Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2013, Az. IX ZR 75/12

9. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 8335

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Gegenstand

Insolvenzverwalterhaftung: Berechnung des ersatzfähigen Schadens bei Eigentumsverletzung infolge von Umbauarbeiten an zur Insolvenzmasse gehörenden Fahrzeugen


Tenor

Die Beschwerde der Klägerin und die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des 2. Zivilsenats des [X.] in [X.] vom 9. März 2012 in der Fassung des [X.] vom 4. April 2012 werden zurückgewiesen.

Der Streitwert wird auf 363.297,85 € festgesetzt.

Von den Kosten des Beschwerdeverfahrens tragen die Klägerin 27 v.H. und der Beklagte 73 v.H..

Gründe

1

Die Beschwerden beider [X.]en decken keinen Zulassungsgrund auf.

2

1. Die Beschwerde der Klägerin ist unbegründet.

3

a) Zu Unrecht rügt die Klägerin unter dem Gesichtspunkt der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO), das Berufungsgericht habe die Bindungswirkung des Grundurteils nicht beachtet.

4

Das Grundurteil hat eine Eigentumsverletzung zum Nachteil der Klägerin in der Fertigstellung der ihr gehörenden Fahrzeuge durch den [X.]n erblickt. In Übereinstimmung mit dieser Würdigung hat das Berufungsgericht den Schaden nach dem Wert der Fahrzeuge der Klägerin vor Vollendung der Umbauarbeiten bemessen.

5

b) Ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG liegt nicht vor.

6

Das Berufungsgericht hat das als übergangen gerügte Vorbringen der Klägerin, dass bei einzelnen Fahrzeugen nur noch [X.] oder [X.] angebracht werden mussten, nach dem Inhalt des Tatbestands wie auch der Entscheidungsgründe ausdrücklich beachtet. Bei dieser Sachlage ist den Anforderungen des Art. 103 Abs. 1 GG genügt. Das Prozessgrundrecht gibt keinen Anspruch darauf, dass sich das Gericht mit dem Vorbringen einer [X.] in der Weise auseinandersetzt, die sie selbst für richtig hält. Aus Art. 103 Abs. 1 GG folgt auch keine Pflicht des Gerichts, der von einer [X.] vertretenen Rechtsansicht zu folgen ([X.], Beschluss vom 19. Mai 2011 - [X.], [X.], 1087 Rn. 13).

7

2. Auch der Beschwerde des [X.]n ist der Erfolg zu versagen.

8

a) Das von dem [X.]n angeführte Senatsurteil vom 4. November 2004 ([X.], [X.], 2482, 2483 ff), das die Wirksamkeit seitens des Schuldners nach Einsetzung eines vorläufigen Verwalters im Wege des [X.] Zahlungen zum Gegenstand hat, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Erkenntniswert. Bei dieser Sachlage greift der geltend gemachte Zulassungsgrund der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO) nicht durch.

9

b) Davon abgesehen kann sich der [X.] nicht darauf berufen, keiner Schadensersatzpflicht zu unterliegen, weil die bereits vor seiner Kenntnis von der Eigentümerstellung der Klägerin ohne sein Verschulden zum Zwecke einer Panzerung teilweise umgebauten Limousinen für die ihrerseits aus rechtlichen Gründen an einer weiteren Umrüstung der Fahrzeuge gehinderte Klägerin keinen wirtschaftlichen Wert verkörpert hätten und daher der von ihm im Wissen um die Eigentumsverhältnisse veranlasste weitere Umbau der Fahrzeuge keinen Schaden der Klägerin ausgelöst habe.

aa) Ausgangspunkt jeder Schadensberechnung bildet die [X.]. Ob und inwieweit ein nach §§ 249 ff [X.] zu ersetzender Vermögensschaden vorliegt, beurteilt sich nach einem Vergleich der infolge des [X.] eingetretenen Vermögenslage mit derjenigen, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Die [X.] umfasst zugleich das Erfordernis der Kausalität zwischen dem haftungsbegründenden Ereignis und einer dadurch eingetretenen Vermögensminderung: Nur eine Vermögensminderung, die durch das haftungsbegründende Ereignis verursacht ist, das heißt ohne dieses nicht eingetreten wäre, ist als ersatzfähiger Schaden anzuerkennen ([X.], Urteil vom 14. Juni 2012 - [X.], [X.], 1359 Rn. 42).

