Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.11.2012, Az. 7 B 25/12

7. Senat | REWIS RS 2012, 1742

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Gegenstand

Abfallrechtliche Beseitigungsanordnung; Abgrenzung von Bundes- und Landesrecht; ordnungsgemäße Entsorgung; rechtswidrige Ablagerung von Abfällen


Gründe

I.

1

Die Klägerin, ein Entsorgungsfachbetrieb für das Lagern von Abfällen, ist zusätzlich Inhaberin einer Genehmigung zur Vermittlung von [X.] für Dritte gemäß § 50 Abs. 1 KrW-/[X.] (nunmehr § 53 KrWG). Die Beigeladene zu 4 hat in [X.] seit Ende der 1980-er Jahre Kies abgebaut; die Abbaugenehmigung war mit der Nebenbestimmung versehen, dass die Wiederverfüllung der Kiesgrube - soweit vorhandener Abraum nicht ausreicht - mit "nachweislich reinem Erdaushub" zu erfolgen hat. Die Beigeladenen zu 2 und 3 sowie die vom Beigeladenen zu 1 vertretene [X.] überließen der Klägerin als Siebsande bezeichnetes Material, das von deren Betriebshof in die "Deponie [X.]" verbracht wurde; die vom Beigeladenen zu 1 vertretene Entsorgungsfirma lieferte dieses [X.] zuletzt unmittelbar zur Deponie an.

2

Im Februar 2008 untersagte der Beklagte der Beigeladenen zu 4 die Annahme dieser Anlieferungen. Untersuchungen des abgelagerten Materials hatten ergeben, dass dieses neben geschredderten Siedlungsabfällen mit organischen Substanzen und mineralischen Bauschuttfraktionen auch Schaumstoffe und Plexiglas (in [X.]) enthielt. Wegen einer künftig zu befürchtenden Gefährdung des Grundwassers sei Handlungsbedarf zur Entfernung der abgelagerten Massen gegeben. Mit Bescheid vom 20. [X.]ktober 2009 verpflichtete der Beklagte die Klägerin, die in der Kiesgrube [X.] abgekippten Siedlungsabfälle zu entfernen, und drohte die Ersatzvornahme an, deren Kosten auf voraussichtlich 1,7 bis 3,5 Mio. € geschätzt wurden.

3

Das Verwaltungsgericht wies die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage ab. Das [X.]berverwaltungsgericht hat die hiergegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Zu Recht habe der Beklagte die angefochtene Verfügung - neben § 93 Abs. 4 des Landeswassergesetzes - auf § 17 Abs. 1 des Landesabfallwirtschaftsgesetzes gestützt, dessen Anwendung durch vorrangiges [X.]recht nicht ausgeschlossen sei. Auch begegne die Heranziehung der Klägerin in Hinblick auf weitere für die rechtswidrigen Ablagerungen Verantwortliche und das insoweit betätigte [X.] keinen rechtlichen Bedenken.

4

Das [X.]berverwaltungsgericht hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Klägerin.

II.

5

Die Beschwerde ist unbegründet. Die geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

6

1. Die Rechtssache weist keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwG[X.] auf.

7

Das folgt allerdings nicht bereits daraus, dass die aufgeworfenen Fragen sich auf die Auslegung des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes beziehen, das mittlerweise durch Art. 6 Abs. 1 des [X.] vom 24. Februar 2012 ([X.]) außer [X.] getreten und durch das Gesetz zur Förderung der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Bewirtschaftung von Abfällen (Kreislaufwirtschaftsgesetz - KrWG) abgelöst worden ist. Denn Rechtsfragen zu ausgelaufenem Recht können die Zulassung einer Revision ausnahmsweise dann rechtfertigen, wenn sich bei einer gesetzlichen Bestimmung, die der außer [X.] getretenen nachgefolgt ist, die streitigen Fragen in gleicher Weise stellen (vgl. Beschluss vom 8. August 2012 - BVerwG 7 [X.] - m.w.[X.] juris). Das ist hier der Fall, da § 21 KrW-/[X.] (i.V.m. §§ 4 bis 20 KrW-/[X.]) mit der an dessen Stelle getretenen Bestimmung des § 62 KrWG (i.V.m. §§ 6 bis 22 KrWG) im Wesentlichen übereinstimmt.

