Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2014, Az. XI ZB 12/13

XI. Zivilsenat | REWIS RS 2014, 7831

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
XI [X.]

vom

18. Februar 2014

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
ZPO § 233 Fc
Ein Rechtsanwalt wird von der Verpflichtung, die Berufungsbegründungsfrist bei Vorlage der Akten zwecks Erstellung der [X.] zu prü-fen, nicht dadurch befreit, dass er zuvor die von seiner Büroangestellten (falsch) berechnete Frist ungeprüft in die Handakte übertragen hat.
[X.], Beschluss vom 18. Februar 2014 -
XI [X.] -
O[X.]

[X.]

-
2
-
Der XI.
Zivilsenat des [X.] hat
am 18.
Februar 2014
durch den Vorsitzenden Richter [X.],
die Richter Dr.
Joeres, Dr.
Ellenberger
und
Dr.
Matthias
sowie die Richterin Dr.
Menges

beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den Beschluss des 9.
Zivilsenats des Oberlandesgerichts [X.] vom 12.
August 2013 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
Der Gegenstandswert beträgt 34.342,19

Gründe:
I.
Der Kläger nimmt die beklagte Sparkasse wegen fehlerhafter Anlagebe-ratung auf Schadensersatz in Anspruch. Das die Klage abweisende Urteil des [X.] ist dem Prozessbevollmächtigten des [X.] am 25.
April 2013 zugestellt worden. Dieser hat am 21.
Mai 2013 Berufung eingelegt und sie am 27.
Juni 2013 begründet. Nach einem gerichtlichen Hinweis auf die Versäu-mung der Berufungsbegründungsfrist hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] am 9.
Juli 2013 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur [X.] hat er ausgeführt, die Berufungsbegründungsfrist sei von einer seit September 2009 in seiner Kanzlei tätigen, stets zuverlässigen
und vielfach überprüften Rechtsanwaltsfachangestellten fehlerhaft berechnet und in den [X.] eingetragen worden. Der sachbearbeitende Prozessbevoll-mächtigte habe die Frist in eine Fristenliste in der Handakte eingetragen. Dieser habe die Akte dann im Rahmen der Vorfristnotierung zwei Wochen vor dem 1
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fehlerhaft errechneten Fristablauf, also 12
Tage vor dem tatsächlichen Fristab-lauf, zur Bearbeitung
wieder
vorliegen gehabt. Er habe die Berufungsbegrün-dungsschrift am 21.
Juni 2013 diktiert und am 25.
Juni 2013 korrigiert. Am 27.
Juni 2013 sei die [X.] wegen Abwesenheit des sachbearbeitenden Prozessbevollmächtigten von einer anderen Rechtsanwältin der Kanzlei unterzeichnet und abgesandt worden.
Das Berufungsgericht hat durch
den angefochtenen Beschluss den
Wie-dereinsetzungsantrag des [X.] zurückgewiesen und die Berufung als unzu-lässig verworfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Versäumung der Beru-fungsbegründungsfrist sei auf ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten des [X.] zurückzuführen, das gemäß §
85 Abs.
2 ZPO einem Verschulden des [X.] gleichstehe. Es
liege ein Organisationsverschulden des Prozess-bevollmächtigten vor, weil bei sachgerechter Organisation der Fristenkontrolle die fehlerhafte Berechnung der Berufungsbegründungsfrist in dem Fristenka-lender aus der Handakte ersichtlich gewesen und bei der im Zusammenhang mit der Fertigung der Berufungsschrift gebotenen Prüfung offenbar geworden wäre. Auch obliege einem Rechtsanwalt die Pflicht zur eigenverantwortlichen Prüfung, ob das von seiner Kanzleikraft notierte Fristende richtig ermittelt und eingetragen worden sei, wenn ihm die Akten, wie hier auf Vorfrist, zur Bearbei-tung vorgelegt würden. Hierauf könne auch dann nicht verzichtet werden, wenn der Prozessbevollmächtigte die von der Bürokraft errechneten Fristen ungeprüft in die Handakte übernehme.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des [X.].

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II.
1. Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (§
574 Abs.
1
Satz
1
Nr.
1 ZPO i.V.m. §
522 Abs.
1 Satz
4, §
238 Abs.
2 Satz
1 ZPO), aber unzulässig. Die
Voraussetzungen des §
574 Abs.
2 ZPO, die auch bei einer Rechtsbeschwerde gegen einen die Berufung als unzulässig verwerfenden Beschluss gewahrt sein müssen (vgl. Senatsbeschluss vom 9.
November 2004

