Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.09.2010, Az. II R 3/10

2. Senat | REWIS RS 2010, 3575

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Gegenstand

Einheitlicher Erwerbsgegenstand bei Erwerb eines Erbbaurechts mit zu errichtendem Gebäude


Leitsatz

NV: Es liegt kein einheitlicher Erwerbsgegenstand im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn vor, wenn nicht der Besteller eines Erbbaurechts, sondern ein nicht mit ihm verbundener Dritter zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet ist .

Tatbestand

1

I. [X.]ie Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist ein geschlossener Immobilienfonds in der Rechtsform einer GbR. Gründungsgesellschafterin war u.a. die [X.].

2

[X.]ie Klägerin erwarb mit Erbbaurechtsvertrag vom 30. Mai 1995 ein Erbbaurecht an einem unbebauten Grundstück. [X.]ie war gemäß § 2 Abs. 3 des [X.] berechtigt und verpflichtet, auf dem Erbbaugrundstück eine Wohnanlage mit 209 Wohnungen und einer gewerblichen Nutzfläche von ca. 2 000 qm nach Maßgabe einer bereits erteilten Baugenehmigung zu errichten. [X.]er [X.] betrug einmalig 13.220.000 [X.]M.

3

Am 4. [X.]eptember 1995 schlossen die Klägerin und die [X.] einen "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)", einen "Architekten- und Ingenieurvertrag" sowie einen "[X.]". Ferner schloss die Klägerin mit [X.] am 7. November 1995 einen Bauwerkvertrag. [X.] war mit der [X.]/Grundstückseigentümerin personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich nicht verbunden.

4

[X.]er Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) nahm an, es liege hinsichtlich des Erwerbs des Erbbaurechts sowie der Herstellung des Gebäudes ein einheitlicher Erwerbsgegenstand vor, und setzte die Grunderwerbsteuer zuletzt in der Einspruchsentscheidung vom 10. [X.]ezember 2004 auf 793.159,88 € fest. [X.]abei bezog er u.a. die Entgelte aus dem "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)", dem "Architekten- und Ingenieurvertrag", dem "[X.]" und dem Bauwerkvertrag in die Bemessungsgrundlage mit ein.

5

[X.]as Finanzgericht ([X.]) hat die Klage abgewiesen. [X.]ie [X.] sei als Initiator der Bebauung der [X.] zuzurechnen und als Geschäftsbesorgerin zur Veränderung des tatsächlichen Grundstückszustands verpflichtet gewesen. Es habe ein enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Erbbaurechtsvertrag und den Verträgen über die Bebauung des Grundstücks bestanden. [X.]enn es habe ein von der [X.] vorbereitetes Geschehen vorgelegen, das die Klägerin hingenommen habe.

6

Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung der § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8, § 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrE[X.]tG). [X.]ie [X.] sei nicht zur Veränderung des tatsächlichen Grundstückszustands verpflichtet gewesen.

7

[X.]ie Klägerin beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und den Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. August 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. [X.]ezember 2004 dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer auf 135.185,58 € (264.400 [X.]M) festgesetzt wird.

8

[X.]as [X.] beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

9

[X.]er Beigeladene hat keinen eigenen [X.]achantrag gestellt.

Entscheidungsgründe

II. [X.]ie Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Herabsetzung der festgesetzten Steuer in dem von der Klägerin beantragten Umfang (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--).

1. [X.]as [X.] hat zu Unrecht angenommen, dass das von der Klägerin erworbene Erbbaurecht einschließlich des von ihr errichteten Gebäudes ein grunderwerbsteuerrechtlich einheitlicher Erwerbsgegenstand ist.

a) Nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 [X.] unterliegt die Verpflichtung zur Bestellung eines Erbbaurechts an einem inländischen Grundstück der Grunderwerbsteuer. Bemessungsgrundlage ist gemäß § 8 Abs. 1 [X.] die Gegenleistung. [X.]azu gehören alle Leistungen des Erwerbers, die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück (Erbbaurecht) zu erwerben.

