Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2012, Az. XII ZB 528/11

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 3241

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XII [X.]

vom

12. September 2012

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fc
Ein Rechtsanwalt
ist zur gesonderten Überprüfung der weisungsgemäßen Er-stellung, Vorlage und Absendung eines fristgebundenen Schriftsatzes durch qualifizierte Mitarbeiter nur verpflichtet, wenn ihm aufgrund der ihm bekannten Umstände ein von diesen begangener Fehler offenbar wird.

[X.], Beschluss vom 12. September 2012 -
XII [X.] -
OLG [X.]

[X.]

-
2
-
Der XII.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am
12. September 2012 durch [X.] und [X.]
Klinkhammer, Schilling, Dr.
Günter und Dr.
Botur
beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde der
Beklagten wird der Beschluss des 13.
Zivilsenats des [X.] vom 4.
August 2011 im Ausspruch zu 1 und 2 aufgehoben.
Der Beklagten wird gegen die Versäumung der Frist zur Begrün-dung der Berufung
gegen das Urteil des [X.] vom 21. März 2011 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ge-währt.
Der Rechtsstreit wird zur Verhandlung und Entscheidung -
auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens
-
an das Ober-landesgericht zurückverwiesen.
Wert:
21.991

Gründe:
I.
Die Parteien streiten über Ansprüche aus einem Geschäftsraummietver-hältnis.
Die
Beklagte ist durch Urteil des [X.] unter anderem zur [X.] verurteilt worden. Dagegen hat sie rechtzeitig Berufung eingelegt, die mit dem 24.
Mai 2011
ablaufende Frist zur Berufungsbegründung hingegen ver-säumt.
1
-
3
-

Die Beklagte hat Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dies damit begründet, ihr Prozessbevollmächtigter
habe an einem zunächst er-stellten Entwurf der Berufungsbegründung am 23.
Mai 2011 noch eigenhändig am [X.] eine Ergänzung vorgenommen. Anschließend habe er eine Mitarbeiterin angewiesen, die Berufungsbegründung "auszufertigen", d.h. die Datei in dreifa-cher Ausfertigung auszudrucken und zur Unterschrift vorzulegen, und mit der zur Einsicht überlassenen Gerichtsakte an das Gericht abzusenden. Das An-schreiben vom 23.
Mai 2011, mit dem die Akte zurückgesandt wurde, sei am Nachmittag gefertigt und ihm nach Rückkehr von [X.] am Abend des 23.
Mai 2011 zur Unterschrift vorgelegt worden. Er sei davon aus-gegangen, dass die Berufungsbegründung bereits versandt gewesen und die Unterschrift von seinem Vertreter geleistet worden sei. Entgegen seiner Anwei-sung sei die Berufungsbegründung hingegen nicht ausgefertigt worden. [X.] sei nur die Gerichtsakte mit einem Anschreiben am 24.
Mai 2011 einge-reicht worden.
Seine Mitarbeiterin habe die Berufungsbegründungsfrist auf-grund des Eingangsstempels "24.5.2011"
auf dem [X.] am selben Tag gelöscht.
Das [X.] hat den Antrag der Beklagten auf Wiedereinset-zung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Berufung als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Beklagten.

II.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§
238 Abs.
2, 522 Abs.
1 Satz
4 ZPO statthaft und auch im Übrigen gemäß §
574 Abs.
2 ZPO zulässig
und begrün-2
3
4
-
4
-
det. Die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert eine Entschei-dung des [X.]. Das Beschwerdegericht hat durch seine Entscheidung das Verfahrensgrundrecht des Antragstellers auf Gewährung wir-kungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG iVm dem Rechtsst[X.]tsprinzip) verletzt, welches es den Gerichten verbietet, den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sach-gründen nicht zu rechtfertigender Weise zu erschweren ([X.]sbeschluss vom 2.
April 2008 -
XII
ZB 189/07
-
FamRZ 2008, 1338 Rn.
8 mwN).

1. Nach der Auffassung des [X.]s schließt der [X.] ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Beklagten nicht aus. Denn er habe sich angesichts der Eilbedürftigkeit der Sache vergewissern müssen, dass die Berufungsbegründung tatsächlich ausgefertigt und unter-schrieben worden sei. Ihm habe bei der Vorlage des Anschreibens bewusst sein müssen, dass er die Berufungsbegründung noch nicht unterschrieben ha-be. Wenn die Mitarbeiterin tatsächlich auch die Berufungsbegründung ausgefer-tigt hätte, hätte es nahe gelegen, dass beides zeitgleich zur Unterschrift vorge-legt worden wäre. Da dem nicht so gewesen sei, habe er sich
vergewissern müssen, dass die Berufungsbegründung tatsächlich ausgefertigt und von sei-nem Kollegen unterschrieben worden sei.
2. Das hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
a) Der Prozessbevollmächtigte
der Beklagten war zunächst nicht gehal-ten, die Ausführung der von ihm erteilten
Weisung, die Berufungsbegründung auszufertigen, zu überprüfen oder die Ausführung durch organisatorische [X.] zu sichern. Denn es handelte sich um eine Anweisung im Rahmen der Anfertigung fristgebundener Schriftsätze, deren Ausführung von der allge-meinen
Fristen-
und Ausgangskontrolle umfasst wird. Anders als die mündliche 5
6
7
-
5
-
Anweisung zur Eintragung einer Rechtsmittel-
oder Rechtsmittelbegründungs-frist
wies die Weisung keine besondere Schwierigkeit auf und bedurfte die Aus-führung der Weisung keiner besonderen Kontrolle.

