Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2017, Az. VI ZR 530/16

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2017, 5147

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[X.]:[X.]:[X.]:2017:190917UVIZR530.16.0

BUN[X.]S[X.]RICHTSHOF

IM NAMEN [X.]S VOLKES

URTEIL
VI [X.]

Verkündet am:

19. September 2017

Böhringer-Mangold

Justizamtsinspektorin

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
BGB § 252; ZPO
§ 287
Zu den im Rahmen der Bemessung des [X.] an die Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Geschäftsbetriebs eines Selbständigen (hier: Zahnarztpraxis) zu stellenden Anforderungen.
[X.], Urteil vom 19. September 2017 -
VI [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 19. September 2017 durch den Vorsitzenden [X.], den [X.] [X.], die [X.]innen Dr. [X.] und [X.] und den [X.] Dr. Klein
für Recht erkannt:
Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des 14.
Zivilsenats des [X.] vom 17.
Oktober 2016
im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des [X.] erkannt ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen

Tatbestand:
Die Beklagten sind dem Kläger
aufgrund eines Verkehrsunfalls vom
26.
Oktober 2006
dem Grunde nach uneingeschränkt zum Schadensersatz verpflichtet. Der Kläger, ein selbständiger Zahnarzt, hat bei dem Unfall unter anderem eine Verletzung am linken Handgelenk
erlitten, die ihn bei seiner zahnärztlichen Tätigkeit dauerhaft beeinträchtigt.

Mit
seiner Klage nimmt er die Beklagten
auf Schmerzensgeld abzüglich bereits gezahlter 2.000

, Verdienstausfall für sieben
Fehltage nach dem Unfall 1
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-

31.
Oktober 2011 in Höhe von weiteren

, Freistellung von vorgerichtli-chen Anwaltskosten und Feststellung in Anspruch. Das [X.] hat die [X.] zur Verdienstausfall für sieben
Fehltage in Höhe von 6.033,08

istellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten in entsprechender Höhe verurteilt und die begehrte Feststellung in Bezug auf zukünftige materielle Schäden getroffen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Das Berufungsgericht hat das Urteil auf die Berufungen beider Parteien unter Berufungszurückweisung im Übrigen abgeändert und -
in Höhe von mit der Berufung der Beklagten nicht angegriffener 2.000

r-stellend -
dahin neu gefasst, dass die Beklagten zur Zahlung eines weiteren Schmerzensgel
zukünftige immaterielle Schäden erstreckt. Im Übrigen hat es die Klage [X.].
Mit der vom [X.] zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seine [X.] auf Verdienstaus-fall für sieben
Fehltage im [X.]raum vom 26. Oktober bis 5. November 2006 in -

in Höhe von für den [X.]raum vom 1. November
2006 bis 31. Oktober 2011 weiter.

Entscheidungsgründe:
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausge-führt, ein Schmerzensgeld in Höhe von d-3
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beträge, die andere Gerichte bei vergleichbaren oder ähnlichen Verletzungsfol-gen den Geschädigten zugesprochen hätten. Eine weitere Aufklärung der Un-fallfolgen sei nicht angezeigt. Dabei könne dahinstehen, ob der neue Sachvor-trag des [X.] im Hinblick auf die täglichen Ausfallzeiten wegen der [X.] gemäß § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt zuzulassen sei. Einen [X.] therapeutischen Bedarf habe der Kläger nicht bewiesen. Aus Sicht des Sachverständigen seien allein drei
Minuten pro Stunde zur Entlastung des Handgelenks erforderlich. Die Einholung eines zahnmedizinischen Gutachtens komme nicht in Betracht, da ein Zahnmediziner nicht die Sachkunde besitze, um die Erforderlichkeit einer weiteren Entlastung beurteilen zu können.
Unter Berücksichtigung der von dem Kläger ersparten Aufwendungen
-
Laborkosten, Betriebsbedarf und Praxiswäsche -
sei der Verdienstausfall we-gen der sieben Fehltage vom 26. Oktober bis 5. November 2006 nur auf

