Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.09.2021, Az. VII R 9/18

7. Senat | REWIS RS 2021, 2503

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Gegenstand

Anrechnung einer Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung bei Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens


Leitsatz

1. NV: Voraussetzung für einen Anspruch auf Rückerstattung von Vorauszahlungen ist, dass die Jahressteuer niedriger ist als die Summe der --an das FA abgeführten-- Vorauszahlungen.Zu diesen Vorauszahlungen gehört auch eine Sondervorauszahlung nach § 47 UStDV.

2. NV: Nach Festsetzung der Jahressteuer kommt die Erstattung einer solchen Sondervorauszahlung nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO nur dann in Betracht, soweit die Sondervorauszahlung nicht zur Tilgung der Jahressteuer benötigt wird. Auf § 48 Abs. 4 UStDV kann der Erstattungsanspruch nach Festsetzung der Jahressteuer nicht mehr gestützt werden.

3. NV: Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Eröffnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens.

Tenor

Die Revision des [X.] gegen das Urteil des [X.] vom 11.10.2017 - 7 K 7181/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die Frage, ob eine zu Beginn des [X.] erklärte und geleistete Umsatzsteuer-[X.] nach Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung im Dezember des [X.] die für diesen Monat nach § 55 Abs. 4 der Insolvenzordnung ([X.]) entstandenen Masseverbindlichkeiten mindert.

2

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH. [X.] und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) hatte auf Antrag der GmbH die Fristen für die Abgabe der Voranmeldungen und für die Entrichtung der Vorauszahlungen gemäß § 46 Satz 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) in der Neufassung vom 21.02.2005 ([X.], 434) um einen Monat verlängert (sog. Dauerfristverlängerung).

3

Am 26.01.2011 erklärte die GmbH eine [X.] zur Umsatzsteuer für 2011 in Höhe von 269.610 €. Diese war am 10.02.2011 fällig und wurde bis zum 24.02.2011 vollständig gezahlt. Mit Bescheid vom 03.08.2011 erhöhte das [X.] die [X.] auf 271.204 €; dies führte zu einer Nachzahlung in Höhe von 1.594 €, die die GmbH am 12.08.2011 beglich.

4

Am 08.12.2011 beantragte die GmbH die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Mit Beschluss vom [X.]2011 ordnete das Amtsgericht (AG) die vorläufige Insolvenzverwaltung an und bestellte den Kläger zum vorläufigen Insolvenzverwalter.

5

Am 08.02.2012 ging bei dem [X.] die Umsatzsteuervoranmeldung für Dezember 2011 ein. Unter Berücksichtigung der [X.] in Höhe von 271.204 € ergab sich ein Überschuss in Höhe von 239.378,81 €. Am 15.02.2012 folgte eine berichtigte Anmeldung, die --ebenfalls unter Berücksichtigung der [X.] in Höhe von 271.204 €-- einen Überschuss in Höhe von 20.048,70 € auswies.

6

Mit Bescheid vom 15.02.2012 widerrief das [X.] die Dauerfristverlängerung für die Abgabe von [X.]en.

7

Mit Beschluss des [X.] wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet; der Kläger wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.

8

Am 28.05.2014 reichte der Kläger die Umsatzsteuererklärung der [X.] ein. Diese ergab eine Umsatzsteuer in Höhe von 2.746.091,18 € und wies unter Berücksichtigung der von dem Kläger ermittelten geleisteten Vorauszahlungen in Höhe von 2.064.023,26 € eine Abschlusszahlung in Höhe von 682.067,92 € aus.

9

Das [X.] folgte in seiner Steuerberechnung vom 16.10.2014 hinsichtlich der berechneten Umsatzsteuer der Erklärung des [X.], berücksichtigte aber bei der Ermittlung der verbleibenden Abschlusszahlungen im Abrechnungsteil der Steuerberechnung eine von ihm (dem [X.]) ermittelte (höhere) Summe der Vorauszahlungen in Höhe von insgesamt 2.083.823,67 €, was zu einem noch offenen Betrag in Höhe von [X.] € führte. Die Steuerberechnung vom 16.10.2014 übersandte das [X.] dem Kläger unter der damaligen (regulären) Steuernummer der GmbH (A – jetzt: B).

