Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 214/13

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 6785

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

BESCHLUSS
XII [X.]/13
Verkündet am:

26. März 2014

Küpferle,

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in der Familiensache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB §
1578
b
a)
Bei einem betriebsbedingten und damit nicht ehebedingten Verlust des Ar-beitsplatzes kann sich ein [X.] Nachteil auch daraus ergeben, dass sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene oder fortgeführte Rollenverteilung zunächst nur in einem ein-geschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine seiner beruflichen Qualifikation und Fähigkeiten entsprechenden Stelle bewirbt
(im [X.] an Senatsurteile vom 7.
März 2012 -
XII
ZR
25/10
FamRZ 2012, 776 und vom 20.
Februar 2013 -
XII
ZR
148/10
mRZ 2013, 860).
b)
Auch in einem solchen Fall hat der Unterhaltsberechtigte im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert zu bestreiten und seinerseits darzulegen, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden sind. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müs-sen die vorgetragenen ehebedingten Nachteile vom Unterhaltspflichtigen wi-derlegt werden (im [X.]
an Senatsurteil
[X.]Z 185, 1 =
[X.], 875 und Senatsbeschluss vom 13.
März 2013
XII
ZB
650/11

FamRZ 2013, 935).
[X.], Beschluss vom 26. März 2014 -
XII [X.]/13 -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
26.
März 2014 durch
den
Vorsitzenden Richter Dose
und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Günter
und Dr.
Nedden-Boeger
für Recht erkannt:
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des 5.
Senats für Familiensachen des [X.] in [X.] vom 22.
April 2013 wird auf Kosten des [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Gründe:
I.
Die Antragsgegnerin (im Folgenden: Ehefrau) begehrt von dem [X.], ihrem mittlerweile geschiedenen Ehemann
(im Folgenden: Ehemann), im Scheidungsverbundverfahren Zahlung nachehelichen Unterhalts.
Aus der im Jahr 1989 geschlossenen Ehe der Beteiligten ist
ein
Sohn hervorgegangen, der im Jahr 1994 geboren wurde. Dieser führt einen eigenen Haushalt und ist wirtschaftlich selbständig. Die Eheleute waren zunächst in ei-nem Kernkraftwerk in der ehemaligen [X.] beschäftigt, der Ehemann als Ma-schinist und die Ehefrau als Ingenieurin. Die Ehegatten entschlossen sich nach der
politischen Wende, in
den Westen umzuziehen
und sich in Norddeutschland um neue Arbeitsplätze zu bemühen. Der Ehemann
nahm im [X.] 1990 im 1
2
-
3
-
direkten [X.] an seine frühere Tätigkeit eine Stelle bei den Stadtwerken N.

an. Dort ist er noch heute beschäftigt;
er verfügte im Jahr 2012 über ein Nettoeinkommen von rund 3.229

monatlich.
Die 1963 geborene [X.] war bis März 1992 in dem Kernkraftwerk beschäftigt, in der [X.] seit Mitte 1990 in Form einer auf "Null"
reduzierten Kurzarbeit. Nachdem es der Ehefrau
nicht gelang, in N.

ebenfalls einen Arbeitsplatz zu finden, absolvierte sie im Jahr 1992 einen vom Arbeitsamt vermittelten halbjährigen Computerkurs. Nach der Geburt des [X.] führten die Beteiligten bis [X.] 1998 eine Haus-frauenehe. Im [X.] hieran absolvierte die Ehefrau
eine Umschulung zur Kauffrau für Bürokommunikation.
Unmittelbar nach Abschluss dieser Ausbil-dung Anfang 2001 nahm sie eine
Tätigkeit als kaufmännische Angestellte auf. Seit Anfang 2002 arbeitet sie bei ihrem jetzigen Arbeitgeber mit aktuell rund 40
Wochenstunden; sie verfügte im Jahr 2012 über ein Nettoeinkommen von rund 1.440