-

-
zu schätzen.
Zu Recht habe das [X.] die Klage wegen des vom Kläger geltend gemachten Verdienstausfalls im [X.]raum vom
1. November 2006 bis 31. Okto-ber 2011 abgewiesen. Zwar
bestünden aufgrund des Vorbringens des [X.] und des Ergebnisses der Beweisaufnahme Anhaltspunkte dafür, dass ihm ein Anspruch aus § 252 BGB zustehen könne. Der Kläger habe jedoch einen
ent-gangenen Gewinn für diese [X.] der Höhe nach nicht schlüssig dargelegt.
Zwar habe er auf den Hinweis des [X.]s in der Berufungsinstanz seine Gewinner-mittlungen für die Jahre 2003 bis 2011 sowie Steuererklärungen und Festset-zungsbescheide des Finanzamts vorgelegt. Aus diesen lasse sich aber nicht entnehmen, dass er einen unfallbedingten Gewinnrückgang zu verzeichnen gehabt habe. Vielmehr habe er seinen Gewinn in den Jahren 2007 und 2008 gegenüber der [X.] vor dem Unfall noch gesteigert. Insoweit hätten die [X.] und 2008 auch Fernwirkung für die weiteren Jahre 6
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2009 bis 2011. Es sei davon auszugehen, dass sich in den ersten beiden [X.] nach dem Unfall der Schaden bereits voll entfaltet habe.
Soweit der Kläger zu seinen Gewinnermittlungen für die Jahre 2003 bis 2005 ausführe, er habe
in seinem Privathaus eine Zweigpraxis eingerichtet oder einrichten wollen, so dass die unter Stelle 10 der Gewinnermittlung bzw. Konto
müssten, sei dies für das
Gericht nicht nachvollziehbar. Zudem würden auch im Jahr 2007 uverbucht. Rechne man auch diese heraus, ergebe sich nach wie vor in Bezug auf die Gewinnsituation kein signifikanter Unterschied zwischen den Jahren 2003 und 2007.
Ein Anspruch des [X.] sei vor dem Hintergrund der nahezu unverän-dert gebliebenen oder gar verbesserten Gewinnsituation in den Jahren 2007 und 2008 nur denkbar, wenn er Einsparungen veranlasst habe, die keiner Schadensminderungspflicht entsprächen. Denn grundsätzlich sei der [X.] verpflichtet, seinen Betrieb so umzustrukturieren, dass keine [X.] entstünden. Sofern der Kläger sich darauf berufe, er habe in den Jahren 2006 bis 2008 die Material-
und Laborkosten gegenüber den Jahren 2003 bis 2005 erheblich verringert, seien dies keine Einsparungen, denen keine Scha-densminderungspflicht gegenüberstehe. Die Material-
und Laborkosten würden letztlich den Patienten in Rechnung gestellt und seien damit lediglich ein durch-laufender Posten.
Sofern der Kläger vortrage, dass er eine Mitarbeiterin entlassen habe, deren Tätigkeit von seiner Ehefrau in Vollzeit wahrgenommen werde, diese aber nach wie vor nur das für eine Teilzeittätigkeit vereinbarte Bruttoarbeitsent-8
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gelt beziehe, könne dies zwar eine Einsparung darstellen, der keine Scha-densminderungspflicht gegenüberstehe. Allerdings habe der Kläger nach [X.] Vortrag im Jahr 2007 gegenüber dem Vorjahr 2006 Personalkosten in [X.] 2008 seine Personalkosten um ca. 17.500 gegenüber dem [X.] reduziert. [X.] man diese Beträge von den Gewinnen ab, ergebe sich immer noch kein signifikanter Gewinnrückgang gegenüber den Jahren 2003 bis 2005. Von daher lasse sich aus dem Vortrag des [X.] zur Entwicklung der Gewinnsituation der Praxis nicht der Rück-schluss ziehen, dass sich die Gewinne aufgrund des streitgegenständlichen Unfalls verringert hätten. Bereits vor dem Unfall habe es nicht unerhebliche Gewinnschwankungen gegeben, die auch nicht ungewöhnlich seien. Deutlich zurückgegangen seien die Umsätze und Gewinne des [X.] erst ab dem [X.]. Hinsichtlich dieses Gewinnrückgangs lasse sich aber kein Zusammen-hang zu dem streitgegenständlichen Unfall mehr herstellen; der deutliche
Ge-winnrückgang ab dem [X.] müsse offenbar andere Ursachen haben.

