Bundessozialgericht, Urteil vom 07.07.2020, Az. B 12 R 27/18 R

12. Senat | REWIS RS 2020, 2415

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Gegenstand

(Sozialversicherungsfreiheit - Verwaltungsratsmitglied einer monistisch organisierten europäischen Aktiengesellschaft (SE) - Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmungen von § 1 S 3 SGB 6 und § 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3 für Mitglieder des Vorstandes einer AG - gesetzliche Tatbestandsgleichstellung in Form einer Äquivalenzregelung)


Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des [X.] vom 21. November 2018 und des [X.] vom 20. Februar 2018 aufgehoben, soweit das Nichtbestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt worden ist.

Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der [X.] auch im Revisionsverfahren. Im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten (noch) darüber, ob die Klägerin zu 2. in ihrer Tätigkeit als Verwaltungsratsmitglied der Klägerin zu 1. in der [X.] vom 18.8.2015 bis zum 21.11.2018 der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung ([X.]) und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.

2

Die Klägerin zu 1. ist eine monistisch organisierte [X.] Aktiengesellschaft ([X.] <[X.]>) mit Sitz in [X.]. Sie entstand durch identitätswahrende formwechselnde Umwandlung der [X.] (Beschluss der Hauptversammlung vom 23.6.2015) und wurde am 18.8.2015 in das Handelsregister eingetragen. Das Grundkapital betrug 26 325 946 Euro.

3

Die Klägerin zu 2. war zunächst bei der [X.] als Director Group Purchase beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete durch Aufhebungsvertrag vom 22.6.2015 am selben Tag. Am 23.6.2015 wurde sie neben sechs weiteren Personen gegen eine Vergütung von jährlich 13 000 Euro zum Mitglied des Verwaltungsrats der Klägerin zu 1. bestellt. Ein gesonderter Dienstvertrag besteht nicht. Sie hält ca 10 Prozent der Aktien der [X.]. Auf den Statusfeststellungsantrag der Klägerin zu 1. stellte die Beklagte fest, dass die Klägerin zu 2. ihre Tätigkeit als Mitglied des Verwaltungsrats ab dem 18.8.2015 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und insoweit Versicherungspflicht in der [X.], gesetzlichen Kranken- und [X.] Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Bescheide vom [X.]; Widerspruchsbescheide vom [X.]).

4

Im Erörterungstermin vor dem [X.] hat die Beklagte ihre Verwaltungsentscheidung insoweit aufgehoben, als die Kranken- und Pflegeversicherungspflicht festgestellt worden war. Das [X.] hat sodann die Bescheide vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.] aufgehoben und festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin zu 2. als Verwaltungsratsmitglied nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und keine Versicherungspflicht in der [X.] sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe (Urteil vom 20.2.2018).

5

Das L[X.] Baden-Württemberg hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 21.11.2018). Zur Begründung hat das L[X.] im Wesentlichen auf ein Urteil des [X.] vom 23.7.2018 ([X.] R 4999/16, vgl dazu Senatsurteil vom 7.7.2020 - B 12 R 19/18 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen) verwiesen. Verwaltungsratsmitglieder einer [X.] seien zwar regelmäßig abhängig beschäftigt, aufgrund einer gesetzlichen Tatbestandsgleichstellung mit Vorstandsmitgliedern einer [X.] Aktiengesellschaft (AG) aufgrund von [X.] nach dem Gesetz zur Ausführung der Verordnung ([X.]) [X.]/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der [X.] ([X.] - [X.]-Ausführungsgesetz <[X.]AG>, [X.], 3675) aber nicht versicherungspflichtig.

