Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.08.2015, Az. I ZB 76/14

I. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 6701

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
I ZB 76/14
vom
13. August
2015
in der Rechtsbeschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung Nr. 30 2009 005
341

-
2
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat am 13.
August
2015 durch [X.]
Dr.
Büscher, [X.] Dr.
Koch, Dr.
Löffler, die Richterin Dr.
[X.] und den Richter Feddersen
beschlossen:
[X.] gegen den Beschluss des 28.
Senats ([X.]) des [X.] vom 14.
Mai 2014 wird auf Kosten der Widersprechenden zurückge-wiesen.

Gründe:
[X.] Für die Markeninhaberin ist am 15. Juli 2009 die Wortmarke Nr.
30
2009 005 341
[X.]medical
für verschiedene Waren und Dienstleistungen eingetragen worden, deren Schutz sich nach einem Teilverzicht der Markeninhaberin auf folgende Waren und Dienstleistungen erstreckt:
Klasse
5: Pharmazeutische und veterinärmedizinische Präparate für die [X.]; Sonnenschutzmittel für pharmazeutische und veterinärmedizinische Zwecke; Badesalze und Badezusätze für medizinische
Zwecke; Lichtreaktive Präparate in Form von pharmazeutischen und medizinischen Erzeugnissen; Sonnenbrandsalben; Nahrungsergänzungsmittel für medizinische Zwecke; Öle für medizinische Zwecke; Salze
für medizinische Zwecke;
Klasse
10: [X.]), [X.]=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Filter für medizinische Zwecke; Ultraviolettlampen
für medizinische Zwecke; Apparate und daraus bestehende Anlagen zur Erzeugung von [X.]), [X.]=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Strahlen für medizinische Zwecke; [X.]
-
3
-
pen und [X.] für medizinische Zwecke; aus Apparaten beste-hende Schutzvorrichtungen gegen [X.]), [X.]=sichtbar) und/oder IR-(Infrarot)Strahlen für medizinische Zwecke; Strahlentherapiegeräte; Becken für medizinische Geräte; Sessel und Liegen für medizinische Zwecke; Spezialmöbel und Einhausungen für medizinische Zwecke (soweit in Klasse 10 vorhanden); Ultraschallgeräte für medizinische Zwecke; Vernebler für medizini-sche Zwecke;
Klasse
44: Betrieb von Solarien; Schönheitspflege
Gegen diese Eintragung hat die Widersprechende aus ihren nachste-hend angeführten Marken Widerspruch erhoben:
Aus der am 7.
November 2006 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke GM
4 491
941
[X.].EU,
die für die Dienstleistungen
Klasse
35: Erstellung und Verwaltung medizinischer und administrativer Daten;
Klasse 37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich;
Klasse
38: Kommunikation über das Internet;
Klasse
42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors;
Klasse
44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unterneh-mensberatung) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten [X.]; Informationsdienstleistungen im Gesundheitswesen, nämlich Austausch digitaler Daten zwischen Krankenhäusern und Kliniken untereinander oder zu Dritten
eingetragen
ist.
Aus der am 7.
Dezember 2009 eingetragenen Gemeinschaftswortmarke GM
4 492
062
[X.],
die für die Dienstleistungen
2
3
4
-
4
-
Klasse
35: Erstellung und Verwaltung medizinischer und administrativer Daten;
Klasse
37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich;
Klasse
42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors;
Klasse
44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen Unterneh-mensberatung) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten [X.]; Informationsdienstleistung im Gesundheitswesen, nämlich Austausch digi-taler Daten zwischen Krankenhäusern und Kliniken untereinander oder zu Drit-ten

eingetragen
ist.
Aus der am 7.
März 1997 eingetragenen [X.] Wortmarke Nr.
396
17
615
[X.],
die für die Dienstleistungen
Klasse
37: Reinigungsdienstleistungen für den gesamten Krankenhausbereich;
Klasse
42: Dienstleistungen eines medizinischen und bakteriologischen Labors;
Klasse
44: Dienstleistungen eines Krankenhauses; Verpflegung von Personen im Krankenhausbereich; gewerbsmäßige Beratung (ausgenommen
Unterneh-mensberatung) im Hinblick auf den Einkauf für den gesamten [X.]
eingetragen
ist.
Die Markenstelle des Deutschen Patent-
und Markenamts hat den [X.] zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Wider-sprechenden hat das [X.] zurückgewiesen ([X.], Beschluss vom 14.
Mai 2014
28
W
(pat)
564/12, juris).
Hiergegen wendet sich die Widersprechende mit ihrer zulassungsfreien Rechtsbeschwerde, mit der sie die Versagung rechtlichen Gehörs rügt.

