Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.12.2012, Az. I B 72/12

1. Senat | REWIS RS 2012, 822

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Gegenstand

Zur Beschwerdebefugnis im NZB-Verfahren


Leitsatz

1. NV: Zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde sind nur die in der Vorinstanz tatsächlich Beteiligten berechtigt. Die tatsächliche Beteiligung richtet sich grundsätzlich nach dem Rubrum des angefochtenen Urteils.      

2. NV: Lässt sich im Wege der Auslegung ermitteln, dass ein tatsächlich Beteiligter im vorinstanzlichen Urteil irrtümlich nicht als solcher aufgeführt worden ist, so ist auch dieser zur Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde berechtigt.      

3. NV: Werden einem Vertreter ohne Vertretungsmacht in dem vorinstanzlichen Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt, wird er hierdurch nicht zum Verfahrensbeteiligten. Insbesondere liegt in der Auferlegung der Kosten keine konkludente Beiladung.      

4. NV: Ist die Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache unzulässig, kann nicht isoliert die Kostenentscheidung angefochten werden.

Tatbestand

1

I. In der Sache streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit von Bescheiden über Körperschaftsteuer, den [X.] und Umsatzsteuer, die der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --[X.]--) gegenüber der [X.] erlassen hat, an der der Beschwerdeführer mittelbar beteiligt ist.

2

Die [X.] betrieb in den Streitjahren 2007 und 2008 ein Unternehmen, dessen Gegenstand der Handel mit Fotoartikeln sowie der Betrieb eines [X.] zur Entwicklung von Filmen, Herstellung von Vergrößerungen, Duplikaten, Internegativen und Reproduktionen war.

3

Alleinige Gesellschafterin der [X.] war die [X.]. An der [X.] war die Z-GmbH als Komplementärin und der Beschwerdeführer als Kommanditist beteiligt. In den Streitjahren war der Beschwerdeführer als der alleinige Geschäftsführer der [X.] und der Z-GmbH in das Handelsregister eingetragen.

4

Mit bestandskräftig gewordener Verfügung vom 30. März 2007 untersagte die [X.] dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 7a der Gewerbeordnung ([X.]) die selbständige Ausübung eines Gewerbebetriebs wegen persönlicher Unzuverlässigkeit. Die Untersagung erstreckte sich auf alle Gewerbe, die dem Anwendungsbereich des § 35 [X.] unterliegen sowie auf alle Tätigkeiten als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person.

5

Das [X.] kürzte mangels Vorlage von Unterlagen durch die [X.] in dem Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid für das 4. Quartal 2007 die beantragten Vorsteuern. Während des anschließenden [X.] führte das [X.] eine Außenprüfung bei der [X.] durch, deren Ergebnisse es der Schätzung der Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 2007 und 2008 zugrunde legte. Hierauf gestützt erließ das [X.] Bescheide für 2007 und 2008 über Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Gewerbesteuermessbeträge.

6

Die durch den Beschwerdeführer eingelegten Einsprüche verwarf das [X.] mit Einspruchsentscheidung als unzulässig. Das [X.] gab die Einspruchsentscheidung gegenüber dem Beschwerdeführer als Empfangsbevollmächtigten der [X.], die Alleingesellschafterin der führungslosen [X.] sei, bekannt.

7

Daraufhin erhob der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 unter Angabe der Steuernummer der [X.] und ihres Namens "als Vertreter der [X.] und hilfsweise als Vertreter der Gesellschafterin bzw. als Gesellschafter der Gesellschafterin" Klage gegen den Einspruchsbescheid. Das Schreiben verfasste der Beschwerdeführer auf einem Briefbogen, in dessen Kopf sein Name und seine Anschrift standen.

8

Auf den Einwand der fehlenden Prozessfähigkeit der [X.] erklärte der Beschwerdeführer mit Schreiben vom 31. Dezember 2011, selbst zur Klageerhebung befugt zu sein, soweit die Bescheide "tatsächlich formgerecht zugestellt" worden sein sollten. Die Bescheide beträfen nicht nur die [X.], sondern indirekt auch ihn. Es sei mit der Einleitung eines Haftungsverfahrens gegen ihn zu rechnen. Vor diesem Hintergrund dürfe auch er als Betroffener gegen die Bescheide vorgehen.

