Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.01.2014, Az. III B 89/13

3. Senat | REWIS RS 2014, 8797

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Gegenstand

Kindergeldberechtigung einer als unbeschränkt steuerpflichtig behandelten Saisonarbeiterin - Gesetzlicher Richter - Vorabentscheidungsverfahren durch ein FG


Leitsatz

NV: Die Rechtsfrage, ob eine unbeschränkte Einkommensteuerpflicht nach § 1 Abs. 3 EStG auch für diejenigen Monate eines Kalenderjahres nach § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG einen Anspruch auf Kindergeld begründet, in denen der Antragsteller keine inländischen Einkünfte i.S. von § 49 EStG erzielt hat, ist durch die BFH-Urteile vom 24. Oktober 2012 V R 43/11, vom 18. April 2013 VI R 70/11 und vom 18. Juli 2013 III R 59/11 dahingehend geklärt, dass kein solcher Anspruch besteht.

Gründe

1

Die Beschwerde ist --bei Bedenken gegen ihre Zulässigkeit-- jedenfalls unbegründet und daher gemäß § 116 Abs. 5 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ([X.]O) durch Beschluss zurückzuweisen. Das Finanzgericht ([X.]) hat weder den Anspruch der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) auf rechtliches Gehör verletzt noch diese [X.] entzogen.

2

1. a) Der Anspruch auf rechtliches Gehör umfasst vor allem das durch Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) und § 96 Abs. 2 [X.]O gewährleistete Recht der Verfahrensbeteiligten, sich vor Erlass einer Entscheidung zu den entscheidungserheblichen Tatsachen und Beweisergebnissen zu äußern. Sie haben einen Anspruch darauf, dem Gericht auch in rechtlicher Hinsicht alles vorzutragen, was sie für wesentlich halten. Diesen Ansprüchen entspricht die Pflicht des Gerichts, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Weiterhin hat das Gericht seine Entscheidung zu begründen, wobei aus seiner Begründung erkennbar sein muss, dass eine Auseinandersetzung mit dem wesentlichen Vorbringen der Verfahrensbeteiligten stattgefunden hat. Diese richterliche Pflicht geht jedoch nicht soweit, dass sich das Gericht mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich befassen müsste, da davon auszugehen ist, dass das Gericht das Vorbringen der Beteiligten auch zur Kenntnis genommen hat. Es darf das Vorbringen außer [X.] lassen, das nach seiner Auffassung unerheblich oder unsubstantiiert ist. Das rechtliche Gehör ist erst dann verletzt, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalles deutlich ergibt, dass das Gericht ein Vorbringen entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder bei seiner Entscheidung ersichtlich nicht in Erwägung gezogen hat (vgl. z.B. Beschluss des [X.] --[X.]-- vom 22. April 2008 [X.], [X.], 1361, m.w.[X.]).

3

b) Nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG darf niemand [X.] entzogen werden. Auch der [X.] ([X.]) ist [X.] im Sinne dieser Bestimmung. Es kann daher einen Entzug des gesetzlichen Richters darstellen, wenn ein nationales Gericht seiner Pflicht zur Anrufung des Gerichtshofs im Wege des [X.] nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der [X.] nicht nachkommt (vgl. Beschluss des [X.] vom 25. Februar 2010  1 BvR 230/09, Kammerentscheidungen des [X.], 108, m.w.[X.]). Eine Gerichtsentscheidung, in der eine mögliche Vorlage an den [X.] abgelehnt wird, verstößt allerdings nur dann gegen das Gebot des gesetzlichen Richters, wenn das Gericht den ihm in solchen Fällen notwendig zukommenden Beurteilungsrahmen in unvertretbarer Weise überschritten hat (vgl. [X.] vom 4. September 2009 IV K 1/09, [X.], 218; BVerfG-Beschluss vom 15. Dezember 2011  2 BvR 148/11, [X.], 265).

4

2. Gemessen an diesen Maßstäben hat das [X.] weder gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verstoßen noch seine Vorlagepflicht verletzt.

