Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 1 StR 260/18

1. Strafsenat | REWIS RS 2018, 5287

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Gegenstand

Tötung aus niedrigen Beweggründen bei „exklusivem Besitzanspruch“


Tenor

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 24. Januar 2018 mit den Feststellungen - mit Ausnahme der Adhäsionsentscheidungen - aufgehoben; aufrecht erhalten bleiben die Feststellungen zum objektiven Tatgeschehen.

2. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere - als Schwurgericht zuständige - Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen zu einer Freiheitsstrafe von zehn Jahren verurteilt und eine Adhäsionsentscheidung getroffen.

2

Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sein Rechtsmittel hat den aus der [X.] ersichtlichen Erfolg (§ 349 Abs. 4 StPO); im Übrigen ist es aus den Gründen der Antragsschrift des [X.] vom 14. Juni 2018 unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.

3

1. Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte, nachdem er nachts heimlich in das Schlafzimmer des Lebensgefährten seiner früheren Freundin eingedrungen war, und nach deren Äußerung, er solle sich „verpissen“, mit niedrigen Beweggründen handelte, weil die tatauslösende Gefühlsregung nach Auffassung des [X.]s auf dem exklusiven Besitzanspruch an seiner früheren Freundin beruhte und er ihr mit einem Messer einen kraftvollen Schnitt an der Halsseite zufügte, der vom Kinn bis zur Wirbelsäule reichte und fünf Zentimeter tief sowie 15 cm lang war.

4

Diese Begründung, mit der das [X.] das Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe bejaht hat, begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Das [X.] hat insoweit den Sachverhalt nicht erschöpfend gewürdigt und insbesondere im Rahmen einer Gesamtwürdigung nicht erörtert, welche weiteren Motive bei dem Angeklagten zum Zeitpunkt der mit Tötungsvorsatz ausgeführten Handlung vorgelegen haben.

5

a) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] sind Beweggründe im Sinne von § 211 Abs. 2 StGB niedrig, wenn sie nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehen und deshalb besonders verachtenswert sind. Die Beurteilung der Frage, ob Beweggründe zur Tat „niedrig” sind und in deutlich weiter reichendem Maße als bei einem Totschlag als verachtenswert erscheinen, hat auf Grund einer Gesamtwürdigung aller äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Faktoren, insbesondere der Umstände der Tat, der Lebensverhältnisse des [X.] und seiner Persönlichkeit zu erfolgen (vgl. [X.], Urteil vom 22. März 2017 - 2 [X.], [X.], 516; Urteil vom 19. Oktober 2001 - 2 [X.], [X.]St 47, 128, 130). Bei einer Tötung aus Wut, Ärger, Hass oder Rache kommt es darauf an, ob diese Antriebsregungen ihrerseits auf einer niedrigen Gesinnung beruhen (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Urteil vom 22. März 2017 - 2 [X.], [X.], 516 mwN). In subjektiver Hinsicht muss hinzukommen, dass der Täter die Umstände, die die Niedrigkeit seiner Beweggründe ausmachen, in ihrer Bedeutung für die Tatausführung in sein Bewusstsein aufgenommen hat und, soweit gefühlsmäßige oder triebhafte Regungen in Betracht kommen, diese gedanklich beherrschen und willensmäßig steuern kann ([X.], Urteil vom 22. März 2017 - 2 [X.], [X.], 516 mwN).

6

b) Diesem Maßstab werden die Erwägungen des [X.]s zur Bejahung des [X.] der niedrigen Beweggründe nicht gerecht.

7

Das [X.] hat zum Mordmerkmal der niedrigen Beweggründe allein darauf abgestellt, dass die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten auf dem nach seiner Auffassung bestehenden exklusiven Besitzanspruch an     [X.]    beruhte, was nach allgemeiner sittlicher Wertung auf tiefster Stufe stehe ([X.]). Damit wurden aber nicht im Rahmen einer notwendigen Gesamtwürdigung alle äußeren und inneren für die Handlungsantriebe des [X.] maßgeblichen Gesichtspunkte in den Blick genommen. Vielmehr ist das [X.] vom vermeintlichen Besitzanspruch des Angeklagten als einzigem Tatmotiv ausgegangen und hat sich nicht mit den denkbaren weiteren Tatmotiven des Angeklagten hinreichend auseinandergesetzt, obwohl die vom [X.] festgestellte Tatausführung nach der Äußerung des [X.] unmittelbar vor der Tat, dass sich der Angeklagte „verpissen“ solle ([X.]), durchaus darauf hindeutet, dass bei dem Angeklagten auch andere Motive bei der Tatbegehung - wie eine Provokation durch das Opfer oder Wut - eine Rolle spielten, die der Angeklagte in einer Bestrafung der Nebenklägerin abreagieren wollte. Bei dieser Sachlage hätte daher im Rahmen einer Gesamtwürdigung erörtert werden müssen, ob die tatauslösende Gefühlsregung des Angeklagten letztlich auf einer Grundhaltung beruhte, die durch eine ungehemmte Eigensucht, exklusive Besitzansprüche und eine unduldsame Selbstgerechtigkeit gekennzeichnet ist. Nur eine solche Grundhaltung steht nach allgemeiner sittlicher Bewertung auf tiefster Stufe.

8

2. Der aufgezeigte Rechtsfehler führt auch zur Aufhebung des an sich [X.] Schuldspruchs wegen tateinheitlich verwirklichter gefährlicher Körperverletzung in zwei tateinheitlichen Fällen.

9

Die Aufhebung des strafrechtlichen Teils der angefochtenen Entscheidung führt aber nicht zur Aufhebung der zu Gunsten des Adhäsionsklägers [X.]ergangenen - für sich [X.] - Adhäsionsentscheidung (§ 406a Abs. 3 Satz 1 StPO); deren Aufhebung bleibt gegebenenfalls dem neuen Tatrichter vorbehalten (vgl. nur [X.], Beschlüsse vom 26. Juni 2018 - 1 [X.] und vom 7. Juni 2017 - 4 StR 197/17, [X.], 270 mwN).

3. Die Feststellungen des [X.]s zum objektiven Tatgeschehen sind ordnungsgemäß getroffen und werden durch den aufgezeigten Rechtsfehler nicht berührt. Sie können daher bestehen bleiben (§ 353 Abs. 2 StPO). Die Feststellungen zur inneren Tatseite werden aufgehoben, um dem neuen Tatrichter insgesamt widerspruchsfreie neue Feststellungen zu ermöglichen.

Raum     

        

Fischer     

        

Bär     

        

Hohoff     

        

Pernice     

        

Meta

1 StR 260/18

31.07.2018

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Ulm, 24. Januar 2018, Az: 31 Js 989/17 - 2 Ks

§ 211 Abs 2 Alt 4 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 31.07.2018, Az. 1 StR 260/18 (REWIS RS 2018, 5287)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 5287

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