Mit Schreiben vom 05.11.2014 teilte der Kläger dem [X.] mit, dass sich die aus seiner beigefügten Steuerberechnung ergebende "Zahllast" auf 662.268,20 € belaufe und mit einem Betrag von 650.101,11 € auf den Zeitraum bis zur Stellung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens (01.01.2011 bis 08.12.2011) entfalle; dieser Betrag sei zur Insolvenztabelle anzumelden. Der Restbetrag von 12.167,10 € betreffe den Zeitraum der vorläufigen Insolvenzverwaltung ([X.]2011 bis 31.12.2011) und werde nach § 55 Abs. 4 [X.] aus der Insolvenzmasse gezahlt. Mit einem weiteren Schreiben vom 20.01.2015 führte der Kläger aus, bei der Ermittlung der Zahllast von 12.167,10 € habe er die [X.] in Höhe von 271.204 € berücksichtigt; denn die [X.] sei nach § 48 Abs. 4 UStDV in der Umsatzsteuervoranmeldung des Monats Dezember 2011 anzurechnen gewesen.

Das [X.] folgte grundsätzlich der Aufteilung des [X.] aus dem Schreiben vom 05.11.2014 und erstellte am 11.02.2015 unter der regulären Steuernummer der [X.] eine geänderte Steuerberechnung, aus der sich eine Umsatzsteuer in Höhe von 2.462.719,84 € ergab; die Abrechnung wich allerdings von der Aufteilung des [X.] ab und wies unter Berücksichtigung eines bereits getilgten Betrags von 2.083.835,27 € einen noch offenen Betrag von lediglich 378.884,57 € aus. Des Weiteren erließ das [X.] am 16.02.2015 unter der neuen [X.] der GmbH ([X.]) einen Umsatzsteuerbescheid für 2011, setzte Umsatzsteuer in Höhe von 283.370,77 € fest und forderte den Kläger, da der Abrechnungsteil keinerlei Tilgungen auswies, zur Zahlung dieses Betrags bis zum 19.03.2015 auf. In einer Anlage zu dem Bescheid vom 16.02.2015 führte das [X.] aus, dass sich die Festsetzung der Umsatzsteuer auf den Zeitraum vom [X.] bis 31.12.2011 beziehe. Die [X.] habe für den genannten Zeitraum nicht berücksichtigt werden können, da der letzte Monat des [X.] der GmbH der Monat Dezember (01.12. bis 08.12.2011) gewesen sei. Die [X.] sei damit ausschließlich auf Insolvenzforderungen anzurechnen.

Am 12.03.2015 zahlte der Kläger den noch offenen Betrag von 283.370,77 €, legte aber gegen den Bescheid vom 16.02.2015 Einspruch ein mit dem Antrag, die Umsatzsteuer-[X.] in Höhe von 271.204 € anzurechnen.