9

Das [X.] ([X.]) wies die Klage durch Urteil vom 27. April 2012 6 K 341/11 ab. Es ging hierbei davon aus, dass die [X.] Klägerin war. Die Kosten des Verfahrens erlegte das [X.] dem Beschwerdeführer auf, weil dieser als vollmachtloser Vertreter aufgetreten sei.

Mit seiner in eigenem Namen erhobenen Nichtzulassungsbeschwerde beantragt der Beschwerdeführer, die Revision gegen das angefochtene Urteil zuzulassen.

Das [X.] beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II. [X.] ist unzulässig und deshalb zu verwerfen.

1. Der Beschwerdeführer ist nicht befugt, gegen das Urteil des [X.] Nichtzulassungsbeschwerde einzulegen.

a) [X.] ist, wer berechtigt wäre, gemäß § 115 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) gegen das Urteil des [X.] einzulegen (Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 25. November 1985 IX B 31/85, [X.] 1986, 346; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 116 Rz 6; [X.] in Tipke/[X.], Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 116 [X.]O Rz 11). Zur Einlegung einer Revision sind nur die in der Vorinstanz Beteiligten berechtigt (§ 115 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 57 [X.]O). Maßgebend ist insoweit die tatsächliche Beteiligung, die sich zunächst einmal nach dem Rubrum des angefochtenen Urteils richtet ([X.] vom 30. Oktober 1990 IX R 122/85, [X.] 1991, 545, und vom 13. Februar 2003 VII B 215/02, [X.] 2003, 804).

Ist jedoch ein tatsächlich Beteiligter im Urteil irrtümlich nicht (als solcher) aufgeführt, steht das grundsätzlich weder einer Rechtsmitteleinlegung durch ihn noch seiner Beteiligung im Revisionsverfahren entgegen ([X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 122 [X.]O Rz 5). Seine unterlassene Benennung im [X.] kann vom [X.] (als offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 107 [X.]O) berichtigt werden ([X.]-Urteil vom 7. Juli 1987 VII R 94/84, [X.]E 150, 492, [X.] 1987, 804; [X.]-Beschluss vom 17. März 1987 VIII R 27/87, [X.] 1988, 374; Gräber/Ruban, a.a.[X.], § 122 Rz 1). Die Richtigstellung ist aber nicht Voraussetzung dafür, dass der tatsächlich Beteiligte des Klageverfahrens als Beteiligter des Revisionsverfahrens behandelt werden kann ([X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 122 [X.]O Rz 9; [X.] in Tipke/[X.], a.a.[X.], § 122 [X.]O Rz 5).

Ob eine andere Person als die im Rubrum genannte Person tatsächlich Kläger des [X.] war und deshalb als Beteiligter i.S. des § 115 Abs. 1 [X.]O beschwerdebefugt ist, ist durch Auslegung zu ermitteln ([X.]-Beschluss vom 14. Dezember 2004 III B 115/03, [X.] 2005, 713; [X.] in [X.]/ Gosch, [X.]O § 115 Rz 23). Entscheidend ist, welche Person erkennbar durch die Beteiligtenbezeichnung betroffen sein soll ([X.]-Urteil vom 14. November 1986 III R 12/81, [X.]E 148, 212, [X.] 1987, 178; Senatsurteil vom 29. Januar 2003 I R 106/00, [X.]E 201, 287). Dies ist anhand der Klageschrift und aus dem weiteren Klagevorbringen zu ermitteln ([X.]-Beschluss in [X.] 1991, 545; [X.] in [X.], § 122 [X.]O Rz 8). Von Bedeutung ist auch, wem gegenüber die streitbefangenen Bescheide ergangen sind ([X.] in [X.]/Gosch, [X.]O § 115 Rz 23).

b) Ausgehend von diesen Grundsätzen ist der Beschwerdeführer im Streitfall mangels Beteiligtenstellung im [X.] nicht beschwerdebefugt.

aa) In dem Rubrum des angefochtenen Urteils wird nicht er als Kläger bezeichnet. Klägerin in dem Verfahren vor dem [X.] war nach dem Rubrum vielmehr die [X.].