6

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 1 Satz 3 [X.]B VI und § 27 Abs 1 Nr 5 [X.]B III. Eine unmittelbare Anwendung der Vorschriften sei ausgeschlossen, da die Klägerin zu 2. nicht Mitglied des Vorstands einer AG [X.] Rechts sei. Auch eine entsprechende Anwendung komme aufgrund des Ausnahmecharakters der Vorschriften nicht im Betracht. Eine gesetzliche Tatbestandsgleichstellung in Form einer sog [X.] ergebe sich weder aus der [X.]n Verordnung ([X.]) [X.]/2001 des Rates vom 8.10.2001 über das Statut der [X.] ([X.] - [X.]-VO, ABl [X.] Nr L 294, 1) noch dem nationalen [X.]AG. Die [X.]-VO regele keine Vollharmonisierung der [X.], sondern schaffe nur gemeinsame, von den Mitgliedstaaten festzulegende Grundstrukturen. Soweit die Gleichbehandlung der [X.] mit einer [X.] AG betroffen sei, handele es sich nur um einzelne gesellschaftsrechtliche Fragestellungen. Das [X.]AG enthalte in §§ 22 bis 39 spezielle Regelungen für den Verwaltungsrat und erkläre das Aktiengesetz ([X.]) nur hinsichtlich einzelner Aspekte für anwendbar.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des [X.] vom 21. November 2018 und des [X.] vom 20. Februar 2018 aufzuheben und die Klagen abzuweisen.

8

Die Klägerinnen beantragen,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie halten die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Die Beigeladene stellt keine Anträge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten ist lediglich insoweit begründet, als die Vorinstanzen das Nichtbestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt haben (dazu 1.). Im Übrigen ist die Revision unbegründet. Zu Recht hat das [X.] die Berufung der Beklagten gegen das die Feststellung der Versicherungspflicht der Klägerin zu 2. in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung aufhebende Urteil des [X.] zurückgewiesen. Diese Feststellung in den Bescheiden vom [X.] in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom [X.] ist für die [X.] vom 18.8.2015 (Eintragung der [X.] in das Handelsregister) bis zum 21.11.2018 (mündliche Verhandlung vor dem [X.]) rechtswidrig und verletzt die Klägerinnen in ihren Rechten. Dabei kann dahinstehen, ob die Tätigkeit der Klägerin zu 2. als Verwaltungsratsmitglied der Klägerin zu 1. im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde. Jedenfalls unterlag sie gemäß § 1 Satz 3 [X.]B VI in der Fassung des [X.] der sozialen Sicherheit in [X.] und zur Änderung anderer Gesetze vom 22.6.2011 ([X.] 1202) und § 27 Abs 1 [X.] [X.]B III nicht der Versicherungspflicht in der [X.] und nach dem Recht der Arbeitsförderung. Diese Vorschriften gelten zwar nicht unmittelbar (dazu 2.). Allerdings sind Verwaltungsratsmitglieder einer [X.] den Vorstandsmitgliedern, einer [X.] [X.] gleichgestellt (dazu 3.).

1. Die Urteile des [X.] und des [X.] waren aufzuheben, soweit das Nichtbestehen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses festgestellt worden ist. § 7a [X.]B IV ermächtigt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats nicht zur bloßen Elementenfeststellung einer abhängigen Beschäftigung, sondern verpflichtet zur Feststellung der Versicherungspflicht oder deren Nichtbestehen (vgl zuletzt B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 8/18 R - [X.]b 2020, 192, 193 = juris Rd[X.]1 ff; grundlegend B[X.] Urteil vom [X.] - B 12 R 11/07 R - B[X.]E 103, 17 = [X.]-2400 § 7a [X.], Leitsatz und Rd[X.]1 ff). Im gerichtlichen Verfahren ist eine dahingehende Feststellung ebenfalls nicht möglich, weil § 55 Abs 1 [X.]G eine isolierte Feststellung von Beschäftigung nicht vorsieht (B[X.] Urteil vom [X.] aaO juris Rd[X.]3).