Das [X.] erließ am 20.05.2015 den streitgegenständlichen [X.] und stellte darin fest, dass auf die mit Bescheid vom 16.02.2015 gegen die Masse festgesetzte Umsatzsteuer für 2011 in Höhe von 283.370,77 € Vorauszahlungen in Höhe von 0 € anzurechnen seien, dass durch Zahlung vom 12.03.2015 die festgesetzte Umsatzsteuerschuld in voller Höhe beglichen worden sei und dass sich somit eine verbleibende Zahllast von 0 € ergebe. Den hiergegen eingelegten Einspruch des [X.] wies das [X.] als unbegründet zurück. Die dagegen gerichtete Klage, mit der der Kläger begehrte, den [X.] dahingehend zu ändern, dass ein Guthaben der Masse aus Umsatzsteuer für 2011 in Höhe von 271.204 € ausgewiesen werde, hatte keinen Erfolg; das Urteil des Finanzgerichts ([X.]) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte ([X.]) 2018, 604, veröffentlicht.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner Revision. Zur Begründung trägt er im Wesentlichen vor, die für 2011 geleistete [X.] sei nach den gesetzlichen Vorgaben bei der [X.] für Dezember 2011 zu berücksichtigen gewesen. Die Voranmeldung habe vor Anrechnung der [X.] eine Zahllast in Höhe von 251.155,19 € ergeben. Auf diese Zahllast habe die [X.] angerechnet werden müssen, und zwar unabhängig davon, ob die Zahllast dem Zeitraum vor oder nach Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens zuzuordnen sei. Erst und nur in Höhe des dann verbleibenden Saldos sei im Zuge des (weiteren) [X.] zu entscheiden, ob es sich bei dem Saldo um eine Insolvenzforderung oder um einen Anspruch handle, der gemäß § 55 Abs. 4 [X.] mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.03.2012 als Masseschuld zu behandeln sei.

Ungeachtet dessen habe das [X.] verkannt, dass es über einen [X.] zum [X.] zu entscheiden gehabt habe und dass im Zuge dieses [X.] eine "Verrechnung" der Umsatzsteuer-[X.] nicht mehr möglich gewesen sei. Entsprechend dem Vortrag des [X.] hätte sich das [X.] die Aufteilung der [X.] aus den [X.]en anschauen müssen. Für die Monate Januar bis November 2011 ergebe sich eine Zahllast in Höhe von 2.181.100 €. Allerdings seien die Voranmelde-[X.] der Monate Oktober und November aufgrund des [X.] vor Fälligkeit nicht mehr beglichen worden, so dass dem ermittelten Soll nur Zahlungen in Höhe von 1.792.800 € gegenüberstünden. Bereits bei Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung sei damit ein Schuldsaldo aus laufenden [X.]en in Höhe von 388.200 € entstanden. Die mit der Umsatzsteuer-Jahreserklärung vorgenommenen Korrekturen seien allesamt dem Zeitraum vor Anordnung des vorläufigen Insolvenzverfahrens zuzuordnen gewesen. Folglich beruhe der sich aus der Umsatzsteuer-Jahreserklärung ergebende Anspruch des [X.] ausschließlich auf Sachverhalten, die auf den Zeitraum vor Anordnung der vorläufigen Insolvenzverwaltung entfielen. In Anbetracht dessen sei die angefochtene Vorentscheidung zu verwerfen, und der [X.] müsse entsprechend geändert werden.

Der Kläger beantragt (sinngemäß),
die Vorentscheidung aufzuheben und den [X.] vom 20.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2016 dahin zu ändern, dass die Zahllast aus dem [X.] des Jahres 2011 in voller Höhe eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 [X.] darstellt,
hilfsweise festzustellen, dass sich die Zahllast aus dem [X.] lediglich in Höhe von 12.167,10 € gegen die Masse richtet und der verbleibende Teil eine Insolvenzforderung i.S. von § 38 [X.] darstellt.

Das [X.] beantragt,
die Revision als unzulässig zu verwerfen, soweit der im Revisionsverfahren gestellte Antrag über den erstinstanzlichen Klageantrag hinausgeht, und im Übrigen als unbegründet zurückzuweisen.

Zur Begründung führt das [X.] im Wesentlichen aus, Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits sei entgegen der Ansicht des [X.] nicht die Frage, ob oder inwieweit die Umsatzsteuer des Jahres 2011 als Masseschuld oder als Insolvenzforderung einzuordnen sei. Es gehe vielmehr um die Frage, ob die bereits lange vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens von der GmbH geleistete Umsatzsteuer-[X.] auf Insolvenzforderungen nach § 38 [X.] oder auf eine gemäß § 55 Abs. 4 [X.] als Masseverbindlichkeit geltende Steuerforderung anzurechnen sei. Entsprechend dem [X.]-Urteil sei davon auszugehen, dass die [X.] auf Insolvenzforderungen anzurechnen sei.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unzulässig, soweit der Antrag des [X.] über den im Klageverfahren gestellten Antrag hinausgeht, und im Übrigen unbegründet.

