Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2008, Az. X ARZ 105/08

X. Zivilsenat | REWIS RS 2008, 2308

© REWIS UG (haftungsbeschränkt)

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Entscheidungstext


Formatierung

Dieses Urteil liegt noch nicht ordentlich formatiert vor. Bitte nutzen Sie das PDF für eine ordentliche Formatierung.

PDF anzeigen

[X.]BESCHLUSS [X.]/08 vom 21. August 2008 in dem Gerichtsstandsbestimmungsverfahren Nachschlagewerk: ja [X.]: nein [X.]R: ja ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 3 Sollen mehrere Personen, die bei verschiedenen Gerichten ihren allgemeinen Ge-richtsstand haben, als Streitgenossen verklagt werden, ohne dass für den [X.] ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand begründet ist, ist für die Gerichtsstandsbestimmung grundsätzlich das als erstes angerufene [X.] zuständig, auch wenn in seinem Bezirk keiner der [X.] seinen allgemeinen Wohnsitz hat. [X.], [X.]. v. 21. August 2008 - [X.]/08 - [X.] - 2 - [X.] hat am 21. August 2008 durch [X.] Melullis, [X.], die Richterin Mühlens und die Richter Prof. Dr. Meier-Beck und [X.] beschlossen: Als zuständiges Gericht wird das [X.] bestimmt.

