Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2013, Az. VI ZB 52/12

VI. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 9201

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
VI ZB
52/12

vom

8. Januar
2013

in dem Rechtsstreit

-
2
-

Der VI.
Zivilsenat des [X.] hat am
8.
Januar
2013
durch den Vorsitzenden [X.], [X.], die Richterin [X.], [X.] und die Richterin von Pentz
beschlossen:
Die Rechtsbeschwerde des [X.] gegen den
Beschluss des 7.
Zivilsenats des [X.] vom 9.
August 2012 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
[X.]: 17.825,17

Gründe:
I.
Der Kläger verlangt von den
[X.] Schadensersatz für die
Folgen von Verletzungen, die er sich am 13.
Dezember 2010 bei einem Sturz auf dem Betriebsgelände der [X.] zugezogen hat. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Gegen das am 10.
Mai 2012 dem Prozessbevollmächtigten des [X.] zugestellte Urteil hat dieser am 11.
Juni 2012, einem Montag, Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründung ist
per Fax am 11.
Juli 2012
beim [X.] eingegangen. Nach gerichtlichem Hinweis vom 25.
Juli 2012, dass die Berufung nicht rechtzeitig begründet worden sei, hat der Prozessbe-vollmächtigte des [X.]
mit Schriftsatz vom 1.
August 2012, eingegangen beim Berufungsgericht am 6.
August 2012, Wiedereinsetzung in den vorigen
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Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt. Zur Begründung des [X.] hat er vorgetragen, die [X.] Büroangestellte [X.], die alleinverantwortlich mit der Posteingangsbearbeitung, Fristeneintragung und Fristenkontrolle beauftragt sei,
habe das Ende der
Frist zur Einlegung der Berufung,
da der 10.
Juni 2012 ein Sonntag gewesen sei, zutreffend auf den 11.
Juni 2012 in den
Kanzleikalender
und
in die Handakte mit der entsprechenden [X.] eingetragen. In gleicher Weise habe
Frau [X.] das Ende der Berufungsbegründungsfrist auf den 11.
Juli 2012 und nicht, wie es richtig gewesen wäre, auf den 10.
Juli 2012 mit entsprechender [X.]. Der
die Sache bearbeitende Rechtsanwalt habe unmittelbar nach [X.] der
Berufung an dem Wochenende vom 15. bis 17. Juni 2012 die Sache bearbeitet. Dabei
sei ihm der
Fehler
in der
Berechnung der Berufungsbegrün-dungsfrist aufgefallen. In der Handakte habe er selbst das
falsch
notierte
Ende der Frist korrigiert. Die [X.] habe er zur weiteren [X.] durch das Büropersonal im Kanzleicomputer abgespeichert. Noch am Sonntag, dem 17.
Juni 2012, habe er auf den Bürostuhl von Frau [X.] zusammen mit der Akte eine Handlungsanweisung gelegt, so dass Frau [X.] am folgenden Montag, dem 18. Juni 2012,
beides
vorgefunden habe. Er habe Frau [X.] schrift-lich auf ihren Fehler hingewiesen und verfügt, die Frist für die [X.] sofort auf den 10.
Juli 2012 einzutragen und die für den 11.
Juli 2012 eingetragene (falsche) Frist anschließend zu streichen. Auch habe er Frau [X.] angewiesen, die [X.] zu streichen,
die im [X.] ge-speicherte Berufungsbegründung bei Gelegenheit auszufertigen und ihm zur Unterschrift vorzulegen. Des Weiteren sollte
Frau [X.] wegen dieser Sache mit ihm Rücksprache halten. Frau [X.] habe sich am Morgen des 18.
Juni 2012 bei ihm telefonisch wegen der Fehlberechnung
der Frist
entschuldigt. Auf der Handlungsanweisung
zur Berichtigung des Endes der Frist
habe sie "erl. 18.06.2012" vermerkt und diese dem Rechtsanwalt vorgelegt. Tatsächlich habe -
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-