1. Die Entscheidung ergeht gemäß § 126a der Finanzgerichtsordnung ([X.]O). Der [X.] hält einstimmig die Revision für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind davon unterrichtet worden und hatten Gelegenheit zur Stellungnahme.

2. Die Revision ist teilweise unzulässig.

Der Hauptantrag des [X.] ist so auszulegen, dass dieser eine Änderung des [X.]s vom 20.05.2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 28.06.2016 mit dem Inhalt begehrt, dass zugunsten der Masse ein Guthaben in Höhe von 283.370,77 € festgestellt wird. Da der Kläger im erstinstanzlichen Klageverfahren beantragt hat, den [X.] dahin zu ändern, dass ein Guthaben der Masse aus Umsatzsteuer für 2011 in Höhe von 271.204 € ausgewiesen wird, ist der vorliegend als Hauptantrag gestellte Revisionsantrag in Höhe der Differenz --also in Höhe von 12.166,77 €-- unzulässig; denn gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O kann die Revision nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf der Verletzung von Bundesrecht beruht. Über ein Begehren, das erstmals im Revisionsverfahren durch Erweiterung des Klageantrags erhoben wird, ist jedoch gerichtlich noch nicht entschieden worden; es kann demzufolge auch nicht auf eine Verletzung von Bundesrecht hin überprüft werden. Es fehlt somit bereits an der erforderlichen formellen Beschwer (ständige Rechtsprechung, vgl. Urteile des [X.] --[X.]-- vom [X.], [X.], 511, Rz 16, und vom 01.06.2016 - [X.], [X.], 536, [X.], 55, Rz 14; s.a. [X.] in Tipke/[X.], § 123 [X.]O Tz. 4; Gräber/Ratschow, Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 123 Rz 2, m.w.N.).

3. Soweit die Revision zulässig ist, ist sie unbegründet. Das angefochtene Urteil verletzt nicht Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 [X.]O).

Im Ergebnis zutreffend hat das [X.] entschieden, dass der angefochtene [X.] vom 20.05.2015 rechtmäßig ist. Dem Kläger steht kein Erstattungsanspruch zur Insolvenzmasse der GmbH zu.

a) Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 der Abgabenordnung ([X.]) hat, wenn eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.

Im Fall von Streitigkeiten über das Bestehen oder Nichtbestehen eines solchen Anspruchs entscheidet das [X.] gemäß § 218 Abs. 2 [X.] durch [X.]. Diese Entscheidung richtet sich allein nach der formellen Bescheidlage (ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]surteile vom 23.10.2018 - VII R 13/17, [X.], 326, [X.], 126, Rz 17, und vom 30.03.2010 - VII R 17/09, [X.], 1412, m.w.N.). Maßgebend sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung - ebenfalls ständige Rechtsprechung, vgl. [X.]surteil in [X.], 326, [X.], 126, Rz 18, m.w.N.).

b) Dem Kläger steht danach kein Erstattungsanspruch aufgrund der für die GmbH geleisteten Vorauszahlungen zur Umsatzsteuer für 2011 --einschließlich der [X.] in Höhe von 271.204 €-- aus § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu.

aa) Der rechtliche Grund für eine Zahlung fällt auch dann [X.] von § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] später weg, wenn eine Jahressteuer abweichend von der Summe der Vorauszahlungen festgesetzt wird und sich dabei ein Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen ergibt. Dieser Unterschiedsbetrag ist dann nach § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] zu erstatten (vgl. auch [X.] in [X.]/[X.]/[X.] --[X.]--, § 37 [X.] Rz 45; [X.]/Ratschow, [X.], 15. Aufl., § 38 Rz 31).