Das Amtsgericht hat auf den im Februar 2012 zugestellten [X.] die Ehe geschieden, den Versorgungsausgleich durchgeführt
und den Ehemann
verpflichtet, an die Ehefrau
nachehelichen Unterhalt von monatlich 1.055,86

und [X.] 211

). Auf die Beschwerde des Ehemanns, mit der er eine stufenweise Be-grenzung des Unterhalts begehrt hat,
hat das Beschwerdegericht
die Unter-haltszahlung auf 863

und Al-tersvorsorgeunterhalt 172

). Hiergegen wendet sich der Ehemann
mit der zu-gelassenen Rechtsbeschwerde.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
3
4
-
4
-
1. Das Beschwerdegericht hat seine Entscheidung wie folgt begründet:
Beim Ehemann sei von einem bereinigten Monatseinkommen von 3.114,81

von einem solchen von 1.329,70

Danach ergebe sich ein monatlicher Elementar-
und [X.] von insgesamt 863

.
Der Unterhalt sei nicht gemäß § 1578
b BGB zu begrenzen.
Der Ehefrau
seien dauerhafte ehebedingte Nachteile entstanden. Zwar habe sie ihren Ar-beitsplatz im Kernkraftwerk betriebsbedingt aufgeben müssen. Die von den [X.] gemeinsam gestaltete Lebensführung nach dem Verlust des Arbeits-platzes der Ehefrau
habe aber eine eigenständige Ursache für den Einkom-mensnachteil gesetzt. Anders als dem Ehemann
sei es der Ehefrau
nicht ge-lungen, eine ihrer Ausbildung und bisherigen Berufstätigkeit entsprechende neue Arbeitsstelle zu finden. Die Lebensplanung der Beteiligten sei ab etwa 1992 darauf gerichtet gewesen, ein Kind zu bekommen, das schließlich im Juni 1994 nach künstlicher Befruchtung geboren worden sei.
Dass sich die Ehefrau
aufgrund ihrer vom Ehemann behaupteten schwie-rigen Persönlichkeitsstruktur und nicht aufgrund gemeinsamer getragener Ent-scheidungen während der Ehe ab 1991 nicht bundesweit beworben habe, sei aufgrund ihrer Erwerbsbiografie nicht anzunehmen. Das berufliche Agieren der Ehefrau
vor der Eheschließung zeuge gerade nicht von geringer Flexibilität, Scheu vor fremden
Städten oder einer persönlichkeitsbedingten Angst vor [X.]. Die Ehefrau
habe ihrer sekundären Darlegungslast hinsichtlich ihrer ehebedingten Nachteile genügt. Ihren Vortrag, welche konkreten Nachteile ihr entstanden seien, habe der Ehemann
nicht zu widerlegen vermocht. [X.] der Erwerbsbiografie der Ehefrau
bis zur Eheschließung bestünden aus-reichende Anhaltspunkte für die Möglichkeit einer Tätigkeit in ihrem erlernten 5
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-
5
-
Beruf, wenn die Ehegatten nicht gemeinsam nach N.

gezogen wären und sich für ein Kind entschieden hätten, das dann überwiegend von der [X.]
betreut worden sei. Der Vortrag des Ehemanns sei widersprüchlich. [X.] behaupte er,
der Anspruch sei verwirkt, weil
die Ehefrau
1990 bis 1993 einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Beruf gefunden
hätte, wenn sie sich nur ausreichend und in einem größeren Umkreis beworben hätte. Andererseits [X.] er, soweit es auf die Höhe des ehebedingten Nachteils
ankomme, dass es der Ehefrau
nicht gelungen wäre, eine Anstellung in ihrem erlernten Beruf zu finden.
Es könne auch aufgrund des vom Ehemann
vorgelegten statistischen Materials nicht davon ausgegangen werden, dass
es der Ehefrau
bei aus-
reichenden Bewerbungen
im gesamten ([X.] Raum, insbesondere im [X.] der chemischen Industrie in [X.], [X.], [X.] und [X.], 1990 oder 1991 nicht gelungen [X.], einen Arbeitsplatz zu finden. Es könne
sein, dass die Arbeitsplatzsituation für [X.] Anfang der 90er Jahre so angespannt gewesen sei, dass auch Universitätsabsolventen mit guten Examina nicht sofort eine Anstel-lung hätten finden können. Zu berücksichtigen sei aber, dass die Ehefrau
nur begrenzt mit einem Universitätsabsolventen zu vergleichen gewesen sei. Sie habe nämlich Anfang der 90er Jahre bereits über fünf Jahre Berufserfahrung in leitender Position und neben dem [X.] über eine
Ausbildung als Chemielaborantin verfügt.
Dass sich die Ehefrau
nach der Entscheidung für ein gemeinsames Kind bei der
Arbeitssuche auf einen Umkreis von 50
km um den gemeinsamen [X.] beschränkt habe, sei angesichts der Betreuungsmöglichkeiten für Kinder und der Schichttätigkeit des Ehemanns unterhaltsrechtlich nicht vorwerfbar und 9
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6
-
vom Ehemann
offensichtlich anhand des gemeinsamen Zusammenlebens auch so akzeptiert worden.
Eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf führe zu kei-nem
geringeren Unterhaltsanspruch der Ehefrau. Ohne den ehebedingten Ver-zicht auf eine Berufstätigkeit als [X.] würde die Ehefrau
heute zumindest über ein monatliches Bruttoeinkommen von 3.450

