Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2002, Az. XII ZR 202/99

XII. Zivilsenat | REWIS RS 2002, 1069

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[X.] DES VOLKESURTEILXII ZR 202/99Verkündet am:23. Oktober 2002Breskic,[X.] Geschäftsstellein dem [X.] 2 -Der XII. Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche [X.] 23. Oktober 2002 durch die Vorsitzende Richterin [X.] und [X.], Prof. Dr. [X.], [X.] und [X.] Recht erkannt:Auf die Rechtsmittel des [X.] werden das Urteil des 1. Zivil-senats des [X.] vom 23. Juni 1999 auf-gehoben und das Urteil der 7. Zivilkammer des [X.] vom 4. März 1999 abgeändert.Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 36.813,02 %Zinsen aus 12.271,01 Oktober 1997, aus [X.] November 1997 und aus [X.] Dezember 1997 zu zahlen.Der weitergehende Zinsanspruch bleibt abgewiesen.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.Von Rechts [X.]:Der Kläger verlangt von der [X.] rückständigen Mietzins in [X.] je 24.000 DM für die Monate Oktober bis Dezember 1997.Die beklagte [X.], die 1992 für von ihr aufzunehmende Asylbewerberüber die bestehenden eigenen Unterbringungsmöglichkeiten hinaus zusätzli-- 3 -chen Wohnraum benötigte, mietete mit Vertrag vom 25. November 1992 dasGrundstück des [X.] mit von diesem zu errichtenden Wohncontainern für60 Personen zu einem monatlichen, bis zum dritten Werktag eines Monats imvoraus zu zahlenden Mietzins von 24.000 DM zur "Unterbringung von Asylbe-werbern/Aussiedlern/obdachlosen [X.] Vertragsdauer enthält der Vertrag folgende [X.] beginnt am 01.02.1993 und endet am [X.] wird - beiderseits unkündbar -auf die Dauer von 6 Jahrenfest abgeschlossen. Für den [X.]raum vom 01.02.1993 bis 31.01.1997 gilt [X.] des Vertrages. Für den [X.]raum vom 01.02.1997 bis31.01.1999 besteht die Regelung, daß bei einer Glaubhaftmachung des [X.], daß kein Bedarf an Unterbringungsmöglichkeiten für den o.g. [X.], also Aussiedler, obdachlose Personen oder Asylbewerber mehr besteht,ein einseitiges Kündigungsrecht des Mieters existiert, bei einer Kündigungsfristvon 6 [X.] Schreiben vom 3. Februar 1997 kündigte die Beklagte das Mietver-hältnis zum 31. Juli 1997 mit der im einzelnen erläuterten Begründung, es [X.] kein Unterbringungsbedarf mehr, und räumte die Wohnanlage zu diesem[X.]punkt.Die Parteien streiten über die Wirksamkeit dieser Kündigung. [X.] vorausgegangene Klage auf Zahlung des Mietzinses für die Monate [X.] und September 1997 rechtskräftig abgewiesen worden war, blieb auch dievorliegende Klage auf Zahlung des Mietzinses für die drei folgenden Monate inbeiden Vorinstanzen ohne Erfolg. Dagegen richtet sich die Revision des [X.], mit der er sein Zahlungsbegehren weiterverfolgt. Der [X.] hat die Revi-sion angenommen.Entscheidungsgründe:Die Rechtsmittel des [X.] führen zur Aufhebung des angefochtenenBerufungsurteils und zur Abänderung des landgerichtlichen Urteils dahin, daßder Klage - bis auf einen Teil des geltend gemachten [X.] - stattge-geben wird.I.1. Das Berufungsgericht hat die vertragliche Vereinbarung über dasSonderkündigungsrecht der [X.] einschränkend dahin ausgelegt, daß [X.] schon dann zur vorzeitigen Kündigung berechtigt sei, wenn der [X.] vorhandene Bedarf an zusätzlichen [X.] entfallen sei, und nicht erst dann, wenn überhaupt keine Asylbewerber,Aussiedler und Obdachlosen mehr vorhanden seien, deren Unterbringung der[X.] obliege.Es hat ferner