bb) Entgegen seiner Auffassung ist der Beschwerdeführer auch nicht der tatsächliche Kläger in dem [X.], der rechtsirrtümlich in dem Rubrum des [X.]s nicht als Kläger bezeichnet worden ist. Im Streitfall ergibt sich anhand der Klageschrift und aus dem weiteren Klagevorbringen, dass die [X.] Klägerin des [X.] war, wovon auch das [X.] zu Recht ausgegangen ist. Zwar hat der Beschwerdeführer die Klageschrift auf einem Briefbogen mit seinem Namen und seiner Adresse verfasst. Mit der Klageschrift focht er aber unter Nennung des Namens und der Steuernummer der [X.] an, deren Inhaltsadressatin ebenfalls die [X.] war und die ihn selbst nicht beschwerten. Ausdrücklich erhob er zudem "als Vertreter der [X.]" Klage; die daneben "hilfsweise" erfolgten weiteren Benennungen der klagenden Person resultierten allein aus der Unsicherheit des Beschwerdeführers über seine eigene Rechtsstellung infolge der [X.]. Der Beschwerdeführer wollte durch die Mehrfachbezeichnung Sorge tragen, jedenfalls die Rechtsstellung bezeichnet zu haben, in der er für die [X.] handeln durfte. Jedenfalls ließ er in den Bezeichnungen keinen Zweifel daran, dass er aufgrund seiner gesellschaftsrechtlichen Verbundenheit mit der [X.] für diese tätig werden wollte.

Gegen diese Auslegung spricht nicht das Schreiben des Beschwerdeführers vom 31. Dezember 2011, in dem er ausführte, selbst Klage erheben zu dürfen, weil er indirekt persönlich von den Bescheiden betroffen sei. Dieses Schreiben ist allenfalls als die Erhebung einer weiteren (wenn auch unzulässigen) Klage des Beschwerdeführers zu werten, die selbständig neben das beim [X.] bereits anhängige Verfahren 6 K 341/11 treten würde und die Stellung der [X.] als Klägerin in diesem Verfahren nicht berühren könnte. Der Inhalt des Schreibens vom 31. Dezember 2011 dient nicht der weiteren Präzisierung der Klageschrift vom 24. Oktober 2011; vielmehr verfolgte der Beschwerdeführer mit dem Schreiben einen neuen prozessualen Ansatz, nachdem ihn das [X.] auf die fehlende Prozessfähigkeit der [X.] aufmerksam gemacht hatte.

cc) Der Beschwerdeführer ist auch nicht dadurch zum Beteiligten des [X.] geworden, dass ihm das [X.] die Kosten des Verfahrens auferlegt hat. Insbesondere liegt darin keine konkludente Beiladung ([X.] vom 17. Juni 1993 VIII R 55/92, [X.] 110/92, [X.] 1994, 334; vom 24. November 2011 IV B 85/10, [X.] 2012, 585).

2. [X.] ist schließlich nicht deshalb zulässig, weil das [X.] dem Beschwerdeführer in seinem Urteil die Kosten des Verfahrens auferlegt hat, und der Beschwerdeführer insoweit beschwert ist. Die Anfechtung der Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 145 [X.]O unzulässig, wenn nicht gegen die Entscheidung in der Hauptsache ein Rechtsmittel eingelegt wird. Dies schließt die Situation ein, dass der Nichtzulassungsbeschwerde in der Hauptsache der Erfolg zu versagen ist ([X.] in [X.] 2012, 585; vom 30. Januar 2012 VII B 187/11, [X.] 2012, 764; vom 28. Februar 2012 III B 55/10, [X.] 2012, 972). So liegt der Fall hier, denn die Nichtzulassungsbeschwerde hat in der Hauptsache mangels Beschwerdebefugnis des Beschwerdeführers keinen Erfolg.

Meta

I B 72/12

04.12.2012

Bundesfinanzhof 1. Senat

Beschluss

vorgehend Niedersächsisches Finanzgericht, 27. April 2012, Az: 6 K 341/11, Urteil

§ 57 FGO, § 107 FGO, § 115 Abs 1 FGO, § 122 Abs 1 FGO, § 145 FGO, § 35 Abs 7a GewO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 04.12.2012, Az. I B 72/12 (REWIS RS 2012, 822)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 822

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