Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2013, Az. IV ZR 110/11

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2013, 7449

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 110/11

Verkündet am:

13. März 2013

Heinekamp

Justizhauptsekretär

als Urkundsbeamter

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk: ja

BGHZ: nein

BGHR: ja

VVG a.F. § 6 Abs. 3; AVB Wohngebäudeversicherung (hier Nr. 13, 14 und 17 VGB 98)

1.
Mit der Erklärung des Versicherers, die Leistung abzulehnen, endet die Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuldhaft begangener Auskunfts-
und Aufklä-rungsobliegenheitsverletzungen.

2.
Will der Versicherer nach einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem Versicherungsnehmer zweifels-frei klarstellen.

3.
Die in Nr.
17 VGB 98 geregelte Verwirkung des Leistungsanspruchs infolge einer vom Versicherungsnehmer versuchten oder vollendeten arglistigen Täuschung -
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des Versicherers greift nicht ein bei Angaben des Versicherungsnehmers, die die-ser erst nach einer Leistungsablehnung des Versicherers in einem Wiederauf-nahmeantrag macht (Fortführung des Senatsurteils vom 7.
Juni 1989
IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 370
f. m.w.N.).

BGH, Urteil vom
13. März 2013 -
IV ZR 110/11 -
OLG Schleswig

LG Kiel

-
3
-

Der IV.
Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat durch die Vorsit-zende Richterin Mayen, die Richter Wendt, Felsch, die Richterin
Harsdorf-Gebhardt und den Richter Dr. Karczewski auf die mündliche Verhandlung vom 13. März 2013

für Recht erkannt:

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 16. Zi-vilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesge-richts in Schleswig
vom 19. Mai 2011 aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

Der Kläger hält bei der Beklagten seit Januar 2000 eine Wohnge-bäudeversicherung zum gleitenden Neuwert nach Maßgabe Allgemeiner Versicherungsbedingungen der Beklagten
(

VGB 98, im Folgenden: VGB
98), welche Versicherungsschutz unter anderem gegen Leitungs-wasserschäden (Nr.
4.1.2 i.V.m.
Nr.
6 VGB 98) und Rohrbruchschäden durch Frost (Nr.
7.1 VGB 98) an Rohren der Wasserversorgung (Nr.
7.1.1 VGB 98) gewähren. Die Parteien streiten um Versicherungs-leistungen nach einem durch Frostbruch verursachten Leitungswas-seraustritt.

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In den VGB 98 heißt es unter anderem:

"13
Welche Sicherheitsvorschriften müssen Sie be-achten?

13.1
Sie müssen

13.1.3
nicht genutzte Gebäude oder Gebäudeteile genü-gend
häufig kontrollieren und alle darin befindli-chen wasserführenden Anlagen und Einrichtun-gen absperren, entleeren und entleert halten;

13.1.4
in der kalten Jahreszeit alle Gebäude und Ge-bäudeteile beheizen und dies genügend häufig kontrollieren oder in nicht beheizten oder genü-gend kontrollierten Gebäuden oder Gebäudeteilen alle wasserführenden Anlagen und Einrichtungen absperren, entleeren und entleert halten.

14
Welche Obliegenheiten sind zu beachten und welche Rechtsfolgen entstehen aus einer Verlet-zung?

14.2
Bei Eintritt des Versicherungsfalles haben Sie

14.2.2
uns

soweit möglich

jede Untersuchung über die Ursachen und die Höhe des Schadens und über den Umfang der Entschädigungspflicht zu gestatten. s-einzureichen;
14.2.4

e-genheiten,
tritt Leistungsfreiheit für uns ein, wenn die Verletzung der Obliegenheit auf Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit beruht.

17
Wann wird der Anspruch auf Entschädigung ver-wirkt?

Haben Sie oder Ihr Repräsentant uns arglistig über Tatsachen getäuscht, die für den Grund oder 2
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die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, so sind wir von der Entschädigungspflicht frei. Auch der Versuch einer solchen Handlung führt zu unserer Leistungsfreiheit."

Für die Zeit nach Auszug des letzten Mieters im Jahre
2005 ist
der Umfang der nachfolgenden Nutzung des versicherten Gebäudes zwi-schen den Parteien streitig. Unstreitig wurde das Gebäude vom Kläger zwar beheizt, während einer Kälteperiode im Januar 2006 fiel die Hei-zung jedoch aus. Am Abend des 13.
Januar 2006 entdeckte eine Nach-barin, dass Wasser auf die Straße lief. Ursache war ein Wasseraustritt aus einem durch Frostbruch beschädigten Einhebelmischer des linken Waschbeckens des im Obergeschoss belegenen Badezimmers.