Frau [X.] lediglich die [X.] gestrichen. Die Berufungsbegründungsfrist habe sie nicht im [X.] korrigiert.
Deshalb sei dem Prozessbevollmächtig-ten des [X.] die ausgefertigte [X.] erst am 11.
Juli 2012 zur Unterschrift vorgelegt und nach Unterzeichnung an das Oberlandes-gericht weitergeleitet
worden.
Die Berufungsbegründungsfrist sei ihm zu diesem [X.]punkt nicht mehr gegenwärtig gewesen. Diesen Vortrag haben der Pro-zessbevollmächtigte des [X.] und die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.] durch eidesstattliche Versicherung glaubhaft gemacht.
Das Berufungsgericht hat durch Beschluss vom 9. August 2012 den [X.] auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zurückgewiesen und die Beru-fung des [X.] als unzulässig verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbe-schwerde des [X.].

II.
Die gemäß §
574 Abs.
1 Satz 1 Nr.
1, §
522 Abs.
1 Satz 4, §
238 Abs.
2 Satz 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist nicht zulässig.

1. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde erfordert die Siche-rung einer einheitlichen Rechtsprechung keine Entscheidung des [X.]. Der angefochtene Beschluss verletzt den Kläger nicht in sei-nem verfahrensrechtlich gewährleisteten Anspruch auf wirkungsvollen Rechts-schutz (Art.
2 Abs.
1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer [X.] die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von [X.] an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden und den [X.]en den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz 2
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-

in unzumutbarer, aus [X.] nicht mehr zu rechtfertigender Weise er-schweren (vgl. Senatsbeschluss vom 26. Juni 2012 -
VI
ZB 12/12, [X.], 1412 Rn.
5 mwN). Davon ist im Streitfall jedoch nicht auszugehen.
2. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde hat das Berufungs-gericht dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen [X.] der Berufungsfrist mit Recht versagt.
a) Das Berufungsgericht hat die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt, der Kläger sei nicht ohne [X.] gehindert gewesen, die Berufungsbegründungsfrist einzuhalten. Die Fristversäumung beruhe auf einem Sorgfaltsverstoß seines [X.], dessen Verschulden sich der Kläger gemäß §
85 Abs.
2 ZPO zu-rechnen lassen müsse. Zwar rechtfertige die unterlassene oder fehlerhafte Ein-tragung einer von dem Rechtsanwalt berechneten und der Büroangestellten mitgeteilten Frist die Wiedereinsetzung, wenn ein Erledigungsvermerk in der Handakte bzw. auf der schriftlichen Arbeitsanweisung von der zuständigen Bü-rokraft angebracht worden sei
und der Rechtsanwalt die Anbringung des Erle-digungsvermerks -
wie hier geschehen
-
kontrolliert habe; zur Kontrolle des [X.] selbst sei
der Rechtsanwalt nicht verpflichtet. Der Prozessbe-vollmächtigte des [X.] habe die Fristversäumnis jedoch dadurch schuldhaft mitverursacht, dass er an
Frau [X.] eine zur Wahrung der Berufungsbegrün-dungsfrist unzureichende schriftliche Arbeitsanweisung erteilt habe, indem er darin -
abweichend von der grundsätzlich in seiner Kanzlei geltenden Anord-nung, eine [X.] zu notieren
-
die Streichung der [X.] angeordnet und nur die Vorlage zur Unterschrift der Ausfertigung der von ihm abgespeicherten Be-rufungsbegründung "bei Gelegenheit" verfügt habe, ohne hierfür einen
konkre-ten
vor dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist liegenden Termin
festzuset-zen. Der Prozessbevollmächtigte habe sich vollständig der durch die [X.] 5
6
-
6
-