2. Die Klägerin zu 2. unterfällt nicht unmittelbar dem persönlichen Anwendungsbereich des § 1 Satz 3 [X.]B VI und § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III. Gemäß § 1 Satz 3 [X.]B VI sind Mitglieder des [X.] in dem Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, nicht versicherungspflichtig beschäftigt. Nach § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III sind Personen in einer Beschäftigung als Mitglieder des [X.] für das Unternehmen, dessen Vorstand sie angehören, versicherungsfrei. Trotz der unterschiedlichen Formulierungen und Systematik enthalten beide Bestimmungen die wirkungsgleiche Rechtsfolge, dass Vorstandsmitglieder einer [X.] nicht der Versicherungspflicht unterfallen. Während § 1 Satz 3 [X.]B VI den Eintritt der Versicherungspflicht in der [X.] von vornherein ausschließt, lässt die in § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III angeordnete Versicherungsfreiheit den [X.] nicht wirksam werden (vgl hierzu B[X.] Senatsurteil vom [X.] B 12 KR 20/18 R - [X.] 4-2500 § 188 [X.] Rd[X.]9, auch zur Veröffentlichung in B[X.]E vorgesehen). Die Klägerin zu 2. ist zwar kein Vorstandsmitglied im Sinne dieser Vorschriften. Zu diesen gehören grundsätzlich nur solche einer [X.] [X.] Rechts (B[X.] Urteil vom 27.2.2008 - B 12 KR 23/06 R - B[X.]E 100, 62 = [X.]-2600 § 1 [X.], Rd[X.]2). Selbst wenn die klagende, in [X.] ansässige [X.] hiervon erfasst wäre (so [X.]/[X.], [X.] 2011, 54, 57), ist die Klägerin zu 2. als Mitglied des Verwaltungsrats jedenfalls kein Mitglied "des Vorstandes".

3. Gleichwohl finden § 1 Satz 3 [X.]B VI und § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III auf die Klägerin zu 2. Anwendung. Verwaltungsratsmitglieder einer [X.] [X.] sind den Vorstandsmitgliedern einer nationalen [X.] im Wege einer substituierenden Tatbestandserfüllung (dazu a) gleichgestellt, weil die für eine [X.] maßgeblichen rechtlichen Grundlagen (dazu b) sogenannte [X.]en enthalten (dazu c).

a) Der erkennende Senat lehnt in ständiger Rechtsprechung eine erweiternde Auslegung der genannten Vorschriften grundsätzlich ab. Er hat eine [X.] im Wege richterlicher Rechtsfortbildung durch "Substitution" der Tatbestandserfüllung allein wegen einer tatsächlichen Vergleichbarkeit von Gesellschaftsformen nicht zugelassen, weil § 1 Satz 3 [X.]B VI und § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III nach ihrem Regelungszweck und im Hinblick auf die dort gewählte Regelungsmethode der Typisierung eine Erfassung anderer Sachverhalte zur Schließung einer Regelungslücke nicht erfordern (B[X.] Urteil vom 12.1.2011 - B 12 KR 17/09 R - B[X.]E 107, 185 = [X.]-2600 § 1 [X.], Rd[X.]7 ; B[X.] Urteil vom 6.10.2010 - B 12 KR 20/09 R - [X.]-2600 § 1 [X.] Rd[X.]0 ff ; B[X.] Urteil vom 27.2.2008 - B 12 KR 23/06 R - B[X.]E 100, 62 = [X.]-2600 § 1 [X.], Rd[X.]0 ff mwN ). Allerdings hat er eine Übertragung der für Vorstandsmitglieder einer [X.] geltenden Ausnahme von der Versicherungspflicht auf Vorstandsmitglieder oder Mitglieder vergleichbarer Organe anderer juristischer Personen aufgrund einer gesetzlichen [X.] in Form einer sogenannten [X.] für möglich erachtet und hiervon bei Vorstandsmitgliedern von "großen" Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit (VVaG) Gebrauch gemacht. Er hat § 1 Satz 4 [X.]B VI aF (Vorläuferregelung zu § 1 Satz 3 [X.]B VI) über seinen Wortlaut hinaus auf diese Personengruppe angewandt, weil Vorschriften des [X.] [X.] über eine Verweisung im [X.] Versicherungsaufsichtsgesetz auch den Vorstand eines VVaG erfassen würden und deshalb dessen Mitglieder den Vorstandsmitgliedern einer [X.] rechtlich gleichgestellt seien (B[X.] Urteil vom [X.] - 12 [X.] - [X.] 2400 § 3 [X.] 4; vgl auch B[X.] Urteil vom 6.10.2010 - B 12 KR 20/09 R - [X.]-2600 § 1 [X.] Rd[X.]0). [X.]en, die jedenfalls zu einer sozialversicherungsrechtlichen Gleichstellung der Klägerin zu 2. mit einem Mitglied des [X.] führen, enthalten auch die für eine [X.] einschlägigen Rechtsnormen.