5
6
7
-
5
-
I[X.] Das [X.] hat angenommen, zwischen der [X.] und den älteren Widerspruchsmarken bestehe keine Verwechs-lungsgefahr (§
9 Abs.
1 Nr.
2 [X.]). Die für die angegriffene Marke in Klas-se
5 eingetragenen Waren und Dienstleistungen seien mit den für die Wider-spruchsmarken in Klassen
44 geschützten Dienstleistungen ähnlich. Die Wider-spruchsmarken verfügten nur über durchschnittliche Kennzeichnungskraft. Die von der Widersprechenden zur Bekanntheit eingereichten Unterlagen
Internet-auftritt, Finanz-
und Geschäftsberichte aus den Jahren 2008 bis 2011 sowie Umsatzzahlen von über 2
Mrd.

reichten nicht aus, um eine erhöhte Kennzeichnungskraft anzunehmen. Aus ihnen ergäben sich zu wenig objektive Anhaltspunkte dafür, dass die Widerspruchsmarken bei den angesprochenen Verkehrskreisen bekannt seien. Es fehlten objektive Sta-tistiken und Angaben zu dem von der Marke gehaltenen Marktanteil, die zuver-lässige Schlüsse auf die [X.] zuließen. Eine für die Annahme einer [X.] ausreichende Zeichenähnlichkeit bestehe nicht. Die identische Übernahme des Bestandteils "[X.]" der Widerspruchsmarken in die angegriffene Marke führe wegen seiner Kombination mit dem weiteren Wortbe-standteil "medical" nicht zur Annahme der [X.]. Der überein-stimmende Bestandteil "[X.]" sei weder prägend noch habe er innerhalb der [X.] eine selbständig kennzeichnende Stellung.
II[X.] [X.] hat keinen Erfolg.
1.
Die form-
und fristgerecht eingelegte und begründete Rechtsbe-schwerde ist zulässig (§§
133, 83 [X.]). Ihre Statthaftigkeit folgt daraus, dass ein im Gesetz aufgeführter, die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde eröff-nender Verfahrensmangel gerügt wird. Die
Rechtsbeschwerde beruft sich auf eine Versagung des rechtlichen Gehörs

83 Abs.
3 Nr.
3 [X.]). Diese Rüge hat die Rechtsbeschwerde im Einzelnen begründet. Auf die Frage, ob die 8
9
10
-
6
-
erhobene Rüge durchgreift, kommt es für die Statthaftigkeit des Rechtsmittels nicht an (st. Rspr.; vgl. nur [X.], Beschluss vom 26.
Juni 2010
I
ZB
40/09, [X.], 1034 Rn.
9 = [X.], 1034
LIMES LOGISTIK).
2. [X.] ist jedoch unbegründet, weil der Anspruch der Widersprechenden auf rechtliches Gehör nicht verletzt ist.
a) [X.] rügt, das [X.] habe den Vor-trag der Widersprechenden außer Acht gelassen, wonach die Widerspruchs-marken überragend kennzeichnungskräftig seien. Abgesehen davon, dass die Bekanntheit der Marke "[X.]" im Gesundheitsbereich gerichtskundig im Sinne des §
291 ZPO sei, habe das [X.] die Anlagen LS
1 bis 6 entweder gar nicht oder nur unvollständig berücksichtigt. Es fehle jeder Bezug auf die Anlage LS
2, aus der sich für das [X.] ein Umsatz der Widerspre-chenden von mehr als 3,2
Milliarden Euro ergebe. Das [X.] habe auch den Vortrag übergangen, dass die Widersprechende in 110
Kliniken in [X.] mit derzeit rund 69.000
Mitarbeitern und über 34.000
Betten mehr als 4,2
Mio. Patienten medizinisch versorge, davon mehr als 1,2
Mio. [X.]. Das [X.] habe auch nicht berücksichtigt, dass die [X.] in ihrem Internetauftritt intensiv mit der Wortverbindung "[X.]s" und "Medizin" werbe. Hätte das [X.] diesen Vortrag berück-sichtigt, hätte es zugunsten der Widersprechenden entschieden, weil bei gege-bener hochgradiger Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Waren und Dienstleistungen und überragender Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmar-ken eine [X.] anzunehmen sei. Hinzu komme, dass das [X.] zu Unrecht auch die hochgradige Markenähnlichkeit verneint habe. Damit habe das [X.] den Anspruch der Markeninhaberin auf rechtliches Gehör entscheidungserheblich verletzt.
11
12
-
7
-
b) Eine Versagung rechtlichen Gehörs im Sinne von §
83 Abs.
3 Nr.
3 [X.] liegt nicht vor.
aa) Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs verpflichtet ein [X.], die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und
in Erwägung zu ziehen. Art.
103 Abs.
1 GG ist allerdings erst verletzt, wenn sich im Einzelfall klar ergibt, dass das Gericht dieser Pflicht nicht nachgekommen ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Gerichte das von ihnen [X.] zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen haben. Sie sind dabei nicht verpflichtet, sich mit jedem Vorbringen in den Entscheidungsgründen ausdrücklich zu befassen. Ein Verstoß gegen Art.
103 Abs.
1 GG kommt deshalb allenfalls in Betracht, wenn im Einzelfall be-sondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist. Dies kann etwa der Fall sein, wenn das Gericht in seinen Entscheidungsgründen auf [X.] des [X.] zu einer Frage nicht eingeht, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist ([X.], [X.], 1953
Rn.
14; NJW 2009, 1584
f. [X.]). Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs ist hingegen nicht verletzt, wenn das Gericht den Parteivortrag zwar zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen, aus ihm
jedoch andere rechtliche Schlüsse gezogen hat als die Partei
geltend gemacht hat
([X.], Beschluss vom 20.
Mai 2009
I
ZB
53/08, [X.], 992 Rn.
17 und 23 = [X.], 1104