5

a) Wie sich aus dem angegriffenen Urteil selbst ergibt, hat das [X.] die Rechtsausführungen der Klägerin zur [X.] gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b des Einkommensteuergesetzes (EStG) zur Kenntnis genommen und ersichtlich in Erwägung gezogen. Unter anderem mit dem Verweis auf das [X.]-Urteil vom 24. Oktober 2012 V R 43/11 ([X.], 327, [X.], 491) ist das [X.] auch seiner Pflicht, auf das wesentliche Beteiligtenvorbringen in den Gründen der Entscheidung einzugehen, nachgekommen. Der [X.] hat in dem zitierten Urteil die nationalen Rechtsvorschriften zum Monatsprinzip bei der [X.] gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG und die hierzu vertretenen Auffassungen gewürdigt und ist zugleich auch auf unionsrechtliche Fragestellungen eingegangen. Das [X.] hat sich in der angegriffenen Entscheidung bewusst der Rechtsprechung des [X.] angeschlossen. Die Klägerin wurde damit darüber in Kenntnis gesetzt, dass ihre steuer- wie gemeinschaftsrechtlichen Argumente sowohl nach Auffassung des [X.] wie auch des [X.] nicht stichhaltig sind. Das [X.] war nicht gehalten, jedes von der Klägerin gegen das Monatsprinzip ins Feld geführte (Unter-)Argument noch einmal einzeln abzuhandeln, da das einschlägige [X.]-Urteil bereits eine eingehende rechtliche Auseinandersetzung enthielt. Auch wenn sich die Klägerin im Vergleich zu den Beteiligten des [X.]-Verfahrens einer verbreiterten und vertieften Argumentation bedient haben sollte, konnte sich das [X.] im Wesentlichen damit begnügen, auf die einschlägige höchstrichterliche Rechtsprechung zu verweisen. Denn die streitige Rechtsfrage blieb als solche unverändert, so dass Angriffe gegen die bereits vorliegende und vom [X.] als zutreffend herangezogene Grundsatzentscheidung des [X.] vom [X.] als rechtlich unbeachtlich gewertet werden konnten, ohne dass dies im Detail noch einmal in den Entscheidungsgründen dargestellt werden musste.

6

Neue, bislang vom [X.] ungeprüfte Gesichtspunkte können im Übrigen die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung rechtfertigen (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 115 Rz 28, m.w.[X.]). Sollte das Vorbringen der Klägerin dahin zu verstehen sein, muss der Beschwerde allerdings der Erfolg versagt bleiben. Denn der [X.] hat sich mehrfach ausführlich --auch unter Berücksichtigung des [X.] mit der Geltung des Monatsprinzips bei der [X.] gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG befasst und die im [X.]-Urteil in [X.], 327, [X.], 491 vertretene Auffassung als zutreffende und gemeinschaftsrechtskonforme Gesetzesinterpretation bestätigt ([X.]-Urteil vom 18. April 2013 VI R 70/11, [X.]/NV 2013, 1554; Senatsurteil vom 18. Juli 2013 III R 59/11, [X.]/NV 2013, 1992). Damit gibt es keine klärungsbedürftige Rechtsfrage mehr.

7

Die Beschwerde ist äußerlich zwar in die Gestalt einer Gehörsrüge gekleidet, richtet sich im [X.] aber allein gegen die Richtigkeit des [X.]-Urteils und die ihm zugrunde liegende höchstrichterliche Rechtsprechung. Damit kann die Zulassung der Revision nicht erreicht werden.

8

b) Auch die Rüge, das [X.] habe den [X.] anrufen oder aber die Revision zulassen müssen, greift nicht durch. Denn erstinstanzliche Gerichte sind unionsrechtlich nicht zur Vorlage verpflichtet. Dies gilt auch dann, wenn eine Zulassung des Rechtsmittels durch das oberste Gericht erforderlich ist (vgl. BVerfG-Beschluss vom 31. Mai 1990  2 BvL 12, 13/88, 2 BvR 1436/87, [X.] 82, 159; [X.] vom 9. November 2007 IV B 169/06, [X.], 390; Senatsbeschluss vom 14. November 2008 III B 17/08, [X.]/NV 2009, 380).

Meta

III B 89/13

14.01.2014

Bundesfinanzhof 3. Senat

Beschluss

vorgehend FG Düsseldorf, 24. Juni 2013, Az: 7 K 3729/09 Kg, Urteil

Art 101 Abs 1 S 2 GG, Art 103 Abs 1 GG, Art 267 AEUV, § 62 Abs 1 Nr 2 Buchst b EStG, § 1 Abs 3 EStG, § 49 EStG

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 14.01.2014, Az. III B 89/13 (REWIS RS 2014, 8797)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 8797

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

15 K 1212/19

15 K 2067/18

15 K 194/20

15 K 193/20

15 K 2687/19

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