Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. V B 66/12

5. Senat | REWIS RS 2013, 3759

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Gegenstand

Berichtigung des Rubrums im Beschwerdeverfahren, Beschwerdebefugnis, Auslegung der Klageschrift


Leitsatz

1. NV: Im Beschwerdeverfahren über die Zulassung der Revision kann der BFH das Rubrum des FG-Urteils berichtigen.

2. NV: Auch ein zu Unrecht im Rubrum des FG-Urteils genannter Beteiligter ist zur Einlegung der Beschwerde befugt.

3. NV: Zur Auslegung der Klageschrift in Bezug auf die Person des Klägers.

Tatbestand

1

I. Vor dem Finanzgericht ([X.]) erhob A.B., der Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) war, vertreten durch seinen damaligen Prozessbevollmächtigten, u.a. mit drei Schriftsätzen drei Klagen gegen die an die GbR für die Streitjahre 1995 bis 1999 gerichteten Umsatzsteuerbescheide in Gestalt der hierzu ergangenen [X.]. In den Klageschriftsätzen wurde jeweils im Betreff der Name des A.B. angeführt. Zudem enthielten die Klageschriftsätze jeweils die Angabe, dass die Klage in dem Rechtsstreit des A.B. erhoben wurde.

2

Das [X.] verband die die Umsatzsteuer betreffenden Klageverfahren und wies die mit Klagen wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung verbundenen Klagen hinsichtlich der Umsatzsteuer 1995 bis 1999 als unzulässig ab, da diese Klagen nicht im Namen der GbR, sondern im Namen ihres Gesellschafters A.B. erhoben worden seien. Auch die Klagen wegen einheitlicher und gesonderter Feststellungen der GbR hatten keinen Erfolg. Im Rubrum seines Urteils bezeichnete das [X.] gleichwohl die GbR als Klägerin.

3

Gegen das Urteil des [X.] wendet sich die GbR mit ihrer durch Schriftsatz vom 3. August 2011 eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde. Die Beschwerde wegen einheitlicher und gesonderter Feststellungen hat der [X.]. Senat des [X.] ([X.]) mit Beschluss vom 24. April 2011 [X.] B 109/11 zurückgewiesen und im Übrigen das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer 1995 bis 1999 abgetrennt und an den [X.] verwiesen.

Entscheidungsgründe

4

II. A. Das Rubrum des Urteils des [X.] ist zur Beteiligtenbezeichnung des [X.] hinsichtlich des Streitgegenstandes Umsatzsteuer 1995 bis 1999 unrichtig. In ihm waren die Beteiligten aufzuführen (§ 105 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--), und damit im [X.] als Kläger, da er die Klagen erhoben hatte.

5

Der beschließende Senat kann dies berichtigen. Er ist im Rahmen des Beschwerdeverfahrens über die Nichtzulassung der Revision für die Berichtigung zuständig (vgl. [X.] vom 25. November 1999 III B 5/99, [X.], 844, und vom 12. März 2004 VII B 239/02, [X.], 1114). Gemäß § 107 [X.]O sind offenbare Unrichtigkeiten im Urteil jederzeit vom Gericht zu berichtigen. Hierunter fällt auch eine eindeutig unzutreffende Parteibezeichnung ([X.] in [X.], 1114). Diese liegt im Streitfall vor. Das [X.] hat ausweislich der Entscheidungsgründe sein Urteil gegenüber dem Gesellschafter als Kläger getroffen, der nach Auffassung des [X.] die Klage gegen die Umsatzsteuerbescheide im eigenen Namen erhoben hatte. Der Gesellschafter war daher auch im Rubrum als Kläger aufzuführen.