verfügen, mithin über ein Nettoeinkommen von 2.132

Ehefrau
aus eigener Erwerbstätigkeit mit monatlich 1.440

Elementarunterhaltsanspruchs in Höhe von 691

[X.]sanspruch sei bei diesem Vergleich nicht zu berücksich-tigen, da dieser den Ausgleich für die
geringeren Rentenversicherungsbeiträge im Vergleich zu einer Berufstätigkeit ohne ehebedingten Nachteil darstelle und im Übrigen der Ehefrau
für ihren monatlichen Bedarf nicht zur Verfügung stehe.
Nach dem [X.] [X.] liege die Vergütung in der chemischen Industrie für eine Ingenieurstätigkeit mit vorausgesetzter Fach-hochschulausbildung im Osten bei 3.327

[X.] bei monatlich 3.677

damit bei ca. 4.200

chemischen Industrie deshalb vorzunehmen, weil viele Akademiker nicht in [X.] Unternehmen arbeiteten, sei nicht geboten. Die von dem Ehe-mann
vorgetragenen Zahlen zur Anzahl der tariflich beschäftigten Akademiker seien nicht belastbar. Sie bezögen sich insbesondere nicht ausschließlich auf Chemiker, sondern auf alle Akademiker, umfassten also auch die akademi-schen Berufe, in denen in größerem Maße als bei Chemikern eine selbständige oder freiberufliche Tätigkeit zum typischen Berufsbild gehöre, wie zum Beispiel Ärzte, Rechtsanwälte, Psychologen etc. Aufgrund des Berufsbilds eines Chemi-kers sei davon auszugehen, dass die Anzahl der in tarifgebundenen Unterneh-11
12
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-
men arbeitenden [X.] prozentual höher sei als zum Beispiel die von Juristen oder Medizinern. Auch bei einer unterstellt geringeren Bezahlung der Ehefrau
aufgrund ihres Geschlechts sei davon auszugehen, dass bei [X.] Beschäftigten zumindest die tarifliche Mindestvergütung erzielt werde. Dass das Einkommen der Ehefrau
bei einer zwanzigjährigen Beschäftigung
in der chemischen Industrie [X.] heute unter 3.600

nicht ersichtlich. [X.] habe nach einer Studie des [X.] das Einstiegsgehalt eines Ingenieurs (FH) durchschnittlich 40.200

-
und Pharmaindustrie überdurchschnittli-che Einkommen
zahle. Diese Studie beschränke sich nicht auf tarifgebundene Unternehmen. Dass die Ehefrau
bei unterstellt knapp dreißigjähriger
Berufser-fahrung nicht einmal das Einstiegsgehalt eines Ingenieurs erzielen würde und auch trotz einer Beschäftigung im süddeutschen Raum (West) ein geringeres Einkommen als ein tariflich bezahlter Ingenieur im Osten erzielen würde, sei angesichts der derzeitigen Vollbeschäftigung von Ingenieuren nicht schlüssig begründbar und unwahrscheinlich.
Der Ehefrau
stehe neben dem Elementarunterhalt nach §
1578 Abs.
3 BGB ein [X.] in Höhe von 172