Gründe: [X.] Die Antragstellerinnen beabsichtigen die Antragsgeg[X.], ihre Hausbanken, auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen. Sie tragen zur [X.] vor: 1 2 Sie seien Gesellschaften der [X.], die sich bis zu ihrem Zu- sammenbruch im Jahre 2004 mit der Aufzucht und Schlachtung von Enten und dem Vertrieb von Entenprodukten befasst habe. Aufgrund von Verlusten im Jahr 2003 sei ein Liquiditätsengpass entstanden, der Anfang 2004 kurzfristig habe überbrückt werden müssen. Nachdem Gespräche der [X.] mit den Antragsgeg[X.] wegen einer Erhöhung des Finanzierungsvolumens erfolglos geblieben seien, hätten die Antragsgeg[X.] die laufenden Kredite im März 2004 mit sofortiger Wirkung gekündigt und die [X.] unter Fristsetzung zur Rückzahlung sämtlicher Verbindlichkeiten aufgefordert. Die Kündigungen seien vertragswidrig. Noch vor Fristablauf hätten die [X.] 3 - [X.] die Eröffnung der Insolvenzverfahren über die Vermögen der [X.] beantragt. Die Insolvenzverwalter hätten die Ansprüche auf Ersatz des Schadens, der durch die unberechtigten Kündigungen der Kredite entstan-den sei und noch entstehen werde, zur gerichtlichen Geltendmachung freige-geben. Die Antragsgegnerin zu 1 hat eine Niederlassung in [X.] und ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des [X.]; die Antragsgegnerin zu 2 hat ihren allgemeinen Gerichtsstand im Bezirk des [X.]. Die [X.] zu 1, deren Geltung zwischen ihr und der Antragstellerin zu 1 vereinbart ist, sehen in Nr. 6 Abs. 2 vor, dass die Antragsgegnerin nur an dem für ihre konto-führende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden könne. [X.] Stelle war bei Abschluss des Kreditvertrages die Niederlassung der [X.] in [X.], jetzt ist dies ihre Niederlassung in [X.]. Die An-tragsgegnerin zu 2 hat mit den Antragstellerinnen eine Gerichtsstandsklausel vereinbart, wonach sie nur an ihrem allgemeinen Gerichtstand verklagt werden kann. 3 4 Die Antragstellerinnen haben zunächst beim [X.] Celle beantragt, das Landgericht [X.] als zuständiges Gericht zu bestimmen. Mit weiterem Schriftsatz haben sie beantragt, die Sache an das [X.] zu verweisen, und angekündigt, dort zu beantragen, das [X.] als zuständiges Gericht zu bestimmen. Das [X.] Celle hat die Sache dem [X.] zur Bestimmung des zuständigen Gerichts vorgelegt. Es hält seine Zuständigkeit für eine Gerichtsstandsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO für gegeben, 5 - 4 - sieht sich aber an einer entsprechenden Entscheidung durch die [X.]üsse anderer [X.]e gehindert. I[X.] Die Vorlage ist gemäß § 36 Abs. 3 ZPO zulässig. 6 Gemäß § 36 Abs. 3 ZPO hat ein [X.], das mit der Zustän-digkeitsbestimmung befasst ist, die Sache dem [X.] vorzulegen, wenn es in einer Rechtsfrage von der Entscheidung eines anderen Oberlan-desgerichts oder des [X.]s abweichen will. Diese Voraussetzun-gen liegen vor. 7 Das vorlegende [X.] vertritt den Standpunkt, es sei als zuerst angerufenes [X.] für die Gerichtsstandsbestimmung zu-ständig, auch wenn keine der Antragsgeg[X.] in seinem Bezirk ihren [X.] Gerichtsstand habe. Es sei nicht sachgerecht, wenn ein Oberlan-desgericht gemäß § 36 Abs. 2 ZPO ohne Rücksicht darauf, dass in seinem Be-zirk keiner der Beklagten einen allgemeinen Gerichtsstand habe, die Klage aber bei einem ihm nachgeordneten Land- oder Amtsgericht bereits erhoben sei, zur Entscheidung über den Antrag zuständig sei, weil das zuerst mit der Sache befasste Gericht zu seinem Bezirk gehöre, dass es dagegen nicht zu-ständig sein solle, wenn der Antrag bei ihm vor Klageerhebung gestellt werde. Denn dann hinge es von der nicht selten zufälligen Reihenfolge ab, in der ein Antragsteller die Klage einreiche und den Antrag auf Gerichtsstandsbestim-mung stelle. Es entspreche am ehesten dem gesetzgeberischen Anliegen, wenn in den Fällen, in denen der Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO vor [X.] gestellt werde, das [X.] zuständig sei, welches durch Antragstellung zuerst mit der Sache befasst sei, ohne dass es darauf ankomme, ob eine [X.] einen allgemeinen Gerichtsstand in seinem Bezirk habe. 8 - 5 - Mit dieser Rechtsauffassung würde das [X.] Celle jeden-falls von derjenigen der [X.]e [X.] und [X.] und des [X.] abweichen, nach der, wenn noch kein Rechtsstreit anhängig ist, das "im Rechtszuge zunächst höhere Gericht" nur eines derjenigen Gerichte sein kann, bei denen die Antragsgegner ihre [X.] Gerichtsstände haben (OLG [X.], [X.]. v. 11.10.2005, [X.], 357 f.; OLG [X.], [X.]. v. 30.03.2006, [X.], 567, 568; BayObLG, [X.]. v. 08.09.1998, [X.], 115). Für die Zulässigkeit der Vorlage kommt es nicht darauf an, ob die Divergenz das materielle Recht oder wie hier das Prozessrecht betrifft ([X.]/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rdn. 10). 9 II[X.] Sinn des § 36 ZPO ist es, jedem langwierigen Streit der Gerichte un-tereinander über die Grenzen ihrer Zuständigkeit ein Ende zu machen und eine Ausweitung solcher Streitigkeiten tunlichst zu vermeiden ([X.].[X.]. v. 19.02.2002 - [X.] 334/01, [X.], 1425, 1426). Dies gilt erst recht für das Bestimmungsverfahren selbst. Diesem Sinn der Vorschrift entspricht es am ehesten, dass die Gerichtsstandsbestimmung durch das [X.] erfolgt, das im Bestimmungsverfahren zuerst befasst worden ist, wenn eine Klage noch nicht erhoben worden ist und es deshalb noch kein mit der Sache befasstes Gericht gibt. 10 Dies gilt auch im Fall des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO. Auch in einem solchen Fall kommt es, wenn ein anderer Anknüpfungspunkt für die Zuständigkeit des [X.]s besteht, nicht darauf an, ob einer der Streitgenossen im Bezirk des angerufenen [X.]s seinen allgemeinen Gerichtsstand hat. Der [X.] hat Ausnahmen von dem Grundsatz, dass [X.] nur der allgemeine Gerichtsstand einer der als Streitgenossen zu [X.] - 6 - genden Personen als gemeinsamer Gerichtsstand zu bestimmen ist, zugelas-sen, wenn sachlich vorrangige Gründe dies rechtfertigen (vgl. [X.], [X.]. v. 16.04.1986 - [X.] [X.], NJW 1986, 3209). So kann das für einen Streitge-nossen ausschließlich zuständige Gericht auch dann zu dem für den [X.] gegen sämtliche Streitgenossen zuständigen Gericht bestimmt werden, wenn dort keiner der Beklagten seinen allgemeinen Gerichtsstand hat ([X.].[X.]. v. 20.5.2008 - [X.] 98/08, [X.], 1425; [X.], [X.]. v. 09.10.1986 - I ARZ 487/86, NJW 1987, 439). Ist im Verhältnis zu einem Streit-genossen ein ausschließlicher Gerichtsstand vereinbart und kann dem anderen Streitgenossen zugemutet werden, sich vor dem im Verhältnis zu einer [X.] prorogierten Gericht verklagen zu lassen, kann dieses Gericht entsprechend § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO als zuständig bestimmt werden, auch wenn in seinem Bezirk keiner der zu verklagenden Streitgenossen seinen allgemeinen Ge-richtsstand hat ([X.], [X.]. v. 19.03.1987 - I ARZ 903/86, NJW 1988, 646, 647). Besteht im Fall der parteierweiternden Widerklage bei dem angerufenen Gericht kein Gerichtsstand für den bislang nicht am Verfahren Beteiligten, kann der nicht ausschließliche besondere Gerichtsstand des § 33 ZPO bestimmt werden, auch wenn keiner der widerbeklagten Streitgenossen dort seinen [X.] Gerichtsstand hat ([X.].[X.]. v. 24.06.2008 - [X.] 69/08, zur [X.] vorgesehen). 12 Dieser auf Gründen der Zweckmäßigkeit und der [X.] Einschränkung des allgemeinen Grundsatzes der §§ 12 f. ZPO, nach der ausnahmsweise auch ein anderes als das für den allgemeinen Gerichts-stand eines der Streitgenossen zuständige Gericht bestimmt werden kann, würde es nicht gerecht, wenn auf der anderen Seite nur dasjenige [X.] die Gerichtsstandsbestimmung vornehmen dürfte, in dessen Bezirk sich der allgemeine Gerichtsstand eines der Streitgenossen befindet. Kann aus Gründen der [X.] auch ein von der [X.] abwei-- 7 - chendes Gericht als zuständig bestimmt werden, ist es nicht zu rechtfertigen, dass es für die Zuständigkeit des bestimmenden [X.]s nur auf die Gerichte des allgemeinen Gerichtsstandes der Streitgenossen ankommen soll. Dies entspräche auch nicht dem bereits oben dargelegten Sinn der Rege-lung, eine Ausweitung von Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden und mög-lichst rasch zu einem Ergebnis zu gelangen. 3. Diesem Sinn der Vorschrift widerspräche es ebenfalls, wenn, wie die Antragstellerinnen dies beantragt haben, die Sache zunächst an das [X.] verwiesen würde. Entgegen der Auffassung der Antragstellerinnen unterliegt es nicht uneingeschränkt ihrer Disposition, dem mit der Sache befassten [X.] die Zuständigkeit wieder zu entzie-hen. Insoweit ist im öffentlichen Interesse, nämlich zur Vermeidung der mehr-maligen Befassung von Gerichten mit dem gleichen Rechtsstreit, die [X.]dis-position eingeschränkt. Dieser übergeordnete Grundsatz, wie er in § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO niedergelegt ist (vgl. [X.] 173, 47 [X.]. 10; [X.], [X.]. v. 16.01.1962 - [X.] 123/62, NJW 1963, 585, 586, zur Gerichtsstandsvereinba-rung nach Rechtshängigkeit), beansprucht erst recht Geltung im Verfahren nach § 36 ZPO, das gerade dazu bestimmt ist, die alsbaldige Beschäftigung des zuständigen Gerichts mit der Sache selbst zu ermöglichen (vgl. [X.] 71, 69, 74). 13 14 IV. Es erscheint dem [X.]at zweckmäßig, die Zuständigkeit des Landge-richts [X.] zu begründen. Die Antragsgegnerin zu 2 hat dort ihren [X.] Gerichtsstand. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der [X.] zu 1 sehen vor, dass die Antragsgegnerin nur an dem für die konto-führende Stelle zuständigen Gericht verklagt werden kann, was bei Abschluss des Kreditvertrags die Niederlassung in [X.] war. Unabhängig von der Frage, ob damit das [X.] wirksam als zuständiges Gericht - 8 - vereinbart wurde, ist bei ihm jedenfalls ein Anknüpfungspunkt vorhanden. Dies lässt es zweckmäßig erscheinen, dass der Rechtsstreit in [X.] geführt wird. [X.]Scharen Mühlens