bb) Demgemäß bemisst sich der Schaden der Klägerin nach dem Wert der von ihr unter Eigentumsvorbehalt an die Schuldnerin gelieferten Fahrzeuge zu dem Zeitpunkt, als der über die Eigentümerstellung der Klägerin orientierte [X.] gleichwohl die Arbeiten fortsetzen ließ. Den Marktwert der Fahrzeuge hat das Berufungsgericht im Streitfall, ohne dass insoweit [X.] erhoben werden, mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens ermittelt.

(1) Wird durch eine Verarbeitung mehrerer Stoffe eine neue bewegliche Sache hergestellt, erwirbt der Hersteller daran gemäß § 950 Abs. 1 Satz 1 [X.] das Eigentum. Verlor die Schuldnerin nach dieser Vorschrift durch die Umrüstung das Eigentum an den gelieferten Fahrzeugen, stand ihr gemäß § 951 Abs. 1 [X.] ein Bereicherungsanspruch gegen die Schuldnerin zu. Daneben blieben aber nach § 951 Abs. 2 [X.] die Vorschriften über die Verpflichtung zum Schadensersatz wegen unerlaubter Handlungen unberührt. Deswegen konnte die Klägerin im Falle eines [X.]s nach § 950 Abs. 1 [X.] auf der Grundlage des § 823 Abs. 1 [X.] von dem [X.]n im Wege der Naturalrestitution Wiederherstellung des früheren Zustands verlangen ([X.]/Füller, 5. Aufl., § 951 Rn. 37). Allerdings wird in diesen Fällen mit Rücksicht auf den unverhältnismäßigen Aufwand einer Wiederherstellung regelmäßig die Bestimmung des § 251 Abs. 2 [X.] den Anspruch auf Naturalrestitution ausschließen ([X.]/Füller, aaO).

(2) Es kann - in Übereinstimmung mit den Vordergerichten - dahinstehen, ob die Klägerin ihr Eigentum an den Fahrzeugen bereits durch die Verarbeitung oder, sofern die Voraussetzungen des § 950 [X.] nicht eingreifen, erst durch den gutgläubigen Erwerb der Abnehmer der Schuldnerin verloren hat. Denn der in § 951 Abs. 2 [X.] für anwendbar erklärte deliktische Schadensersatzanspruch ist erst recht gegeben, wenn der Berechtigte durch eine Bearbeitung sein Eigentum nicht verloren hat. Auch hier steht § 251 Abs. 2 [X.] der Naturalrestitution entgegen. Im Streitfall dürfte der Anspruch auf Naturalrestitution zudem an § 251 Abs. 1 [X.] scheitern, weil der Erwerber nicht in eine Veränderung der Fahrzeuge einwilligen wird ([X.], Urteil vom 15. Februar 2008 - [X.], [X.], 1116 Rn. 12 ff).

(3) Scheidet eine Naturalrestitution aus, kann der verdrängte Rechtsinhaber den Verkehrswert seiner - hier entweder infolge der Verarbeitung oder eines gutgläubigen Erwerbs - untergegangenen Eigentumsrechte beanspruchen (vgl. [X.], Urteil vom 10. Juli 1984 - [X.], [X.]Z 92, 85, 90).