Gegenüber dem Regulierungsbeauftragten der Beklagten gab der Kläger unter anderem an, letztmalig am 9. oder 10.
Januar 2006 im Ge-bäude gewesen zu sein, wobei ihm Kälte nicht aufgefallen sei. Die vom Kläger geforderten Versicherungsleistungen lehnte die Beklagte mit Schreiben vom 7.
Februar 2006 unter
Berufung auf Nr.
13.1 VGB 98 ab und kündigte den Versicherungsvertrag. Das versicherte Gebäude habe leer gestanden, es sei weder ausreichend beheizt, noch seien die Was-serleitungen entleert worden.

In einer unter dem 14.
Februar 2006 an die Beklagte gerichteten schriftlichen anwaltlichen Aufforderung, ihre Entscheidung zu überden-ken, ließ der Kläger vortragen, seine Ehefrau sei letztmalig am 12.
Janu-ar 2006 gegen 15.00
Uhr im Gebäude gewesen, das zu dieser Zeit noch warm gewesen sei. Die Heizung habe
noch funktioniert. Mit
Schreiben vom 20.
Februar 2006 erwiderte die Beklagte dem Rechtsanwalt des Klägers:
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"Es ist noch eine Rückfrage erforderlich, um Ihren Scha-den weiter bearbeiten zu können. Hierfür benötigen wir noch etwas Zeit. Bitte haben Sie dafür Verständnis. Wir kommen wieder auf Sie zu."

Mit gleichem Datum übersandte die Beklagte dem Kläger persön-lich eine Bestätigung der Stornierung der Wohnhauspolice und eine Schlussabrechnung über die Erstattung überzahlter Prämie in Höhe von 64,48

Der Kläger begehrt neben bezifferten Versicherungsleistungen in Höhe von 41.501

die Feststellung, die Beklagte sei zur Erstattung wei-terer Schäden und

im Falle des Nachweises der Wiederherstellung bzw. Wiederbeschaffung bestimmter zerstörter Gegenstände

einer Neuwertspitze von 7.412

Die Beklagte hält sich für leistungsfrei, weil die Angabe, die Ehe-frau des Klägers sei noch am 12.
Januar 2006 im zu dieser Zeit noch warmen Hause gewesen, falsch sei. Darauf dürfe sie sich ungeachtet ih-rer Leistungsablehnung vom 7.
Februar 2006 berufen, denn zum einen habe das nachfolgende Anwaltsschreiben vom 14.
Februar 2006 lediglich vorangegangenes Vorbringen des Klägers aus dessen Schreiben vom 25.
Januar 2006 konkretisiert, zum anderen gelte die Verwirkungsklausel des §
17 VGB 98 auch für arglistiges Verhalten des Versicherungsneh-mers nach einer Leistungsablehnung.

Die Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der Revi-sion verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

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Entscheidungsgründe:

Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und Zu-rückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.

I. Nach dessen Auffassung ist die Beklagte gemäß §
6 Abs.
3 VVG a.F. infolge einer vorsätzlichen Auskunftsobliegenheitsverletzung (Nr.
14.2.2 VGB 98) leistungsfrei. Der Versicherungsnehmer sei insoweit auch zu wahren Angaben verpflichtet. Die im Anwaltsschreiben vom 14.
Februar 2006 aufgestellte Behauptung, die Ehefrau des
Klägers sei noch am 12.
Januar im Gebäude gewesen, wo es damals nicht kalt ge-wesen, sondern die Heizung gelaufen sei, treffe nicht zu. Die Heizung sei vielmehr am 10.
Januar 2006 ausgefallen.

Der Leistungsfreiheit stehe nicht entgegen,
dass die Beklagte eine Regulierung bereits mit Schreiben vom 7. Februar 2006 abgelehnt habe,
denn sie habe mit ihrem an den Rechtsanwalt des Klägers gerichteten Schreiben vom 20.
Februar 2006 zu erkennen gegeben, dass sie noch prüfungs-
und verhandlungsbereit sei. Die Kündigungsabwicklung vom gleichen Tage stamme ersichtlich von einer anderen Abteilung der Be-klagten und ändere nichts daran, dass die Beklagte wieder in die Leis-tungsprüfung eingetreten sei. Da die Falschangaben des Klägers gerade in dem darauf gerichteten "Wiederaufnahmeantrag"
enthalten gewesen seien und im Übrigen in einem späteren anwaltlichen Erinnerungsschrei-ben vom 17.
März 2006 noch einmal auf das Schreiben vom 20.
Februar 2006 Bezug genommen worden sei, dürfe sich die Beklagte auf die Ver-letzung der Auskunftsobliegenheit berufen.
Die Obliegenheitsverletzung könne nur vorsätzlich begangen worden sein; im Sinne der Relevanz-11
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rechtsprechung
sei sie auch geeignet, die Interessen der Beklagten zu verletzen. Dass ihn kein erhebliches Verschulden treffe, habe der Kläger nicht bewiesen.

