Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2022, Az. XII ZB 493/21

12. Zivilsenat | REWIS RS 2022, 6581

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Gegenstand

Antrag auf Fixierungsgenehmigung durch Betreuer bei drohenden Selbstverletzungen des Betreuten


Leitsatz

Die Feststellung nach § 62 FamFG kann nicht von einem Betreuer im eigenen Namen, sondern grundsätzlich nur von demjenigen persönlich verfolgt werden, der durch die erledigte Maßnahme in seinen Rechten verletzt worden ist (im Anschluss an BGH, Beschluss vom 16. Januar 2019 - XII ZB 429/18, FamRZ 2019, 555).

Tenor

Die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des [X.] vom 1. Oktober 2021 wird verworfen.

Das Rechtsbeschwerdeverfahren ist gerichtskostenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe

I.

1

Die Betreuerin (Beteiligte zu 1) wendet sich gegen die Aufhebung der Genehmigung einer freiheitsentziehenden Maßnahme.

2

Die 35 Jahre alte Betroffene leidet an einer schweren Intelligenzminderung, infolge derer sie sich erhebliche Selbstverletzungen zufügt. Nachdem diese mittels anderer Maßnahmen wie Bauchgurt nicht verhindert werden konnten, genehmigte das Amtsgericht auf Antrag der Betreuerin eine [X.] der Betroffenen „in Zeiten besonderer Erregung“, zuletzt bis zum 28. November 2021.

3

Mit Beschluss vom 29. Juli 2021 hat das Amtsgericht die zuletzt erteilte Genehmigung aufgehoben. Das [X.] hat die von der Beteiligten zu 2 (Verfahrenspflegerin) eingelegte Beschwerde verworfen und die Beschwerden der Betreuerin und der Beteiligten zu 3 (Betreuungsbehörde) zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die zugelassene Rechtsbeschwerde der Betreuerin, mit der sie weiterhin die Genehmigung einer [X.] der Betroffenen und hilfsweise - nachdem der Befristungszeitraum für die ursprüngliche Fixierungsgenehmigung nach Einlegung der Rechtsbeschwerde abgelaufen ist - die Feststellung einer Rechtsverletzung durch die die Genehmigung aufhebenden Beschlüsse des Amtsgerichts und des [X.]s begehrt.

II.

4

Die von der Betreuerin im eigenen Namen eingelegte Rechtsbeschwerde ist unzulässig.

5

1. Soweit die Rechtsbeschwerde mit ihrem Hauptantrag die erneute Genehmigung einer [X.] verfolgt, handelt es sich um keinen zulässigen Anfechtungsgegenstand. Das Beschwerdegericht hat nur über die Beschwerden gegen den amtsgerichtlichen Beschluss vom 29. Juli 2021 entschieden, mit dem die zuvor erteilte Genehmigung aufgehoben worden war. Eine Entscheidung über eine erneute Genehmigung einer Fixierung ist dem Beschwerdegericht nicht angefallen. Der Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens darf jedoch notwendigerweise keine andere Angelegenheit betreffen als diejenige, die Gegenstand der angefochtenen Entscheidung gewesen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Juni 2021 - [X.]/21 - FamRZ 2021, 1661 Rn. 6 mwN).

6

2. Ebenso ist der auf Feststellung einer Rechtsverletzung (§ 62 FamFG) zielende Hilfsantrag unzulässig.

7

a) Zwar hat sich die angefochtene Entscheidung in der Hauptsache erledigt. Eine Erledigung in einem Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit tritt dann ein, wenn nach Einleitung des Verfahrens der Verfahrensgegenstand durch ein Ereignis, welches eine Veränderung der Sach- und Rechtslage herbeiführt, weggefallen ist, so dass die Weiterführung des Verfahrens keinen Sinn mehr hätte (Senatsbeschluss vom 7. August 2019 - [X.]/19 - FamRZ 2019, 1816 Rn. 8 mwN), etwa weil die gerichtliche Entscheidung aufgrund der veränderten Umstände keine Wirkung mehr entfalten könnte ([X.] FamFG/[X.] [Stand: 1. Oktober 2022] § 62 Rn. 1; [X.]/Feskorn ZPO 34. Aufl. § 62 FamFG Rn. 3). So liegen die Dinge hier. Nach Einlegung der Rechtsbeschwerde am 22. Oktober 2021 ist der Zeitraum, für den die [X.] ursprünglich genehmigt worden war, abgelaufen. Die Weiterführung des Verfahrens hätte daher keinen Sinn mehr, weil ein Wiederinkrafttreten der Fixierungsgenehmigung nicht mehr durch die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses erreicht werden kann. Deshalb ist insoweit das Rechtsschutzbedürfnis entfallen (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Juni 2011 - [X.] 245/10 - FamRZ 2011, 1390 Rn. 9).

8

b) Die Feststellung einer Rechtsverletzung wegen unterlassener staatlicher Schutzpflichten kann aber nicht von dem Betreuer im eigenen Namen, sondern - vom Sonderfall des § 62 Abs. 3 FamFG (Rechtsmittel von Verfahrensbeistand oder Verfahrenspfleger) abgesehen - jeweils nur von demjenigen persönlich verfolgt werden, der durch die Entscheidung in seinen Rechten verletzt worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 16. Januar 2019 - [X.] 429/18 - FamRZ 2019, 555 Rn. 10 f. mwN; vom 22. März 2017 - [X.] 460/16 - FamRZ 2017, 1069 Rn. 3; vom 20. August 2014 - [X.] 205/14 - FamRZ 2014, 1916 Rn. 6 f.; vom 13. November 2013 - [X.] 681/12 - FamRZ 2014, 108 Rn. 4 f.; vom 24. Oktober 2012 - [X.] 404/12 - FamRZ 2013, 29 Rn. 6 ff. und vom 15. Februar 2012 - [X.] 389/11 - FamRZ 2012, 619 Rn. 12 f.). An einem eigenen Feststellungsantrag der Betroffenen fehlt es hier jedoch.

[X.]     

      

Schilling     

      

Günter

      

Nedden-Boeger     

      

Botur     

      

Meta

XII ZB 493/21

19.10.2022

Bundesgerichtshof 12. Zivilsenat

Beschluss

Sachgebiet: ZB

vorgehend LG Leipzig, 1. Oktober 2021, Az: 1 T 432/21

§ 62 FamFG

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 19.10.2022, Az. XII ZB 493/21 (REWIS RS 2022, 6581)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 6581 MDR 2023, 119

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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