Meier-Beck [X.] Vorinstanz: [X.], Entscheidung vom 12.03.2008 - 4 AR 1/08 -

Meta

X ARZ 105/08

21.08.2008

Bundesgerichtshof X. Zivilsenat

Sachgebiet: ARZ

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 21.08.2008, Az. X ARZ 105/08 (REWIS RS 2008, 2308)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2008, 2308

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

1 AR 30/19 (BayObLG München)

Gerichtsstandsbestimmung für Schadensersatzklagen in- und ausländischer Unternehmen gegen das sog. Lkw-Kartell


X ARZ 69/08 (Bundesgerichtshof)


101 AR 46/21 (BayObLG München)

Schadensersatz, Gerichtsstand, Gerichtsstandsvereinbarung, Kommission, Gerichtsstandsbestimmung, Klage, Zedent, Verfahren, Zahlung, Voraussetzungen, Bestimmungsverfahren, Wirksamkeit, Wohnsitz, Schriftsatz, beabsichtigte …


1 AR 81/19 (BayObLG München)

Bestimmung des gemeinschaftlich zuständigen Gerichts am besonderen Gerichtsstand der Niederlassung


1 AR 45/20 (BayObLG München)

Verfahren wegen Antrags auf Gerichtsstandsbestimmung


Referenzen
Wird zitiert von

I - 5 Sa 64/15

Zitiert

Keine Referenz gefunden.

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.