Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.08.2013, Az. 2 StR 128/13

2. Strafsenat | REWIS RS 2013, 3515

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Gegenstand

Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus: Schuldfähigkeit trotz der Diagnose einer Schizophrenie


Tenor

Auf die Revision des Beschuldigten wird das Urteil des [X.] vom 12. Dezember 2012 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des [X.] zurückverwiesen.

Gründe

1

Das [X.] hat angeordnet, den Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Revision des Beschuldigten hat mit der Sachrüge Erfolg.

2

1. Nach Überzeugung der sachverständig beratenen [X.] befand sich der Beschuldigte aufgrund einer zur Tatzeit akuten schizophrenen Psychose bei Begehung der verfahrensgegenständlichen Körperverletzungsdelikte in einem Zustand, in dem "nicht auszuschließen" sei, dass seine Steuerungsfähigkeit vollständig aufgehoben war (§ 20 StGB); "unter Berücksichtigung des Krankheitsbildes" hat das [X.] hingegen "gesichert" festgestellt, "dass der Beschuldigte in seiner Steuerungsfähigkeit erheblich vermindert gewesen sei (§ 21 StGB)" ([X.]). Infolge seines Zustands seien auch in Zukunft von dem Beschuldigten, der aufgrund seines "systematischen Wahns" ([X.]) keine Krankheitseinsicht zeige und jede medizinische Behandlung ablehne, "ähnlich gelagerte Gewaltdelikte" ([X.]) zu erwarten.

3

2. Die Voraussetzungen des § 63 StGB werden durch die Urteilsfeststellungen nicht hinreichend belegt.

4

Allein die Diagnose einer Schizophrenie führt für sich genommen nicht zur Feststellung einer generellen oder zumindest längere Zeiträume überdauernden gesicherten Beeinträchtigung bzw. Aufhebung der Schuldfähigkeit (vgl. auch Senatsbeschluss vom 29. Mai 2012 – 2 [X.], [X.], 306, 307 mwN). Erforderlich ist stets die konkretisierende Darlegung, in welcher Weise sich die festgestellte Störung bei Begehung der Taten auf die Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausgewirkt hat (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 [X.], [X.], 145, 146 mwN). Soweit der Sachverständige und ihm folgend die [X.] darauf abstellt, dass "insbesondere der paranoid-halluzinatorische Einschlag der Psychose des Beschuldigten für diesen den Zwang verursacht habe, sich im Rahmen seiner paranoiden Wahrnehmung zu wehren" ([X.]), ist eine Beeinträchtigung der Steuerungsfähigkeit nicht ausreichend klar dargelegt.

5

Bei akuten Schüben einer Schizophrenie ist in der Regel davon auszugehen, dass der Betroffene schuldunfähig ist, weil bereits die Einsichtsfähigkeit aufgehoben sein wird (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 [X.], [X.], 145, 146 mwN; [X.], StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 9a). Bei erhaltener Unrechtseinsicht kann zwar auch (allein) die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sein (vgl. etwa Senatsbeschluss vom 14. Juli 2010 – 2 [X.]). Die Frage der Steuerungsfähigkeit ist aber erst dann zu prüfen, wenn der Täter das Unrecht der Tat eingesehen hat oder einsehen konnte (vgl. [X.], Beschlüsse vom 28. August 2012 – 3 StR 304/12 und vom 9. September 1986 – 4 [X.], [X.]R StGB § 63 Schuldunfähigkeit 1). Psychische Störungen, bei denen sowohl die Einsichts- als auch die Steuerungsfähigkeit aufgehoben sind, stellen hingegen die Ausnahme dar (vgl. Senat, Urteil vom 18. Januar 2006 – 2 [X.], [X.], 167, 168). Das [X.] hat sich erkennbar nicht mit solchen Fallkonstellationen auseinandergesetzt.

6

Die Unterbringungsanordnung kann auch nicht auf die Prognose des [X.] gestützt werden, dass die erneute Hauptverhandlung keinesfalls volle Schuldfähigkeit ergeben und daher in jedem Falle wieder ein Ergebnis haben wird, das eine Unterbringung erfordert (vgl. [X.], Beschluss vom 19. Dezember 2012 – 4 [X.], aaO). Die Beurteilung der Schuldfähigkeit des Angeklagten als Grundlage für die Anordnung nach § 63 StGB bedarf daher insgesamt neuer Prüfung durch den Tatrichter.

7

3. Sollte gemäß § 416 Abs. 2 [X.] das Sicherungsverfahren in das Strafverfahren überzuleiten sein (zur Möglichkeit einer Überleitung nach Zurückverweisung der Sache durch das Revisionsgericht vgl. [X.], [X.], 56. Aufl., § 416 Rn. 5 mwN), wird auf § 358 Abs. 2 Satz 2 [X.] hingewiesen.

[X.]                    Appl                      Eschelbach

                 Ott                      Zeng

Meta

2 StR 128/13

13.08.2013

Bundesgerichtshof 2. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Gießen, 12. Dezember 2012, Az: 9 KLs 208 Js 16564/12

§ 20 StGB, § 21 StGB, § 63 StGB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 13.08.2013, Az. 2 StR 128/13 (REWIS RS 2013, 3515)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 3515

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