b) (Gesellschafts-)Rechtliche Grundlagen einer [X.] bilden zunächst die in jedem Mitgliedstaat der [X.] ([X.]) unmittelbar geltende (Art 288 Abs 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.], [X.] [X.] [X.] C 202, 1, 171) [X.]-VO und das hierzu aufgrund dem nationalen Gesetzgeber zugewiesener Regelungsaufträge sowie Gestaltungsspielräume erlassene [X.][X.]. Daneben regeln die Richtlinie 2001/86/[X.] vom 8.10.2001 zur Ergänzung des Status der [X.] hinsichtlich der Beteiligung der Arbeitnehmer ([X.] EG [X.] L 294, 22) und - in deren Umsetzung - das Gesetz über die Beteiligung der Arbeitnehmer in einer [X.] ([X.]-Beteiligungsgesetz) vom 22.12.2004 ([X.] 3675) die Arbeitnehmerbeteiligung in einer [X.].

Die [X.]-VO sieht als Organe der [X.] neben der Hauptversammlung der Aktionäre entweder ein Aufsichts- und ein Leitungsorgan (dualistisches System) oder (nur) ein Verwaltungsorgan (monistisches System) entsprechend der in der Satzung gewählten Form vor (Art 38). In einem - wie hier - monistischen System führt das Verwaltungsorgan die Geschäfte der [X.] (Art 43 Abs 1 Satz 1 [X.]-VO). Die nähere Ausgestaltung des monistischen Systems ergibt sich aufgrund der Ermächtigung in Art 43 Abs 4 [X.]-VO für Mitgliedstaaten, deren Recht in Bezug auf eine [X.] keine Vorschriften über ein monistisches System enthält, aus §§ 20 ff [X.][X.], die das Verwaltungsorgan als Verwaltungsrat bezeichnen und anstelle der §§ 76 bis 116 [X.] gelten. Neben dem Verwaltungsrat sehen §§ 40 ff [X.][X.] geschäftsführende Direktoren vor, die zugleich Mitglieder des Verwaltungsrats sein können (siehe hierzu das Senatsurteil vom 7.7.2020 - B 12 R 19/18 R - zur Veröffentlichung in B[X.]E und [X.] vorgesehen), sofern die Mehrheit des Verwaltungsrats weiterhin aus nicht geschäftsführenden Mitgliedern besteht (§ 40 Abs 1 Satz 2 [X.][X.]).

c) Die gesetzliche [X.] zwischen Vorstandsmitgliedern einer nationalen [X.] und [X.] einer monistisch organisierten [X.] [X.] ergibt sich aus [X.]en sowohl des [X.][X.] als auch der [X.]-VO.

