Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.02.2016, Az. 5 C 12/15

5. Senat | REWIS RS 2016, 16604

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Gegenstand

Abgrenzung der Wahrnehmungszuständigkeiten von Vertretungskörperschaft und Jugendhilfeausschuss einer Gebietskörperschaft


Leitsatz

Das Beschlussrecht des Jugendhilfeausschusses aus § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII (juris: SGB 8) schließt Einzelfallentscheidungen der politischen Vertretungskörperschaft in Angelegenheiten der Jugendhilfe nicht aus, solange sie im konkreten Fall das Beschlussrecht des Jugendhilfeausschusses nicht substantiell aushöhlen.

Tatbestand

1

Der klagende Jugendhilfeausschuss begehrt die Feststellung, durch zwei Beschlüsse des beklagten Stadtrates in seinen organschaftlichen Rechten verletzt worden zu sein.

2

In seiner Sitzung am 14. April 2011 beschloss der Beklagte, den Kläger anzuweisen, die von diesem beabsichtigte Förderung eines Trägers der freien Jugendhilfe allenfalls unter dem Vorbehalt des Widerrufs zu bewilligen. Der Widerrufsvorbehalt sollte an das Ergebnis laufender staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen im Zusammenhang mit extremistischen Gewalttaten gegen die Polizei anknüpfen. Die Förderung sei zu widerrufen, falls der betreffende Träger materiell oder personell an strafrechtlich relevanten Aktivitäten im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt gewesen sei. Der Kläger stimmte in seiner Sitzung am 21. April 2011 der Fördervorlage zu, ohne in Bezug auf den betreffenden Träger einen Widerrufsvorbehalt vorzusehen. Daraufhin widersprach die Oberbürgermeisterin mit an die Mitglieder des [X.] gerichteten Schreiben vom 28. und 29. April 2011 der vorbehaltlosen Bewilligung von Fördergeldern an den Träger. Diese verstoße wegen des Unterbleibens der Aufnahme eines [X.] des Beklagten vom 14. April 2011. Es entspreche dessen Auffassung, dass eine Förderung des betreffenden Trägers "allenfalls unter einem speziellen Widerrufsvorbehalt zu gewähren" sei, wonach die Förderung "ausdrücklich (auch) dann zu widerrufen sein soll[e], wenn 'der Verein materiell oder personell an strafrechtlich relevanten Aktivitäten im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt gewesen wäre'". Der Beklagte dürfe jederzeit Angelegenheiten des [X.] an sich ziehen. Sie werde jenem in seiner Sitzung am 12. Mai 2011 eine Vorlage zur Änderung des Beschlusses des [X.] mit dem Ziel einer Ergänzung um den von ihm geforderten Widerrufsvorbehalt zur Entscheidung vorlegen. In seiner Sitzung vom 12. Mai 2011 zog der Beklagte die Angelegenheit an sich. Er beschloss, den Beschluss des [X.] wie folgt zu ergänzen: "Die Förderung des Vereins ... steht unter Widerrufsvorbehalt. Hinsichtlich dieses Vereins liegt ein [X.] insbesondere auch dann vor, wenn die laufenden Ermittlungen der Staatsanwaltschaft ... im Zusammenhang mit den extremistischen Gewalttaten gegen die Polizei ... eine materielle oder personelle Beteiligung des Vereins an strafrechtlich relevanten Aktivitäten ergeben."

3

Der Kläger sieht sich durch die Beschlüsse des Beklagten in seinen organschaftlichen Rechten verletzt. Seine Klage hat das Verwaltungsgericht abgewiesen. Auf seine Berufung hin hat das Oberverwaltungsgericht das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, dass der Beklagte das Anhörungsrecht des [X.] aus § 71 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 [X.] dadurch verletzt habe, dass er diesem mit Beschluss vom 14. April 2011 eine Weisung erteilt habe. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

