Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2000, Az. III ZR 121/99

III. Zivilsenat | REWIS RS 2000, 909

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[X.] DES VOLKESURTEIL[X.]/99Verkündet am:12. Oktober 2000F r e i t a gJustizamtsinspektorals Urkundsbeamterder Geschäftsstellein dem [X.]:jaBG[X.]Z:[X.]:[X.] §§ 839 [X.], 852Zur Verjährung eines Amtshaftungsanspruchs, der aus der Erteilung ei-ner unrichtigen Auskunft hergeleitet wird, wenn ein verwaltungsrecht-licher Rechtsbehelf mit dem Ziel eingelegt worden ist, einen im [X.] zu jener Auskunft ergangenen belastenden Verwaltungsakt zubeseitigen (Fortführung von BG[X.]Z 122, 317).BG[X.], Urteil vom 12. Oktober 2000 - [X.]/99 -OLG [X.] a.M. [X.] [X.] hat auf die mündliche [X.] durch [X.] [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] des Oberlandesgerichts [X.] am Main vom26. März 1999 aufgehoben.Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung,auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das [X.] zurückverwiesen.Von Rechts wegen- 3 -TatbestandDer Kläger kaufte im Jahre 1989 ein in einem damals noch unerschlos-senen Baugebiet der beklagten [X.] [X.] ca. 5.527 qm großesGewerbegrundstück. Er hat vorgetragen, zuvor habe ihm der damalige [X.] der Beklagten auf Anfrage ausdrücklich erklärt, die [X.] nicht übersteigen. Nur im Vertrauen auf diese Zusa-ge habe er sich zu dem - anderenfalls für ihn nicht rentierlichen - Erwerb [X.] entschlossen.Durch Bescheid der Beklagten vom 5. Juni 1990 wurde der Kläger [X.] vorgenannten Berechnungsgrundlage von 13 DM/qm zu einem [X.] von 71.851 DM herangezogen. Mit einem zweiten Bescheid vom16. Juni 1992 forderte die Beklagte einen weiteren [X.] von138.816,13 DM. [X.]ierdurch und durch einen zusätzlichen Kläranlagenbeitragergaben sich Erschließungskosten von 42,92 DM/qm.Gegen den Bescheid vom 16. Juni 1992 erhob der Kläger [X.] beantragte beim [X.] die Anordnung von dessen auf-schiebender Wirkung. In dem verwaltungsgerichtlichen Verfahren schlossendie Parteien am 25. Oktober 1994 einen Vergleich, in dem sich der Kläger ver-pflichtete, zur Abgeltung der Forderung aus dem Bescheid vom 16. Juni 1992138.816,13 DM nebst 18.000 DM pauschalierter Säumniszuschläge zu zahlen,und in dem sich die Parteien darüber einigten, daß mit diesen Zahlungen sämt-liche Ansprüche aus dem Bescheid vom 16. Juni 1992 einschließlich [X.] 4 -forderungen erledigt seien. Der Kläger hat die sich aus dem Vergleich erge-bende Zahlungsverpflichtung erfüllt.Mit der vorliegenden Amtshaftungsklage nimmt der Kläger die Beklagteauf Zahlung von 138.816,13 DM nebst Zinsen in Anspruch. Er trägt vor, derBürgermeister habe ihm gegenüber durch die falsche Auskunft, die [X.] würden 13 DM/qm nicht übersteigen, eine Amtspflichtverletzungbegangen, durch die ihm ein Schaden in der geltend gemachten [X.]öhe entstan-den sei. Der [X.] des [X.] ist am 11. Juli 1995 beim[X.] eingegangen. Durch Beschluß vom 14. März 1996 hat das Land-gericht dem Kläger Prozeßkostenhilfe bewilligt. Am 3. Juni 1996 hat er seineKlage eingereicht, die der Beklagten am 10. Juni 1996 zugestellt worden ist.Die Beklagte hat eine Falschauskunft des Bürgermeisters bestritten. [X.] ferner eingewendet, der streitgegenständliche Anspruch sei durch den [X.] Vergleich mitabgegolten. Im [X.] hat [X.] die Einrede der Verjährung erhoben.Das [X.] hat die Klage dem Grunde nach für berechtigt erachtet.Das Berufungsgericht hat sie auf die Verjährungseinrede der [X.]. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Forderung [X.] 5 -Entscheidungsgründe:Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.1.Zu Unrecht hat das Berufungsgericht angenommen, daß der [X.] (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG) verjährt sei (§ 852 BGB).a) Dem Berufungsgericht ist zwar im rechtlichen Ausgangspunkt darinzuzustimmen, daß die Verjährung des streitgegenständlichen Amtshaftungsan-spruchs hier nicht durch Inanspruchnahme verwaltungsrechtlichen Primär-rechtsschutzes analog § 209 Abs. 1 BGB unterbrochen worden ist; die hierfürgegebene Begründung des Berufungsurteils ist indessen nicht tragfähig.aa) Das Berufungsgericht hat nämlich angenommen, die [X.] scheitere hier bereits daran, daß der Kläger keine verwaltungs-gerichtliche Klage erhoben habe. Darin kann dem Berufungsgericht nicht ge-folgt werden. [X.]