Ein solcher Unterschiedsbetrag zugunsten des Steuerpflichtigen kann sich u.a. dann ergeben, wenn ein Unternehmer die zu entrichtende Umsatzsteuer oder den Überschuss (negative Steuer) in der Steueranmeldung für das Kalenderjahr abweichend von der Summe der Vorauszahlungen erklärt (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes --UStG--) oder wenn das [X.] die zu entrichtende Steuer oder den Überschuss abweichend von der Steueranmeldung für das Kalenderjahr festsetzt (vgl. § 18 Abs. 4 Satz 2 UStG). Voraussetzung für einen Erstattungsanspruch ist in diesem Fall, dass die Jahressteuer niedriger ist als die Summe der [X.] das [X.] abgeführten-- Vorauszahlungen ([X.]-Urteil vom 18.07.2002 - V R 56/01, [X.], 71, [X.], 705, unter II.2.b).

bb) Diese allgemeinen Grundsätze gelten auch dann, wenn dem Unternehmer eine Dauerfristverlängerung nach § 46 UStDV gewährt worden ist und der Unternehmer eine [X.] nach § 47 UStDV geleistet hat.

(1) Nach § 46 UStDV hat das [X.] dem Unternehmer auf Antrag die Fristen für die Abgabe der Voranmeldungen und für die Entrichtung der Vorauszahlungen (§ 18 Abs. 1, 2 und 2a UStG) um einen Monat zu verlängern.

Die Fristverlängerung ist bei einem Unternehmer, der die Voranmeldungen monatlich abzugeben hat, unter der Auflage zu gewähren, dass dieser eine [X.] auf die Steuer eines jeden Kalenderjahres entrichtet (§ 47 Abs. 1 Satz 1 UStDV). Die [X.] beträgt ein Elftel der Summe der Vorauszahlungen für das vorangegangene Kalenderjahr (§ 47 Abs. 1 Satz 2 UStDV).

Nach § 48 Abs. 4 UStDV ist die festgesetzte [X.] bei der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des [X.] anzurechnen, für den die Fristverlängerung gilt. Besteuerungszeitraum ist das Kalenderjahr (§ 16 Abs. 1 Satz 2 UStG).

(2) Ist die geleistete [X.] höher als die sich für den letzten Voranmeldungszeitraum ergebende Vorauszahlung, auf die sie gemäß § 48 Abs. 4 UStDV anzurechnen ist, kann dies zwar grundsätzlich zu einem Erstattungsanspruch führen. Allerdings wird die [X.] gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 UStDV "für das jeweilige Kalenderjahr" berechnet, angemeldet und entrichtet. Daher kann der Unternehmer eine Erstattung nur verlangen, wenn bzw. soweit er die übrigen Vorauszahlungen für das Kalenderjahr gezahlt hat und somit nicht schuldig geblieben ist (vgl. [X.]-Urteile in [X.], 71, [X.], 705, unter II.2.c, und vom 06.11.2002 - V R 21/02, [X.], 156, [X.] 2003, 39, unter II.2.; ebenso [X.]surteil vom 16.12.2008 - VII R 17/08, [X.], 463, [X.] 2010, 91, unter II.2.; s.a. [X.] in [X.], § 37 [X.] Rz 45).

Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Insolvenz. Nur soweit die geleistete [X.] auch nach Anrechnung auf die restliche gegebenenfalls noch offene [X.] noch nicht verbraucht ist, hat der Unternehmer einen Erstattungsanspruch, der in die Insolvenzmasse fällt (s. [X.]-Urteil in [X.], 156, [X.] 2003, 39, unter II.2., m.w.N.; ebenso [X.]surteil in [X.], 463, BStBl. II 2010, 91, unter II.2.).

