Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2011, Az. IX ZR 133/10

9. Zivilsenat | REWIS RS 2011, 6715

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Gegenstand

Insolvenzverfahren: Erfüllungswirkung von Leistungen eines Drittschuldners an den Insolvenzverwalter nach Verfahrensaufhebung


Leitsatz

Zahlungen des Drittschuldners auf ein nach Verfahrensaufhebung fortbestehendes Anderkonto des vormaligen Insolvenzverwalters haben keine schuldbefreiende Wirkung, wenn der Schuldner dem Insolvenzverwalter keine Einziehungsermächtigung erteilt hat .

Tenor

Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des [X.] vom 7. Juli 2010 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

1

Der beklagte Rechtsanwalt war Verwalter in dem am 28. Dezember 2004 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der [X.] (fortan: Schuldnerin), das nach rechtskräftiger Bestätigung eines Insolvenzplans am 1. Februar 2006 durch das Insolvenzgericht aufgehoben wurde. Eine Drittschuldnerin überwies nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf offene Forderungen der Schuldnerin aus laufender Geschäftsbeziehung insgesamt 28.364,96 € auf das [X.] des Beklagten. In der Folgezeit zahlte der Beklagte vom [X.] 15.000 € an die Schuldnerin aus und vereinnahmte 18.777 € für sich als Insolvenzverwaltervergütung.

2

Am 1. Juni 2006 eröffnete das Insolvenzgericht auf Antrag der Schuldnerin erneut das Insolvenzverfahren über ihr Vermögen und bestellte Rechtsanwalt [X.] zum Insolvenzverwalter. Dieser verlangte vom Beklagten - soweit im Revisionsverfahren noch von Interesse - Zahlung der 28.364,96 €. Daraufhin überwies ihm der Beklagte vom [X.] 3.182,97 € und stellte dieses dadurch auf Null.

3

Rechtsanwalt [X.] ließ sich von der Drittschuldnerin deren Forderungen gegen den Beklagten, insbesondere aus Bereicherungsrecht, abtreten und hat ihn auf Zahlung von 28.364,96 € abzüglich 3.182,97 € verklagt. Das [X.] hat die Klage abgewiesen. Seine Berufung, mit der er nur noch die Zahlung von 10.181,99 € (28.364,96 € - 3.182,97 € - 15.000 €) aus abgetretenem Recht nebst Zinsen begehrt hat, hatte Erfolg. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Beklagte weiterhin die vollständige Klageabweisung.

4

Nach Einlegung der Revision ist Rechtsanwalt [X.] als Insolvenzverwalter entlassen und Rechtsanwalt [X.] (fortan für beide Insolvenzverwalter: Kläger) als Insolvenzverwalter bestellt worden; dieser setzt den Prozess fort.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision hat keinen Erfolg.

I.

6

Mit dem Verwalterwechsel im laufenden Revisionsverfahren trat in entsprechender Anwendung der §§ 241, 246 ZPO ein gesetzlicher Parteiwechsel ein. Dies führte nicht zu einer Unterbrechung des Rechtsstreits, weil der zunächst als Kläger auftretende Insolvenzverwalter anwaltlich vertreten war. Der neue Insolvenzverwalter hat auch nicht beantragt, die Aussetzung des Verfahrens anzuordnen (vgl. [X.], [X.], 13. Aufl., § 80 Rn. 138; Nerlich/[X.]/[X.], [X.], § 80 Rn. 52; MünchKomm-[X.]/[X.]/[X.], 2. Aufl., § 80 Rn. 97; Jaeger/Windel, [X.], § 80 Rn. 209).

II.

7

1. Das [X.] hat ausgeführt: Der Kläger habe gegen den [X.]n aus abgetretenem Recht der Drittschuldnerin einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB; denn diese habe an den [X.]n als Nichtberechtigten auf die Ansprüche der Schuldnerin gegen sie geleistet, ohne von den Forderungen frei geworden zu sein. Für die maßgebende [X.] nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens sei weder eine Anweisung der Schuldnerin an die Drittschuldnerin, an den [X.]n zu zahlen, noch eine dem [X.]n erteilte Einzugsermächtigung nachvollziehbar behauptet worden. In der Erhebung der vorliegenden Klage sei eine Genehmigung der Forderungseinziehung schon deshalb nicht zu sehen, weil der Kläger eine solche Genehmigung ausdrücklich ausgeschlossen habe. Der [X.] habe dem Konto am 10. März 2006 die Insolvenzverwaltervergütung in einer die Klageforderung übersteigende Höhe entnommen. In dieser Höhe könne er sich nicht auf Entreicherung berufen.

8

2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand. Auf Grundlage der für den [X.] gemäß § 559 Abs. 1 ZPO bindenden tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger gegen den [X.]n einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB (Leistungskondiktion).