ätte hier ein Fall des Primärrechtsschutzes tatbestandlich vor-gelegen, so hätte bereits der Widerspruch die Verjährungsunterbrechung [X.]. Dies folgt daraus, daß das Widerspruchsverfahren notwendige Prozeß-voraussetzung für die verwaltungsgerichtliche Klage ist und, solange nicht überden Widerspruch entschieden worden ist, eine Anfechtungsklage überhauptnicht zulässig ist. Dementsprechend stellt der Senat für die mögliche [X.] jeweils auf Widerspruch und Klage ab (vgl. Senatsbe-schluß vom 28. Februar 1991 - [X.] = BG[X.]R BGB § 852 [X.] 2; ferner BG[X.]Z 122, 317, 324).- 6 -bb) Indessen richtete sich der Rechtsbehelf hier gerade nicht gegen daspflichtwidrige Verhalten des Bürgermeisters, nämlich die unrichtige Aus-kunftserteilung als solche, sondern gegen den späteren, in Widerspruch [X.] Auskunft stehenden Beitragsbescheid. Dementsprechend passen [X.], die der Senat zur verjährungsunterbrechenden Wirkung verwal-tungsrechtlichen Primärrechtsschutzes entwickelt hat (Senatsurteile BG[X.]Z 95,238; 97, 97; 103, 242), nicht auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt. [X.] Entscheidungen betrafen nämlich Fälle, in denen das amtspflicht-widrige Verhalten der öffentlichen [X.]and, auf das der [X.] wurde, zugleich die rechtswidrige Maßnahme darstellte, gegen die [X.] verwaltungsrechtliche Rechtsbehelfe erhoben hatte (SenatsurteilBG[X.]Z 122, 317, 323). [X.]iermit steht in Übereinstimmung, daß auch "[X.]" im Sinne des § 839 Abs. 3 BGB (nur) solche Rechtsbehelfe sind, diesich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassungselbst richten und nach gesetzlicher Ordnung ihre Beseitigung oder Berichti-gung bezwecken und ermöglichen (st. Rspr.; vgl. z. B. Senatsurteil BG[X.]Z 123,1, 7 [X.].[X.]; ferner Senatsurteil BG[X.]Z 137, 11, 23). [X.] der Senat bereits entschieden, daß die gegen einen im Gegensatz zu einervorangegangenen Auskunft erlassenen Verwaltungsakt eingelegten verwal-tungsrechtlichen Rechtsbehelfe (Widerspruch sowie Anfechtungs- und Ver-pflichtungsklage) nicht geeignet sind, die Verjährung des Amtshaftungsan-spruchs wegen unrichtiger Auskunftserteilung in entsprechender Anwendungder §§ 209 Abs. 1, 211 BGB zu unterbrechen (Senatsbeschluß vom 28. Febru-ar 1991 - [X.] = BG[X.]R BGB § 852 Amtshaftung 2; bestätigt im Se-natsurteil BG[X.]Z 122, 317, 324). Dieser Grundsatz trifft auch auf den hier zubeurteilenden Sachverhalt zu.- 7 -cc) Im übrigen würde die verjährungsunterbrechende Wirkung des [X.] hier noch aus einem weiteren - vom Berufungsgericht nicht berück-sichtigten - Grund scheitern: Der Kläger hatte in dem Vergleich vom 25. Okto-ber 1994 den Widerspruch zurückgenommen. Dies hätte die Verjährungsunter-brechung ex tunc beseitigt (§ 212 Abs. 1 BGB analog).b) All dies schließt es - wie die Revision mit Recht geltend macht - indesnicht aus, daß die vom Kläger gegen den Beitragsbescheid ergriffenen ver-waltungsrechtlichen Rechtsbehelfe (Widerspruch und Antrag auf [X.]erstellungvon dessen aufschiebender Wirkung) sich auf die Verjährung des [X.]sanspruchs wegen der Erteilung der unrichtigen Auskunft in anderer [X.] als durch Unterbrechung ausgewirkt haben. Insoweit hat der Senat vielmehrkeine Bedenken, die Grundsätze des Senatsurteils BG[X.]Z 122, 317 auf denvorliegenden Fall anzuwenden: Der Senat bestimmt in ständiger Rechtspre-chung den für den Verjährungsbeginn im Sinne des § 852 Abs. 1 BGB maß-geblichen Zeitpunkt, in dem der Verletzte von dem Schaden und der [X.] Kenntnis erlangt, dahin, daß diese Kenntnis vorhandenist, wenn der Geschädigte aufgrund der ihm bekannten Tatsachen gegen [X.] eine Schadensersatzklage, sei es auch nur eine Feststel-lungsklage, erheben kann, die bei verständiger Würdigung soviel Erfolgsaus-sicht hat, daß sie ihm zumutbar ist (vgl. Senatsentscheidungen BG[X.]R BGB§ 852 Amtshaftung 1 bis 3, jew.m.w.