zu. Zwar sei der-zeit die Altersversorgung der Beteiligten unter Berücksichtigung des durchge-führten Versorgungsausgleichs in etwa gleich. Aufgrund des dauerhaften ehe-bedingten Nachteils sei die Ehefrau
jedoch auch in Zukunft gehindert, ein ihrem Ausbildungsstand als Ingenieurin entsprechendes Einkommen und damit kor-respondierende [X.] zu erwerben. Demgegenüber werde der Ehemann
in Zukunft allein von den mit seinem relativ hohen Einkommen kor-respondierenden
hohen Anwartschaften profitieren.
2. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde stand.
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8
-
a) Der zuerkannte Anspruch auf Aufstockungsunterhalt nach §
1573 Abs.
2 BGB sowie der Anspruch auf [X.] nach §
1578 Abs.
3 BGB werden von der Rechtsbeschwerde weder dem Grunde noch der Höhe nach
in Frage gestellt. Die entsprechenden Ausführungen des Beschwer-degerichts sind auch von Rechts wegen nicht zu beanstanden.
b) Die Rechtsbeschwerde begehrt allein eine Begrenzung des [X.] gemäß §
1578
b BGB. Dass das Beschwerdegericht
eine [X.] sowohl in Form einer Befristung nach §
1578
b Abs.
2 BGB als auch in Form einer Herabsetzung gemäß
§§
1578
b Abs.
1 BGB abgelehnt hat, ist frei von Rechtsfehlern.
aa) Ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ist nach §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB auf den angemessenen Lebensbedarf herabzusetzen, wenn eine an den ehelichen Lebensverhältnissen orientierte Bemessung des Unterhalts-anspruchs auch unter Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes unbillig wäre. Nach §
1578
b Abs.
2 Satz
1 BGB ist ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt zeit-lich zu begrenzen, wenn ein zeitlich unbegrenzter Unterhaltsanspruch unbillig wäre. Die Kriterien für die Billigkeitsabwägung ergeben sich aus §
1578
b Abs.
1 Satz
2 und 3 BGB. Danach ist insbesondere zu berücksichtigen, inwie-weit durch die Ehe Nachteile im Hinblick auf die Möglichkeit eingetreten sind, für den eigenen Unterhalt zu sorgen, oder eine Herabsetzung des Unterhalts-anspruchs unter Berücksichtigung der Dauer der Ehe unbillig wäre. Nachteile i.S.d. Satzes
2 können sich vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsfüh-rung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben, §
1578
b Abs.
1 Satz
3 BGB.
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-
9
-
(1) Der Maßstab des angemessenen Lebensbedarfs, der nach §
1578
b Abs.
1 BGB die Grenze für die Herabsetzung des nachehelichen Unterhalts bildet, bemisst sich dabei nach dem Einkommen, das der unterhaltsberechtigte Ehegatte ohne die Ehe und Kindererziehung aus eigenen Einkünften zur Verfü-gung hätte. Erzielt der Unterhaltsberechtigte nach einer ehebedingten Ein-schränkung seiner Erwerbstätigkeit lediglich Einkünfte, die den eigenen ange-messenen Unterhaltsbedarf nach §
1578
b BGB nicht erreichen, scheidet eine Befristung des Unterhaltsanspruchs regelmäßig aus. Auch dann kann der [X.] nach einer Übergangszeit aber bis auf den ehebedingten Nachteil her-abgesetzt werden, der sich aus der Differenz des angemessenen [X.] mit dem erzielten oder erzielbaren eigenen Einkommen ergibt, was freilich voraussetzt, dass der Bedarf nach den ehelichen Lebensverhältnissen
den eigenen
angemessenen Lebensbedarf übersteigt. Um den ehebedingten Nach-teil der Höhe nach bemessen zu können, muss der Tatrichter Feststellungen zum angemessenen Lebensbedarf des Unterhaltsberechtigten im Sinne des §
1578
b Abs.
1 Satz
1 BGB und zum Einkommen treffen, das der Unterhalts-berechtigte tatsächlich erzielt bzw. gemäß §§
1574, 1577 BGB erzielen könnte. Die Differenz aus den beiden Positionen ergibt den ehebedingten Nachteil (Se-natsbeschluss vom 13.
März 2013

XII
ZB
650/11

FamRZ 2013, 935 Rn.
35 mwN).
(2) Ehebedingte Nachteile sind vor allem Erwerbsnachteile, die durch
die
von den Ehegatten praktizierte Rollenverteilung während der Ehe entstanden sind. Sie können sich ergeben, wenn ein Ehegatte sich entschließt, seinen Ar-beitsplatz aufzugeben, um die Haushaltsführung und Kinderbetreuung zu über-nehmen. Denn nach §
1578
b Abs.
1 Satz
3 BGB können
sich solche Nachteile vor allem aus der Dauer der Pflege oder Erziehung eines gemeinschaftlichen Kindes sowie aus der Gestaltung von Haushaltsführung und Erwerbstätigkeit während der Ehe ergeben. Es ist auf die tatsächliche Gestaltung von Kinderbe-18
19
-
10
-
treuung und Haushaltsführung abzustellen, weshalb der unterhaltspflichtige Ehegatte nicht einwenden kann, dass er den Unterhaltsberechtigten während der
Ehe zur Berufstätigkeit angehalten habe (Senatsbeschluss vom 13.
März 2013

