Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. IV ZR 122/13

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 1754

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
IV ZR 122/13
vom

23. Oktober 2013

in dem Rechtsstreit

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2
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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die
Vorsitzen-de Richterin [X.], [X.], [X.], die Richterin
[X.] und den Richter
Dr. [X.]

am 23. Oktober 2013

beschlossen:

Auf die Beschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 20. Zivilsenats des [X.] vom 20.
Februar 2013 zugelassen.

Das vorbezeichnete Urteil wird gemäß §
544 Abs.
7 ZPO aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: 105.046,96

Gründe:

[X.] Die Klägerin macht
gegen den Beklagten Regressansprüche gel-tend, nachdem sie als Gebäudeversicherer Entschädigungsleistungen an dessen Realgläubiger erbracht hat. Der Beklagte unterhielt bei der Klä-gerin für das in seinem Eigentum stehende Grundstück L.

5b in M.

eine Gebäudeversicherung,
die unter anderem das Risiko Feuer erfasste. Dem Vertrag liegen die "Bedingungen für die Firmen [X.]
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mobilienversicherung" ([X.]) zugrunde. Am
2.
Februar
und 18.
Fe-bruar 2008 wurde das versicherte Gebäude, das seit Dezember 2006 leer stand, durch zwei vorsätzlich gelegte Brände beschädigt. Das [X.] wurde mangels Ermittlung eines Täters eingestellt. Die Klägerin erbrachte Entschädigungsleistungen an zwei Realgläubiger des Beklagten in Höhe von 5.456,37

Nachdem sich die Klägerin gegenüber dem Beklagten auf [X.] gemäß §
61 [X.] a.F. berufen hatte, nahm dieser sie [X.] in einem Verfahren auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vor dem [X.] in Anspruch
(7
O 102/09). Das [X.] wies den Antrag mit Beschluss vom 14.
Januar 2010 zurück, da aufgrund der feststehenden Umstände von einer Eigenbrandstiftung auszugehen sei. Die Beschwerde des Beklagten beim
Kammergericht
hatte keinen Erfolg.

Das [X.] hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 105.046,96

fünf
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.
Juli 2011 zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das [X.] unter Abänderung des Urteils des [X.]s die Klage abgewiesen.

I[X.] Auf die Nichtzulassungsbeschwerde ist die Revision zuzulas-sen, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit gemäß §
544 Abs.
7 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zu-lassung der Revision folgt aus einem entscheidungserheblichen Verstoß des Berufungsgerichts gegen den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör nach Art.
103 Abs.
1 GG.
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4
-

1. Das Berufungsgericht hat
eine Überraschungsentscheidung
ge-troffen, indem es ohne vorherigen Hinweis von einer Vernehmung des Zeugen S.

zur Behauptung der Klägerin abgesehen hat, das von diesem im Februar 2008 unterbreitete Kaufangebot über 550.000

das Grundstück sei nur vorgetäuscht gewesen.
Gerichtliche [X.] dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör (Senats-beschlüsse vom 5.
Dezember 2012
IV ZR 188/12, juris Rn.
7; vom 15.
März 2006
[X.], [X.], 225
Rn.
4). Diese in Art.
103 Abs.
1 GG normierte Gewährleistung stellt eine
Ausprägung des Rechts-staatsgedankens für das gerichtliche Verfahren dar. Hieraus folgt insbe-sondere, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der [X.] nicht folgen will und aufgrund seiner abweichenden Ansicht eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich hält (Senatsbeschluss vom 15.
März 2006 aaO; [X.], Beschluss vom 10.
Juli 2012
[X.], NJW 2012, 3035 Rn.
6-8).

Hier hatte das [X.] der Klage stattgegeben, weil es von [X.] Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß §
61 [X.] a.F. wegen Eigen-brandstiftung des Beklagten ausgegangen war. Der Beklagte hat sich in seiner Berufungsbegründung ausschließlich darauf gestützt, das [X.] hätte nicht von einer Vernehmung des Zeugen S.

zum Beweis seiner Behauptung absehen dürfen, dieser habe dem Beklagten ein [X.] für das Grundstück zu einem Preis von 550.000

mit diesem Vorbringen hat sich die Klägerin sodann in ihrer Berufungs-erwiderung befasst. Das Berufungsgericht hat mit Verfügung vom 31.
Ok-tober 2012 den Zeugen S.

gemäß §
273 ZPO zu dem voraussichtli-5
6
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chen Beweisthema "Kaufangebot für das Mehrfamilienhaus L.