b) Entscheidend für den Umfang der Bemessungsgrundlage ist, in welchem tatsächlichen Zustand das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht wurde. Ob ein bei Abschluss des [X.] (Erbbaurechtsvertrag) tatsächlich unbebautes Grundstück in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist, kann sich (auch) aus einer Mehrheit von Verträgen ergeben, wenn zwischen ihnen ein rechtlicher oder ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, dass der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise ein bebautes Grundstück erhält. [X.]ies setzt voraus, dass nach den getroffenen Vereinbarungen entweder der Grundstücksveräußerer (Besteller des Erbbaurechts) selbst oder ein mit ihm zusammenwirkender [X.]ritter dem Erwerber gegenüber verpflichtet ist, den tatsächlichen Grundstückszustand zu verändern, d.h. das Grundstück zukünftig in einen bebauten Zustand zu versetzen. [X.]azu ist neben dem Abschluss des [X.] (Erbbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der [X.] erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (Urteil des [X.] --BFH-- vom 2. März 2006 II R 39/04, [X.], 1880, m.w.N.).

2. Im Streitfall hat sich weder die Bestellerin des Erbbaurechts noch [X.] gegenüber der Klägerin verpflichtet, das Gebäude auf dem Grundstück zu errichten.

a) Nach dem Inhalt des [X.] vom 30. Mai 1995 schuldete nicht die [X.]/Eigentümerin die Bebauung des Grundstücks. Vielmehr war nach § 2 Abs. 3 dieses Vertrags die Klägerin selbst zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet.

b) Eine Verpflichtung der [X.] zur Errichtung des Gebäudes ergibt sich auch nicht aus den zwischen der Klägerin und [X.] abgeschlossenen Verträgen vom 4. September 1995. Abgesehen davon, dass [X.] als Gesellschafterin der Klägerin der [X.] und nicht der Bestellerin des Erbbaurechts zuzurechnen ist, war [X.] der Klägerin gegenüber auch nicht zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet.

aa) Nach dem "Geschäftsbesorgungsvertrag (Treuhändervertrag)" vom 4. September 1995 war [X.] nicht zur Herstellung des Gebäudes, sondern nur verpflichtet, Baubetreuungsleistungen zu erbringen (vgl. zum Baubetreuungsvertrag MünchKommBGB/[X.], 5. Aufl., § 675 Rz 94 ff.). Sie sollte gemäß § 4 Nr. 1 des Vertrags lediglich im Namen und für Rechnung der Klägerin u.a. die Gebäude errichten und zur Finanzierung Fremdmittel aufnehmen. [X.]ementsprechend war [X.] verpflichtet, Angebote für die [X.]urchführung und Finanzierung der Bauvorhaben vorzulegen (§ 3 Nr. 1 Satz 2 des Vertrags) und ferner beauftragt und bevollmächtigt, nach Maßgabe der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung die geeigneten Bau-, Finanzierungs- und [X.]ienstleistungsverträge abzuschließen. [X.]ementsprechend hat die Klägerin der [X.] die Baubetreuung und nicht die Herstellung des Gebäudes vergütet. [X.]enn die Vergütung der [X.] betrug für die Bauerrichtungsphase gemäß § 10 des Vertrags 1.900.000 [X.]M und war damit wesentlich niedriger als die Herstellungskosten des Gebäudes. Schließlich ist [X.] bei Abschluss des [X.] vom 7. November 1995 lediglich als Geschäftsbesorger der Klägerin aufgetreten.

bb) Ebenso wenig war [X.] aufgrund des "[X.]" vom 4. September 1995 oder des "Vertrags über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung" zur Errichtung des Gebäudes verpflichtet. [X.]ie nach § 3 des "[X.]" sowie nach § 3 Buchst. a des "Vertrags über die wirtschaftliche und technische Baubetreuung" geschuldeten Leistungen dienten zwar der Herstellung des Gebäudes auf dem mit dem Erbbaurecht der Klägerin belasteten Grundstück, verpflichteten die [X.] aber nicht zur Errichtung des Gebäudes. [X.]eren Leistungspflichten beschränkten sich vielmehr auf die Bauplanung und die kaufmännische und technische Baubetreuung.