b) Auch aufgrund der Vorlage des Anschreibens zur Rücksendung der Akten trafen den Prozessbevollmächtigten der Beklagten keine weiteren Über-prüfungspflichten.
[X.]) Zwar ist nach der Rechtsprechung
des [X.]s vom Rechtsanwalt re-gelmäßig zu überprüfen, ob die Rechtsmittel-
und Rechtsmittelbegründungsfrist korrekt eingetragen sind, wenn ihm die Akten im Zusammenhang mit einer frist-gebundenen Prozesshandlung vorgelegt werden
(vgl. [X.]sbeschlüsse
vom 1.
Dezember
2004 -
XII
ZB 164/03
-
FamRZ 2005, 435; vom 19.
Oktober
2011 -
XII
ZB 250/11
-
FamRZ 2012, 106
Rn.
9 und vom 2.
November 2011 -
XII
ZB 317/11
-
FamRZ 2012, 108
Rn.
11). Daran mangelte es
indessen im vorliegen-den Fall nicht, weil die Frist
zur Berufungsbegründung zutreffend eingetragen war.
bb) Die Fristen-
und Ausgangskontrolle darf ein Rechtsanwalt in [X.] seinen Büroangestellten übertragen (Musielak/Grandel ZPO
9.
Aufl. §
233 Rn.
22
mwN).
Der Rechtsanwalt genügt in diesem
Fall seinen Pflichten, indem er eine fachlich einwandfreie Kanzleiorganisation sicherstellt und seine mit der Fristen-
und Ausgangskontrolle betrauten Angestellten sorgfältig aus-sucht und etwa durch Stichproben kontrolliert. Wird er diesen Anforderungen gerecht, so ist es ihm nicht als eigenes Verschulden anzulasten, wenn seine Angestellten im Einzelfall
die Fristen-
oder die Ausgangskontrolle nicht oder nicht sorgfältig durchführen (vgl. [X.]sbeschluss vom 22.
April 2009 -
XII
ZB 167/08
-
NJW-RR 2009, 937 Rn.
15).

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9
10
-
6
-
Allerdings können besondere Umstände dem Rechtsanwalt Veranlas-sung dazu geben, die Einhaltung von Fristen und den Postausgang selbst zu kontrollieren, wenn ihm diesbezügliche Fehler seiner Angestellten offenbar werden
(vgl. [X.]sbeschluss vom 13.
November 2002 -
XII
ZB 104/01

NJW-RR 2003, 490
betreffend den Postausgang). Eine derartige besondere Überprü-fungspflicht
bleibt aber auf den Fall beschränkt, dass dem Rechtsanwalt ein Versäumnis seiner Angestellten offenbar wird. Zu einer allgemeinen Überwa-chung seiner Angestellten darauf, ob seine Anweisungen ausgeführt werden, ist der Rechtsanwalt dagegen nicht verpflichtet
(Musielak/Grandel ZPO
9.
Aufl. §
233 Rn.
22 mwN).
[X.]) Nach den aufgeführten Grundsätzen trifft den Prozessbevollmächtig-ten der Beklagten kein Verschulden an der Versäumung der Berufungsbegrün-dungsfrist.
Nach dem vom [X.] als glaubhaft gemacht zugrunde ge-legten Sachverhalt konnte der Prozessbevollmächtigte sich entgegen der Auf-fassung des [X.]s
auf die allgemeinen Kontrollmechanismen [X.], dass eine nicht unterschriebene und abgesandte Berufungsbegründung bei der Fristenüberwachung
aufgefallen
und die Löschung der Frist dann unter-blieben wäre. Aus der alleinigen Vorlage des Anschreibens betreffend die [X.] musste er nicht den Schluss ziehen, dass die [X.] nicht ausgefertigt und abgesendet worden war.
Vielmehr konnte er davon ausgehen, dass die Berufungsbegründung während seiner mehrstündi-gen Abwesenheit ausgefertigt und dabei von seinem Vertreter im [X.] worden war.
Auch wenn ihm eine isolierte Vorlage des [X.] möglicherweise Anlass für eine Rückfrage hätte geben können, war damit jedenfalls ein Fehler der Angestellten für den Prozessbevollmächtigten noch nicht offenbar.
Da sich die von ihm erteilte Weisung nach der Glaubhaftma-11
12
13
-
7
-
chung allgemein auf die Ausfertigung der [X.] bezog, hätte
sie im Übrigen auch in der Weise ausgeführt werden
können, dass [X.] seiner Abwesenheit sein Vertreter im Dezernat die Unterschrift
leistete.
Den Prozessbevollmächtigten traf auch keine weitere Pflicht zur Nachfor-schung, so dass ihm ein Verschulden an der Fristversäumung nicht vorzuwer-fen
ist. Vielmehr konnte er sich auf die allgemeine
Fristenüberwachung
verlas-sen, die das Versäumnis hätte aufzeigen
müssen. Dass seine Mitarbeiterin die Frist zu Unrecht als erledigt gestrichen hat, ist ihm nicht als Verschulden zuzu-rechnen.
-
8
-
c) Der angefochtene Beschluss ist demnach aufzuheben. Der [X.] kann hinsichtlich der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abschließend [X.], weil dazu keine weiteren Tatsachenfeststellungen erforderlich sind. Zur Entscheidung über die Berufung ist das Verfahren an das Oberlandesge-richt zurückzuverweisen.
Dose
Klinkhammer
Schilling

Günter
Botur

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 21.03.2011 -
1 O 2521/10 -

OLG [X.], Entscheidung vom 04.08.2011 -
13 U 47/11 -

14

Meta

XII ZB 528/11

12.09.2012

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 12.09.2012, Az. XII ZB 528/11 (REWIS RS 2012, 3241)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 3241

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XII ZB 528/11

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