XII
ZB
650/11
-
FamRZ 2013, 935 Rn.
36 und Senatsurteil vom 16.
Fe-bruar 2011

XII
ZR
108/09
-
FamRZ 2011, 628 Rn.
20 mwN).
Ein Nachteil ist nur dann nicht ehebedingt, wenn die [X.] für den Erwerbsnachteil nicht ursächlich geworden ist. Das ist der Fall, wenn der Unterhaltsberechtigte seinen Arbeitsplatz ausschließlich aus Gründen aufgege-ben oder verloren hat, die außerhalb der [X.] liegen, so etwa auf-grund einer von ihm persönlich beschlossenen beruflichen Neuorientierung oder
wegen einer betriebs-
oder krankheitsbedingten Kündigung seitens des Arbeitgebers (Senatsbeschluss vom 13.
März 2013

XII
ZB
650/11
-
FamRZ 2013, 935 Rn.
36
mwN).
Ein [X.] Nachteil kann sich bei einem -
nicht ehebedingten
-
Ar-beitsplatzverlust indes daraus ergeben, dass der unterhaltsberechtigte Ehegatte mit Rücksicht auf die Ehe und die übernommene
Rollenverteilung von der [X.] einer seiner beruflichen Qualifikation und Fähigkeiten entsprechenden Erwerbstätigkeit absieht und ihm dadurch eine dauerhafte Einkommenseinbuße entsteht (Senatsurteile vom 20.
Februar 2013

XII
ZR
148/10
-
FamRZ 2013, 860 Rn.
20 und vom 7.
März 2012

XII
ZR
25/10 -
FamRZ 2012, 776 Rn.
21).
(3) Der Unterhaltspflichtige, der sich auf eine Begrenzung des nacheheli-chen Unterhalts beruft, trägt die Darlegungs-
und Beweislast hinsichtlich der hierfür sprechenden Tatsachen. In die Darlegungs-
und Beweislast des [X.] fällt deshalb grundsätzlich auch der Umstand, dass dem Unter-haltsberechtigten keine ehebedingten Nachteile im Sinne des §
1578
b BGB entstanden sind. Die dem Unterhaltspflichtigen obliegende Darlegungs-
und 20
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-
11
-
Beweislast erfährt jedoch eine Erleichterung nach den von der Rechtsprechung zum Beweis negativer Tatsachen entwickelten Grundsätzen. Danach trifft den Unterhaltsberechtigten eine sekundäre Darlegungslast, die im Rahmen von §
1578
b BGB zum Inhalt hat, dass der Unterhaltsberechtigte die Behauptung, es seien keine ehebedingten Nachteile entstanden, substantiiert bestreiten
und seinerseits darlegen muss, welche konkreten ehebedingten Nachteile entstanden
sein sollen. Erst wenn das Vorbringen des Unterhaltsberechtigten diesen Anforderungen genügt, müssen die vorgetragenen ehebedingten Nach-teile vom Unterhaltspflichtigen widerlegt werden (Senatsurteil
[X.]Z 185, 1 =
[X.], 875 Rn. 18 ff.
und
Senatsbeschluss vom 13.
März 2013