6

B. Die Beschwerde der GbR hat keinen Erfolg.

7

1. Die Beschwerde der GbR ist zulässig.

8

1. Beschwerdebefugt ist, wer berechtigt wäre, gemäß § 115 Abs. 1 [X.]O gegen das Urteil des [X.] Revision einzulegen ([X.] vom 4. Dezember 2012 I B 72/12, [X.], 565, m.w.[X.]; vom 25. November 1985 IX B 31/85, [X.] 1986, 346). Zur Einlegung einer Revision sind nur die in der Vorinstanz Beteiligten berechtigt (§ 115 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 57 [X.]O). Maßgebend ist insoweit die tatsächliche Beteiligung, die sich zunächst einmal nach dem Rubrum des angefochtenen Urteils richtet ([X.] in [X.], 565, und vom 13. Februar 2003 VII B 215/02, [X.] 2003, 804).

9

a) Im Rubrum des angefochtenen Urteils ist als Klägerin (auch) wegen Umsatzsteuer 1995 bis 1999 die GbR, die Beschwerdeführerin bezeichnet; sie war daher ungeachtet dessen, dass das [X.] im Widerspruch dazu in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, die Klagen wegen Umsatzsteuer 1995 bis 1999 habe nicht die GbR, sondern der Gesellschafter [X.] im eigenen Namen erhoben, beschwerdebefugt.

2. Die Beschwerde hat jedoch keinen Erfolg.

a) Die Beschwerdeführerin rügt Rechtsfehler des [X.] bei der Auslegung der Klageschriften wegen Umsatzsteuer 1995 bis 1999. Das [X.] habe die [X.] zur Auslegung von [X.] (z.B. [X.] vom 7. November 2007 I B 104/07, [X.] 2008, 799; vom 17. Januar 2002 VI B 114/01, [X.], 1, [X.], 306; vom 8. Juni 2004 XI B 46/02, [X.], 1417; vom 16. April 2007 VII B 98/04, [X.] 2007, 1345) nicht berücksichtigt. Bei einer Auslegung der Klageschriften wegen Umsatzsteuer ohne Verstoß gegen die Regeln zur Auslegung von [X.] sei davon auszugehen, dass [X.] die Klage nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der GbR erhoben habe.

b) Darin liegt die Rüge eines Verfahrensmangels i.S. der § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O. Denn ein Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 [X.]O liegt vor, wenn über eine Klage objektiv fehlerhaft nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entscheiden wird (z.B. [X.] vom 24. Juli 2012 XI B 87/11, [X.] 2012, 1981, unter 1.; vom 4. April 2011 VIII B 96/10, [X.] 2011, 1172; vom 1. Juni 2011 IV B 33/10, [X.] 2011, 1888, unter [X.], m.w.[X.]).

c) Der Verfahrensfehler liegt nicht vor.

aa) [X.] sind in entsprechender Anwendung des § 133 des Bürgerlichen Gesetzbuchs so auszulegen, dass der wirkliche Wille zu erforschen und nicht am buchstäblichen Sinn des Ausdrucks zu haften ist (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. [X.] in [X.] 2012, 1981; [X.]-Urteil vom 27. November 2008 IV R 16/06, [X.] 2009, 783, jeweils m.w.[X.]). Dabei können auch außerhalb der Erklärung liegende weitere Umstände berücksichtigt werden. Die Auslegung einer Prozesserklärung darf aber nicht zur Annahme eines Erklärungsinhalts führen, für den sich in der (verkörperten) Erklärung selbst keine Anhaltspunkte mehr finden lassen. Auf die Wortwahl und die Bezeichnung kommt es nicht entscheidend an, sondern auf den gesamten Inhalt der Willenserklärung (vgl. z.B. [X.] in [X.] 2008, 799, m.w.[X.]). Die Tatsache, dass ein Steuerpflichtiger von einem Rechtsanwalt oder Steuerberater vertreten wird, schließt eine Rechtsschutz gewährende Auslegung nicht aus ([X.] vom 19. Juli 2005 XI B 206/04, [X.] 2006, 68, m.w.[X.]). Nur wenn die Prozesserklärung klar und eindeutig ist und offensichtlich dem bekundeten Willen des Beteiligten entspricht, besteht grundsätzlich --wovon auch das [X.] zu Recht ausgeht-- kein Raum für eine gegenteilige Auslegung.