vorgesehenen Möglichkeit begeben, für eine rechtzeitige Ausfertigung, Unter-zeichnung und Absendung der [X.] zu sorgen und die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist sicherzustellen. Hätte der Prozess-bevollmächtigte entweder die Streichung der notierten [X.] nicht angeordnet oder für die Vorlage der Ausfertigung der abgespeicherten Berufungsbegrün-dung ein konkretes, vor dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist liegendes Datum verfügt, wäre ihm entweder die Handakte oder die Ausfertigung der Be-rufungsbegründung zur Unterschrift rechtzeitig vor Fristablauf vorgelegt und die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist trotz fehlerhaft notierten Termins im [X.] vermieden worden. Gerade weil die Büroangestellte [X.] be-reits bei Eingang des angefochtenen Urteils die [X.] notiert und sich dadurch in dieser Angelegenheit im Vorfeld nicht als zu-verlässig erwiesen habe, hätte der Prozessbevollmächtigte des [X.] als wei-tere Vorkehrung zur Sicherstellung der [X.] auch im Hinblick auf die angeordnete Streichung der [X.] ein konkretes, vor dem Ablauf
der [X.]sfrist liegendes Datum zur Vorlage der
ausgefertigten [X.] verfügen müssen, anstatt den [X.]punkt dafür durch die un-klare Formulierung "bei Gelegenheit" der Büroangestellten zu überlassen.
b) Dagegen wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne
Erfolg.
Das Berufungsgericht ist in Übereinstimmung mit der
Rechtsprechung des [X.] zutreffend davon ausgegangen, dass es für den Aus-schluss des einer [X.] zuzurechnenden Verschuldens ihres Anwalts (§
85 Abs.
2, §
233 ZPO) an der Fristversäumung auf allgemeine organisatorische
Vorkehrungen bzw. Anweisungen für die Fristwahrung in einer Anwaltskanzlei dann nicht mehr ankommt, wenn der Rechtsanwalt einer Kanzleiangestellten, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung erteilt, die bei Befolgung die
Fristwahrung gewährleistet hätte (ständige Recht-7
8
-
7
-

sprechung,
so Senatsbeschluss vom 15.
April 2008 -
VI
ZB 29/07, juris Rn.
7; [X.], Beschlüsse vom 26.
September 1995 -
XI
ZB 13/95, [X.], 348; vom 18.
März 1998 -
XII
ZB 180/96, NJW-RR 1998, 1360
f.; vom 6.
Juli 2000 -
VII
ZB 4/00, [X.], 2823; vom 2.
Juli 2001 -
II
ZB 28/00, NJW-RR 2002, 60; vom 1.
Juli 2002 -
II
ZB 11/01, [X.], 389, 390 sowie vom 9.
Dezember 2009 -
XII
ZB 154/09, [X.], 89 Rn.
16). Ein Rechtsanwalt darf grundsätzlich darauf vertrauen, dass eine Büroangestellte, die sich bisher als zuverlässig erwiesen hat, eine konkrete Einzelanweisung befolgt.
Er ist [X.] im Allgemeinen nicht einmal verpflichtet, sich anschließend über die Aus-führung seiner Weisung zu vergewissern (vgl. Senatsurteil vom 6.
Oktober 1987 -
VI
ZR 43/87, [X.], 185, 186; Senatsbeschlüsse vom 11.
Februar 2003 -
VI
ZB 38/02, [X.], 1462 und vom 9.
Dezember 2003 -
VI
ZB 26/03, [X.], 138).