[X.]). Diese Zumutbarkeit ist beispielsweiseverneint worden, solange die aussichtsreiche Möglichkeit bestand, durch [X.] mit der Behörde zwar nicht Schadensersatz in engerem Sinne zuerlangen, wohl aber eine anderweitige Kompensation, durch die die Vermö-- 8 -genseinbuße ausgeglichen wurde, ohne daß es eines [X.] bedurfte (aaO 1).Im vorliegenden Fall stellte der gegen den Beitragsbescheid gerichteteRechtsbehelf ein geeignetes Mittel dar, die aus der Auskunft herrührendenSchadensfolgen zu beseitigen. Erst mit der Feststellung, ob der [X.] war oder nicht, entschied sich nämlich, ob die für den Erwerb [X.] getätigten Aufwendungen rentierlich oder unrentierlich gewesenwaren. Würde man dem Kläger unter diesen Umständen darüber hinaus ansin-nen, parallel zu diesem Rechtsbehelf, sei es auch nur zur Fristwahrung, eineAmtshaftungsklage wegen der Erteilung der Auskunft zu erheben, hätte [X.] zugemutet, sich prozessual widersprüchlich zu verhalten. Er hätte [X.] im [X.] auf den Rechtsstandpunkt stellen müssen, daßdie Auskunft rechts- und amtspflichtwidrig gewesen war, während er im [X.] - so wie tatsächlich geschehen - von der [X.] und der Rechtswidrigkeit des zu ihr in Widerspruch stehendenBescheides hätte ausgehen müssen. Die Frage, wann eine für die Ingangset-zung der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden ist, ist nicht ausschließ-lich eine in die Zuständigkeit des Tatrichters fallende Tatfrage, sondern wirdmaßgeblich durch den der Beurteilung des [X.] [X.] der Zumutbarkeit geprägt. Erst durch die endgültige Erledigungdes Widerspruchsverfahrens durch Abschluß des [X.] erhielt der Kläger diejenigen Kenntnisse, die es ihm im Sinne [X.] zumutbar machten, die Amtshaftungsklage gegen [X.] zu erheben (vgl. zu diesen Fragen insbesondere: Senatsurteil BG[X.]Z122, 317, 324 bis 326). Dies bedeutet, daß die Verjährung erst mit dem- 9 -25. Oktober 1994 zu laufen begonnen hat. Sie ist somit durch die Klageerhe-bung rechtzeitig unterbrochen [X.] vom Berufungsgericht gefundene Ergebnis erweist sich auch nichtmit anderer Begründung als richtig (§ 563 ZPO). Insbesondere wird nach [X.] revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt derstreitgegenständliche Amtshaftungsanspruch nicht von der in Ziff. 3 des [X.] Vergleichs enthaltenen Abgeltungsklausel erfaßt. [X.] hat folgenden Wortlaut:"Die Beteiligten sind sich darüber einig, daß durch diese Zahlun-gen sämtliche Ansprüche aus dem streitgegenständlichen Be-scheidinklusive Nebenforderungen (Säumniszuschläge) ihre [X.] haben."Dieser Vergleich bedeutete im Grunde nichts anderes als das Aner-kenntnis des [X.], daß der Beitragsbescheid rechtmäßig gewesen war. [X.] aus dieser Rechtmäßigkeit herrührenden Rechtsfolgen sollten mit ihm ge-regelt werden. Anhaltspunkte dafür, daß damit zugleich die Beklagte von denhaftungsrechtlichen Folgen eines früheren etwaigen rechts- und amtspflichtwid-rigen Verhaltens befreit werden sollte, sind dagegen nicht erkennbar. Dies hatbereits das [X.] im erstinstanzlichen Urteil eingehend und zutreffendausgeführt. Es hat insbesondere mit Recht darauf hingewiesen, daß das ver-hältnismäßig geringfügige Nachgeben der Beklagten, welches sich in der [X.], einer Stundung und einer anteiligen Ver-fahrenskostenübernahme erschöpfte, auch keine innere Rechtfertigung dafürbot, den Kläger zur weitreichenden Aufgabe einer zuvor beanspruchten bür-gerlich-rechtlichen Rechtsposition zu veranlassen.- 10 -3.Das Berufungsurteil kann nach alledem nicht bestehenbleiben. Die [X.] ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, welches nunmehr dennoch streitigen Behauptungen der Parteien zu Grund und [X.]öhe des Anspruchsnachzugehen haben wird.RinneWurm[X.][X.]Galke

Meta

III ZR 121/99

12.10.2000

Bundesgerichtshof III. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.10.2000, Az. III ZR 121/99 (REWIS RS 2000, 909)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2000, 909

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