9

a) Die Drittschuldnerin hat durch die Überweisung auf das [X.] des [X.]n an diesen und nicht an die Schuldnerin oder die Masse geleistet. Der [X.] war [X.] des von ihm eingerichteten [X.]. Anderkonten sind offene Vollrechtstreuhandkonten, aus denen ausschließlich der das Konto eröffnende Rechtsanwalt persönlich der Bank gegenüber berechtigt und verpflichtet ist ([X.], Urteil vom 18. Dezember 2008 - [X.], [X.], 562 Rn. 7). Auf das von einem Rechtsanwalt als Insolvenzverwalter eingerichtete [X.] eingehende Gelder gehören nicht zur Insolvenzmasse im Sinne des § 35 [X.]. Nach § 35 [X.] erfasst das Insolvenzverfahren das gesamte Vermögen, das dem Schuldner zur [X.] der Eröffnung des Verfahrens gehört und das er während des Verfahrens erlangt. Zahlungen, die auf dem [X.] eingehen, fallen deswegen weder in die Masse noch in das [X.] ([X.], aaO Rn. 8 bis 10 mwN).

Da die auf dem [X.] des [X.]n während des laufenden Insolvenzverfahrens eingehenden Gelder nicht in die Masse oder das [X.] fielen, sondern [X.] allein der [X.] selbst war, wurde weder die Masse noch die Schuldnerin bereichert, sondern allein der [X.] als Kontoinhaber. Das gilt im Streitfall umso mehr für die Zahlungen der Drittschuldnerin, die erst erfolgten, als das Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger [X.] gemäß § 258 Abs. 1 [X.] aufgehoben war. Die Aufhebung hatte nach § 259 Abs. 1 [X.] zur Folge, dass das Amt des Insolvenzverwalters erlosch und die Schuldnerin das Recht zurückerhielt, über die Insolvenzmasse frei zu verfügen. Mit der Wiedererlangung der Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis endete zugleich der [X.] (vgl. MünchKomm-[X.]/[X.], 2. Auflage 2008, § 259, Rn. 11, 13, 14).

Selbst wenn, wie der [X.] in den Tatsacheninstanzen behauptet hat, er mit der Schuldnerin vereinbart haben sollte, das Insolvenz-[X.] auch nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens als Rechtsanwalts-[X.] weiterzuführen, die Schuldnerin mithin damit einverstanden war, dass das [X.] bis zur Endabrechnung weiterhin bestehen bleiben sollte, ändert sich an seiner Passivlegitimation nichts. Auch dann wäre er allein Kontoinhaber und um die Zahlungen der Drittschuldnerin bereichert.

b) Rechtlich durchgreifende Bedenken bestehen auch nicht gegen die Annahme des Berufungsgerichts, die Drittschuldnerin sei durch die Zahlung an den [X.]n nicht von ihrer Schuld gegenüber der Schuldnerin frei geworden, sie habe mithin ohne Rechtsgrund an den [X.]n geleistet. Die Drittschuldnerin wäre nur dann frei geworden, wenn die Schuldnerin sie vor der Zahlung angewiesen hätte, das Geld auf das [X.] des [X.]n zu überweisen (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB), die Schuldnerin die Zahlung nachträglich genehmigt (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 2 BGB) oder sie den [X.]n ermächtigt hätte, die Forderung einzuziehen, oder die Drittschuldnerin gutgläubig in Unkenntnis von der Aufhebung des Insolvenzverfahrens an den [X.]n geleistet hätte. Keiner dieser Fälle liegt hier vor.

aa) Auf der Grundlage des angefochtenen Urteils ergeben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Drittschuldnerin in analoger Anwendung des § 82 [X.] ([X.], Beschluss vom 15. Juli 2010 - [X.] 229/07, [X.], 1610 Rn. 8 [X.] in [X.]Z 186, 223; vom 16. Dezember 2010 - [X.], [X.], 104 Rn. 6) von ihrer Leistungspflicht gegenüber der Schuldnerin frei geworden wäre, weil sie gutgläubig in Unkenntnis der Verfahrensaufhebung an den nicht mehr empfangsberechtigten [X.]n die Leistung erbracht hätte. [X.] hat der [X.] in diesem Zusammenhang nicht erhoben. Ebenso wenig ist er der Feststellung des Berufungsgericht entgegengetreten, die Schuldnerin habe die Drittschuldnerin nicht angewiesen, an den [X.]n zu zahlen (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 1 BGB), oder habe die Zahlung nicht nachträglich gegenüber der Drittschuldnerin genehmigt (§ 362 Abs. 2, § 185 Abs. 2 BGB). Ferner hat der [X.] die Feststellung des Berufungsgerichts unbeanstandet gelassen, in der Erhebung der Zahlungsklage gegen ihn liege keine Genehmigung der Zahlung, weil der Kläger dies ausdrücklich ausgeschlossen habe.