(3) Ist die Jahressteuer festgesetzt oder im Fall der Insolvenz berechnet worden, richtet sich eine Erstattung nur noch nach der festgesetzten bzw. berechneten Jahressteuer (s. [X.]-Urteil vom 21.11.2013 - V R 21/12, [X.], 70, [X.] 2016, 74, Rz 19; [X.]surteil vom 25.07.2012 - VII R 44/10, [X.], 302, [X.] 2013, 33, Rz 7 f.; [X.] in [X.], UStG, 1. Aufl. 2020, § 16 UStG, Rz 13; Reiß in Reiß/[X.]/[X.], UStG § 16 Rz 20). Ein Erstattungsanspruch kann demzufolge auch nicht mehr auf § 48 Abs. 4 UStDV gestützt werden (so ausdrücklich auch [X.]-Urteil in [X.], 71, [X.], 705, unter II.2.c).

(4) Das gilt auch für die [X.] nach § 47 UStDV. Der Rechtsgrund für ihre Zahlung fällt somit nicht bereits mit der Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des [X.] [X.] von § 37 Abs. 2 Satz 2 [X.] weg; vielmehr kommt auch eine Erstattung der [X.] nur in Betracht, soweit sie nicht zur Tilgung der Jahressteuer benötigt wird ([X.]-Urteil in [X.], 71, [X.], 705, unter II.2.c; vgl. auch [X.]surteil in [X.], 463, [X.] 2010, 91, unter II.2.; Treiber in Sölch/Ringleb, Umsatzsteuer, § 18 Rz 642; [X.]/[X.], [X.], § 213 Rz 69).

cc) Ausgehend von diesen Rechtsgrundsätzen steht dem Kläger kein Anspruch auf eine (teilweise) Erstattung der von der [X.] geleisteten Umsatzsteuervorauszahlungen zu.

Die Jahressteuer, die teils berechnet und teils festgesetzt worden ist, beträgt insgesamt 2.746.090,61 € und übersteigt damit --unstreitig-- die von der [X.] geleisteten Vorauszahlungen. Ein Unterschiedsbetrag zugunsten der GmbH, der zu erstatten gewesen wäre, ist nicht entstanden. Dass, worauf der Kläger zur Begründung seines Anspruchs verwiesen hat, die für 2011 geleistete [X.] höher gewesen ist als die sich aus der Voranmeldung für Dezember 2011 ergebende Zahllast, ist unerheblich; insbesondere kommt § 48 Abs. 4 UStDV --wie dargelegt-- nach Berechnung und Festsetzung der Jahressteuer keine Bedeutung mehr zu.

dd) Aus § 55 Abs. 4 [X.] lässt sich bei diesem Befund kein anderes Ergebnis herleiten.

Ungeachtet dessen hat der [X.] entschieden, dass § 55 Abs. 4 [X.] nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden ist (vgl. [X.]-Urteil vom 23.07.2020 - V R 26/19, [X.]E 270, 49, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 2020, 2248, Rz 16).

c) Dem Kläger steht schließlich auch kein Erstattungsanspruch aus § 37 Abs. 2 Satz 1 [X.] wegen der am 12.03.2015 geleisteten Nachzahlung in Höhe von 283.370,77 € zu; denn diese Nachzahlung entspricht der mit Bescheid vom 16.02.2015 festgesetzten und zum Zeitpunkt der Nachzahlung noch nicht entrichteten Umsatzsteuer für den Zeitraum vom 09.12.2011 bis zum 31.12.2011.

d) Demnach erübrigt sich eine Entscheidung über den Hilfsantrag.

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

VII R 9/18

21.09.2021

Bundesfinanzhof 7. Senat

Beschluss

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 11. Oktober 2017, Az: 7 K 7181/16, Urteil

§ 37 Abs 2 S 2 AO, § 16 Abs 1 S 2 UStG 2005, § 18 Abs 4 UStG 2005, § 46 UStDV 2005, § 47 UStDV 2005, § 48 Abs 4 UStDV 2005, § 55 Abs 4 InsO, § 21 Abs 2 InsO

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Beschluss vom 21.09.2021, Az. VII R 9/18 (REWIS RS 2021, 2503)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2021, 2503

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