Die Rechtsbeschwerde weist auch
mit Recht
darauf hin,
dass sich
die Sorgfaltspflichten des Prozessbevollmächtigten nicht
deshalb verschärft haben,
weil sich
die Rechtsanwaltsfachangestellte [X.] als nicht zuverlässig erwiesen hätte. Hatten sich bis zum vorliegenden Versäumnis Beanstandungen gegen Frau [X.] nicht
ergeben, fehlten
zureichende
Anhaltspunkte für den Prozessbe-vollmächtigten des [X.]
dafür,
dass Frau [X.] die ausdrücklich erteilte [X.] nicht ausführen, trotzdem aber deren Befolgung mit einem Erledi-gungsvermerk bestätigen würde.
Auch trifft
zu, dass [X.]en zu notieren sind, um die fristgerechte Bearbeitung der Rechtsmittelbegründung sicherzustellen und für den Fall von Unregelmäßigkeiten und Zwischenfällen noch genügend [X.] zur Überprüfung und Bearbeitung bis zum Ablauf der zu wahrenden
Frist zu gewährleisten (vgl. Senat, Beschluss vom 12. April 1988 -
VI
ZB 5/88, [X.], 941; [X.], Beschlüsse vom 6.
Juli 1994 -
VIII
ZB 26/94, [X.], 1325 und vom 25. September 2003 -
V
ZB 17/03, [X.], 100 mwN). Da der Prozessbevollmächtigte
des [X.] die Arbeitsschritte und Kontrollen, die 9
-
8
-

durch die Notierung einer [X.] gewährleistet werden sollen, bereits bei der am Wochenende vom 15. bis 17.
Juni 2012 erfolgten Bearbeitung vollzogen hatte, durfte er
zwar
grundsätzlich die Löschung der eingetragenen [X.] ver-fügen.
Doch hat das Berufungsgericht dem Kläger als individuellen Sorgfalts-verstoß seines Prozessbevollmächtigten mit Recht
zugerechnet, dass dieser in der Handlungsanweisung vom 17.
Juni 2012 die Vorlage der Berufungsbegrün-dungsschrift der Rechtsanwaltsfachangestellten [X.]
"bei Gelegenheit"
überließ. Dadurch war
nicht hinreichend sichergestellt, dass die Sache so rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist vorgelegt würde, dass
etwaige bei der gebotenen Überprüfung aufscheinende Fehler
beseitigt
werden konnten.
Den Rechtsanwalt trifft aber
eine Eigenverantwortung für die Richtigkeit und die Ein-haltung der von ihm bereits zu einem früheren [X.]punkt berechneten Frist. [X.] Pflicht beruht darauf, dass die sorgfältige Vorbereitung der [X.] stets die Prüfung aller gesetzlichen Anforderungen an ihre Zulässigkeit [X.] (vgl. [X.], Beschluss vom 17. März 2004 -
IV
ZB 41/03, [X.], 96). Die Aufgabe ist von der Fristberechnung und Fristenkontrolle zu unter-scheiden, die lediglich der rechtzeitigen Vorlage der Akten zum Zweck ihrer [X.] durch den Rechtsanwalt dienen. Nur insoweit kann sich der Rechts-anwalt von der routinemäßigen Fristenüberwachung entlasten ([X.], Beschluss vom 17. März 2004 -
IV
ZB 41/03,
aaO).
Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde bedurfte
es unter den gegebenen Umständen
nach der Löschung der [X.]
neben der angeordne-ten Berichtigung der Eintragung im [X.]
der Anordnung einer zeitlich bestimmten Vorlage
für die Ausfertigung der Berufungsbegründung, die dem Prozessbevollmächtigten die gebotene Prüfung ermöglicht
hätte. Das [X.] hat sich im vorliegenden Fall ausgewirkt, denn die Fristversäumnis wäre jedenfalls vermieden worden, hätte der Prozessbevollmächtigte die [X.]
-
9
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ge unter Berücksichtigung der in den Handakten notierten Frist [X.] selbst bestimmt.

Galke
Zoll
[X.]

Pauge
von Pentz

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.05.2012 -
16 O 376/11 -

O[X.], Entscheidung vom 09.08.2012 -
7 [X.] -

Meta

VI ZB 52/12

08.01.2013

Bundesgerichtshof VI. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.01.2013, Az. VI ZB 52/12 (REWIS RS 2013, 9201)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 9201

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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