Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2015, Az. 4 StR 277/15

4. Strafsenat | REWIS RS 2015, 8166

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 277/15

vom
15. Juli
2015
in dem Sicherungsverfahren
gegen

-
2
-
Der 4.
Strafsenat des [X.] hat nach Anhörung des [X.] und des Beschwerdeführers am 15.
Juli
2015
gemäß §
349 Abs.
4 StPO beschlossen:

1.
Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 12.
März 2015 mit den Fest-stellungen aufgehoben.
2.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung

auch über die Kosten des Rechtsmittels

an eine andere [X.] zurückverwiesen.

Gründe:
Das [X.] hat im Sicherungsverfahren die Unterbringung des
Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Seine hier-gegen eingelegte Revision hat mit der Sachrüge Erfolg.
1.
Das [X.] hat im Wesentlichen die folgenden Feststellungen und Wertungen getroffen:
Der Beschuldigte

ein Asylbewerber aus Burkina Faso

litt bereits vor seiner Einreise in die [X.] im August 2014 an opti-schen und akustischen Halluzinationen. Er glaubte von Wesen verfolgt zu wer-1
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-
3
-

Menschen immer wieder aufsuchen und ansprechen. In seiner Wahrnehmung wollten ihn diese Erscheinungen durch ihre Anwesenheit und durch direkte [X.] zu bestimmten Verhaltensweisen bringen. Insbesondere fühlte er sich dahingehend unter Druck gesetzt, dass ihn diese Wesen in die Homosexualität treiben wollten. Nach seiner Einreise in die [X.] wurde er in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber in [X.] untergebracht. Dort setzten sich seine Halluzinationen fort. Er wurde deshalb von seinen [X.], dass sich der Beschuldigte zunehmend isolierte und auch erstmals [X.] hegte, weil er sich von seiner Umwelt nicht verstanden fühlte.
Am 19.
August 2014 entfachte der Beschuldigte auf dem Fußboden sei-nes Zimmers in der Zentralen Anlaufstelle für Asylbewerber unter Zuhilfenahme von verschiedenen leicht brennbaren Textilien ein Feuer, um dadurch einen [X.] des Gebäudes herbeizuführen und in dem Feuer zu sterben. Zu diesem Zeitpunkt hielten sich in dem Gebäude über 100
Personen auf. Durch das [X.] wurde der mit dem Betonboden fest verklebte Kunststoffbodenbelag auf
einer Fläche von einem Meter mal 60
Zentimeter in [X.] gesetzt, wobei sich das Feuer selbstständig ausbreiten konnte. Der durch einen Rauchmelder alarmierte Leiter der Einrichtung konnte die bereits ca. 80
Zentimeter hohen Flammen mit einem Feuerlöscher löschen.
Die sachverständig beratene [X.] hat angenommen, der Be-schuldigte sei bei der Begehung der als schwere [X.]stiftung gemäß §
306a Abs.
1 Nr.
1 StGB zu bewertenden [X.] infolge einer krankhaften seeli-schen Störung schuldunfähig gewesen (§
20 StGB). Er habe im Zustand einer akuten psychotischen Störung (paranoid-halluzinatorischen Psychose) mit deut-4
5
-
4
-
licher Störung des [X.] gehandelt. Deshalb habe ihm die Fähigkeit zur Einsicht in das Unrecht seines Handelns gefehlt
(UA
5, 7).
2.
Die Unterbringungsentscheidung begegnet durchgreifenden rechtli-chen Bedenken, weil die zugrunde liegende Annahme, die Einsichtsfähigkeit des Beschuldigten sei bei der Begehung der [X.] aufgehoben und
er des-halb gemäß §
20 StGB schuldunfähig gewesen, nicht tragfähig begründet ist.
a)
Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus nach §
63 StGB darf nur angeordnet werden, wenn zweifelsfrei feststeht, dass der Unter-zubringende bei der Begehung
der [X.] aufgrund eines psychischen
Defekts schuldunfähig oder vermindert schuldfähig war und die Tatbegehung hierauf beruht ([X.], Urteil vom 10.
Dezember 2014