4

Zur Begründung seiner Revision führt der Kläger aus, er sei durch die mit Beschluss des Beklagten vom 14. April 2011 erteilte Weisung in seinem Beschlussrecht aus § 71 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII 2011 verletzt worden. Dieses sei [X.]. Die [X.] habe die dreigliedrige Aufgaben- und Kompetenzverteilung im Jugendhilferecht zu beachten. Danach obliege dem Jugendhilfeausschuss die Entscheidung, welche Träger der freien Jugendhilfe in welchem Umfang gefördert würden. Die Anerkennung eines Weisungsrechts des Beklagten widerspreche dem Gebot der partnerschaftlichen und vertrauensvollen Zusammenarbeit der mit der Jugendarbeit beauftragten Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dieses schließe es aus, dass ein Kollegialorgan einem anderen Kollegialorgan im Einzelfall Weisungen erteile. Die am 12. Mai 2011 beschlossene Vorgabe eines [X.] verletze ihn sowohl in seinem Anhörungsrecht als auch in seinem Beschlussrecht. Der Grundsatz der [X.] hätte es geboten, ihm im Vorfeld der Entscheidung die Abhaltung einer außerordentlichen Sitzung zu ermöglichen. Zudem hätte ihm der genaue Inhalt der beabsichtigten Beschlussfassung mitgeteilt werden müssen, zumal der Widerrufsvorbehalt gegenüber der Beschlussvorlage durch die Einfügung des Wortes "insbesondere" deutlich erweitert worden sei. Dem Beklagten habe überdies die erforderliche Beschlusskompetenz gefehlt. Diese sei auf das Recht zum [X.] und zur Mittelbereitstellung sowie auf bestimmte Grundsatz- und Strukturentscheidungen beschränkt. Bei der Aufnahme eines [X.] in einen Fördermittelbescheid handele es sich hingegen um ein Geschäft der laufenden Verwaltung.

5

Der Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision hat keinen Erfolg. Das angefochtene Urteil des [X.] steht mit Bundesrecht im Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Die [X.]lage ist zulässig (1.), jedoch, soweit sie noch Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, unbegründet (2.).

7

Das [X.] ist als Feststellungsklage im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO zulässig. Insbesondere erweist sich die [X.]lage nicht etwa deshalb als unzulässig, weil der [X.]läger die geltend gemachten Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können (§ 43 Abs. 2 VwGO). Wo eine Umgehung der für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren nicht droht, steht § 43 Abs. 2 VwGO der Feststellungsklage ebenso wenig entgegen wie in Fällen, in denen diese den effektiveren Rechtsschutz bietet (stRspr, vgl. z.B. [X.], Urteile vom 29. April 1997 - 1 [X.] 2.95 - [X.] 310 § 43 VwGO Nr. 127 S. 5 <9>, vom 16. Mai 2007 - 6 [X.] 23.06 - [X.]E 129, 42 Rn. 13 und vom 26. März 2015 - 7 [X.] 17.12 - NVwZ 2015, 1215 Rn. 17, jeweils m.w.N.). So liegt es hier. Die für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen geltenden Bestimmungen über Fristen und Vorverfahren werden nicht umgangen, weil der [X.]läger solche [X.]lagen gegen die streitigen Beschlüsse, die keine Verwaltungsakte darstellen, zulässigerweise nicht hätte erheben können. Es kann dahinstehen, ob ihm insoweit die allgemeine Leistungsklage zur Verfügung stand. Auch in diesem Fall würden durch die hier erhobene Feststellungsklage die in Rede stehenden Bestimmungen für Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen nicht umgangen (vgl. [X.], Urteil vom 27. Oktober 1970 - 6 [X.] 8.69 - [X.]E 36, 179 <182>). Gegenüber einer etwa zulässigen allgemeinen Leistungsklage erweist sich die Feststellungsklage auch als rechtsschutzintensiver. Dies folgt schon daraus, dass bei einer allgemeinen Leistungsklage das Rechtsverhältnis, an dessen selbständiger Feststellung der [X.]läger ein berechtigtes Interesse hat, nur "Vorfrage" wäre. Es entspricht eher dem Gebot der Gewährung effektiven Rechtsschutzes, die erstrebten Feststellungen in der Urteilsformel zum Ausdruck zu bringen, als sie in den Gründen eines auf eine allgemeine Leistungsklage ergehenden Urteils "zu verstecken" (vgl. [X.], Urteile vom 16. Mai 2007 - 6 [X.] 23.06 - [X.]E 129, 42 Rn. 13 und vom 26. März 2015 - 7 [X.] 17.12 - NVwZ 2015, 1215 Rn. 17).

8

Die [X.]lage ist indes im Umfang ihrer Abweisung durch das Oberverwaltungsgericht unbegründet.

9

a) Der [X.]läger hat keinen Anspruch auf die begehrte Feststellung, dass die Weisung mit Beschluss des Beklagten vom 14. April 2011 seine Rechte über das Anhörungsrecht hinaus verletzt hat.

