Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 4 B 45/10

4. Senat | REWIS RS 2010, 1504

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Gegenstand

Verfestigung einer Splittersiedlung


Gründe

1

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 und 3 VwGO gestützte [X.]eschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die Revision ist nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zuzulassen. Aus dem [X.]eschwerdevorbringen ergibt sich nicht, dass das [X.]erufungsurteil von einer Entscheidung des [X.] abweicht.

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Der Revisionszulassungsgrund der Divergenz liegt vor, wenn die Vorinstanz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift mit einem ihre Entscheidung tragenden Rechtssatz einem ebensolchen Rechtssatz des [X.] widerspricht (vgl. [X.]eschluss vom 20. Dezember 1995 - [X.]VerwG 6 [X.] 35.95 - NVwZ-RR 1996, 712; stRspr). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO verlangt, dass der Tatbestand der Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Dem wird die Klägerin nicht gerecht. Sie arbeitet keinen Rechtssatz aus dem [X.]erufungsurteil heraus, der von einem Rechtssatz aus einer Entscheidung des [X.] abweicht.

4

a) Dem [X.]eschluss des Senats vom 7. Juli 1994 - [X.]VerwG 4 [X.] - (juris Rn. 7) lässt sich der Rechtssatz entnehmen, dass die Verfestigung einer Splittersiedlung nicht im Sinne des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 [X.]auG[X.] zu befürchten ist, wenn eine zwar unerwünschte, aber bereits verfestigte Splittersiedlung vorhanden ist und das Hinzutreten einer weiteren baulichen Anlage zu einer weiteren Verfestigung nichts mehr "beitragen" kann. Einen entgegenstehenden Rechtssatz des Inhalts, dass die Verfestigung einer Splittersiedlung auch dann zu befürchten ist, wenn das Hinzutreten einer weiteren baulichen Anlage zu einer zwar unerwünschten, aber bereits verfestigten Splittersiedlung zu einer weiteren Verfestigung keinen [X.]eitrag mehr leisten kann, hat das Oberverwaltungsgericht nicht formuliert. Es hat seiner Prüfung vielmehr den Obersatz vorangestellt, dass die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten ist, wenn damit ein Vorgang zu missbilligender unorganischer [X.]esiedlung eingeleitet oder verstärkt wird ([X.]). Im Rahmen der Subsumtion ist es zu dem Ergebnis gelangt, dass der umstrittene Anbau der Klägerin und weitere [X.]aulichkeiten, die bei Zulassung des Anbaus nicht verhindert werden könnten oder hinsichtlich derer der Anbau zumindest eine nicht genau zu übersehende Vorbildwirkung entfalten könnte, den vorhandenen Siedlungssplitter erheblich verstärken würden. Ob diese tatrichterliche Würdigung richtig ist oder - wie die Klägerin meint - anders hätte ausfallen müssen, weil die [X.]eklagte innerhalb der Splittersiedlung Neubauten zugelassen habe, ist für den Erfolg der [X.]eschwerde ohne [X.]elang. Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegt nicht vor, wenn die Vorinstanz einen Rechtssatz des [X.] im Einzelfall rechtsfehlerhaft anwendet oder aus ihm nicht die rechtlichen Folgerungen zieht, die etwa für die Sachverhalts- und [X.]eweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur [X.]eschluss vom 19. August 1997 - [X.]VerwG 7 [X.] 261.97 - NJW 1997, 3328).

5

b) Dem Rechtssatz des [X.], bei der Prüfung der Frage, ob ein Vorhaben materiell illegal sei, dürfe die Rechtslage zum Zeitpunkt der Errichtung des [X.]aus nicht außer [X.]etracht gelassen werden (Urteil vom 28. Juni 1956 - [X.]VerwG 1 [X.] 93.54 - [X.]VerwGE 3, 351 <354 f.>), und den von der [X.]eschwerde zitierten Rechtssätzen zum [X.]egriff der angemessenen Versorgung im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] (Urteil vom 23. Januar 1981 - [X.]VerwG 4 [X.] 82.77 - [X.]VerwGE 61, 285 <289 f.>), hat sich das Oberverwaltungsgericht ebenfalls nicht widersetzt. Es hat geprüft, ob der Anbau bei seiner Errichtung im Jahr 1989 das [X.] des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] für sich in Anspruch nehmen konnte ([X.]). Soweit es dies mit der [X.]egründung verneint hat, die Erweiterung des Wohnhauses sei nicht angemessen, hat es sich Rechtssätze aus dem [X.]eschluss des Senats vom 31. Mai 1988 - [X.]VerwG 4 [X.] 88.88 - ([X.]RS 48 Nr. 77) zu eigen gemacht ([X.] f.), die mit den von der Klägerin in [X.]ezug genommenen Rechtssätzen aus dem Urteil vom 23. Januar 1981 (a.a.[X.]) übereinstimmen. Sollte das Oberverwaltungsgericht die Rechtssätze unrichtig angewandt haben, läge darin keine Divergenz (s.o.).

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2. Die Revision ist auch nicht nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen der geltend gemachten Verfahrensfehler zuzulassen.