Die Auslegung von Willenserklärungen gehört zwar grundsätzlich zu der dem [X.] obliegenden Feststellung der Tatsachen. Als Beschwerdeinstanz kann der [X.] die Auslegung des [X.] daraufhin überprüfen, ob die gesetzlichen Auslegungsregeln, die Denkgesetze und die Erfahrungssätze zutreffend angewendet worden sind (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.] vom 7. Oktober 2009 VII B 26/09, [X.] 2010, 441; vom 26. Mai 2009 X B 215/08, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, [X.], m.w.[X.]).

bb) Im Streitfall sind die von einem fachkundigen Berater angefertigten Klagen wegen Umsatzsteuer 1995 bis 1997, wegen Umsatzsteuer 1998 und wegen Umsatzsteuer 1999 (alle vom 12. September 2006) ausdrücklich im Namen von [X.] erhoben und dieser als "Kläger" bezeichnet worden. Einen ausdrücklichen Hinweis auf die GbR als Klägerin enthält die Klageschrift selbst nicht. Aus der Erwähnung der der Klageschrift beigefügten angeblichen "[X.]" der [X.] (alle vom 4. April 2006) ergibt sich zwar ein Bezug zu Umsätzen der GbR. Diese Entscheidungen sind jedoch sämtlich an "[X.] B ..." als Gesellschafter der "[X.]" gerichtet. Unter diesen Umständen ist die Auslegung des [X.] revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie wird im Übrigen dadurch bestätigt, dass auf die Verfügung des [X.] vom 13. September 2006 mit der Aufforderung anzugeben, ob der Kläger die Klage allein für sich oder für die GbR erhoben hat und im letzteren Fall seinen Prozessvollmachten vorzulegen, die am 30. September 2006 von [X.] im eigenen Namen "in Sachen [X.]/FA X wegen ESt/[X.] 1990 bis 1999" ausgestellte Vollmacht für die damaligen Prozessbevollmächtigten vorgelegt wurde. Der erst am 26. Februar 2011 vorgelegten Vollmacht, wonach [X.] zur Vertretung der GbR in den Verfahren vor dem [X.] wegen Umsatzsteuer bevollmächtigt wird, hat das [X.] zu Recht für die Auslegung der Klageschrift keine Bedeutung mehr beigemessen.

3. Ohne Erfolg rügt die Beschwerdeführerin weiter als Verfahrensfehler, das [X.] habe die Klage zu Unrecht auch wegen verspäteter Klageerhebung als unzulässig abgewiesen.

Denn das [X.] hat sein Urteil, die Klage sei unzulässig, kumulativ begründet. Da bereits im Hinblick auf die erste Begründungsalternative kein Zulassungsgrund vorliegt (s. oben [X.]), kann schon deshalb mit [X.] gegen die zweite Begründungsalternative die Revisionszulassung nicht erreicht werden (vgl. z.B. [X.] vom 4. März 2013 III B 124/12, [X.], 986).

4. Von der Erhebung der Kosten wird gemäß § 21 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes abgesehen. Nach dieser Vorschrift werden Kosten, die bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären, nicht erhoben. So ist es im Streitfall, in dem die GbR keine Beschwerde erhoben hätte, wenn das [X.] im Rubrum den Gesellschafter als Kläger bezeichnet hätte.

Meta

V B 66/12

31.07.2013

Bundesfinanzhof 5. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 14. Juni 2011, Az: 11 K 11077/11, Urteil

§ 57 FGO, § 107 FGO, § 115 FGO, § 122 FGO, § 115 Abs 2 Nr 3 FGO, § 133 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31.07.2013, Az. V B 66/12 (REWIS RS 2013, 3759)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3759

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