Diese Weisung, die nach der den Senat bindenden Auslegung des irrevisiblen Landeskommunalverfassungsrechts durch die Vorinstanz (§ 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO) insoweit nicht zu beanstanden ist, hat den [X.]läger nicht in seinem [X.] nach § 71 Abs. 3 Satz 1 des [X.] - in der Fassung der Bekanntmachung vom 14. Dezember 2006 ([X.] I S. 3134), in den hier maßgeblichen [X.]punkten des [X.] der streitigen Beschlüsse des Beklagten zuletzt geändert durch das Gesetz vom 24. März 2011 ([X.] [X.]) - [X.] 2011 -, verletzt. Nach dieser Bestimmung hat der Jugendhilfeausschuss [X.] in Angelegenheiten der Jugendhilfe im Rahmen der von der [X.] bereitgestellten Mittel, der von ihr erlassenen Satzung und der von ihr gefassten Beschlüsse. § 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011 verleiht kein allumfassendes, schrankenloses und fertig ausgeformtes Alleinentscheidungsrecht in [X.]. Das [X.] gewinnt seine konkrete Gestalt und Reichweite erst im Zusammenspiel der bundesgesetzlichen Regelung mit dem [X.]ommunalverfassungsrecht der Länder und der dort konstituierten Haushalts-, Beschluss- und Satzungsgewalt der politischen [X.]. Die von dieser gefassten Beschlüsse in Fragen der Jugendhilfe, seien sie haushaltsrechtlicher, sonstiger normativer oder schlicht jugendpolitischer Natur, konstituieren den Rahmen, innerhalb dessen der Ausschuss [X.] hat. Das entspricht der besonderen [X.] Rolle, die die [X.] als die unmittelbar vom Volk legitimierte zentrale Instanz der kommunalen Gebietskörperschaft hat, und die ihr die [X.] zuweist. Deshalb gehen Beschlüsse der [X.] in Fragen der Jugendhilfe im Grundsatz dem [X.] des [X.] vor. Das Bundesrecht schränkt diesen Vorrang insoweit ein, als es mit § 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011 im Interesse effektiver Jugendarbeit dem [X.] eine Bestandsgarantie verleiht. Diese Gewährleistung schützt den Jugendhilfeausschuss hingegen nur vor einer substantiellen Aushöhlung seines [X.]s in Angelegenheiten der Jugendhilfe. Das [X.] ist nicht verletzt, wenn dem Ausschuss Aufgaben von substantiellem Gewicht verbleiben. Dies entspricht der Rechtsprechung des Senats, an der er festhält ([X.], Urteil vom 15. Dezember 1994 - 5 [X.] 30.91 - [X.]E 97, 223 <229 ff.>).

Die Prüfung, ob eine Entscheidung der [X.] das [X.] des [X.] substantiell aushöhlt, ist zu beziehen auf die von dem [X.] erfassten Bereiche seiner Befassungskompetenz, wie sie insbesondere in § 71 Abs. 2 [X.] 2011 aufgeführt sind. Dabei ist auf den im konkreten Fall betroffenen Bereich abzustellen. Das [X.] ist verletzt, wenn es mit Blick auf dieses Betätigungsfeld in quantitativer oder qualitativer Hinsicht substantiell ausgehöhlt wird. Aus quantitativer Sicht scheidet eine Beeinträchtigung des [X.]s aus, wenn dem Jugendhilfeausschuss in dem maßgeblichen Bereich noch so viele Aufgaben verbleiben, dass von einer substantiellen Aushöhlung nicht gesprochen werden kann. In qualitativer Hinsicht wird das [X.] substantiell ausgehöhlt, wenn ein den maßgeblichen Bereich prägendes Merkmal angetastet wird. Die unter qualitativen Gesichtspunkten vorzunehmende Abgrenzung zwischen dem [X.] der politischen [X.] in Fragen der Jugendhilfe und demjenigen des [X.] kann insbesondere nicht mit [X.]ategorien des jugendhilferechtlichen [X.] einer bestimmten Fragestellung vorgenommen werden. Dies gilt gleichermaßen für Anleihen bei den Grundsätzen der Rahmengesetzgebung und für Rückgriffe auf die für den Schutz verfassungsrechtlich verbürgter Institute und institutioneller Garantien entwickelte [X.]bereichslehre sowie die dem Grundrechtsschutz dienende Wesensgehaltsgarantie (vgl. [X.], Urteil vom 15. Dezember 1994 - 5 [X.] 30.91 - [X.]E 97, 223 <231>).