2
StR
170/14, [X.], 72, 73 mwN). Wegen fehlender Einsichtsfähigkeit ist schuldunfähig, wer infolge der bei ihm festgestellten Störung im konkreten Fall die äußeren Um-stände seines Tuns oder deren ihre Strafwürdigkeit begründenden Bedeu-tungsgehalt nicht erkannt hat (vgl. [X.], Urteil vom 6.
März 1986

4
StR
40/86, [X.]St 34, 22, 25; SSW-StGB/Kaspar,
2.
Aufl., §
20 Rn.
6 mwN). Dies ist im Einzelnen darzulegen (vgl. [X.], Beschluss vom 20.
November 2012

1
StR 504/12, NJW 2013, 246 mwN).
b)
Dem wird das angefochtene Urteil nicht gerecht. Die Urteilsgründe [X.] nicht, dass der Beschuldigte die [X.] aufgrund der bei ihm festge-stellten psychischen Erkrankung ohne Unrechtseinsicht begangen hat. Soweit das [X.] im Rahmen der Beweiswürdigung dazu ausführt, es sei mit dem Sachverständigen davon auszugehen, dass der Beschuldigte zur Tatzeit massive Störungen von Aufmerksamkeit, Konzentration und Auffassung gezeigt 6
7
8
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5
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habe, sodass ihm eine adäquate Realitätsprüfung seines Erlebens nicht mehr möglich gewesen sei (UA
7), wird damit nur das allgemein vorhandene [X.] aufgezeigt. Dass es ihm im Zeitpunkt der [X.] unmöglich war, das Unrecht einer [X.]legung zu erkennen und er deshalb tatsächlich ohne Unrechtseinsicht gehandelt hat, wird damit nicht belegt. Das festgestellte Wahnerleben lässt keinen unmittelbaren Bezug

etwa im Sinne entsprechen-der imperativer Stimmen

zu der Entscheidung für die [X.]legung am 19.
August 2014 erkennen. Die für den Entschluss zur [X.] maßgebliche Suizidbereitschaft findet zwar ihre Ursache in der durch die psychische Erkran-kung ausgelösten [X.] Isolation. Für eine fehlende Unrechtseinsicht bietet sie keinen tragfähigen Anknüpfungspunkt.
3.
Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf das Folgende hin:
Die für eine Unterbringung nach §
63 StGB erforderliche Gefährlichkeits-prognose ist nur dann gegeben, wenn eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades besteht, dass der Täter infolge seines fortdauernden Zustandes in Zukunft er-hebliche rechtswidrige Taten begehen werde ([X.], Urteil vom 10.
Dezember 2014

2
StR
170/14, [X.], 72, 73 mwN). Dabei kann auch zurücklie-genden Taten eine indizielle Bedeutung für die Gefährlichkeitsprognose zu-kommen, doch wird dies regelmäßig nur bei Taten der Fall sein, die in einem inneren Zusammenhang zu der festgestellten Erkrankung gestanden haben und deren Ursache nicht in anderen, nicht krankheitsbedingten Umständen zu [X.] ist (vgl. [X.], Beschluss vom 4.
Juli 2012

4
StR
224/12, [X.], 337, 338; Urteil vom 11.
August 2011

4
StR
267/11, Rn.
14). Dazu bedarf es
9
10
-
6
-

Italien durch [X.]stift

8) reicht dafür nicht aus.
VRin[X.] [X.] ist infolge Urlaubsabwesenheit an der Unterschriftsleistung gehindert.
Roggenbuck
Roggenbuck
Ri[X.] [X.] ist infolge Urlaubsabwesenheit an der [X.].
Roggenbuck
Mutzbauer
Quentin

Meta

4 StR 277/15

15.07.2015

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 15.07.2015, Az. 4 StR 277/15 (REWIS RS 2015, 8166)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 8166

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