Die von der Klägerin gelieferten Fahrzeuge waren durch die Aufnahme der Umbauarbeiten nicht wertlos geworden. Ein Verkehrswert der Fahrzeuge ist selbst dann gegeben, wenn allein die Schuldnerin aufgrund ihrer Leistungsschutzrechte und privilegierten Bezugsquellen zu einer wirtschaftlich rentablen Fertigstellung der Fahrzeuge im Stande war. Hierfür spricht bereits der in Fällen eines [X.]s nach §§ 946 bis 950 [X.] durch die Regelung des § 951 Abs. 1 Satz 1 [X.] gewährte bereicherungsrechtliche Ausgleichanspruch. Der objektive Wert einer Sache richtet sich nicht allein nach dem Interesse des Eigentümers, sondern danach, welche weiteren Interessen Dritte damit verfolgen können (Jahr, [X.] (1983), 725, 733 f; Soergel/[X.], [X.], 12. Aufl., vor § 249 Rn. 54). Die Befugnis, der Schuldnerin eine rentable Verwendungsmöglichkeit an den Fahrzeugen einzuräumen, war folglich Bestandteil der Eigentumsrechte der Klägerin ([X.]/[X.], [X.], 2004, § 249 Rn. 131).

Überdies führt die in dem Umbau zum Ausdruck kommende Nachfrage dazu, dass die Fahrzeuge als marktgängig anzusehen sind und daher einen Marktwert repräsentieren. Den Fahrzeugen kann ein Marktwert nicht deshalb abgesprochen werden, weil infolge fehlender technischer Kenntnisse und Zugriffsmöglichkeiten möglicherweise allein die Schuldnerin bzw. der [X.] für sie Verwendung hatte. Vielmehr kann sich der Marktwert einer Sache gerade darin manifestieren, dass ein einzelner Dritter einen entsprechenden Bedarf hat. Dies gilt insbesondere im Verhältnis zu dem [X.]n, der zur Vermeidung gegen ihn als (vorläufiger) Insolvenzverwalter gerichteter Schadensersatzansprüche gehalten war, sich im Interesse der Massemehrung mit der Klägerin im Blick auf ihre Aussonderungsrechte zu verständigen und anschließend zwecks einer gewinnbringenden Veräußerung der Fahrzeuge die Umbauarbeiten zu vollenden (vgl. [X.], Urteil vom 5. Mai 2011 - [X.], [X.]Z 189, 299 Rn. 50 ff).

(4) Da der Schadensersatzanspruch an den von der Klägerin erlittenen [X.] anknüpft, ist es ohne Bedeutung, ob die Klägerin ihrerseits infolge der insoweit bestehenden Leistungsschutzrechte der Schuldnerin rechtlich imstande gewesen wäre, die Fahrzeuge umzubauen. Die Ersatzpflicht beruht vielmehr darauf, dass sich der [X.] fremde Eigentumsrechte im eigenen Erwerbsinteresse zum Zweck der Weiterverarbeitung zunutze gemacht hat. Könnte der [X.] allein deshalb einer Ersatzpflicht entgehen, weil die Klägerin einen Umbau der Fahrzeuge nicht verwirklichen konnte, wäre einer entschädigungslosen Aneignung fremder [X.], die der Berechtigte selbst im Unterschied zu dem Rechtsverletzer nicht gewinnbringend zu nutzen vermag, Tür und [X.] geöffnet. Maßgeblich ist vielmehr, dass der [X.] bewusst Eigentumsrechte der Klägerin durch die weitere Umrüstung ihr gehörender Fahrzeuge verletzt hat. Insoweit ist für die Schadensberechnung in Einklang mit der Würdigung des Berufungsgerichts maßgeblich, welcher Wert dem Eigentum der Klägerin für die von dem [X.]n vorgenommenen Umrüstungen zukam.

Kayser                                  Gehrlein                                    Vill

                    Lohmann                                 Fischer

Meta

IX ZR 75/12

07.02.2013

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZR

vorgehend Hanseatisches Oberlandesgericht in Bremen, 9. März 2012, Az: 2 U 49/08

§ 60 InsO, § 61 InsO, § 249 BGB, §§ 249ff BGB, § 950 BGB, § 951 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 07.02.2013, Az. IX ZR 75/12 (REWIS RS 2013, 8335)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 8335


Verfahrensgang

Der Verfahrensgang wurde anhand in unserer Datenbank vorhandener Rechtsprechung automatisch erkannt. Möglicherweise ist er unvollständig.

Az. IX ZR 75/12

Bundesgerichtshof, IX ZR 75/12, 07.02.2013.


Az. 2 U 49/08

Oberlandesgericht Köln, 2 U 49/08, 11.09.2008.


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