c) Soweit das [X.] zur Begründung seiner Entscheidung auf die BFH-Urteile vom 28. Oktober 1998 [X.] ([X.] 1999, 667) sowie vom 4. September 1996 [X.]/94 ([X.] 1997, 308) verweist, ergibt sich daraus kein anderes Ergebnis. [X.]iese Entscheidungen sind nämlich zu der Frage ergangen, unter welchen Voraussetzungen ein einheitliches Angebot der [X.] vorliegt und wann ein objektiv enger sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Bauvertrag besteht. Auf die Frage, ob das Grundstück (Erbbaurecht) sowie [X.]ienstleistungen von der [X.] einheitlich angeboten wurden, kommt es jedoch beim Fehlen einer Herstellungsverpflichtung der [X.] ebenso wenig an wie darauf, ob die Verträge in einem objektiven engen sachlichen Zusammenhang stehen und der Erwerber bei Abschluss des [X.] hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder auch nur wirtschaftlich gebunden war (vgl. BFH-Urteil vom 27. Oktober 2004 [X.], [X.], 51, [X.] 2005, 220, unter II.1.a).

3. [X.]ie Errichtung des Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück stellt keine Gegenleistung der Klägerin für die Bestellung des Erbbaurechts dar.

a) Nach dem BFH-Urteil vom 23. Oktober 2002 [X.]/00 ([X.], 416, [X.] 2003, 199) kommen die Verwendungen auf das Erbbaugrundstück regelmäßig dem Erbbauberechtigten dauerhaft zugute, wenn sich der Erbbauberechtigte in einem Erbbaurechtsbestellungsvertrag zur Errichtung eines bestimmten Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück sowie zu dessen ordnungsgemäßer Unterhaltung über die Gesamtlaufzeit des Erbbaurechts verpflichtet und er bei Erlöschen des Erbbaurechts vom Grundstückseigentümer eine Entschädigung für das Gebäude in Höhe des Verkehrswerts erhält. In der [X.] liegt deshalb regelmäßig keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts.

b) [X.]anach war die Errichtung des Gebäudes auf dem Erbbaugrundstück keine Gegenleistung der Klägerin für die Bestellung des Erbbaurechts. [X.]ie Errichtung des Gebäudes kam der Klägerin zugute. [X.]enn diese hat gemäß § 10 des [X.] bei Erlöschen des Erbbaurechts einen Anspruch auf Entschädigung in Höhe des Verkehrswerts der baulichen Anlagen im Zeitpunkt des Erlöschens des Erbbaurechts.

4. [X.]a das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Auf die von der Klägerin erhobenen Verfahrensrügen braucht danach nicht eingegangen zu werden (BFH-Urteil vom 1. Juli 2008 II R 71/06, [X.], 63, [X.] 2008, 874, unter II.2.b dd).

5. [X.]ie Sache ist spruchreif. [X.]er Grunderwerbsteuerbescheid vom 28. August 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. [X.]ezember 2004 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten, soweit das [X.] in die Bemessungsgrundlage auch die Herstellungskosten des Gebäudes einbezogen hat. [X.]er angefochtene Bescheid ist gemäß § 100 Abs. 2 Satz 1 [X.]O dahin zu ändern, dass die Grunderwerbsteuer unter Zugrundelegung einer Bemessungsgrundlage von 13.220.000 [X.]M (6.759.278,66 €) auf 264.400 [X.]M (135.185,58 €) festgesetzt wird.

Meta

II R 3/10

08.09.2010

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 25. November 2009, Az: 11 K 1010/05 B, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1983, § 8 GrEStG 1983, § 9 GrEStG 1983

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 08.09.2010, Az. II R 3/10 (REWIS RS 2010, 3575)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 3575

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