angenommen, für die Wirksamkeit der Kündigung [X.] aus, daß die Beklagte den Wegfall dieses zusätzlichen Bedarfs glaubhaftmache; dies sei in ihrem [X.] geschehen. Der [X.] Kündigung stehe - auch unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben -nicht entgegen, wenn die Beklagte einen Wegfall des Bedarfs auch insoweitgeltend mache, als sie während der Laufzeit des Vertrages weitere eigeneUnterbringungsmöglichkeiten geschaffen habe, unter anderem durch verstärkte- 5 -Inanspruchnahme ihrer eigenen Wohnungsgesellschaft, die ein zuvor [X.] betriebenes Aussiedlerlager hinzuerworben hatte.2. Das hält der rechtlichen Prüfung nicht in allen Punkten stand.Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe die Vereinbarung [X.] über die Voraussetzungen einer vorzeitigen Kündigung durch die [X.] entgegen ihrem Wortlaut ausgelegt und dabei verkannt, daß die [X.] eines Sonderkündigungsrechts stets restriktiv auszulegen sei und einesolche außerordentliche Kündigung voraussetze, daß die Fortsetzung [X.] für den Kündigenden unzumutbar sei. Zudem habe das Be-rufungsgericht jedenfalls nicht ohne Feststellung der Höhe der behauptetenInvestitionen zu dem Ergebnis kommen dürfen, angesichts eines [X.] von 93,08 DM/qm sei dem Amortisationsinteresse des [X.] be-reits bei vierjähriger Laufzeit des Vertrages Genüge getan.Dieser Rüge bleibt der Erfolg im Ergebnis versagt.Abweichend vom gesetzlichen Leitbild des Mietvertrages, bei dem [X.] das [X.] allein trägt, haben die Parteien im Mietvertrageine Kündigungsmöglichkeit für die Mieterin vereinbart für den Fall, daß derursprüngliche Anlaß für die Anmietung des Grundstücks des [X.] entfällt.Die Auslegung dieser Individualvereinbarung der Parteien unterliegt nur derrevisionsrechtlichen Prüfung darauf, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze,gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verletzt [X.] 133, 157 BGB; st. Rspr. vgl. [X.] Urteil vom 30. November 1977 - VIII [X.]/76 - [X.], 266 m.w.[X.] Revision ist zwar einzuräumen, daß es mit anerkannten [X.] nicht zu vereinbaren ist, das Amortisationsinteresse des- 6 -[X.] angesichts des hohen Mietpreises bereits nach Ablauf von vier [X.] erfüllt anzusehen, ohne die Investitionskosten sowie die vom Kläger nachdem Vertrag zu erbringenden Nebenleistungen festzustellen und den Mietein-nahmen gegenüberzustellen. Bereits der Umstand, daß die Parteien nicht ei-nen Vertrag mit vierjähriger Laufzeit und Verlängerungsoption um zwei Jahregeschlossen haben, sondern einen Vertrag mit sechsjähriger Laufzeit understmaligem, von bestimmten Bedingungen abhängigem Sonderkündigungs-recht der [X.] nach Ablauf von vier Jahren, läßt erkennen, daß dem Klä-ger grundsätzlich - sofern sich die Verhältnisse nicht maßgeblich änderten - dieMöglichkeit zugestanden werden sollte, die Anlage über einen [X.]raum vonsechs Jahren bei gleichbleibendem Mietzins zu amortisieren.Der [X.] kann die fragliche Klausel selbst auslegen, da weitere Fest-stellungen hierfür nicht erforderlich sind. Diese Auslegung führt indes zu kei-nem anderen Ergebnis:Nur die einschränkende Auslegung, daß bereits der Wegfall zusätzli-chen [X.] die Kündigung rechtfertigt, berücksichtigt nämlichdie Interessenlage der Parteien in angemessener Weise, während die [X.], die die Revision an deren Stelle setzen möchte, keinen angemesse-nen Ausgleich der einander widerstreitenden Interessen der Parteien [X.]