Einschlägige [X.]en enthalten zunächst § 39 und § 22 Abs 6 [X.][X.] (so auch [X.]/[X.], [X.] 2011, 54, 57; Vor in [X.], jurisPK-[X.]B VI, 2. Aufl 2013, § 1 Rd[X.]03). Nach § 39 [X.][X.] gilt für die Sorgfaltspflicht und die Verantwortlichkeit der Verwaltungsratsmitglieder § 93 [X.] entsprechend. Damit wird auf die für den Vorstand einer [X.] maßgebliche Vorschrift verwiesen. Gemäß § 22 Abs 6 [X.][X.] gelten generell Rechtsvorschriften, die außerhalb des [X.][X.] dem Vorstand oder dem Aufsichtsrat einer [X.] Rechte oder Pflichten zuweisen, sinngemäß für den Verwaltungsrat, soweit nicht im [X.][X.] für den Verwaltungsrat und für geschäftsführende Direktoren besondere Regelungen enthalten sind. Die im dualistischen System dem Vorstand und dem Aufsichtsrat zugewiesenen Berechtigungen sowie Verantwortlichkeiten sind im monistischen System grundsätzlich dem Verwaltungsrat übertragen (vgl auch die Aufgaben des Verwaltungsrats nach § 22 Abs 1 [X.][X.]). Hintergrund der Regelungen ist, dass das monistische System der Unternehmensleitung in [X.] in ein aktienrechtliches Umfeld eingebettet werden musste, das durchweg vom Dualismus geprägt ist ([X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar, 2. Aufl 2015, § 22 [X.][X.] Rd[X.] 41; Verse in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, § 22 [X.][X.] Rd[X.] 42). Denn Art 9 Abs 1 Buchst c) [X.]) [X.]-VO ordnet die Gleichstellung der Rechtsformen in dem Sinn an, dass die [X.] den Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten unterliegt, die auf eine nach dem Recht des [X.]s der [X.] gegründete [X.] Anwendung finden würden. Zudem bestimmt Art 10 [X.]-VO, dass eine [X.] vorbehaltlich der Bestimmungen der [X.]-VO in jedem Mitgliedstaat wie eine [X.] behandelt wird, die nach dem Recht des [X.]s der [X.] gegründet wurde. Da danach grundsätzlich ergänzend auf alle Vorschriften des [X.] zurückzugreifen ist (vgl [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 9 [X.]-VO Rd[X.] 41), selbst wenn die [X.] monistisch strukturiert ist, waren besondere Regelungen erforderlich, um die speziellen Zuweisungen von Rechten und Pflichten an den Vorstand oder den Aufsichtsrat im allgemeinen [X.] Aktienrecht auf das monistische System übertragen zu können ([X.] in Krieger/[X.], Handbuch [X.], 3. Aufl 2017, Organhaftung in der [X.], Rd[X.].41).

Dass nach § 20 [X.][X.] die nachfolgenden Vorschriften für eine monistische [X.] anstelle der §§ 76 bis 116 [X.] gelten, mithin die speziell den Vorstand einer [X.] betreffenden Bestimmungen des [X.] ausgeschlossen sind, führt entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten zu keinem anderen Ergebnis. Die rechtliche Gleichstellung von Vorstandsmitgliedern einer nationalen [X.] und [X.] einer [X.] [X.] iS von § 1 Satz 3 [X.]B VI, § 27 Abs 1 [X.] Satz 1 [X.]B III erfordert nicht die Bezugnahme auf sämtliche Vorschriften des [X.]. [X.] auf das [X.] scheidet von vornherein aus, weil das [X.] Aktienrecht monistische Verwaltungsstrukturen nicht kennt. Der Ausschluss der §§ 76 bis 116 [X.] ist gerade der Tatsache geschuldet, dass es an einem entsprechenden Vorbild für eine monistische Verwaltungsstruktur im [X.] Aktienrecht fehlt und aus diesem Grund der Erlass entsprechender nationaler Vorschriften für die [X.] notwendig war (vgl Art 43 Abs 4 [X.]-VO). Erforderlich aber auch ausreichend ist die weitgehende rechtliche Gleichstellung von Vorstandsmitgliedern der [X.] und [X.] der [X.], die sich auch außerhalb des [X.] auswirken soll.