XII
ZB
650/11
-
FamRZ 2013, 935 Rn.
37 mwN).
[X.]) Gemessen hieran begegnet die Auffassung des
[X.], wonach die Voraussetzungen für eine Begrenzung nach §
1578
b BGB wegen eines bestehenden ehebedingten Erwerbsnachteils gegenwärtig nicht vorliegen,
keinen Bedenken.
(1) Das Beschwerdegericht ist rechtsfehlerfrei davon ausgegangen, dass der betriebsbedingte Arbeitsplatzverlust auf Seiten der Ehefrau für sich [X.] keinen ehebedingten Nachteil zu begründen vermag. Zu Recht hat es in einem nächsten Schritt darauf abgestellt, dass ein [X.] Nachteil auch dann eintreten kann, wenn sich der unterhaltsberechtigte Ehegatte ehebedingt zunächst

vergeblich

nur in einem eingeschränkten Radius und später gar nicht mehr um eine seiner beruflichen Qualifikation und Fähigkeiten entspre-chende Stelle bewirbt. Dabei kommt es auf die Einwendungen des Ehemanns, wonach die Ehefrau
während des ehelichen Zusammenlebens die gebotenen Erwerbsbemühungen unterlassen habe, entgegen der Auffassung der Rechts-beschwerde schon deshalb nicht an, weil für die Bewertung der in §
1578
b BGB aufgeführten Kriterien maßgeblich auf die tatsächlich gelebte Ehe, also auf 23
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-
12
-
objektive Umstände abzustellen
ist
(siehe etwa Senatsurteil vom 20.
Oktober 2010

XII
ZR
53/09
-
[X.], 2059 Rn.
27).
(2) Das Beschwerdegericht hat zudem die vom Senat zu §
1578
b BGB entwickelten Grundsätze zur Darlegungs-
und Beweislast in nicht zu beanstan-dender Weise auf den vorliegenden Fall übertragen.
(a) Für die Frage, ob ehebedingte Nachteile entstanden sind, macht es im Ergebnis keinen Unterschied, ob sich der Unterhaltsberechtigte ehebedingt erst gar nicht um
eine Erwerbstätigkeit
bemüht hat und deshalb später nicht mehr in den erlernten Beruf zurückfinden kann oder ob er sich

wie hier

ehe-bedingt nur in einem engen örtlichen Umkreis zum Wohnort vergeblich [X.] hat und deshalb nun keine entsprechende Anstellung mehr findet. Soweit die Rechtsbeschwerde meint, der letztgenannten Fallgruppe eine gewisse In-dizwirkung für eine generell
fehlende Erfolgsaussicht
der Bewerbungsbemü-hungen entnehmen zu können, kann dem im Rahmen der
sekundären Darle-gungslast je nach den Umständen des Einzelfalls angemessen Rechnung ge-tragen werden. Das ändert entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde allerdings nichts daran, dass der Unterhaltspflichtige vom Unterhaltsberechtig-ten hinreichend substantiiert vorgetragene ehebedingte Nachteile zu widerlegen hat, weil er die Beweislast für die von ihm geltend gemachte Einwendung der Unterhaltsbegrenzung nach §
1578
b BGB trägt.
Beide Fallkonstellationen setzen freilich voraus, dass die Aufnahme einer angemessenen Erwerbstätigkeit ohne ehebedingte Einschränkung möglich ge-wesen wäre.
(b) Diesen Maßstäben ist das Beschwerdegericht hinreichend gerecht geworden.
25
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27
28
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13
-
Das Beschwerdegericht ist in tatrichterlicher Verantwortung davon aus-gegangen, dass die Ehefrau ihrer Darlegungslast gerecht geworden sei. Hierbei hat es maßgeblich auf den Vortrag zu ihrer Erwerbsbiografie bis zur Eheschlie-ßung abgestellt. Zudem hat das Beschwerdegericht
berücksichtigt, dass die Ehefrau bereits über fünf Jahre Berufserfahrung in leitender Position und neben dem [X.] über die Ausbildung als Chemielaborantin verfügte. Wenn es unter Berücksichtigung dieser Feststellungen den Vortrag der Ehefrau als hinreichend substantiiert erachtet, ist das aus Rechtsgründen nicht zu [X.].
(c) Schließlich geht die Rüge der Rechtsbeschwerde fehl, wonach
das Beschwerdegericht dem Beweisantrag des Ehemanns, ein Sachverständigen-gutachten zu den
seinerzeit bestehenden Einstellungschancen und zur [X.] einzuholen, hätte entsprechen müssen.
Die Rechtsbeschwerde hat mit ihrer Verfahrensrüge nicht aufgezeigt, dass der Beweisantrag des Ehe-manns erheblich war, also die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen wäre.
Allerdings kann der Unterhaltspflichtige

worauf die Rechtsbeschwerde zutreffend hinweist

die substantiierte Darlegung [X.] Nachteile wider-legen. Dabei verpflichtet Art.
103 Abs.
1 GG das Gericht, erhebliche Beweisan-träge
zu berücksichtigen; der Anspruch auf rechtliches Gehör gewährt [X.] keinen Schutz davor, dass das Gericht Vorbringen der Beteiligten aus Gründen des formellen oder materiellen Rechts ganz oder teilweise unberück-sichtigt lässt ([X.] Beschluss vom 9.
April 2013

