführt hat. Der aufge-zeigte Widerspruch wird dadurch, daß in Fällen, in denen Zweifel bestehen, obdie Schuld des berauschten [X.] aufgehoben oder nur erheblich vermindertist, bei der Strafzumessung für den Vollrausch der gemäß § 21, § 49 Abs. 1StGB herabgesetzte Strafrahmen des Tatbestandes der jeweiligen [X.] wird (vgl. [X.]R StGB § 323 a Strafzumessung 5), nur ver-schleiert (kritisch auch [X.] NStZ-RR 1997, 163, 165). [X.] vermeidenläßt er sich nur dadurch, daß bei verschuldeter Trunkenheit eine Strafrahmen-verschiebung über § 21, § 49 Abs. 1 StGB im Regelfall versagt wird ([X.] in [X.], 37 f.).c) Eine derartige Handhabung entspricht auch dem Schuldprinzip unddem Grundsatz schuldangemessenen [X.] 13 -Die potentiell nachteiligen Folgen übermäßigen Alkoholgenusses, seineeinerseits das Bewußtsein trübenden, andererseits Handlungstriebe entfes-selnden und bestehende Handlungshemmungen einschränkenden Wirkungensind allgemein bekannt. Zwar treten diese Folgen nicht bei jedem Menschen ingleicher Weise und nach jedem übermäßigen Alkoholkonsum auf. Sie führenauch nicht notwendig zu strafbaren Verhaltensweisen. Andererseits lassen sichdie Wirkungen starken Alkoholgenusses jedoch niemals mit Sicherheit voraus-berechnen. Gerade der Umstand, daß sich der Alkoholisierte häufig in [X.], ihm sonst fremder - auch strafbarer - Weise verhält, kennzeichnet diedem übermäßigen Alkoholgenuß eigene Gefahr. Die Trunkenheit ist daher fürdie Allgemeinheit abstrakt gefährlich und beinhaltet demgemäß - wenn selbstverschuldet - einen Unwert, an den bei Taten unter [X.] eine straf-rechtliche Bewertung des [X.]s unabhängig davon anzuknüpfenvermag, ob dem konkreten Täter durch frühere Erfahrungen eine individuelleNeigung zur Begehung - vergleichbarer - Straftaten bekannt war oder [X.] sein konnte (vgl. [X.]St 16, 124, 125). Entsprechend war der [X.] befugt, für die Fälle, in denen der Alkoholrausch dazu führt, daß der Täterfür seine konkrete Tat nicht verantwortlich gemacht werden kann, den straf-rechtlichen Vorwurf an das schuldhafte [X.] als abstraktes [X.] zu knüpfen, für dessen Bestrafung die Rauschtat lediglich [X.] gibt ([X.] aaO).Dann ist es aber nur konsequent, in den Fällen, in denen die selbstver-schuldete Trunkenheit nicht zur Aufhebung, sondern lediglich zur erheblichenVerminderung der Schuldfähigkeit führt, die Strafmilderung nach § 21, § 49Abs. 1 StGB in der Regel auch dann zu versagen, wenn der Täter nicht übereinschlägige Vorerfahrungen hinsichtlich der gefährlichen Folgen übermäßigenAlkoholgenusses verfügt. Denn auch dann ist die abstrakte Gefahr der [X.] -kenheit regelmäßig erkennbar und seine Tatschuld wird gerade dadurch [X.], daß diese abstrakte Gefahr in der Tat in die konkrete Rechts-gutsgefährdung oder -verletzung umgeschlagen ist.Dies gilt grundsätzlich unabhängig davon, welche Straftat der Täter un-ter [X.] begangen hat und ob der für diese Tat angedrohte - gemäߧ 21, § 49 Abs. 1 StGB gemilderte - Strafrahmen hinter demjenigen des § 323 aAbs. 1 StGB zurückbleibt, der bei [X.] völliger Aufhebung derSchuldfähigkeit anzuwenden wäre (vgl. dazu die Überlegungen [X.] NStZ-RR 1997, 163, 165 f.). Das Maß der [X.] eine alkoholbedingt erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit istunabhängig von der Schwere der unter [X.] begangenen Straftat.Die durch die Trunkenheit bewirkte Reduzierung der Schuld ist daher beischwereren Straftaten, die im Höchstmaß mit Freiheitsstrafe von mehr als fünfJahren bedroht sind, nicht gewichtiger zu bemessen als bei Taten mit geringe-rer Strafandrohung. Im Gegenteil: Je schwerer eine potentielle Rechtsgutsver-letzung wiegt, um so höhere Anforderungen an deren Vermeidung darf [X.] stellen und um so weniger besteht Anlaß, denjenigen, derdurch verschuldete Trunkenheit seine Fähigkeit zu [X.] hat, durch eine Strafrahmenverschiebung zu begünstigen. [X.] im übrigen der Auffassung des Gesetzgebers, soweit dieser in § 7[X.] die Frage der Strafmilderung wegen selbstverschuldeter [X.] geregelt hat. Er hat dort für militärische Straftaten, Straftaten, diegegen das Kriegsvölkerrecht verstoßen, und solche, die Soldaten in [X.] Dienstes begehen, die Strafmilderung wegen selbstverschuldeter [X.] unterschiedslos ausgeschlossen, ohne nach der Schwere der [X.] der Höhe der Strafandrohung zu differenzieren. Auch der im [X.] 15 -gehalt dem § 7 [X.] entsprechende § 16 Abs. 2 Satz 3 StGB-DDR kannteeine derartige Differenzierung nicht.d) Nach den dargestellten Grundsätzen käme hier eine Strafmilderungnach § 21, § 49 Abs. 1 StGB nicht in Betracht. Der Angeklagte hätte sich vollverantwortlich in die seine Schuldfähigkeit einschränkende Trunkenheit ver-setzt. Er ist weder alkoholkrank noch alkoholüberempfindlich und hat sich [X.] den grundsätzlich schädlichen und enthemmenden Wirkungen des [X.] ausgesetzt.Da die Revision des Angeklagten aber bereits aus anderen Gründen zuverwerfen war, konnte der Senat in vorliegendem Verfahren noch davon abse-hen, gemäß § 132 Abs. 3 Satz 1 GVG bei den anderen Strafsenaten anzufra-gen, ob sie an der entgegenstehenden bisherigen Rechtsprechung festhalten.[X.] [X.] [X.] [X.] [X.]Nachschlagewerk: ja[X.]St: neinVeröffentlichung: [X.] § 21- 16 -Beruht die erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit des [X.] auf ver-schuldeter Trunkenheit, so kommt eine Strafrahmenverschiebung nach § 21,§ 49 Abs. 1 StGB in der Regel nicht in Betracht (nicht entscheidungstragend).[X.], Urteil vom 27. März 2003 - 3 [X.]/02 - [X.]

Meta

3 StR 435/02

27.03.2003

Bundesgerichtshof 3. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 27.03.2003, Az. 3 StR 435/02 (REWIS RS 2003, 3690)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2003, 3690

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