bb) [X.] bindend ist auch die Feststellung des Berufungsgerichts, die Schuldnerin habe den [X.]n nicht zur Entgegennahme des Geldes ermächtigt, weil der [X.] für die maßgebende [X.] nach der Aufhebung des Insolvenzverfahrens keine Vereinbarung zwischen Schuldnerin und [X.]n nachvollziehbar behauptet habe. Die in diesem Zusammenhang vom [X.]n erhobenen Revisionsrügen haben keinen Erfolg. Der [X.] trägt keinen Sachverhalt vor, der eine Einziehungsermächtigung begründen könnte. Er verkennt, dass aus Vereinbarungen, die sich auf die Verwendung des bei Aufhebung des Insolvenzverfahrens bestehenden Kontoguthabens beziehen, nicht notwendig auf die Einräumung einer Einziehungsermächtigung geschlossen werden kann.

Allerdings steht zwischen den Parteien im Streit, ob von dem [X.] nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens Verbindlichkeiten der Schuldnerin beglichen werden sollten. Aber weder aus einer vor oder nach Insolvenzaufhebung getroffenen Vereinbarung des [X.]n mit der Schuldnerin über den Weiterbestand des [X.], noch aus einer Vereinbarung darüber, dass von diesem Konto Alt- und/oder Neuverbindlichkeiten der Schuldnerin beglichen werden sollten oder der [X.] unter bestimmten Voraussetzungen seine Insolvenzverwaltervergütung dem [X.] entnehmen durfte, ergibt sich mittelbar die Ermächtigung des [X.]n, eingehende Gelder der Drittschuldnerin für die Schuldnerin entgegenzunehmen. Nur wenn der [X.] mit der Schuldnerin vereinbart hätte, dass über das [X.] weiterhin die Alt- oder Neuforderungen der Schuldnerin eingezogen werden sollten, läge darin zugleich die Ermächtigung zur Entgegennahme dieser Gelder. Eine solche Vereinbarung eines [X.] über das [X.] hätte auch konkludent getroffen werden können, etwa dadurch, dass der [X.] mit der Schuldnerin gerade die Verwendung der auf dem [X.] eingegangenen oder aber zukünftig eingehenden Gelder der Drittschuldnerin geregelt hätte. Eine ausdrückliche Absprache zwischen dem [X.]n und der Schuldnerin wird mit den Verfahrensrügen aber ebenso wenig geltend gemacht wie die Kenntnis des [X.]n und der Schuldnerin von der Überweisung der Drittschuldnerin.

c) [X.] ist schließlich die Würdigung des [X.]s, dass der [X.] nicht entreichert sei, § 818 Abs. 3 BGB. Wer sich wie der [X.] auf den Wegfall der Bereicherung beruft, trägt die Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich der den Wegfall der Bereicherung begründenden Umstände ([X.], Urteil vom 17. Januar 2003 - [X.], NJW 2003, 3271). Ein entsprechender Vortrag des [X.]n fehlt, der seine Entreicherung allein in dem Umstand sieht, dass auf dem [X.] kein Guthaben mehr vorhanden ist. Der [X.] hat aus dem von der Drittschuldnerin veranlassten Zahlungseingang mehr als den streitgegenständlichen Betrag für sich als Vergütung abgebucht und in sein - treuhandfreies - Vermögen überführt; in Höhe der Klageforderung ist er deswegen noch bereichert. Denn sein Vermögen hat sich vom [X.]punkt der Überweisung des Geldes durch die Drittschuldnerin auf sein [X.] bis zur Rechtshängigkeit der vorliegenden Klage nicht geändert; durch die Abbuchung des Geldes vom [X.] hat er es nur umgeschichtet. Er trägt nicht vor, das Geld im Vertrauen auf das Bestehen eines Rechtsgrundes für sonst nicht getätigte Luxusausgaben verbraucht zu haben.

Der [X.] kann dem an den Kläger abgetretenen Bereicherungsanspruch der Drittschuldnerin nicht entgegenhalten, mit der Schuldnerin vereinbart zu haben, die Vergütung dem [X.] entnehmen zu dürfen. Eine solche Vereinbarung führt im Verhältnis zur Drittschuldnerin nicht zu seiner Entreicherung. Eine Verrechnungsvereinbarung mit der Schuldnerin kann der [X.] nicht getroffen haben, weil die Drittschuldnerin ihren Bereicherungsanspruch erst nach Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens an den Kläger abgetreten hat.

Kayser                       Vill                       Lohmann

                Pape                      Möhring

Meta

IX ZR 133/10

12.05.2011

Bundesgerichtshof 9. Zivilsenat

Urteil

Sachgebiet: ZR

vorgehend OLG Frankfurt, 7. Juli 2010, Az: 1 U 134/09, Urteil

§ 362 BGB, § 812 Abs 1 S 1 Alt 1 BGB, § 259 Abs 1 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Urteil vom 12.05.2011, Az. IX ZR 133/10 (REWIS RS 2011, 6715)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2011, 6715

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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