Zugleich habe er arglistig i.S.
des §
17 VGB 98 über Tatsachen getäuscht oder zu täuschen versucht, die für die Entscheidung der Be-klagten von Bedeutung gewesen seien. Das Ziel, die Beklagte zu einer Regulierung zu bewegen, zeige sich daran, dass die falschen Behaup-tungen nach der Leistungsablehnung der Beklagten aufgestellt worden seien. Mithin sei die Versicherungsleistung auch verwirkt.

Ob der Kläger eine vor dem Versicherungsfall zu erfüllende Oblie-genheit verletzt habe, könne offen bleiben.

II. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

1. Die Beklagte kann sich nicht gemäß §
6 Abs.
3 VVG a.F. i.V.m. Art.
1 Abs.
2 EGVVG auf Leistungsfreiheit wegen Verletzung
der Aus-kunftsobliegenheit aus Nr.
14.2.2 VGB 98 berufen.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Versiche-rungsnehmer nach dem Versicherungsfall Aufklärungs-
oder Auskunfts-obliegenheiten nur solange zu erfüllen, wie er es mit einem Versicherer zu tun hat, der noch prüfungs-
und damit verhandlungsbereit ist. Mit der endgültigen Leistungsablehnung des Versicherers enden, solange der Versicherer an ihr festhält, die Verhandlungen über eine Entschädi-gungsleistung, während derer
der Versicherer
auf Angaben eines redli-chen Versicherungsnehmers angewiesen ist. Nur bis zu der Erklärung, 14
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die Leistung abzulehnen, besteht mithin die besondere Schutzbedürftig-keit des Versicherers, der im Versicherungsrecht mit der

dem übrigen Schuldrecht unbekannten

Sanktion der Leistungsfreiheit wegen schuld-haft begangener Obliegenheitsverletzungen Rechnung getragen werden darf (vgl. nur Senatsurteil vom 7.
Juni 1989

IV ZR 101/88,
BGHZ 107, 368, 370
f. m.w.N.).

b) Allerdings kann dieser Schutz für den Versicherer wieder aufle-ben, wenn er dem Versicherungsnehmer unmissverständlich (Senat aaO S.
371; BGH, Urteil vom 8.
Juli 1991

II ZR 65/90, VersR 1991, 1129 un-ter 2 a; Senatsurteil vom 12.
November 1997

IV ZR 338/96, VersR 1998, 228 unter II 1 c) zu erkennen gibt, dass er an seiner Leistungsab-lehnung nicht festhalten, sondern erneut in die Prüfung der Leistungs-pflicht eintreten und dazu die Verhandlungen über die Schadenregulie-rung wieder aufnehmen wolle. Weiter muss der Versicherer dem Versi-cherungsnehmer in diesem Falle klar zu erkennen geben, inwieweit für ihn noch ein Aufklärungsbedürfnis besteht (Senatsurteil vom 12.
Novem-ber 1997 aaO).

c) Daran gemessen kann sich die Beklagte nicht mehr auf die Ver-letzung der Obliegenheit aus Nr.
14.2.2 VGB 98 berufen. Bereits vor dem Anwaltsschreiben vom 14.
Februar 2006, welches die beanstandete Aus-kunft enthielt, hatte die Beklagte ihre Leistung mit Schreiben vom 7. Feb-ruar 2006 abgelehnt. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung
hat sie dem Kläger nicht unmissverständ-lich
ihre Bereitschaft signalisiert, von der Leistungsablehnung Abstand zu nehmen und wieder in die Leistungsprüfung einzutreten.
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aa) Dem knappen Wortlaut des an den Rechtsanwalt des Klägers gerichteten Schreibens vom 20.
Februar 2006 kann schon nicht sicher entnommen werden, dass die Beklagte wieder in die Sachprüfung eintre-ten wollte. Das Schreiben kann ebenso
gut dahin verstanden werden, nicht die Entscheidung über die Entschädigung, sondern die Entschei-dung über den Wiedereintritt in die Sachprüfung solle vom Ergebnis der weder inhaltlich noch hinsichtlich ihres Adressaten näher konkretisierten Rückfrage abhängig gemacht werden. Der Kläger konnte dem Schreiben mithin auch nicht entnehmen, inwieweit die Beklagte in der Sache noch Aufklärungsbedarf sah.