5b in M.

im Februar 2008" geladen. Im Termin ist der Zeuge nicht erschienen, hat allerdings mitgeteilt, er sei erkrankt und nach s[X.] Genesung bereit, in dem Rechtsstreit auszusagen. In der mündlichen Verhandlung am 23.
Januar 2013 hat das Berufungsgericht weder darauf hingewiesen, dass es eine Vernehmung des Zeugen S.

für nicht mehr erforderlich hält, noch mitgeteilt, dass es anders als das [X.] sowie die Gerichte im Vorprozess die von der Klägerin vorgetrage-nen Indiztatsachen für eine Eigenbrandstiftung für nicht ausreichend
hält.

Das Berufungsgericht hat auf dieser Grundlage den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt, indem es
trotz Beweisangebots der Klägerin den
Zeugen S.

nicht zu
deren
Behauptung vernommen hat, das gegenüber dem Beklagten abgegebene Kaufangebot sei nur vorgetäuscht gewesen
(Schriftsatz im Verfahren [X.], S.
4, i.V.m.
Protokoll vom 12.
Januar 2012, [X.]). Die Auffassung des Berufungsgerichts, es sei nicht auszuschließen, dass ein Kaufangebot nur vorgetäuscht wurde, um einen unberechtigten Verdacht von [X.] nicht aufkommen zu lassen, beruht auf bloßen Spekulationen und wird nicht durch entsprechenden Tatsachenvortrag
der Parteien oder sonstige Umstände gestützt. Hinzu kommt, dass im Falle einer Vortäu-schung des Kaufangebots durch den Beklagten eine Leistungsfreiheit der Klägerin gemäß §
24 Nr.
1 [X.] in Betracht kommt. Hiernach ist der Versicherer von der Entschädigungspflicht frei, wenn der Versicherungs-nehmer versucht, den Versicherer arglistig über Tatsachen zu täuschen, die für den Grund oder für die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind. Für eine derartige arglistige Täuschung ist eine [X.] des Versicherungsnehmers nicht erforderlich. Es genügt das [X.]
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streben, Schwierigkeiten bei der Durchsetzung auch berechtigter [X.] zu beseitigen. [X.] handelt der Versicherungs-nehmer bereits dann, wenn er sich bewusst ist, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadenregulierung möglicherweise beeinflussen kann (Senatsurteil vom 2.
Oktober 1985
[X.], [X.], 77 unter [X.]; [X.] VersR 2012, 1514, 1515 unter 1 c; [X.] in [X.]/[X.], [X.] 28.
Aufl. §
28 Rn.
117). Im Falle arglistigen Handelns des Beklagten kommt mithin eine Leistungsfreiheit der Klägerin selbst dann in Betracht, wenn das Kaufangebot nur vorgetäuscht wurde, um ei-nen unberechtigten Verdacht gegenüber dem Beklagten nicht aufkom-men zu lassen.

2. Das Berufungsgericht wird nach Aufhebung und [X.] die Frage, ob der Beklagte den Versicherungsfall gemäß § 61 [X.] a.F. herbeigeführt hat, neu zu prüfen haben.

a) Insbesondere wird es zu berücksichtigen haben, dass die Kläge-rin den Zeugen Sch.

zum Fehlen der Installationsrohre und zu den Wahrnehmungen des Beklagten hierzu benannt hat. Zu Recht weist die Nichtzulassungsbeschwerde darauf hin, der diesbezügliche Vortrag der Klägerin sei bei lebensnaher Betrachtung so zu verstehen, dass der [X.] bei der Besichtigung im Januar
2008 das Fehlen von [X.] bemerkt hat. Jedenfalls nach dieser Klarstellung wird das [X.] den angetretenen Beweis zu erheben haben.

b) Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht bislang auch davon abgesehen, zu klären, wer für das Scheitern der Verkaufsverhandlungen zwischen dem Beklagten und der

verantwortlich war. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts hatte die Klägerin Vortrag zum Zu-8
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stand bzw. Wert des Gebäudes und dem diesbezüglichen Kenntnisstand des Beklagten gehalten und
diesen unter Beweis durch Vernehmung der Zeugen H.

und Sch.

sowie durch Einholung eines Sachverstän-digengutachtens gestellt. Auf den betreffenden Vortrag hat die [X.] zutreffend hingewiesen.

[X.] [X.] [X.]

[X.] Dr.
[X.]
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.02.2012 -
115 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 20.02.2013 -
I-20 [X.] -

Meta

IV ZR 122/13

23.10.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2013, Az. IV ZR 122/13 (REWIS RS 2013, 1754)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 1754

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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