8

Die Revision kann gleichwohl nicht zugelassen werden, denn die Fragen,

ob [X.] eine auf Landesrecht gestützte Beseitigungsverfügung gegen [X.] einer rechtswidrigen Abfallablagerung ausschließt und

ob [X.] eine geschlossene, abschließende und vorrangige Regelung der Verantwortlichkeiten der Abfallerzeuger und -besitzer enthält mit der Folge, dass eine behördliche Inanspruchnahme von [X.]n nicht auf die landesrechtlichen Grundsätze der allgemeinen polizei- und ordnungsrechtlichen Störerhaftung gestützt werden kann,

lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, anhand des Gesetzes und der einschlägigen Rechtsprechung zum Abfallrecht beantworten, ohne dass es der Durchführung eines Revisionsverfahrens bedarf. Die Vorinstanz hat zu Recht die Auffassung vertreten, dass [X.]recht mit der Bestimmung des § 21 KrW-/[X.] (nunmehr § 62 KrWG) einer Anwendung der landesrechtlichen Regelung in § 17 Abs. 1 (i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 3) des Landesabfallwirtschaftsgesetzes (LAbfWG) als Ermächtigungsgrundlage für Einzelfallanordnungen zur Gefahrenabwehr bei einer rechtswidrigen Ablagerung von Abfällen nicht im Wege steht.

9

Die erste Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen, wenn man sie so verstehen wollte, dass sie sich auf eine Verfügung bezieht, mit der eine Beseitigung des Abfalls im Sinne von § 3 Abs. 7 KrW-/[X.] (§ 3 Abs. 26 KrWG) aufgegeben wird. Denn eine solche Anordnung hat der Beklagte ausweislich des klaren Wortlauts und auch der Begründung des Bescheids gerade nicht erlassen. Auf Landesrecht gestützt könnte eine derartige Beseitigungsanordnung im Übrigen auch nicht ergehen; denn insoweit hat der [X.]gesetzgeber von seiner konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit nach Art. 74 Abs. 1 Nr. 24 GG abschließend Gebracht gemacht. Bezieht man die Frage dagegen, wie nach dem Inhalt der angefochtenen Verfügung geboten, nur auf die Entfernung der Abfälle aus dem [X.], zielen beide Fragestellungen der Beschwerde darauf, ob vorrangiges [X.] einer Inanspruchnahme von Personen entgegensteht, die an der rechtwidrigen Ablagerung von Abfällen beteiligt waren.

a) Der erkennende Senat hat in diesem Zusammenhang zur Abgrenzung von [X.]- und Landesrecht wiederholt entschieden, dass landesrechtliche Ermächtigungsgrundlagen zum Vollzug des Abfallrechts unbedenklich sind, solange sie die in § 3 [X.] getroffene bundesrechtliche Regelung der Beseitigungspflicht respektieren. Der Kreis der zur Abfallentsorgung Verpflichteten wird mit dieser Regelung abschließend festgelegt und kann durch landesrechtliche Regelungen nicht erweitert werden (Urteil vom 18. [X.]ktober 1991 - BVerwG 7 C 2.91 - BVerwGE 89, 138, juris Rn. 15 = [X.] 451.22 [X.] Nr. 43, vgl. auch Urteil vom 19. Januar 1989 - BVerwG 7 C 82.87 - [X.] 451.22 [X.] Nr. 31 m.w.[X.], juris Rn. 11). Dies gilt gleichermaßen auch für die durch das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz geschaffene Regelung der Abfallentsorgung. Diese übernimmt die bereits zuvor normierte Aufgabenverteilung zur Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Abfallbeseitigung. Gemäß § 15 KrW-/[X.] (§ 20 KrWG) verbleibt es bei der grundsätzlichen Zuständigkeit der entsorgungspflichtigen Körperschaft für Abfälle aus privaten Haushaltungen und für Beseitigungsabfälle aus anderen Herkunftsbereichen mit den entsprechenden Überlassungspflichten für die Erzeuger und Besitzer von Abfällen nach § 13 Abs. 1 KrW-/[X.] (§ 17 Abs. 1 KrWG). Wiederum umfasst die Abfallentsorgung die Verwertung und Beseitigung der Abfälle. Dabei besteht der Vorrang des bundesrechtlich geregelten [X.] nur insoweit, als Maßnahmen aus Gründen gerade der ordnungsgemäße Entsorgung von Abfällen ergriffen werden sollen.

Ist Anknüpfungspunkt behördlichen Handelns nicht in erster Linie das Gebot der umweltgerechten Entsorgung von Abfällen, sondern geht es um die Bekämpfung konkreter durch die rechtswidrige Ablagerung von Abfällen [X.] Gefahren, so richten sich Maßnahmen und die Verantwortlichkeit (im Sinne einer Störerhaftung) nach dem [X.] (Urteil vom 18. [X.]ktober 1991 a.a.[X.] Rn. 16), hier in seiner Ausgestaltung durch die Eingriffsbefugnis nach § 17 Abs. 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 3 L[X.]. In diesem Kontext kann auch eine Person, die keinen Besitz am Abfall hat, in die Position eines Abfallbesitzers und die damit verbundene [X.] gewissermaßen hineingezwungen werden (Beschluss vom 30. [X.]ktober 1987 - BVerwG 7 C 87.86 - [X.] 451.22 [X.] Nr. 24, juris Rn. 3); erst hieran anschließend stellen sich Fragen der weiteren Abfallentsorgung (Urteil vom 19. Januar 1989 a.a.[X.] Rn. 11 a.E.). Ebenso wenig wie vorangegangenes [X.] regelt das Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz eine dieser Besitzinhaberschaft vorausgehende Abwehr von Gefahren durch unzulässige Abfallablagerungen.