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a) Die Klägerin kritisiert, dass das Oberverwaltungsgericht aus der Nichtvorlage einer [X.]augenehmigung den Schluss gezogen hat, das um den Anbau erweiterte Wohnhaus sei nicht im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 5 [X.]auG[X.] zulässigerweise errichtet worden. Sie meint, dass die Vorinstanz die Nichterweislichkeit der Existenz einer [X.]augenehmigung nicht zu ihrem Nachteil hätte verwenden dürfen, weil die [X.]eklagte in ihrer [X.]eseitigungsverfügung ausgeführt habe, dass das vorhandene Wohngebäude zulässigerweise errichtet worden sei. Die Auffassung der Klägerin, das Oberverwaltungsgericht habe dadurch gegen seine Pflicht zur Klärung des Sachverhalts (§ 86 Abs. 1 VwGO) und den Überzeugungsgrundsatz (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verstoßen, geht fehl. Das Oberverwaltungsgericht hat seine Annahme auch auf die Erwägung gestützt, dass die in der mündlichen Verhandlung abgegebenen Erklärungen, wonach das vollständig ausgebaute Dachgeschoss vor [X.]eifügung des Anbaus nur über eine Außentreppe zu erreichen gewesen sei, durchgreifende Zweifel daran begründeten, dass auch das Wohnhaus genehmigt worden sei, weil ein Umbau und eine Umnutzung des Dachgeschosses zu Wohnzwecken nur genehmigt worden wäre, wenn dazu eine Innentreppe in den darüber liegenden Raum geführt worden wäre. Mit Angriffen gegen die Würdigung des Sachverhalts kann ein Verfahrensmangel grundsätzlich nicht bezeichnet werden, weil die [X.]eweiswürdigung regelmäßig und so auch hier dem sachlichen Recht zuzuordnen ist (vgl. [X.]eschluss vom 12. Januar 1995 - [X.]VerwG 4 [X.] 197.94 - [X.]uchholz 406.12 § 22 [X.]auNVO Nr. 4 S. 4). Gleiches gilt für einen von der Klägerin ebenfalls angedeuteten Verstoß gegen materielle [X.]eweislastregeln.

8

b) Die Klägerin hält dem Oberverwaltungsgericht ferner vor, seine Frage- und Erörterungspflicht (§ 104 VwGO) und die Aufklärungspflicht (§ 86 VwGO) verletzt zu haben, indem es für sie überraschend und in der Sache zu Unrecht unterstellt habe, die Wohnbedürfnisse ihrer Familie hätten sich ohne Weiteres auch durch die Inanspruchnahme einer Ausbaureserve im Dachgeschoss in angemessener Weise befriedigen lassen. Ob der Vorwurf der Klägerin berechtigt ist, kann offen bleiben. Da das Oberverwaltungsgericht die Unangemessenheit der Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Wohngebäude - seine Entscheidung selbständig tragend - auch damit begründet hat, dass schon die Wohnfläche des Altbestandes überdimensioniert sei ([X.] f.), und die Klägerin dieses [X.]egründungselement nicht mit einem Grund für die Zulassung der Revision zu erschüttern vermag, kann das Urteil nicht, wie von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO vorausgesetzt, auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen. Denn die (unterstellt) fehlerhafte [X.]egründung kann hinweggedacht werden, ohne dass sich der Ausgang des Verfahrens ändert.

9

3. Für die von der Klägerin angeregte Aussetzung des Verfahrens ist kein Raum, weil die Voraussetzungen des § 94 VwGO nicht vorliegen. Die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde hängt nicht von dem [X.]estehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses ab, das den Gegenstand eines anderen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist. Ob der Klägerin der behauptete und von der [X.]eklagten verneinte Anspruch auf Einsicht in die [X.]auakten für die Nachbargrundstücke zusteht, ist für die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde ohne [X.]edeutung. Die Klägerin möchte durch Einsichtnahme in die [X.]auakten für die Nachbargrundstücke feststellen, ob die [X.]eklagte [X.]augenehmigungen erteilt hat, die dazu führen, dass das Vorhaben der Klägerin nicht mehr als städtebauliche Verfestigung einer Splittersiedlung erscheint. Der Erfolg der Nichtzulassungsbeschwerde ist aber von der Genehmigungspraxis der [X.]eklagten nicht abhängig. Die Verfahrensrüge der mangelnden Erforschung des Sachverhalts ist nicht darauf gestützt, dass das Oberverwaltungsgericht nicht ermittelt hat, ob und in welchem Umfang die [X.]eklagte die Errichtung von [X.]auvorhaben auf den Nachbargrundstücken genehmigt hat. Weitere [X.], mit denen die Zulassung der Revision erreicht werden soll, sind nach Ablauf der Frist für die [X.]egründung der [X.]eschwerde ausgeschlossen.

Meta

4 B 45/10

10.11.2010

Bundesverwaltungsgericht 4. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend OVG Lüneburg, 5. August 2010, Az: 1 LB 50/10, Urteil

§ 35 Abs 3 S 1 Nr 7 BauGB

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 10.11.2010, Az. 4 B 45/10 (REWIS RS 2010, 1504)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 1504

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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