. Mit der getroffenen Vereinbarung sollte gerade vermieden werden, [X.] Beklagte für die vom Kläger errichtete Wohnanlage auch dann [X.] Jahre (statt mindestens vier Jahre und sechs Monate) lang zur Mietzah-lung verpflichtet ist, wenn sie sie aus Gründen, auf die keine der Parteien [X.] hat, nicht mehr benötigt. Das ist aber bereits dann der Fall, wenn die Zahlder von der [X.] unterzubringenden Asylbewerber, Aussiedler und [X.] -dachlosen so weit zurückgeht, daß die bei Abschluß des Mietvertrages bereitsvorhandenen Unterbringungsmöglichkeiten wieder ausreichen.Denn unabhängig davon, ob die Parteien im vorliegenden Fall einen un-gewöhnlich hohen Mietpreis vereinbart haben oder nicht, muß das Interessedes [X.], die Anlage über sechs Jahre amortisieren zu können, vor [X.] der [X.] an einer Verkürzung der Mietzeit um (maximal) [X.] nicht erst dann zurücktreten, wenn die Zahl der unterzubringenden Per-sonen insgesamt so weit zurückgegangen ist, daß das Mietobjekt auch dannnicht mehr ausgelastet werden könnte, wenn die Beklagte den gesamten an-derweitig untergebrachten Personenkreis dorthin umsiedeln würde. Eine solchevorübergehende Maßnahme für einen [X.]raum von eineinhalb Jahren - mit [X.], alsbald wieder neue Unterbringungsmöglichkeiten zu finden -wäre weder der [X.] noch dem betroffenen Personenkreis zumutbar, [X.] dafür, daß die Parteien eine solche Möglichkeit bei den [X.] in Betracht gezogen haben könnten, sind weder vorgetra-gen noch sonst ersichtlich.Diese Auslegung läßt sich im übrigen - entgegen der Auffassung [X.] - durchaus mit dem Wortlaut des Vertrages vereinbaren, da der [X.] "Bedarf" nicht nur die Interpretation im Sinne von "Gesamtbedarf" (sowohlbereits gedeckter als auch noch ungedeckter Bedarf) zuläßt, sondern auch imSinne des im [X.]punkt des Vertragsschlusses vorhandenen zusätzlichen [X.], nämlich des Bedarfs, der zu diesem [X.]punkt noch nicht anderweitiggedeckt [X.] 8 -II.Der [X.] kann in der Sache selbst entscheiden, da weitere [X.] nicht zu treffen [X.] Insbesondere kommt es nicht darauf an, wie sich die Zahl der von der[X.] unterzubringenden Asylbewerber, Aussiedler und Obdachlosen tat-sächlich entwickelt hat.Es bedarf auch keiner Entscheidung, ob der von der Revision angegrif-fenen Wertung des Berufungsgerichts zuzustimmen ist, ohne Verstoß gegenTreu und Glauben könne die Beklagte sich auf einen Wegfall des Bedarfs auchinsoweit berufen, als sie diesen während der Laufzeit des Vertrages durchSchaffung weiterer Unterbringungsmöglichkeiten selbst gedeckt habe.Nach Maßgabe des Vertrages hatte die Beklagte den Wegfall des zu-sätzlichen Bedarfs nämlich spätestens in ihrer Kündigungserklärung glaubhaftzu machen, das heißt für den Kläger zumindest nachvollziehbar darzulegen.Der [X.] sieht diese Darlegung als Voraussetzung der Wirksamkeit der Kün-digung an, weil nur dies dem Interesse des [X.] gerecht wird, die [X.] einer von der [X.] ausgesprochenen Sonderkündigung beurteilen zukönnen. In die hierfür maßgeblichen Zahlen hatte der Kläger nämlich keinenEinblick; ohne die getroffene Regelung hätte er daher entweder der [X.]unbesehen glauben oder aber einen Rechtsstreit mit für ihn völlig [X.] führen müssen.2. Die Kündigung ist unwirksam, weil die Beklagte den Wegfall des (zu-sätzlichen) Bedarfs darin nicht hinreichend dargelegt [X.] -Die Angabe, die Zahl der der [X.] zugewiesenen Asylbewerber