Für diese Auslegung im Sinne einer [X.] spricht das Regelungskonzept der [X.]-VO, weitgehende Kongruenz zwischen [X.] und nationaler [X.] herzustellen. Die Gleichbehandlung beider Gesellschaftsformen ist ein Kernanliegen der dem [X.][X.] zugrunde liegenden [X.]-VO. An verschiedenen Stellen der [X.]-VO finden sich Verweise auf das [X.] (vgl nur Art 3 Abs 1, Art 5, 15, 51 und 62 f [X.]-VO), die für einen weitgehenden Gleichlauf sorgen ([X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar, 2. Aufl 2015, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]). Darüber hinaus kommt in der Gesamtschau von Art 9 Abs 1 Buchst c) [X.]) und Art 10 [X.]-VO, auch wenn das Verhältnis der Vorschriften zueinander umstritten ist (vgl [X.] in [X.]/Stilz, [X.], 4. Aufl 2019, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar, 2. Aufl 2015, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.] in MüKo[X.], 4. Aufl 2017, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 10 [X.]-VO Rd[X.] 4), das Gebot der Gleichbehandlung von [X.] und [X.] zum Ausdruck.

Art 9 Abs 1 [X.]-VO regelt das auf die [X.] anwendbare Recht. Sie unterliegt den Bestimmungen der [X.]-VO (Buchst a), den von der [X.]-VO ausdrücklich zugelassenen Satzungsregeln (Buchst b) und in den von der [X.]-VO (teilweise) nicht geregelten Bereichen dem mitgliedstaatlichen Recht (Buchst c). Das zur Anwendung berufene mitgliedstaatliche Recht gliedert sich in Rechtsvorschriften, die in Anwendung der speziell die [X.] betreffenden Gemeinschaftsmaßnahmen erlassen werden (i), auf eine nach dem Recht des [X.]s der [X.] gegründete [X.] Anwendung finden würden ([X.]) und die Bestimmungen ihrer Satzung unter den gleichen Voraussetzungen wie im Falle einer nach dem Recht des [X.]s der [X.] gegründeten [X.] ([X.]i). Diese Rechtsanwendungssystematik macht den Gleichbehandlungsgedanken deutlich ([X.]/[X.] in [X.]/[X.]/[X.], [X.]-Kommentar, 2. Aufl 2015, Art 9 [X.]-VO Rd[X.]). Die Mitgliedstaaten haben in Bezug auf die [X.] nicht die Freiheit, zur Schließung einer Regelungslücke oder ergänzend die für beliebige Rechtssubjekte maßgebenden Rechtsnormen heranzuziehen. Rechtlicher Bezugspunkt für eine [X.] ist vielmehr das für eine [X.] geltende Recht der Mitgliedstaaten.

Zudem wird eine [X.] nach Art 10 [X.]-VO vorbehaltlich anderer Bestimmungen in jedem Mitgliedstaat wie eine [X.] behandelt, die nach dem Recht des [X.]s der [X.] gegründet wurde. Dieser übergreifende [X.] unterstreicht einerseits klarstellend die bezweckte Gleichbehandlung ([X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]). Er hat andererseits originäre Bedeutung für diejenigen Rechtsbereiche, die von der Verweisung des Art 9 Abs 1 Buchst c) [X.]) nicht erfasst werden ([X.] in MüKo[X.], 4. Aufl 2017, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]). Auch außerhalb des Gesellschaftsrechts ist die [X.] vom [X.] in allen tatsächlichen und rechtlichen Fragen wie eine [X.] zu behandeln ([X.] in [X.]/Stilz, [X.], 4. Aufl 2019, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.] in [X.] Kommentar zum [X.], [X.], 3. Aufl 2012, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]; [X.], [X.]-VO, 2006, Art 10 Rd[X.] 8).

Schließlich untermauert Erwägungsgrund 5 der [X.]-VO die Gleichstellung von [X.] und nationaler [X.]. Danach haben die Mitgliedstaaten dafür zu sorgen, dass die auf eine [X.] aufgrund der [X.]-VO anwendbaren Vorschriften nicht zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung gegenüber einer [X.] und damit zu einer Diskriminierung führen. Rechtfertigungsbedürftig sind daher gesetzliche Vorschriften oder deren Auslegung sowie Verwaltungshandlungen, die schon ihrem Tatbestand nach an die Rechtsform anknüpfen und die [X.] gegenüber der [X.] schlechter behandeln ([X.] in [X.]/[X.], [X.]-Recht, 2. Aufl 2016, Art 10 [X.]-VO Rd[X.]).

