Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.04.2018, Az. II R 50/15

2. Senat | REWIS RS 2018, 10097

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Gegenstand

Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer beim Grundstückserwerb durch eine zur Veräußererseite gehörende Person


Leitsatz

Beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks sind die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur Veräußererseite gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird .

Tenor

Auf die Revision des [X.] wird das Urteil des [X.] vom 23. April 2015  8 K 2116/12 GrE aufgehoben.

Die Grunderwerbsteuer wird unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids des Beklagten vom 10. Januar 2014 auf 847 € festgesetzt.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) --ein [X.] stand in Kontakt mit einer Kirchengemeinde wegen der Errichtung von sechs Eigentumswohnungen auf deren Grundstücken. Die [X.], die mit dem Kläger zusammenarbeitete, fertigte Planungsunterlagen für die Bebauung und stellte einen Antrag auf Erteilung eines Bauvorbescheids.

2

Der Kläger verteilte zur Gewinnung von Interessenten ein Exposé mit den Emblemen seiner Immobilienfirma und der [X.]. Das Exposé enthielt für sechs Wohnungen genaue Angaben über Wohnfläche, Erbpacht, Lage und Ausstattung der Wohnungen sowie den Kaufpreis. Angeboten wurde der Erwerb einer Eigentumswohnung aus einer Hand. Als Ansprechpartner war der Kläger genannt.

3

Die Kirchengemeinde beschloss am 12. Juli 2011, zur Bebauung ein [X.] an den Grundstücken zu bestellen. Dieses Erbbaurecht sollte geteilt und mit dem Sondereigentum an Wohnungen verbunden werden. Gleichzeitig stimmte die Kirchengemeinde sechs Übertragungsverträgen mit namentlicher Nennung der Erwerber und Angabe des Kaufpreises für die Wohnungen zu. Die spätere Wohnung Nr. 3 sollte der Kläger für einen Kaufpreis von 165.000 € erwerben.

4

Mit notarieller Urkunde vom 20. Juli 2011 bestellte die Kirchengemeinde das [X.] mit der Berechtigung und der Verpflichtung, auf dem [X.] ein Mehrfamilienhaus mit sechs Eigentumswohnungen und den dazu erforderlichen Nebenanlagen zu errichten. Der Kläger verpflichtete sich ihr gegenüber am selben Tag, für den Fall des [X.] von Wohnungen diese Einheiten selbst zu erwerben. Mit notariell beurkundetem [X.] erwarb der Kläger einen Miterbbaurechtsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 3.

5

Mit Bescheid vom 30. September 2011 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --[X.]--) Grunderwerbsteuer von 6.622 € gegen den Kläger fest. Zugrunde gelegt wurde eine Gegenleistung von 189.221 €, die sich aus dem kapitalisierten Erbbauzins von 24.221 € (Jahreswert 1.303 € x Vervielfältiger 18,589) und dem Kaufpreis für die Wohnung von 165.000 € zusammensetzte.

6

Am 6. Dezember 2011 schlossen die [X.] und der Kläger einen Werkvertrag über die Erstellung der Eigentumswohnung Nr. 3. Der Preis für die Erstellung der Wohnung sollte nunmehr 140.000 € betragen.

7

Der Einspruch, mit dem sich der Kläger gegen die Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer wandte, blieb ohne Erfolg.

8

Während des Klageverfahrens erließ das [X.] am 10. Januar 2014 einen Änderungsbescheid, mit dem es die geringeren Errichtungskosten der Wohnung von 140.000 € berücksichtigte und die Grunderwerbsteuer auf 5.747 € herabsetzte. Die Klage wies das Finanzgericht ([X.]) ab. Seiner Auffassung nach hat das [X.] die Bauerrichtungskosten zu Recht in die Bemessungsgrundlage einbezogen. Das Urteil des [X.] ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (E[X.]) 2016, 144 veröffentlicht.

9

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Abänderung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 10. Januar 2014 die Grunderwerbsteuer auf 847 € festzusetzen.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils sowie zur Änderung des Grunderwerbsteuerbescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Entgegen der Auffassung des [X.] sind die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.

1. Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer ist gemäß § 8 Abs. 1 [X.] die Gegenleistung. Bei einem Grundstückskauf gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] als Gegenleistung u.a. der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen. Danach gehören alle Leistungen des Erwerbers zur [X.]en Gegenleistung (Bemessungsgrundlage), die dieser nach den vertraglichen Vereinbarungen gewährt, um das Grundstück zu erwerben (Urteil des [X.] --BFH-- vom 30. August 2017 II R 48/15, [X.], 127, [X.] 2018, 24, Rz 16, m.w.[X.]).

a) Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gemäß § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 [X.] die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 [X.] erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der [X.]e Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil in [X.], 127, [X.] 2018, 24, Rz 17, m.w.[X.]). Ob ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren Vereinbarungen besteht, ist nach den Umständen des Einzelfalls zu ermitteln. Dabei ist grundsätzlich auf den Zeitpunkt des Abschlusses des [X.] abzustellen (BFH-Urteil in [X.], 127, [X.] 2018, 24, Rz 17, m.w.[X.]).

b) Ein objektiv sachlicher Zusammenhang zwischen dem Grundstückskaufvertrag und weiteren zur Annahme eines einheitlichen Erwerbsgegenstands führenden Vereinbarungen liegt u.a. vor, wenn der Erwerber beim Abschluss des [X.] gegenüber der [X.] in seiner Entscheidung über das "Ob" und "Wie" der Baumaßnahme nicht mehr frei war und deshalb feststand, dass er das Grundstück nur in einem bestimmten (bebauten) Zustand erhalten werde (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteile vom 3. März 2015 II R 22/14, [X.], 1270, Rz 14, und in [X.], 127, [X.] 2018, 24, Rz 18, jeweils m.w.[X.]). Eine derartige Einschränkung der sonst für einen Grundstückserwerber bestehenden Entscheidungsfreiheit kann sich aus vorherigen Absprachen oder aus faktischen Zwängen ergeben. Faktische Zwänge, die zu einer Einschränkung der Entscheidungsfreiheit des Grundstückskäufers in Bezug auf die Annahme der auf die Errichtung des Gebäudes bezogenen Verträge führen, können sich daraus ergeben, dass der jeweilige Grundstückserwerber bei der Errichtung des Gebäudes darauf angewiesen war, mit anderen Bauwilligen zusammenzuwirken, wie dies beispielsweise bei der Errichtung von Eigentumswohnungen nach dem Wohnungseigentumsgesetz der Fall ist (BFH-Urteil vom 8. März 2017 II R 38/14, [X.], 368, [X.] 2017, 1005, Rz 36, m.w.[X.]).

c) Auf der [X.] können mehrere Personen als Vertragspartner auftreten, so dass sich die Ansprüche des Erwerbers auf Übereignung des Grundstücks und auf Errichtung des Gebäudes zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten (vgl. BFH-Urteil in [X.], 368, [X.] 2017, 1005, Rz 39, m.w.[X.]). Entscheidend ist insoweit, dass (auch) der den [X.] begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Erwerbsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen. Dies ist regelmäßig anzunehmen, wenn die auf der [X.] auftretenden Personen personell, wirtschaftlich oder gesellschaftsrechtlich eng verbunden sind oder aufgrund von (nicht notwendigerweise vertraglichen) Abreden auf den Abschluss sowohl des [X.] als auch der Verträge, die der Bebauung des Grundstücks dienen, hinwirken (BFH-Urteil in [X.], 127, [X.] 2018, 24, Rz 19, m.w.[X.]).

d) Diese Grundsätze gelten auch im Fall der Bestellung eines Erbbaurechts (BFH-Urteil vom 24. April 2013 II R 53/10, [X.], 63, [X.] 2013, 755, Rz 28). Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Erbbaurecht mit noch künftig zu errichtendem Gebäude, soweit eine entsprechende Herstellungsverpflichtung der [X.] (Erbbaurechtsgeber und ggf. mit ihm verbundener Dritter) besteht. Dazu ist neben dem Abschluss des [X.] (Erbbaurechtsvertrag) auch der Abschluss eines Bauvertrags mit der [X.] erforderlich; diese muss zivilrechtlich zur Übereignung und Bebauung verpflichtet sein (BFH-Urteil in [X.], 63, [X.] 2013, 755, Rz 28).