II.
Die Revision hat Erfolg.
Mit der Begründung des [X.] kann ein Anspruch auf Ersatz des
weiter geltend gemachten Verdienstausfalls sowie auf Zahlung weiteren Schmerzensgeldes nicht verneint werden, §§ 842, 249 Abs. 1, § 252 Satz 2, §
253 Abs. 2
BGB, § 287 Abs. 1 ZPO.
1. Die Revision rügt zu Recht, dass das Berufungsgericht keinen über ei-nen Betrag von [X.] des [X.] hat feststellen können. Zwar ist die
Bemessung der Höhe des [X.] in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freige-stellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur
daraufhin überprüfbar, ob der [X.] Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Be-11
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messungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat ([X.], Urteil vom 9. November 2010 -
VI [X.]/08,
VersR 2011, 229 Rn.
16 mwN; [X.], Urteil vom 6. Dezember 2012
-
VII
ZR 84/10, NJW 2013, 525 Rn. 17 mwN). Solche Rechtsfehler hat die Revi-sion hier indes aufgezeigt.
a) Der Ausfall der Arbeitskraft als solcher
ist kein Vermögensschaden. Dem in seiner Arbeitsfähigkeit Geschädigten entsteht ein gegebenenfalls zu ersetzender Vermögensschaden erst dann, wenn sich der Ausfall oder die Be-einträchtigung der Erwerbsfähigkeit konkret und sichtbar ausgewirkt hat. Das muss sich allerdings nicht im Verlust bisher bezogener Einnahmen zeigen, son-dern kann auch dadurch sichtbar werden, dass ohne die Schädigung zu erwar-tende, gegebenenfalls auch gesteigerte Gewinne nicht gemacht werden konn-ten
([X.]surteile vom 5. Mai 1970 -
VI [X.], [X.]Z 54, 45, 50
ff.; vom 31. März 1992 -
VI [X.], NJW-RR 1992, 852 unter [X.]; vom 12. Januar 2016 -
VI [X.], [X.], 415 Rn. 17).
Wie der [X.] wiederholt ausgesprochen hat, bedarf es daher bei [X.] Tätigen zur Beantwortung der Frage, ob diese einen Verdienstausfall-schaden erlitten haben, der Prüfung, wie sich das von ihnen betriebene Unter-nehmen ohne den Unfall voraussichtlich entwickelt hätte. Für die Grundlagen der danach erforderlichen Prognose des erzielbaren Gewinns ist nicht auf den [X.]punkt des Schadensereignisses, sondern auf denjenigen der letzten münd-lichen Verhandlung abzustellen ([X.]surteil vom 27. Oktober 1998 -
VI [X.], [X.] 1999, 379
unter [X.] mwN).
Dabei kommen dem Geschädigten die Darlegungs-
und [X.] nach § 252 BGB, §
287 ZPO zugute. Diese Erleichterungen ändern nichts daran, dass es im Rahmen der notwendigen Prognose des entgangenen 13
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Gewinns im Sinn des § 252 Satz 2 BGB ebenso wie für die Ermittlung des [X.] nach §
287 ZPO konkreter Anknüpfungstatsachen bedarf, die der Geschädigte darlegen und zur Überzeugung des Gerichts
nachweisen muss. Dabei wird es in der Regel erforderlich und angebracht sein, an die [X.] und die Geschäftsergebnisse in den letzten Jahren vor dem Unfall anzuknüpfen ([X.], Urteil vom 6. Februar 2001 -
VI [X.], NJW 2001, 1640 unter [X.] [X.] mwN).
An die schwierige Darlegung der hypothetischen Entwicklung des Ge-schäftsbetriebs eines Selbständigen dürfen aber keine zu strengen Maßstäbe angelegt werden (st. Rspr., [X.]surteile vom 6. Juli 1993 -
VI [X.], NJW 1993, 2673 unter II; vom 23. Februar 2010 -
VI [X.], NJW 2010, 1532 Rn.
13 mwN; [X.], Urteil vom 27. Oktober 2010 -
XII ZR 128/09, [X.] 2010, 1741 unter 1 a). Die Klage darf nicht wegen lückenhaften Vortrags zur Scha-densentstehung und Schadenshöhe abgewiesen werden, solange greifbare [X.] für eine Schadensschätzung vorhanden sind ([X.], Urteil vom 22.
Oktober 1987 -
III ZR 197/86, NJW-RR 1988, 410 unter [X.] a).
b) Diesen Grundsätzen wird die Entscheidung des [X.] nicht gerecht. Es ist zum einen von einem fehlerhaften Rechtsgrundsatz ausge-gangen und hat zum anderen die Anforderungen an einen schlüssigen Vortrag des Geschädigten überspannt.
aa) Rechtsfehlerhaft meint das Berufungsgericht, ein im Rahmen der Darlegungen zu §
252 Satz 2 BGB, § 287 ZPO schlüssiger Vortrag des [X.] setze voraus, dass er einen deutlichen Rückgang gegenüber der vor dem Unfall erzielten Gewinne aufzeige. Für die vom Berufungsgericht aufge-stellte Voraussetzung der "Deutlichkeit"
gibt es nach den obigen Grundsätzen keine Grundlage. Schon auf der Basis der von dem Berufungsgericht zugunsten 16
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des [X.] für die streitgegenständlichen Jahre unterstellten [X.] hätte das Berufungsgericht einen (Mindest-)schaden schätzen können.
Das Berufungsgericht hat zugunsten des [X.] unterstellt, dass er auf-grund von überpflichtmäßigen, den Beklagten nicht zugutekommenden [X.] seiner Ehefrau (vgl. [X.], Urteil vom 8. November 2001 -
IX ZR 64/01, [X.], 292 unter II
1 b bb) seine Personalkosten in den Jahren 2007 und 2008 um 13.500