b) Die für die Inanspruchnahme [X.]r auf der Grundlage von Landesordnungsrecht zur Gefahrenabwehr einschlägigen Sachverhalte sind im Wesentlichen folgende (siehe Beschluss vom 30. [X.]ktober 1987 a.a.[X.] Rn. 3): Ein entsorgungspflichtiger Erzeuger oder Besitzer von Abfällen entledigt sich seiner Verpflichtung dadurch, dass er diese in rechtswidriger Weise außerhalb einer hierfür zugelassenen Anlage oder Deponie lagert oder ablagert und den Besitz aufgibt, ohne dass neuer Besitz an diesen Sachen begründet wird. Daneben werden diejenigen Fälle erfasst, in denen jemand Abfälle dadurch dem abfallrechtlichen Regime entzieht, dass er ihnen die Eigenschaft von beweglichen Sachen nimmt. Schließlich kann einer Person, die nicht Besitzer der Abfälle gewesen ist, aufgrund vorausgegangenen Tuns aufgegeben werden, Besitz an Abfällen zu begründen. Von letzterem ist ersichtlich auch das [X.]berverwaltungsgericht ausgegangen; es hat sich deshalb nicht zu der Frage verhalten müssen, ob und in welchem Umfang die Klägerin vor Ablagerung der Abfälle bereits Besitz hieran begründet hatte.

2. Ebenfalls nicht durchzugreifen vermag die Beschwerde mit der Rüge der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwG[X.]) des angefochtenen Urteils zu den drei genannten Entscheidungen des [X.].

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann gegeben, wenn die Vorinstanz einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt hat, der einem in der Rechtsprechung des [X.], des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des [X.] oder des [X.]verfassungsgerichts aufgestellten und deren Entscheidung tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widerspricht (Beschlüsse vom 21. Juni 1995 - BVerwG 8 [X.] - [X.] 310 § 133 VwG[X.] Nr. 18 und vom 13. Juli 1999 - BVerwG 8 B 166.99 - [X.] 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwG[X.] Nr. 9). § 133 Abs. 3 Satz 3 VwG[X.] verlangt zudem, dass die behauptete Divergenz nicht nur durch die Angabe der höchstrichterlichen Entscheidung, von der abgewichen sein soll, sondern auch durch Gegenüberstellung der miteinander unvereinbaren Rechtssätze dargelegt wird. Hieran lässt es die Beschwerde fehlen. Weder wird erkennbar, welchen Rechtssatz die Beschwerde den zitierten Entscheidungen des [X.] entnehmen will, noch welchen dem entgegenstehenden Rechtssatz das [X.]berverwaltungsgericht aufgestellt haben soll. Die Beschwerde beanstandet vielmehr, dass die Vorinstanz Rechtssätze im Einzelfall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die rechtlichen Folgerungen gezogen hat, die sie für geboten hält. Das erfüllt nicht den Tatbestand des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwG[X.] (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - [X.] 310 § 133 VwG[X.] Nr. 26 S. 14).

Im Übrigen hat das [X.]berverwaltungsgericht die in der Rechtsprechung des [X.] aufgestellten Rechtssätze beachtet. Denn die behördliche Verfügung knüpft an eine vorgelagerte, die Handlungsstörereigenschaft begründende Tätigkeit der Klägerin an - nämlich die auf ihre Veranlassung erfolgte Ablagerung der Abfälle in der Kiesgrube - mit dem Ziel, diese von dort zu entfernen und später einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen ([X.]).

Meta

7 B 25/12

05.11.2012

Bundesverwaltungsgericht 7. Senat

Beschluss

Sachgebiet: B

vorgehend Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz, 26. Januar 2012, Az: 8 A 11081/11, Urteil

§ 3 AbfG, § 20 KrWG, § 17 Abs 1 KrWG, § 62 KrWG, § 13 Abs 1 KrW-/AbfG, § 15 KrW-/AbfG, § 3 Abs 7 KrW-/AbfG, § 21 KrW-/AbfG, § 17 Abs 1 Abf/AltLastG RP, § 28 Abs 1 S 3 Abf/AltLastG RP

Zitier­vorschlag: Bundesverwaltungsgericht, Beschluss vom 05.11.2012, Az. 7 B 25/12 (REWIS RS 2012, 1742)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 1742

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Referenzen
Wird zitiert von

20 CS 16.2404

M 17 S 16.3964, M 17 K 16.3962

M 17 S 15.557

W 4 S 20.377

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