Gemessen an diesen Grundsätzen ist das [X.] nicht dadurch beeinträchtigt worden, dass der Beklagte den [X.]läger angewiesen hat, die beabsichtigte Förderung eines bestimmten Trägers der freien Jugendhilfe allenfalls unter dem Vorbehalt eines näher bezeichneten Widerrufs zu bewilligen. Eine Verletzung dieses Rechts liegt nicht schon darin, dass der Beklagte damit in einer Angelegenheit der Jugendhilfe eine auf den Einzelfall bezogene Entscheidung getroffen hat. Aus quantitativer Sicht wird das [X.] durch eine solche Entscheidung in der Regel nicht ausgehöhlt, weil dem Jugendhilfeausschuss in dem maßgeblichen Bereich weitere Tätigkeitsfelder verbleiben. So lag es auch hier. Die Weisung führte nicht dazu, dass dem [X.]läger in dem hier betroffenen Bereich der Förderung der freien Jugendhilfe (§ 71 Abs. 2 Nr. 3 [X.] 2011) Aufgaben in einem Umfang entzogen wurden, dass von einer substantiellen Aushöhlung hätte gesprochen werden können. Die Weisung ließ insbesondere die Befugnis des [X.] unberührt, über die Förderung anderer Träger der freien Jugendhilfe im Rahmen der allgemeinen Vorgaben unbeschränkt zu befinden, und hinderte ihn nicht, eine Förderentscheidung zugunsten des betroffenen Trägers zu treffen.

Auch in qualitativer Hinsicht führt allein der Umstand, dass die [X.] in einer Angelegenheit der Jugendhilfe eine Einzelfallentscheidung trifft, noch nicht zu einer Verletzung des § 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011 (vgl. Grube, in: [X.]/Noftz, Sozialgesetzbuch [X.], Stand Juli 2014, [X.] § 71 Rn. 17; [X.]rug/[X.], in: [X.]rug/[X.], [X.], Stand Juni 2015, § 71 Rn. [X.], in: [X.]/[X.]/[X.]/[X.], [X.], 4. Aufl. 2012, § 71 Rn. 20). Es gehört nicht zu den das [X.] prägenden Merkmalen, dass ausschließlich der Jugendhilfeausschuss Einzelfallentscheidungen in [X.] treffen darf. Dagegen spricht insbesondere, dass - wie aufgezeigt - das [X.] die besondere [X.] Rolle der unmittelbar vom Volk legitimierten [X.] und die dieser zugewiesenen [X.] zu wahren hat. Der daraus folgende grundsätzliche Vorrang von Beschlüssen der [X.] in [X.] erfasst auch insoweit getroffene Einzelfallentscheidungen. Die [X.] ist in Fragen der Jugendhilfe nicht darauf beschränkt, Grundsatz- oder Rahmenbeschlüsse zu fassen (so aber: [X.]unkel, LP[X.]-[X.], 4. Aufl. 2014, § 71 Rn. 23; [X.], in: [X.], jurisP[X.]-[X.], § 71 Rn. 37; [X.], [X.], 5. Aufl. 2015, § 71 Rn. 26; [X.], [X.], 5. Aufl. 2009, § 71 Rn. 6). Mithin läuft eine von der [X.] getroffene Entscheidung im Einzelfall nur dann dem [X.] zuwider, wenn sie dieses substantiell aushöhlt. So liegt es hier nicht.

Dies ergibt sich hier schon daraus, dass die streitige Weisung lediglich eine Modalität der Förderung eines Trägers betraf und den [X.]läger nicht daran hinderte, eine Förderentscheidung zu dessen Gunsten zu treffen. Den Inhalt der Weisung und die ihr zugrunde liegenden politischen Beweggründe hat der Senat in diesem Zusammenhang nicht zu beurteilen.

Entgegen der Auffassung des [X.] folgt aus dem Gebot zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe (§ 4 Abs. 1 [X.] 2011) und der Pflicht der öffentlichen Jugendhilfe zur Förderung der freien Jugendhilfe (§ 4 Abs. 3 [X.] 2011) nichts anderes. § 4 [X.] 2011 enthält Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit zwischen öffentlicher und freier Jugendhilfe. Er sagt über Inhalt und Grenzen des [X.]s im Sinne von § 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011 nichts aus.