2. Beim Erwerb eines noch zu bebauenden Grundstücks sind die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen, wenn das Grundstück von einer zur [X.] gehörenden Person mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung erworben wird. Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist in diesem Fall das unbebaute Grundstück.

a) Für den Erwerb eines Grundstücks im bebauten Zustand (einheitlicher Erwerbsgegenstand) ist typisch, dass der Erwerber --im Gegensatz zu einem Bauherrn-- in seinen Möglichkeiten, sowohl den Grundstücksverkäufer als auch den Bauunternehmer selbst zu bestimmen, eingeschränkt ist. Demgegenüber ist eine Person, die zur [X.] gehört und bei der Bebauung mitwirkt, indem sie das "Ob" und "Wie" der Bebauung maßgebend beeinflusst, [X.] nicht Erwerber eines unbebauten Grundstücks im Zustand der späteren Bebauung, sondern Bauherr. Das gilt auch, wenn diese Person nicht selbst das Grundstück veräußert oder Bauleistungen erbringt, sondern das Bauvorhaben und/oder die Vermarktung des bebauten Grundstücks dadurch fördert, dass sie die Leistungen des Grundstücksveräußerers und des Bauunternehmers zu einer einheitlichen Gesamtleistung, dem Verkauf eines bebauten Grundstücks, zusammenführt. Sie wirkt damit auf die für die Einheitlichkeit des Erwerbsgegenstands entscheidende Verknüpfung der einzelnen Verträge hin ([X.], [X.], Kommentar, 6. Aufl., § 9 Rz 41).

b) Ist eine zur [X.] gehörende Person wie ein Bauherr zu behandeln, sind beim Kauf des noch unbebauten Grundstücks durch diese Person die Bauerrichtungskosten nicht in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen. Das gilt auch, wenn ein Miterbbaurechtsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer Wohnung erworben wird und der Erwerber damit hinsichtlich der konkreten Bebauung des Grundstücks rechtlich oder wirtschaftlich gebunden war. Denn die Bindung beruht auf der Tätigkeit des Erwerbers als Bauherr.

c) Diese Auffassung teilt grundsätzlich auch die Finanzverwaltung (vgl. gleich lautende Ländererlasse vom 14. März 2017, [X.], 436, Tz 4.1). Erwerben danach Funktionsträger mit bestimmendem Einfluss auf das "Ob" und "Wie" der Bebauung das Grundstück, dann ist das Grundstück in dem Zustand zu besteuern, in dem es sich bei Vertragsabschluss befindet.

3. Da das [X.] von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Klage ist stattzugeben. Die Bauerrichtungskosten gehören nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.

a) Der Kläger hat --nach den vom [X.] getroffenen Feststellungen (§ 118 Abs. 2 [X.]O)-- auf die Errichtung der Wohnanlage maßgebend Einfluss genommen, weil er an der späteren Vermarktung der Eigentumswohnungen interessiert war. Er arbeitete mit der bauausführenden [X.] zusammen, welche die Planungsunterlagen erstellt und Bauvorbescheide beantragt hatte. Zudem stand er in Kontakt zur Kirchengemeinde, welche die Miterbbaurechte an ihren Grundstücken für das Projekt bestellt hatte. In einem von ihm gefertigten Exposé bot er den Erwerb einer Eigentumswohnung aus einer Hand an. Aufgrund der Absprachen mit der Kirchengemeinde und der [X.] gehörte er zur [X.]. Sein Handeln als Immobilienmakler war auf die Errichtung und den Verkauf der Eigentumswohnungen gerichtet.

b) Bemessungsgrundlage war im Streitfall daher lediglich der kapitalisierte [X.] (24.221 €), woraus sich eine Grunderwerbsteuer (3,5 %) in Höhe von 847 € errechnet (§ 11 Abs. 1 und 2 [X.]).

4. [X.] beruht auf § 135 Abs. 1 [X.]O.

Meta

II R 50/15

25.04.2018

Bundesfinanzhof 2. Senat

Urteil

vorgehend FG Münster, 23. April 2015, Az: 8 K 2116/12 GrE, Urteil

§ 1 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 8 Abs 1 GrEStG 1997, § 9 Abs 1 Nr 1 GrEStG 1997, § 11 Abs 1 GrEStG 1997, § 11 Abs 2 GrEStG 1997

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 25.04.2018, Az. II R 50/15 (REWIS RS 2018, 10097)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 10097

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