Das Vorbringen der Beklagten, dass das Gleichstellungsgebot unter dem Vorbehalt der in der [X.]-VO getroffenen Bestimmungen stehe und damit Differenzierungen zulasse, soweit diese sachlich gerechtfertigt seien, und zudem für die monistische [X.] mit dem [X.][X.] ein eigenständiges Regelungswerk bestehe, führt zu keiner anderen Beurteilung. Die [X.]-VO bezweckt eine Gleichstellung von [X.] und nationaler [X.] unabhängig von der gewählten Binnenstruktur. Weder die dualistische noch die monistische [X.] dürfen ohne sachlichen Grund schlechter behandelt werden als eine [X.] im jeweiligen Staat (vgl [X.] Urteil vom [X.] - 3-[X.] ua - [X.] 2018, 783, 785 f). Beide Organisationsformen stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander (vgl Art 38 Buchst b [X.]-VO). Dass für die monistische [X.] mit den sie betreffenden Vorschriften des [X.][X.] ein eigenständiges Regelwerk geschaffen wurde, ändert nichts an ihrer Gleichstellung mit einer [X.]. Der Verweis auf nationale Regelungen, insbesondere das [X.], ist naturgemäß nur insoweit denkbar, als entsprechende Regelungen überhaupt vorhanden sind. Eine monistische Verwaltungsstruktur sieht das [X.] [X.] aber gerade nicht vor.

Dass nach der monistischen Verwaltungsstruktur der Verwaltungsrat die Aufgaben von Vorstand und Aufsichtsrat einer [X.] auf sich vereinigt, stellt keinen Grund dar, die Gleichstellung mit Vorstandsmitgliedern einer [X.] in Bezug auf die Versicherungsfreiheit in Zweifel zu ziehen. Denn der Herausnahme von Mitgliedern des [X.] aus der Rentenversicherungspflicht lag ursprünglich die Erwägung zugrunde, dass bei diesen Personen wegen ihrer herausragenden und starken wirtschaftlichen Stellung Schutz und Sicherheit durch die Rentenversicherung entbehrlich erscheinen (B[X.] Urteil vom 27.2.2008 - B 12 KR 23/06 R - B[X.]E 100, 62 = [X.]-2600 § 1 [X.], Rd[X.]9; B[X.] Urteil vom 22.11.1973 - 12/3 RK 20/71 - B[X.]E 36, 258, 260 = [X.] [X.]4 zu § 3 [X.] f = juris Rd[X.]9; ferner B[X.] Urteil vom [X.] - 4 RA 22/88 - B[X.]E 65, 113, 117 f = [X.] 2200 § 1248 [X.] 48 S 126 = juris Rd[X.]6). Durch die grundsätzlich umfassendere Stellung des Verwaltungsrats der monistischen [X.] wird dieses Konzept nicht in Frage gestellt. Der von der [X.]-VO verfolgte Zweck, eine Kongruenz zwischen [X.] und [X.] herzustellen, wäre nur unvollständig erreicht, würde ein Gleichklang zwar der Gesellschaftsformen, nicht aber der jeweiligen Leitungsorgane angenommen.

Meta

B 12 R 27/18 R

07.07.2020

Bundessozialgericht 12. Senat

Urteil

Sachgebiet: R

vorgehend SG Stuttgart, 20. Februar 2018, Az: S 18 R 4795/16, Urteil

§ 27 Abs 1 Nr 5 SGB 3, § 1 S 3 SGB 6, § 22 Abs 6 SEAG, § 22 Abs 1 SEAG, § 39 SEAG, Art 9 Abs 1 Buchst c EGV 2157/2001, Art 10 EGV 2157/2001, Art 43 EGV 2157/2001

Zitier­vorschlag: Bundessozialgericht, Urteil vom 07.07.2020, Az. B 12 R 27/18 R (REWIS RS 2020, 2415)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2020, 2415

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