7n-delegung der von dem Berufungsgericht angesetzten Gewinne in Höhe von 194.500

2008 ergibt sich auf dieser Grundlage schlüssig eine gegenüber dem durchschnittlichen Gewinn in Höhe unfallbedingte Verringerung des Ge-winns von 6.333,33

181und in Höhe von 12.833,33

g-
. Dem Kläger steht (schon)
danach mehr als die Hälfte des von ihm für beide Jahre geforderten Einnahmeausfalls in Höhe von -
wozu das Berufungsgericht keine Feststellungen getroffen hat -
die vorgelegten Gewinnermittlungen um die Ausgaben des [X.] für die von ihm geplante Zweigpraxis zu bereinigen, steht der geltend gemachte [X.] dem Kläger bei Abzug der -
unterstellt -
eingesparten
überpflichtmäßi-gen Personalkosten sogar in voller Höhe zu.
bb) Das Berufungsgericht hat die von ihm festgestellten und von dem Kläger vorgetragenen konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die erlittenen [X.] zu einem Gewinnrückgang geführt haben, übergangen und die An-forderungen an einen schlüssigen Vortrag deutlich überspannt (§ 287 ZPO). Es hat sich bei seiner Betrachtung zu Unrecht auf die beiden Jahre nach dem Un-fallereignis beschränkt und die Entwicklungen, die sich danach ergeben haben, außer [X.] gelassen.
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(1) Das Berufungsgericht
hat festgestellt, dass der Kläger bei dem [X.] am 26. Oktober 2006 einen Dauerschaden im Bereich der linken Hand erlitten hat, die zu einer funktionellen Beeinträchtigung bei seiner Tätigkeit als Zahnarzt führt. Danach muss er während der Eingriffe teilweise kurze Pau-sen einlegen, um das Handgelenk zu lockern und entsprechende Bewegungs-
und Dehnübungen zu machen. Nach den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. in seinem Gutachten vom 4. Februar
2015
in Verbindung mit dem fachradiologischen Zusatzgutachten vom 27.
Mai 2015 ist die Einschränkung der zahnärztlichen Tätigkeit auf Dauer mit 5 % oder in einer Größenordnung von 24 Minuten pro Behandlungstag zu beziffern.
(2) Der Kläger hat diese Bewertung des Sachverständigen -
wie die [X.] zutreffend aufzeigt -
bereits in erster Instanz angegriffen. Er hat vorgetra-gen, die vom Sachverständigen zugrunde gelegte zeitliche Einschränkung stelle lediglich eine Schätzung dar, die keinen Bestand haben könne. Die Schädigung wirke sich auch dahingehend aus, dass der Kläger neben rein zeitlich zu [X.] Verlusten auch eine Einschränkung seines Behandlungsspektrums in dem Sinne erleide, dass er endodontische Behandlungsmaßnahmen nicht mehr selbst durchführen sowie dass er aufwendige Zahnbehandlungen nicht mehr in einer Sitzung vornehmen könne. Dies könne nur ein zahnmedizinisch tätiger
Sachverständiger
beurteilen.
In der Berufung hat er gerügt, dass dieser Vortrag übergangen worden sei. Zusätzlich hat er ausgeführt, der [X.]aufwand für die erforderlichen Locke-rungs-
und Dehnungsübungen steige über den Arbeitstag hinweg an und [X.] sich auf 57 Minuten. Eine Kompensation dieser
unfallbedingten [X.] sei nicht oder nur durch einen erhöhten Einsatz des [X.] möglich, der dem Schädiger nicht zugutekommen dürfe. Tatsächlich sei ein Ausgleich auch nicht 21
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möglich, da der Kläger abends so starke Schmerzen habe, dass er nicht wei-terarbeiten könne.
Der Kläger hat seinen Vortrag durch Vorlage der [X.] der [X.] untermauert und dargelegt, dass seine Um-sätze
für konservierend chirurgische Leistungen und Zahnersatz nach dem Un-fallereignis in den Jahren 2007 und 2008 um 59.535,90