XI
ZR
337/10
BKR 2013, 260 Rn.
11 mwN).
(aa) [X.] über die damali-gen Beschäftigungschancen der Ehefrau bedurfte es ausgehend vom Vortrag 29
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31
32
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14
-
des Ehemanns nach den vom Beschwerdegericht
getroffenen Feststellungen indes nicht.

Der Ehemann hat in dem von der Rechtsbeschwerde in Bezug genom-menen Schriftsatz im instanzgerichtlichen Verfahren selbst vorgetragen, dass die Arbeitslosenquote der "[X.] (Chemiker)"
in Gesamtdeutschland 1991 26,6
% und im Jahr 1992 31,3
% betragen habe. Der
von der Rechtsbe-schwerde konkret in Bezug genommene Beweisantritt
des Ehemanns
bezieht sich auf das Beweisthema "Bewerbung in [X.] oder Umgebung".
In seiner Beschwerdebegründung hat der Ehemann wiederum die Behauptung unter Beweis gestellt, dass nur ein Bewerber mit speziellen Zusatzqualifikationen bzw. Nachweisen
über Fortbildungsmaßnahmen auf dem Arbeitsmarkt in [X.] eine Chance und eine Frau ohnehin noch schlechtere Chancen gehabt hätte.
Das Beschwerdegericht
hat den Vortrag des Ehemanns als richtig unter-stellt, wonach die Arbeitsplatzsituation für [X.] Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts so angespannt gewesen sei, dass auch Univer-sitätsabsolventen mit guten Examina nicht sofort eine Anstellung hätten finden können. Dabei hat es
aber zugunsten der Ehefrau berücksichtigt, dass diese anders als Universitätsabsolventen Anfang der 90er Jahre bereits über fünf Jahre Berufserfahrung in leitender Position verfügte und neben dem [X.] eine
Ausbildung als Chemielaborantin innehatte.
Selbst wenn man die vom Ehemann

bezogen auf [X.], also Berufsanfänger

[X.]te Arbeitslosenquote von rund 30
% unterstellte, würde dies der Rechts-beschwerde nicht zum Erfolg verhelfen, weil damit die von der Ehefrau darge-legte Erwerbschance nicht widerlegt wäre. Da sie im Übrigen dargetan hat, dass sie sich im gesamten [X.] beworben hätte, kommt es auf die 33
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-
15
-
unter Beweis gestellte Tatsache
der Einstellungschancen in [X.] und Umgebung nicht an.
Ebenso wenig kann sich der Ehemann mit Erfolg darauf berufen, dass sich die Ehefrau erst im Jahr 1993 um die Anerkennung ihres Abschlusses (FH) gekümmert habe. Denn dies ist letztlich Ausdruck
der gelebten Ehe und lässt keine Rückschlüsse darauf zu, wie die Ehefrau ohne Ehe verfahren wäre. Hinzu kommt, dass der Ehemann
an anderer Stelle selbst behauptet
hat, dass die Ehefrau in der [X.] von 1990 bis 1993 einen Arbeitsplatz in ihrem erlernten Be-ruf hätte finden können, wenn sie sich nur ausreichend und in einem größeren Umkreis beworben hätte. Im Übrigen hätte der Ehefrau selbst bei unterstellt schlechten Erwerbschancen im Jahr 1992

ohne Ehe

dann jedenfalls ein spä-terer Wiedereinstieg gelingen können.
([X.]) Schließlich ist auch nichts dagegen zu erinnern, dass das Be-schwerdegericht
aufgrund der von ihm getroffenen Feststellungen das von der Ehefrau in ihrem früheren Beruf erzielbare monatliche Bruttoeinkommen mit 3.450

bemessen hat (netto 2.132

bei Steuerklasse
1 und einem hälftigen Kinderfreibetrag), ohne hierzu ein Sachverständigengutachten eingeholt zu ha-ben.
Entgegen den pauschal gehaltenen Ausführungen der [X.] hat sich das Beschwerdegericht zur Ermittlung der Einkommenshöhe nicht allein auf eine Studie des [X.] gestützt. Vielmehr hat es in tatrichterlicher Verantwortung das [X.] [X.] herangezogen und schließlich unter Berücksichtigung verschiedener Tarifstruk-turen einen
Mittelwert von 4.200

