Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.02.2015, Az. VII R 28/14

7. Senat | REWIS RS 2015, 15118

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Gegenstand

(Im Wesentlichen inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 24.02.2015 VII R 27/14 - Zur Anrechnung oder Aufrechnung nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens an das FA geleisteter Zahlungen auf Insolvenzforderungen des FA)


Tenor

Die Revision des Finanzamts gegen das Urteil des [X.] vom 7. Mai 2014  9 K 2072/13 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

1

I. Mit Beschluss des [X.]mtsgerichts vom 12. Februar 2007 ist das Insolvenzverfahren über das Vermögen des [X.] eröffnet und --nach [X.]bberufung des zwischenzeitlich bestellten Rechtsanwalts B-- der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) zum Insolvenzverwalter bestellt worden.

2

Für den weiterhin selbstständig tätigen Insolvenzschuldner [X.] wurden in 2007 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens [X.] geleistet, davon für das [X.] am 7. März 2007  7.360,72 € Einkommensteuer (ESt) und 386,96 € Solidaritätszuschlag ([X.]). [X.]m 30. Oktober 2008 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --F[X.]--) einen an den Insolvenzverwalter adressierten Einkommensteuerbescheid 2007. Darin wurden Einkünfte aus selbstständiger [X.]rbeit des [X.] in Höhe von 132.560 € zu Grunde gelegt, ESt in Höhe von 41.711 € nebst [X.] in Höhe von 2.180,25 € festgesetzt und im [X.]brechnungsteil (u.a.) die gesamten [X.] für das [X.] in Höhe von 32.570,72 € auf die ESt und in Höhe von 1.673,96 € auf den [X.] abgezogen. Der dagegen eingelegte Einspruch wurde zurückgenommen und der Erlass eines [X.]brechnungsbescheids beantragt.

3

[X.]us dem [X.]brechnungsbescheid vom 23. Februar 2009, auf den im Einzelnen Bezug genommen wird, ergibt sich:

ESt     

[X.]   

Jahreseinkommensteuer

41.711,00 €

2.180,25 €

[X.]nrechenbare Quellensteuern:

                 

Kapitalertragsteuer

17,00 €

3,76 €

Zinsabschlagsteuer

53,00 €

0,00 €

[X.]nrechenbare Vorauszahlungen

32.570,72 €

1.673,96 €

Verbleibende einheitliche Steuerschuld

9.070,72 €

502,53 €

4

Im Einspruchsverfahren teilte das F[X.] die Gesamteinkünfte auf die [X.] vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens (71.326 € = 53,81 %) und nach Eröffnung (61.234 € = 46,19 %) auf, sowie dem entsprechend die festgesetzten Jahresabgaben. Danach ergab sich folgende Berechnung
zur ESt:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

41.641,00 €

22.402,85 €

19.238,15 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

0,00 €

32.570,72 €

Zwischensumme

9.070,28 €

22.402,85 €

-13.332,57 €

[X.]usgleich

0,00 €

-13.332,57 €

+13.332,57 €

Ergebnis

9.070,28 €

9.070,28 €

0,00 €

[X.]nmeldung zur Tabelle somit 9.070,28 €

und zum [X.]:

        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

Einkünfte

132.560,00 €

71.326,00 €

61.234,00 €

Steuer

2.176,49 €

1.170,95 €

1.005,54 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

0,00 €

1.673,96 €

Zwischensumme

502,53 €

1.170,95 €

-668,42 €

[X.]usgleich

0,00 €

-668,42 €

+668,42 €

Ergebnis

502,53 €

502,53 €

0,00 €

[X.]nmeldung zur Tabelle somit 502,53 €.

5

Die festzusetzende Steuer sei den insolvenzrechtlichen [X.]n im Verhältnis der Einkünfte aus den unterschiedlichen [X.]n zu der Summe der Einkünfte zuzuordnen. Vorauszahlungen und Steueranrechnungsbeträge würden bei dem insolvenzrechtlichen [X.] berücksichtigt, aus dem sie geleistet worden seien. [X.] entstünden im [X.]punkt der Entrichtung der Vorauszahlungen bzw. des Einbehalts der [X.] unter der aufschiebenden Bedingung, dass am Ende des Veranlagungszeitraums die geschuldete Steuer geringer sei als die Summe aus geleisteten Vorauszahlungen und [X.]n. Die sich für den Bereich Insolvenzmasse ergebende Erstattung werde mit den sich ergebenden [X.] verrechnet, wobei die Verrechnung zuerst mit der Insolvenzforderung erfolge.

6

[X.]uf die dagegen erhobene Klage, die der Kläger zusammengefasst damit begründete, dass die nach Insolvenzeröffnung gezahlten [X.] wegen des [X.]ufrechnungsverbots des § 96 [X.]bs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung ([X.]) ausschließlich mit nach Insolvenzeröffnung entstandenen Einkünften zu verrechnen seien, hat das Finanzgericht ([X.]) unter Änderung des [X.]brechnungsbescheids dem Kläger einen Erstattungsanspruch in Höhe von 5.943,69 € ESt 2007 und in Höhe von 279,94 € [X.] 2007 zugesprochen und im Übrigen die Klage abgewiesen. Bei der Verrechnung der Vorauszahlungen sei zu berücksichtigen, ob sie vor der Insolvenzeröffnung entstanden seien und damit zu den Insolvenzforderungen gehörten oder nach Insolvenzeröffnung mit der Folge, dass sie zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Die nach Insolvenzeröffnung entstandenen Vorauszahlungen zählten zu den Masseverbindlichkeiten. Da maßgeblich für die Entstehung der Vorauszahlungen jeweils der Beginn des Quartals sei, zähle die Vorauszahlung des [X.]s, die am 1. Januar entstanden sei, zu den Insolvenzforderungen, während die späteren Zahlungen zu den Masseverbindlichkeiten zu rechnen seien. Demgemäß berechne sich die Erstattung:

7

ESt     

                          
        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

ESt     

41.711,00 €

23.444,69 €

19.266,31 €

abzüglich Vorauszahlungen

32.570,72 €

7.360,72 €

25.210,00 €

Ergebnis

        

15.083,97 €

5.943,69 €

8

[X.]   