Schließlich ist das [X.] auch nicht dadurch ausgehöhlt worden, dass dem [X.]läger durch die streitige Weisung von vornherein die Möglichkeit genommen werden sollte, im Rahmen eines diskursiven ergebnisoffenen Prozesses unter Einbeziehung seiner Fachkompetenz eine eigene Position auch zu der Frage, ob die Förderungsentscheidung zugunsten des betroffenen Trägers der freien Jugendhilfe mit dem streitigen Widerrufsvorbehalt zu versehen ist, zu entwickeln. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob und gegebenenfalls unter welchen Voraussetzungen die [X.] aufgrund des [X.]s und trotz der Bindungen des [X.] auch an Beschlüsse der [X.] (§ 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011) gehindert ist, die Entscheidungsfindung des Ausschusses vor Eintritt in seine Beratungen durch Weisung zu binden. Eine Beeinträchtigung des [X.]s scheidet insoweit hier jedenfalls deshalb aus, weil Gegenstand der Weisung lediglich eine Modalität der Förderung war und der [X.]läger im Übrigen in seiner Entscheidungsfindung frei war.

b) Der Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2011, mit dem dieser den Beschluss des [X.] vom 21. April 2011 geändert hat und der nach der den Senat bindenden Auslegung des [X.]ommunalverfassungsrechts durch die Vorinstanz mit diesem im Einklang steht, verletzt den [X.]läger ebenfalls nicht in seinen Rechten.

aa) Das Oberverwaltungsgericht hat mit Recht angenommen, dass der Beklagte seiner Verpflichtung aus § 71 Abs. 3 Satz 2 Halbs. 1 [X.] 2011 nachgekommen ist. Danach soll der Jugendhilfeausschuss vor jeder Beschlussfassung der [X.] in Fragen der Jugendhilfe gehört werden.

Inhalt und Grenzen dieser im Zusammenhang mit dem [X.] speziell geregelten [X.] sind unter Berücksichtigung ihres Zwecks, der sich an den Aufgaben des [X.] ausrichtet, zu bestimmen. Dem Jugendhilfeausschuss ist die Aufgabe überantwortet, sich anregend und fördernd mit Angelegenheiten der Jugendhilfe zu befassen (vgl. [X.]. 1/3641 S. 7). Als Teil des [X.] ist ihm eine Mitverantwortung für die Erziehung der Jugend übertragen. Durch die Einbeziehung der von den Trägern der freien Jugendhilfe vorgeschlagenen Bürger sollen deren Sachverstand und den großen Erfahrungen der freien Träger der Jugendhilfe auch in der öffentlichen Jugendarbeit Geltung verschafft werden (vgl. [X.], Urteil vom 15. Dezember 1994 - 5 [X.] 30.91 - [X.]E 97, 223 <227>). Die [X.] verfolgt den Zweck, die Stellung des [X.] bei der Erfüllung seiner Aufgaben zu stärken. Sie soll sicherstellen, dass bei den Beratungen der [X.] in ausreichender Weise [X.]larheit über die Bedeutung der zu fassenden Beschlüsse besteht (vgl. [X.]. 1/3641 S. 7). Gemessen daran soll dem Jugendhilfeausschuss Gelegenheit zur Stellungnahme insbesondere zu dem hinreichend konkret zu beschreibenden Gegenstand der beabsichtigten Entscheidung und zu den für diese erheblichen Tatsachen gegeben werden. Die Information hat so frühzeitig zu erfolgen, dass dem Ausschuss sowohl eine Meinungsbildung als auch die Abgabe einer Stellungnahme möglich ist.