Schuhverzierung; Beschluss vom 7.
Juli 2011
I
ZB
68/10, [X.], 314 Rn.
14
Medicus.log).
bb) Im vorliegenden Fall ist eine Verletzung des Gebots
der Gewährung
rechtlichen Gehörs
nicht gegeben. Das [X.] hat den von der Widersprechenden als übergangen gerügten Vortrag ausweislich seiner Be-13
14
15
-
8
-
schlussbegründung zur Kenntnis genommen und erwogen. Es hat die Frage erörtert, ob die Widerspruchsmarken angesichts der durch die
Vorlage des In-ternetauftritts sowie der Finanz-
und Geschäftsberichte aus den Jahren 2008 bis 2011 dokumentierten wirtschaftlichen Betätigung der Widersprechenden über gesteigerte Kennzeichnungskraft verfügten. Auch ohne die ausdrückliche Bezugnahme auf die Anlagen "LS
1 bis 6" geht hieraus hervor, dass das [X.] den Vortrag der Widersprechenden berücksichtigt hat. Dass es die aufgeworfene Frage einer gesteigerten Kennzeichnungskraft verneint hat, weil nach seiner tatrichterlichen Würdigung die vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend aussagekräftig waren, um von einer gesteigerten Kennzeich-nungskraft durch Benutzung auszugehen, liegt nach den vorstehend wiederge-gebenen Maßstäben außerhalb des Kontrollbereichs einer Gehörverletzung. Die Widersprechende begehrt mit ihrer Rüge eine durch die zulassungsfreie Rechtsbeschwerde des §
83 Abs.
3 [X.] nicht eröffnete Überprüfung der Richtigkeit der Entscheidung des [X.]. Soweit die Rechtsbe-schwerde in diesem Zusammenhang auf Umsatzzahlen der [X.] und 2013 abhebt, kommt es auf diese Zeiträume nicht an, weil sie der Anmeldung der angegriffenen Marke (29.
Januar 2009) nachfolgen und eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken nach dem Anmeldezeitpunkt nicht zu berücksichtigen ist (vgl. [X.], Beschluss vom 3.
April 2008

I
ZB
61/07, [X.], 903 Rn.
14 = [X.], 1342
[X.] ANTI-GUO). Es ist deshalb unschädlich, dass das [X.] auf diese Umsatzzahlen nicht eingegangen ist.
Auch mit den Darlegungen der Rechtsbeschwerde zu den Fragen der Waren-
und Dienstleistungsähnlichkeit, der Zeichenähnlichkeit und der mittelba-ren [X.] greift die Rechtsbeschwerde lediglich die Richtigkeit der Entscheidung des [X.] an, was ihr im vorliegenden Ver-fahren verwehrt ist. Es ist nicht ersichtlich, dass das [X.] Vor-16
-
9
-
trag der Widersprechenden übergangen hat. Dass das [X.] aus den Darlegungen der Widersprechenden andere rechtliche Schlüsse gezo-gen hat, verletzt nicht ihren Anspruch auf rechtliches Gehör.
[X.] Die Kostenentscheidung beruht auf §
90 Abs.
2 Satz
1 [X.].

Büscher
Koch
Löffler

[X.]
Feddersen

Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 14.05.2014 -
28 W(pat) 564/12 -

17

Meta

I ZB 76/14

13.08.2015

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 13.08.2015, Az. I ZB 76/14 (REWIS RS 2015, 6701)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 6701

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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