XI
ZB 6/04, [X.]Z 161, 86, 87 mwN),
sind nicht erfüllt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwer-de ist
eine Entscheidung des [X.] weder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung noch zur Fortbildung des Rechts (§
574 Abs.
2 Nr.
2 ZPO) erforderlich. Die Entscheidung des Berufungsgerichts steht vielmehr im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung und verletzt nicht den Anspruch des [X.] auf Gewährung rechtlichen Gehörs oder wir-kungsvollen Rechtsschutzes (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip; vgl. [X.] 77, 275, 284; [X.], NJW 2003, 281). Da die durch den
Fall aufgeworfenen Rechtsfragen in der Rechtsprechung des [X.] bereits geklärt sind, bedarf es, anders als die Rechtsbeschwerde meint, auch keiner richtungsweisenden Orientierungshilfe.
2. Zu Recht hat das Berufungsgericht dem Kläger die begehrte Wieder-einsetzung in den vorigen Stand versagt. Der Kläger hat die Begründungsfrist nicht unverschuldet versäumt (§
233 ZPO). Seinen Prozessbevollmächtigten trifft an der Fristversäumnis ein Verschulden, das der Kläger sich nach §
85 Abs.
2 ZPO zurechnen lassen muss.
a) Zunächst hat zwar eine Büroangestellte des Prozessbevollmächtigten des [X.] die Berufungsbegründungsfrist fehlerhaft berechnet und im Fris-tenkalender eingetragen. Ob der Prozessbevollmächtigte bereits in diesem Zu-4
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sammenhang oder bei der Übertragung der Frist in die Handakte eine Sorg-faltspflicht verletzt hat, bedarf keiner Entscheidung.
b) Nach ständiger Rechtsprechung des [X.] (vgl. nur Be-schlüsse vom 2.
November 2011
XII
ZB 317/11, [X.] 2012, 293 Rn.
11,
vom 31.
Mai 2012
V
ZB 27/12, [X.]R 2012, 1204 Rn.
7
und vom 23.
Januar 2013
XII
ZB 167/11, [X.] 2013, 1010 Rn.
11, jeweils mwN) hat ein Rechtsanwalt den Ablauf von Rechtsmittelbegründungsfristen jedenfalls immer dann eigenverantwortlich zu prüfen, wenn ihm die Akte im Zusammenhang mit einer fristgebundenen [X.], insbesondere zu deren Bearbeitung, vorgelegt wird. In diesem Fall obliegt es dem Prozessbevollmächtigten, sich dieser Akte mit besonderer Sorgfalt anzunehmen und sich erforderlichenfalls durch Einsicht in die Akte selbst Gewissheit über den Ablauf der Frist zu [X.] ([X.], NJW 2002, 3014, 3015).
Diese Pflicht hat der Prozessbevollmächtigte des [X.] verletzt. Nach seinen Ausführungen zur Begründung des [X.] ist ihm die Akte 12
Tage vor Fristablauf zur Bearbeitung vorgelegt und von ihm als [X.] wahrgenommen worden. Hätte er die Berufungsbegründungsfrist jetzt pflichtgemäß geprüft und den Fehler seiner Büroangestellten bemerkt, [X.] die Berufungsbegründungsfrist ohne weiteres gewahrt werden können.
c) Eine andere Beurteilung ist entgegen der Auffassung der Rechtsbe-schwerde nicht deshalb gerechtfertigt, weil nicht die Büroangestellte, sondern der Prozessbevollmächtigte des [X.] selbst die Frist ungeprüft in die Hand-akte übertragen hat. Die Pflicht eines Prozessbevollmächtigten, den Fristablauf bei der Vorbereitung einer fristgebundenen [X.] selbständig zu prüfen, beruht darauf, dass die sorgfältige Vorbereitung der [X.] stets auch die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit 7
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einschließt. Selbst wenn ein Prozessbevollmächtigter die von seiner [X.] in den [X.] eingetragene Frist überprüft, obwohl dies von der Aufgabenstellung her nicht erforderlich wäre, befreit ihn dies nicht davon, im Rahmen seiner Vorbereitung einer [X.] die Einhaltung der für [X.] vorgeschriebenen Frist nochmals zu überprüfen ([X.], Beschluss vom 17.
März 2004
[X.], [X.]R 2004, 1150). Die Pflicht
des Prozessbe-vollmächtigten zur eigenverantwortlichen Überprüfung der Frist
besteht erst recht, wenn der Prozessbevollmächtigte, wie hier, die Frist nicht überprüft, son-dern ungeprüft in die Handakte übertragen hat.

-
7
-
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf §
97 Abs.
1 ZPO.

[X.]

Joeres

Ellenberger

Matthias

Menges

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 23.04.2013 -
8 O 567/12 -

O[X.], Entscheidung vom 12.08.2013 -
9 [X.] -

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Meta

XI ZB 12/13

18.02.2014

Bundesgerichtshof XI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 18.02.2014, Az. XI ZB 12/13 (REWIS RS 2014, 7831)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2014, 7831

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XI ZB 12/13

9 U 103/13

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