bb) Hinzu kommt, dass die Beklagte mit zwei weiteren, ebenfalls auf den 20.
Februar 2006 datierten und an den Kläger persönlich adres-sierten Schreiben die aus Anlass der vermeintlichen Obliegenheitsverlet-zung erklärte Kündigung des Versicherungsvertrages in der Weise bestä-tigte, dass sie dem Kläger eine Stornomitteilung nebst Schlussabrech-nung über die Rückerstattung überzahlter Prämie übersandte. Das konn-te der Kläger nur dahin verstehen, sie halte daran fest, dass er eine Ob-liegenheit aus Nr.
13.1 VGB 98 verletzt habe.

cc) Die Auffassung des Berufungsgerichts, die Abwicklung der Kündigung sei

für den Kläger ungeachtet identischer Faksimile-Unter-schriften derselben Vorstandsmitglieder
auf allen drei Schreiben vom 20.
Februar 2006 erkennbar

von einer anderen Abteilung der Beklagten veranlasst worden, welcher der Schriftwechsel mit dem Rechtsanwalt des Klägers offensichtlich nicht bekannt gewesen sei, verkennt die An-forderungen, die an eine unmissverständliche Mitteilung der Wiederauf-nahme der Leistungsprüfung zu stellen sind. Will der Versicherer nach 21
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einer Leistungsablehnung wieder in die Sachprüfung eintreten und dafür den Schutz vertraglich vereinbarter Obliegenheiten erneut in Anspruch nehmen, muss er dies gegenüber dem Versicherungsnehmer zweifelsfrei klarstellen. Gibt er

wie hier

unklare oder gar einander widersprechen-de Erklärungen ab, ist der Versicherungsnehmer weder gehalten, daraus erwachsende Missverständnisse nach Kräften etwa dadurch auszuräu-men, dass er Erwägungen zur

ihm nicht näher bekannten

inneren Or-ganisation des Geschäftsbetriebes des Versicherers anstellt, noch trägt er das Risiko solcher Missverständnisse.

dd) Ist ein für den Versicherungsnehmer erkennbarer Wiedereintritt in die Leistungsprüfung nicht erfolgt, kommt es auf die weiteren Erwä-gungen des Berufungsgerichts zur erneuten Geltung der Auskunftsoblie-genheit bereits im "Wiederaufnahmeantrag" des Klägers vom 14.
Februar
2006 und zur Bezugnahme auf dieses Schreiben in einem späteren An-waltsschriftsatz nicht mehr an. Vielmehr verbleibt es bei der durch die Leistungsablehnung der Beklagten beendeten Obliegenheitsbindung.

2. Aus den vorgenannten Gründen begegnet auch die Annahme des Berufungsgerichts durchgreifenden rechtlichen Bedenken, der Klä-ger habe die Versicherungsleistung wegen vollendeter oder versuchter arglistiger Täuschung über Tatsachen, die für den Grund oder die Höhe der Entschädigung von Bedeutung sind, nach Nr.
17 VGB 98 verwirkt.

a) Die in Nr.
17 VGB
98 und ähnlichen Klauseln (etwa §
22 Abs.
1 VHB 84) geregelte Verwirkung des Leistungsanspruchs infolge arglistiger Täuschung des Vertragspartners konkretisiert den in §
242 BGB wur-zelnden Rechtsgedanken des redlichen Umgangs der Vertragspartner miteinander und fußt in der Erwägung, dass sich gerade das Versiche-24
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rungsverhältnis in besonderem Maße auf wechselseitiges Vertrauen bei-der gründet. Allerdings belegen die Regelungen des §
6 VVG a.F./§
28 VVG n.F., dass eine letztlich auf den Grundsatz von Treu und Glauben gestützte Leistungsfreiheit auf Ausnahmefälle von besonderem Gewicht beschränkt bleiben muss, in denen es dem Versicherer nicht zugemutet werden kann, an der Erfüllung der von ihm übernommenen Vertrags-pflichten festgehalten zu werden. Denn selbst bei vorsätzlicher Verlet-zung ausdrücklich vereinbarter Obliegenheiten
tritt nach dem dafür gel-tenden Sanktionenregime Leistungsfreiheit nur unter den in den §§
6 VVG a.F.
oder 28 VVG n.F. geregelten Voraussetzungen ein (vgl. BGH, Urteil vom 8.
Juli 1991