seiausweislich der von der [X.] erstellten Asylstatistik von 244 im [X.] auf 99 im Dezember 1996 bzw. 93 im Januar 1997 zurückgegangen, wasdurch den Anstieg der Obdachlosen von 30 auf 37 nicht kompensiert werde, istals absolute Zahlenangabe hierfür schon deshalb ungeeignet, weil dem dieZahl derjenigen hätte gegenübergestellt werden müssen, die die Beklagte [X.] bereits anderweitig untergebracht hatte. Daran fehlt es.Vor allem aber ist unstreitig, daß die im [X.] aufge-führten Zahlen nur diejenigen Asylbewerber berücksichtigen, über deren [X.] zur jeweils angegebenen [X.] noch nicht endgültig entschieden war.Das Berufungsgericht läßt dahinstehen, ob auch solche Asylbewerber,die sich nach Ablehnung ihres [X.] lediglich aufgrund einer [X.] in der beklagten [X.] aufhielten, dem vertraglich definierten [X.] zuzurechnen sind oder nicht. Der [X.] kann diese unterlassene Ausle-gung nachholen. Sie ergibt, daß unter "Asylbewerbern" im Sinne des Vertragesauch solche geduldete Personen zu verstehen sind, deren Asylantrag abge-lehnt wurde. Für den Unterbringungsbedarf der [X.], auf den die vertraglicheRegelung abstellt, ist nämlich gleichgültig, ob mittellose Ausländer unterzu-bringen sind, weil über deren Asylantrag noch nicht entschieden ist und des-halb eine Abschiebung nicht in Betracht kommt, oder ob deren weitere Unter-bringung erforderlich bleibt, weil ihrer Abschiebung die Duldung des [X.] entgegensteht. Die Parteien haben den Vertrag auch selbst so [X.], wie ihrem Verhalten nach Abschluß des Vertrages zu entnehmen ist.Denn die Beweisaufnahme im Vorprozeß, mit deren Verwertung die [X.] einverstanden erklärt haben, hat ergeben, daß auch abgelehnte, aber ge-duldete Asylbewerber in den bisherigen Unterkünften [X.] 10 -Ferner sind in den genannten Zahlen ausweislich der Erläuterung [X.] nur die der beklagten [X.] zugewiesenen [X.], nicht aber jene, die von ihr - wie die Beweisaufnahme ergeben hat -freiwillig aufgenommen und untergebracht wurden. Auch diese sind dem [X.] hinzuzurechnen, weil die vertragliche Vereinbarung [X.] auf den tatsächlichen Unterbringungsbedarf abstellt, ohne danach zudifferenzieren, ob dieser auf einer gesetzlichen oder freiwillig übernommenenVerpflichtung der [X.] beruht.Dem [X.] konnte der Kläger daher weder den insge-samt noch vorhandenen Unterbringungsbedarf entnehmen noch die Zahl dervor Abschluß des Mietvertrages bereits vorhandenen eigenen [X.] der [X.]. Soweit die Revision geltend macht, ihr [X.] habe sich auch durch weitere, während der Laufzeit [X.] hinzuerworbene Unterbringungsmöglichkeiten verringert, kommt esdarauf schon deshalb nicht an, weil auch hierzu jede Angabe im [X.] fehlt.[X.] wirksamer Kündigung ist die Beklagte verpflichtet, den mit [X.] geltend gemachten Mietzins zu zahlen. Verzugszinsen darauf schuldetdie Beklagte jedoch lediglich in der ausgeurteilten Höhe, da der Kläger die In-anspruchnahme von [X.] in einer den gesetzlichen Zinssatz überstei-- 11 -genden Höhe nicht dargetan und beim Zinsbeginn übersehen hat, daß [X.] erst nach Ablauf des dritten Werktags (nicht: Kalendertags) eines Mo-nats eintrat.HahneSprick[X.]AhltVézina

Meta

XII ZR 202/99

23.10.2002

Bundesgerichtshof XII. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.10.2002, Az. XII ZR 202/99 (REWIS RS 2002, 1069)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 1069

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