In Anwendung der vorstehenden Grundsätze hat der Beklagte den [X.]läger zu dem am 12. Mai 2011 gefassten Beschluss ausreichend angehört. Die Anhörung erfolgte durch die Schreiben der Oberbürgermeisterin vom 28. und 29. April 2011, die sich in den von dem Oberverwaltungsgericht in Bezug genommen Akten befinden und deshalb vom Senat zu verwerten und mangels einer Auslegung durch die Vorinstanz vom Senat eigenständig auszulegen sind. Der Gegenstand des seinerzeit beabsichtigten Beschlusses vom 15. Mai 2011 war in diesen Schreiben hinreichend konkret beschrieben. In dem Schreiben vom 28. April 2011 wird dargelegt, dass der [X.]läger erfolglos angewiesen worden sei, die in Rede stehende Förderung allenfalls unter einem speziellen Widerrufsvorbehalt zu gewähren. Nach diesem Vorbehalt "soll die Förderung ausdrücklich (auch) dann zu widerrufen sein, wenn‚ 'der Verein materiell oder personell an strafrechtlich relevanten Aktivitäten im Zusammenhang mit den gewalttätigen Ausschreitungen beteiligt wäre'". Jedenfalls dem Schreiben vom darauffolgenden Tag war zweifelsfrei die Absicht zu entnehmen, dass in der Sitzung des Beklagten am 12. Mai 2011 der Beschluss des [X.] vom 21. April 2011 um den so umschriebenen speziellen Widerrufsvorbehalt ergänzt werden sollte. Aufgrund des [X.]lammerzusatzes "auch" in der Beschreibung des verlangten speziellen [X.] in dem Schreiben vom 28. April 2011 war zweifelsfrei, dass neben diesem zumindest noch ein weiterer - unbenannter - Widerrufsvorbehalt gelten sollte. Zwar war der Hinweis auf einen solchen unbenannten [X.] in der Weisung vom 12. April 2011 nicht enthalten. Dies ändert hingegen nichts daran, dass den Schreiben vom 28. und 29. April 2011 deutlich die Absicht zu entnehmen war, den Beschluss vom 21. April 2011 um den speziellen Widerrufsvorbehalt zu ergänzen, der neben mindestens einem unbenannten Vorbehalt Geltung beanspruchen sollte. Damit entsprach der in der Anhörung konkretisierte Gegenstand der beabsichtigten Entscheidung dem Inhalt des Beschlusses vom 12. Mai 2011. In diesem findet sich sowohl der in der Anhörung angekündigte spezielle Widerrufsvorbehalt als auch der Hinweis auf das Bestehen zumindest eines weiteren unbenannten Vorbehalts, was dadurch zum Ausdruck gebracht wird, dass der spezielle Vorbehalt "insbesondere" gilt. Die Anhörung erstreckte sich auf die der später getroffenen Entscheidung zugrunde liegenden Tatsachen.

Soweit der [X.]läger unter Hinweis auf das Gebot der Organtreue beanstandet, ihm sei es nach seinen Verfahrensregeln zeitlich nicht möglich gewesen, vor dem Beschluss vom 12. Mai 2011 Stellung zu nehmen, ist dem nicht zu folgen. Nach den tatsächlichen Feststellungen in dem angefochten Urteil stand dem [X.]läger ausreichend [X.] zur Verfügung. An diese Feststellung ist der Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO gebunden, weil der [X.]läger sie nicht mit zulässigen und begründeten Verfahrensrügen angegriffen hat.

bb) Der Beschluss des Beklagten vom 12. Mai 2011 verletzt den [X.]läger ebenfalls nicht in seinen Rechten.

Ein Verstoß gegen das [X.] des § 71 Abs. 3 Satz 1 [X.] 2011 liegt nicht vor. Insoweit gelten die aufgezeigten Gründe, aus denen die vorangegangene Weisung das [X.] nicht substantiell aushöhlt, entsprechend.

[X.] der Revision, der Beklagte habe kompetenzwidrig gehandelt, weil die Aufnahme eines [X.] den Geschäften der laufenden Verwaltung zuzurechnen sei, für die gemäß § 70 Abs. 2 [X.] 2011 der Leiter der Verwaltung des [X.] zuständig sei. Insoweit beanstandet die Revision eine Verletzung fremder Rechte, die von dem Streitgegenstand der erhobenen Feststellungsklage nicht erfasst sind.

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Rüge, der Widerrufsvorbehalt sei zu unbestimmt und der vorbehaltene [X.] stehe in keinem Zusammenhang mit der Erfüllung der Fördermittelvoraussetzungen wie auch der [X.]. Der [X.]läger ist im Rahmen des kommunalverfassungsrechtlichen Rechtsstreits darauf beschränkt, die Verletzung seiner Rechte geltend zu machen. Eine Befugnis, das Ergehen eines ihn - wie dargestellt - nicht belastenden [X.] abzuwehren, steht ihm in diesem Verfahren nicht zu.

3. Die [X.]ostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 188 Satz 2 Halbs. 1 VwGO.

Meta

5 C 12/15

04.02.2016

Bundesverwaltungsgericht 5. Senat

Urteil

Sachgebiet: C

vorgehend Sächsisches Oberverwaltungsgericht, 3. März 2015, Az: 4 A 584/13, Urteil

§ 71 Abs 3 S 2 Halbs 1 SGB 8 vom 24.03.2011, § 71 Abs 3 S 1 SGB 8 vom 24.03.2011, § 71 Abs 2 SGB 8 vom 24.03.2011, § 4 Abs 1 SGB 8 vom 24.03.2011, § 4 Abs 3 SGB 8 vom 24.03.2011

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 04.02.2016, Az. 5 C 12/15 (REWIS RS 2016, 16604)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 16604

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