seien
und sich seither kontinuierlich weiter reduziert hätten, so dass sich seine Einnahmen nunmehr jährlich durchschnittlich lediglich auf
liefen.
Die vorgelegten Gewinnermittlungen für die Jahre 2003 bis 2011 und die entsprechenden Steuerbescheide belegten, dass sich die körperlichen und see-lischen Belastungen und Einschränkungen des [X.] seit dem Unfallereignis auf seine zahnärztliche Tätigkeit ausgewirkt hätten, was der unfallchirurgische Sachverständige aufgrund seiner fehlenden zahnärztlichen Sachkunde nicht gewürdigt habe. Dabei hätten sich diese Beeinträchtigungen in einem schlei-chenden Prozess immer mehr intensiviert. Auch wenn sich die unfallbedingten Einschränkungen des [X.] besonders deutlich
erst in den Jahren 2009 bis 2011 gezeigt hätten, habe er auch in den Jahren 2007 und 2008 bereits erheb-liche Einnahmeausfälle hinnehmen müssen, die sich (nur) aufgrund der über-pflichtmäßigen Kostenreduzierungen bei
den Personalkosten
geringer ausge-wirkt hätten.
(3) Diesen Vortrag hat das Berufungsgericht zu Unrecht für unschlüssig gehalten. Es hat die angesichts der bereits sachverständig festgestellten [X.] Körperschäden und Beeinträchtigungen der zahnärztlichen Tätigkeit des [X.] ohnehin
geringen Substantiierungsanforderungen in unvertretbarer Weise überspannt, §
252
BGB, § 287 ZPO.
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Entgegen der nicht begründeten Ansicht des [X.] ist es nicht von vornherein unmöglich, dass unfallbedingte Einnahmeausfälle erst nach einiger [X.] eintreten. Trifft es zu, dass -
was zugunsten des [X.] revi-sionsrechtlich zu unterstellen ist und wofür angesichts der seit dem [X.] insoweit gesunkenen Umsätze einiges spricht -
der Kläger wegen seiner Beeinträchtigungen seit dem Unfall bestimmte endodontische Behandlungen nicht mehr vornehmen kann und die Patienten an andere Ärzte weiterverweist, kann ein solches Vorgehen beispielsweise dazu führen, dass sich der Patien-tenstamm mit der [X.]
insgesamt verkleinert. Es erscheint auch nicht von [X.] ausgeschlossen, dass Beeinträchtigungen wie Verspannungen und dau-erhafte Schmerzen aufgrund eines eingetretenen Körperschadens zwar anfäng-lich ausgeglichen werden können, dies aber nach einer gewissen [X.] nicht mehr möglich oder auch im Rahmen der dem Geschädigten grundsätzlich ob-liegenden Pflicht zur Schadensminderung nicht mehr zumutbar ist und die [X.] Beeinträchtigungen daher (erst) mit einer gewissen zeitlichen Ver-zögerung zu Einnahmeausfällen führen.
cc) Das Berufungsgericht hätte dem Vortrag des [X.] daher nachge-hen
müssen. Wenn es die Einholung des von dem Kläger bereits in erster In-stanz und erneut in der Berufungsinstanz angebotenen zahnmedizinischen
oder arbeitsmedizinischen Gutachtens
im Rahmen des ihm zustehenden pflichtge-mäßen Ermessens (§ 287 Abs. 1 Satz 2 ZPO) nicht für geboten erachtete, hätte es zunächst den Sachverständigen Prof. S. in Bezug auf die Behauptungen des [X.] ergänzend befragen können, §
411 ZPO.
Der Gutachter hatte angesichts der ihm in erster Instanz gestellten Be-weisfrage -
es sei aufgrund der unfallbedingten Verletzungen der linken Hand mit einer vorzeitigen Arthrose und einer berufsbedingten Arbeitsunfähigkeit zu rechnen