                          
        

Summe 

Insolvenzforderung

Masseforderung

[X.]   

2.180,25 €

1.173,19 €

1.007,06 €

abzüglich Vorauszahlungen

1.673,96 €

386,96 €

1.287,00 €

Ergebnis

        

786,23 €

279,94 €

9

Mit seiner Revision macht das F[X.] geltend, ein Erstattungsanspruch scheide aus, da im Streitfall die geschuldete Steuer höher als die geleisteten Vorauszahlungen sei. [X.]uch unter Berücksichtigung der insolvenzrechtlich gebotenen [X.]ufteilung der Steuerschuld in [X.] vor und nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens sei die Entstehung des Erstattungsanspruchs immer von der Festsetzung der Jahressteuer abhängig. Deshalb sei es nicht möglich, dass sich für einen [X.] eine Erstattung und für einen anderen [X.] eine Nachzahlung ergebe. Vielmehr sei die sich aus dem Bereich der Insolvenzmasse ergebende Erstattung mit dem verbleibenden Nachzahlungsanspruch zu verrechnen.

Das F[X.] beantragt, unter [X.]ufhebung des Urteils des [X.] die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er meint, die Rechtsauffassung des F[X.] wie auch das angefochtene Urteil beruhten auf einer fehlerhaften [X.]nwendung der insolvenzrechtlichen Normen, insbesondere des [X.]ufrechnungsverbots des § 96 [X.]bs. 1 Nr. 1 [X.]. [X.] für 2007 seien erst nach Insolvenzeröffnung geleistet worden. Die Erstattungsansprüche aus diesen Vorauszahlungen seien damit ebenfalls erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entstanden, das F[X.] sei also nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig geworden mit der Folge, dass die [X.]ufrechnung mit vor Insolvenzeröffnung entstandenen Steuerforderungen unzulässig sei.

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist unbegründet. Das Urteil des [X.] verletzt Bundesrecht nicht dadurch, dass es die Klage nicht dem Antrag des [X.] entsprechend vollumfänglich abgewiesen, sondern dem Kläger einen Erstattungsanspruch zu Gunsten der Insolvenzmasse zugesprochen hat, obwohl die [X.] höher war als die gezahlten Vorauszahlungen.

Wie der Senat im Urteil vom 24. Februar 2015 VII R 27/14 ([X.], 518) auf die Revision des [X.] ausgeführt hat, waren die sämtlich nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entrichteten Vorauszahlungen in Höhe des nach der --vom Kläger nicht angefochtenen-- Anrechnung auf die nachinsolvenzliche Steuerforderung verbliebenen Überschusses gemäß § 36 Abs. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes zur Insolvenzmasse zurückzuzahlen. Einer Aufrechnung des [X.] mit seiner Insolvenzforderung gegen diesen Erstattungsbetrag steht nach dieser Entscheidung das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] entgegen. Wegen der Begründung im Einzelnen wird auf jene Entscheidung verwiesen.

Zur Begründung seiner abweichenden Auffassung, es könne den verbliebenen Überschuss zur Anrechnung auf seine Insolvenzforderung verwenden, beruft sich das [X.] auf den [X.] zur Abgabenordnung § 251 Nr. 9.1.1 viertletzter Absatz. Dort heißt es: "Aufgrund der Verteilung einer einheitlichen Steuerschuld ist es nicht möglich, dass sich für einen [X.] eine Erstattung und für einen anderen [X.] eine Nachzahlung ergibt. Die sich auch für den Bereich Insolvenzmasse ergebende Erstattung wird daher mit den sich ergebenden [X.] verrechnet, wobei die Verrechnung zuerst mit der Insolvenzforderung erfolgt."

Diese Ausführungen gehen ohne Begründung über das insolvenzrechtliche Aufrechnungsverbot des § 96 Abs. 1 Nr. 1 [X.] hinweg. Gerade aus der vom [X.] nicht infrage gestellten Verteilung der "einheitlichen Steuerschuld" in zwei [X.]e ergibt sich im Streitfall ein Erstattungsbetrag des [X.]s Insolvenzmasse, weil sein Ursprung, nämlich die Entrichtung der Vorauszahlungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens, in eben diesem [X.] liegt. Gerade für diese Konstellation hat der Gesetzgeber das Aufrechnungsverbot verhängt.

Nach alledem hat das [X.] dem uneingeschränkten Klageabweisungsantrag des [X.] zu Recht nicht stattgegeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung.

Meta

VII R 28/14

24.02.2015

Bundesfinanzhof 7. Senat

Urteil

vorgehend FG München, 7. Mai 2014, Az: 9 K 2072/13, Urteil

§ 251 Abs 2 AO, § 35 InsO, § 38 InsO, § 55 InsO, § 96 Abs 1 InsO, § 36 Abs 2 EStG 2002, § 36 Abs 4 EStG 2002, EStG VZ 2007, § 37 Abs 1 S 2 EStG 2002, § 226 AO, § 218 Abs 2 AO, § 251 Nr 9.1.1 AEAO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 24.02.2015, Az. VII R 28/14 (REWIS RS 2015, 15118)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 15118

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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