Zudem hat das Beschwerdegericht
den von der Rechtsbeschwerde in Bezug genommenen Einwand des Ehemanns im Ergebnis Rechnung getragen, wonach ein ge-35
36
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16
-
schlechtsspezifischer
Abschlag von 18
% vorzunehmen sei, indem es bei der Berechnung des angemessenen Lebensbedarfs der Ehefrau einen
monatlichen Bruttolohn von lediglich 3.450

. Schließlich hat es sich umfassend und in von Rechts wegen nicht zu beanstandender Weise mit
dem Einwand des Ehemanns auseinandergesetzt, wonach ein Abschlag vom
Tarif-gehalt vorzunehmen sei, weil viele Akademiker nicht in tarifgebundenen Unter-nehmen arbeiteten. Dass das Beschwerdegericht
einen solchen Abschlag ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens abgelehnt hat, ist nicht zuletzt auch deshalb vertretbar, weil dieser Beweisantritt nicht geeignet war, eine mög-liche Anstellung der Ehefrau in einem tarifgebundenen Unternehmen zu wider-legen, zumal nach dem eigenen Vortrag des Ehemanns immerhin 47
% aller Akademiker in tarifgebundenen Betrieben
beschäftigt seien.
(3) Nach den weiteren Feststellungen des [X.] entspricht der angemessene Lebensbedarf der Ehefrau, also das Einkommen, über das sie ohne Eheschließung verfügen würde, dem
Bedarf nach den ehelichen [X.]. Demnach stimmt der zugesprochene Elementarunterhalt mit dem ehebedingten Nachteil
überein, weshalb auch nichts dagegen zu
erinnern
ist, dass sich das Beschwerdegericht gegen eine Befristung ausgesprochen hat.
cc) Ebenso wenig ist es zu beanstanden, dass das Beschwerdegericht
von einer Herabsetzung im Sinne des §
1578
b Abs.
1 BGB abgesehen hat. Denn eine Herabsetzung auf den angemessenen Lebensbedarf kommt nur dann in Betracht, wenn der angemessene Lebensbedarf unterhalb des eheli-chen Bedarfs gemäß §
1578
Abs.
1 Satz
1
BGB liegt.
dd) Weder von der Rechtsbeschwerde angegriffen noch sonst zu [X.] ist der vom Beschwerdegericht der Ehefrau
zugebilligte Altersvorsor-38
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17
-
geunterhalt. Da ihr lediglich die ehebedingte [X.] als Elemen-tarunterhalt zugesprochen wird, setzt sich der ehebedingte Nachteil mit [X.] in Form der geringeren [X.] fort. Durch die Bewilli-gung von [X.] im Sinne
von §
1578
Abs.
3 BGB bezogen auf die ehebedingte [X.] kann dieser Nachteil ausgeglichen wer-den (Senatsbeschlüsse
vom 7.
November 2012

XII
ZB
229/11

FamRZ 2013, 109 Rn.
51 und vom 26.
Februar 2014

XII
ZB
235/12

zur [X.] bestimmt).

Dose

Klinkhammer

Schilling

Günter

Nedden-Boeger
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 25.10.2012 -
41 [X.]/12 -

OLG [X.], Entscheidung vom 22.04.2013 -
15 UF 174/12 -

Meta

XII ZB 214/13

26.03.2014

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 26.03.2014, Az. XII ZB 214/13 (REWIS RS 2014, 6785)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 6785

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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XII ZB 235/12 (Bundesgerichtshof)


XII ZB 122/17 (Bundesgerichtshof)

Nachehelicher Unterhalt: Ausgleich ehebedingter Nachteile durch Versorgungsausgleich und Altersvorsorgeunterhalt


XII ZB 235/12 (Bundesgerichtshof)

Nachehelicher Unterhalt: Ausgleich des ehebedingten Nachteils geringerer Versorgungsanwartschaften des unterhaltsberechtigten, kindesbetreuenden Ehegatten infolge teilweiser Hinderung …


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XII ZB 214/13

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