-
keine Veranlassung, sich im Einzelnen damit auseinanderzusetzen, 27
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ob der Kläger aufgrund der erlittenen dauerhaften Beeinträchtigungen bestimm-te aufwendigere Zahnbehandlungen nicht mehr vornehmen kann
und welche Auswirkungen die Beeinträchtigungen auf die Tätigkeit des [X.] in der [X.] gehabt haben. Soweit der Sachverständige die Einschränkung der Arbeitsfähigkeit des [X.] annäherungsweise mit dauerhaft 5 % angenom-men hat, war dies unter dem Blickwinkel des [X.] möglicherweise ausreichend, ist aber im
Hinblick auf den Anspruch auf Verdienstausfall für den streitgegenständlichen [X.]raum nur von eingeschränkter Relevanz. Gleiches gilt für die Aussage des Sachverständigen, eine arbeitsmedizinische Zusatzbe-gutachtung sei nicht erforderlich. Diese ist zudem
ohne Begründung geblieben, was für sich allein schon eine weitere Aufklärung nahelegt.
Das Berufungsgericht hätte ferner in Ausübung seines
pflichtgemäßen Ermessens ggf. unter Hinzuziehung eines Sachverständigen die für die maß-geblichen Jahre zugrunde
zu legenden Gewinne ermitteln und aufklären müs-sen, ob und in welcher Höhe der Kläger im streitgegenständlichen [X.]raum durch überpflichtmäßige Anstrengungen seiner Ehefrau Personalkosten einge-spart hat.
c) Das Berufungsurteil ist auch aufzuheben, soweit die Klage wegen des weitergehenden Verdienstausfalls
für sieben Fehltage im [X.]raum vom [X.] bis 5. November 2006 nach dem Unfall
abgewiesen worden ist. Das [X.] hat der Klage auf Verdienstausfall im Hinblick auf den [X.]raum vom 1.
bis 5. November 2006 einerseits (teilweise) stattgegeben, andererseits aber ausgeführt, sie sei mangels ausreichenden Vortrags unschlüssig. Dabei hat es übersehen, dass für den denselben [X.]raum nur eine einheitliche Ent-scheidung ergehen kann (§
287 ZPO).
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2. Die unter 1 festgestellten Mängel des Berufungsurteils wirken sich
-
was die Revision zutreffend aufzeigt -
auch auf den von dem Kläger geltend gemachten Anspruch auf Schmerzensgeld aus, weil die von dem Berufungsge-richt vorgenommene Schätzung der
Höhe des Schmerzensgeldes aufgrund der nicht ausreichenden Berücksichtigung des Vortrags des [X.] und
unterblie-benen Aufklärung des Sachverhalts revisionsrechtlich erhebliche Mängel [X.], §
253 Abs. 2 BGB, § 287 Abs. 1 ZPO.

III.
Das Berufungsurteil kann daher keinen Bestand haben, sondern ist auf-zuheben und mangels Entscheidungsreife zur neuen Verhandlung und Ent-scheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
Galke
[X.]
[X.]

Roloff
Klein

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 27.11.2015 -
331 [X.]/11 -

O[X.], Entscheidung vom 17.10.2016 -
14 U 3/16 -

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Meta

VI ZR 530/16

19.09.2017

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.09.2017, Az. VI ZR 530/16 (REWIS RS 2017, 5147)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2017, 5147

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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