II ZR 65/90, VersR 1991, 1129 unter 2 a und b). Da sich auch die Sanktion der Leistungsfreiheit nach §
17 VGB 98
aus dem Schutzbedürfnis des sachprüfungs-
und verhandlungsbereiten Ver-sicherers ableitet, der bei seiner Entscheidungsfindung in besonderem Maße auf wahrheitsgemäße Angaben eines redlichen Versicherungs-nehmers angewiesen ist, kann die Klausel nicht mehr auf Angaben des Versicherungsnehmers angewendet werden, die erst nach einer Leis-tungsablehnung des Versicherers gemacht werden, und damit auch nicht auf Angaben in einem Schreiben, mit dem der Versicherungsnehmer um eine Wiederaufnahme der Prüfung ersucht. Der durch die Leistungsab-lehnung eingetretene Konflikt der Vertragsparteien rechtfertigt es nicht mehr, dem Versicherer weiterhin eine besondere Schutzwürdigkeit zuzu-billigen, deren Missachtung die Verwirkung des gesamten Leistungsan-spruchs nach sich zieht (vgl. dazu Senatsurteile vom 7.
Juni 1989

IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 370 f.; vom 22.
September 1999
IV ZR 172/98, VersR 1999, 1535 unter II mit zust. Anm. Knappmann, NVersZ 2000, 68
ff.; OLG Hamm VersR 1992, 301, 302 m. Anm. Bach; Knapp-mann in Prölss/Martin, VVG 28.
Aufl. §
31 VHB 2000 Rn.
2; Lücke in Anm. zu BGH, Urteil vom 8. Juli 1991
II ZR 65/90, VersR 1992, 182).
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Nur so wird in ausgewogener Weise den berechtigten Belangen
beider Vertragsseiten
Rechnung getragen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Juni 1989

IVa ZR 101/88, BGHZ 107, 368, 371).

Soweit deshalb der Versicherungsnehmer
in einem anschließen-den Rechtstreit um die Versicherungsleistung oder auch außerprozessu-al mit unlauteren Mitteln eine Änderung der Entscheidung ohne
erneute
Verhandlungen mit seinem Versicherer zu erreichen versucht, räumt das Gesetz dem Versicherer die gleichen Befugnisse und Möglichkeiten ein wie jedem anderen Beteiligten eines schuldrechtlichen Vertrages, aber auch nicht mehr (Senatsurteil vom 7. Juni 1989 aaO
S. 371 f.).

b) Auf die vom Berufungsgericht nicht erörterte Frage, ob eine Verwirkung der gesamten Versicherungsleistung gemäß Nr.
17
VGB 98 nach §
242 BGB auch dann angemessen erscheint, wenn die falschen Angaben des Versicherungsnehmers nur zu einem Punkt erfolgt sind, den der Versicherer zu Unrecht als entscheidungserheblich angesehen hat (vgl. dazu Senatsurteil vom 25.
Juni 2008

IV ZR 233/06, VersR 2008, 1207 Rn.
13
ff. zu den Anforderungen an eine genügend häufige Kontrolle der Beheizung von Wohngebäuden im Winter), mithin lediglich der untaugliche Versuch einer arglistigen Täuschung über für die Ent-scheidung des Versicherers bedeutsame Tatsachen vorliegt, kommt es nicht mehr an.

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III. Die Sache bedarf neuer Verhandlung und Entscheidung. Das Berufungsgericht wird nunmehr unter anderem zu klären haben, ob dem Kläger die Verletzung einer vor dem Versicherungsfall zu erfüllenden Ob-liegenheit aus Nr.
13.1 VGB 98 anzulasten ist.

Mayen Wendt

Felsch

Harsdorf-Gebhardt Dr.
Karczewski
Vorinstanzen:
LG Kiel, Entscheidung vom 06.08.2010 -
2 O 105/06 -

OLG Schleswig, Entscheidung vom 19.05.2011 -
16 U 96/10 -

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Meta

IV ZR 110/11

13.03.2013

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.03.2013, Az. IV ZR 110/11 (REWIS RS 2013, 7449)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2013, 7449

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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20 U 97/00 (Oberlandesgericht Hamm)


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IV ZR 110/11

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