LG München I, Urteil vom 30.11.2015, Az. 1 S 14998/14 WEG

Tags hinzufügen

Sie können dem Inhalt selbst Schlagworten zuordnen. Geben Sie hierfür jeweils ein Schlagwort ein und drücken danach auf sichern, bevor Sie ggf. ein neues Schlagwort eingeben.

Beispiele: "Befangenheit", "Revision", "Ablehnung eines Richters"

QR-Code

Gegenstand

Ungültigkeitserklärung eines von der Wohnungseigentümerversammlung gefassten Beschlusses


Tenor

(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 05.06.2014, Az. 484 C 28593/13 WEG, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Der in der Eigentümerversammlung der WEG zu TOP 3a gefasste Beschluss über die Genehmigung der Jahresabrechnung 2012 mit Gesamt-, Einzel- und Heizkostenabrechnung wird bezüglich der Position „5600 Heizkosten“ in den Einzelabrechnungen für ungültig erklärt.

b. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits in 1. und 2. Instanz werden gegeneinander aufgehoben.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

Wesentlicher Inhalt der Entscheidungsgründe (§ 540, 313a ZPO):

Die Berufung der Beklagten war hinsichtlich der vom Amtsgericht für unwirksam erklärten Jahresgesamtabrechnung erfolgreich.

Der Beschluss leidet insoweit weder an einem formellen noch an einem inhaltlichen Mangel.

Das Erfordernis der Bezeichnung des Beschlussgegenstandes in der Einladung zur Eigentümerversammlung gemäß § 23 Abs. 2 WEG soll den Wohnungseigentümer vor überraschenden Beschlüssen schützen. Er soll die Möglichkeit haben, sich anhand der Tagesordnung auf die Beratung und Beschlussfassung in der Eigentümerversammlung über bestimmte Tagesordnungspunkte vorzubereiten bzw. sich zu entscheiden, ob er an der Eigentümerversammlung teilnehmen will (Bärmann, 13. Auflage, Rd.-Nr. 85 zu § 23 WEG). Nach dem vorgenannten Sinn und Zweck dürfen keine übertriebenen Anforderungen an die Bezeichnung des Beschlussgegenstandes gestellt werden. In der Regel genügt daher eine schlagwortartige Bezeichnung (Bärmann, 13. Auflage, Rd.-Nr. 86 zu § 23 WEG). Die Bezeichnung „Beschluss über Jahresabrechnung 2012 mit Gesamt-, Einzel- und Heizkostenabrechnung“, die in der als Anlage vorgelegten Einladung zur Eigentümerversammlung vom 17.9.2013 enthalten ist, genügt den vorgenannten Anforderungen und ist ausreichend. Es wurde hier auch nur die Jahresabrechnung beschlossen, nicht auch eine Änderung der Verbrauchserfassung (siehe dazu unten).

Auch nach der Übersendung der Gesamt- und Einzelabrechnung sind die Eigentümer nicht darauf beschränkt, diese unverändert zu beschließen, sondern können vor der Beschlussfassung noch Änderungen vornehmen, sofern diese für die Eigentümer nach Umfang und Auswirkungen überschaubar sind. Vorliegend haben die Eigentümer ausreichend Zeit gehabt, die Gesamt- und Einzelabrechnung zu prüfen. Unstreitig wurde ihnen eine erste Version der Gesamt- und der sie betreffenden Einzelabrechnung bereits mit der Einladung zur Eigentümerversammlung, die vom 2.9.2013 stammt, versandt. Zwar wurde mit Schreiben vom 13.9.2013 dann eine korrigierte Abrechnung versandt, die die zunächst versandte Abrechnung ersetzte. Die korrigierte Abrechnung enthielt eine Änderung jedoch bezüglich der Heizkostenabrechnung, weil die Fa. die Ablesung einer Wohnung nicht berücksichtigt hatte, worauf im Schreiben vom 13.9.2013 ausdrücklich hingewiesen wurde. Da aber insbesondere auch die Ermittlungsmethode hinsichtlich des Heizkosten- und Wärmeverbrauchs der einzelnen Sondereigentumseinheiten gleich geblieben ist, wie ein Vergleich der als Anlagen vorgelegten ursprünglichen mit der korrigierten Version der Abrechnung ergibt, und die übrigen Ausgaben- und Einnahmenpositionen mit Ausnahme der Position Heizkosten unverändert geblieben sind, waren die Änderungen für die Eigentümer nach Umfang und Auswirkung jedenfalls überschaubar. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die vorliegenden Heizkostenabrechnung für sich zweifelsohne kompliziert und für einen Laien nur schwer verständlich ist, was aber nichts mit der erfolgten Abänderung zu tun hat, sondern an der angewandten Abrechnungsmethode nach dem Beiblatt zur Richtlinie VDI 2077 als solche liegt, die letztlich nur von Fachleuten anzuwenden und zu überprüfen ist (vgl. dazu Riecke/Schmid, WEG, 4. Auflage, Rd.-Nr. 7e zu § 7 Heizkostenverordnung).

Inhaltlich hat der Kläger nichts dahingehend vorgetragen, warum die in der Gesamtabrechnung zu dieser Position genannten Beträge unrichtig sein sollen.

Keinen Erfolg hatte die Berufung der Beklagten aber in Bezug auf die Einzelabrechnungen. Diese wurden vom Amtsgericht zu Recht für unwirksam erklärt. Die Kammer greift insoweit zwar nicht auf die Begründung des Amtsgerichts zurück. Maßgeblich erscheint der Kammer hier vielmehr der Umstand, dass es an einem Beschluss der Eigentümer bezüglich der Anwendung der VDI 2077 und der Wahl des Bilanzverfahrens fehlt.

Gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung kann in Gebäuden, in denen die freiliegenden Leitungen der Wärmeversorgung überwiegend ungedämmt sind, was vorliegend unstreitig der Fall ist, und deswegen ein wesentlicher Anteil des Wärmeverbrauchs nicht erfasst wird, der Wärmeverbrauch der Nutzer nach anerkannten Regeln der Technik bestimmt werden. Ob dies vorliegend in zutreffender Weise erfolgt ist, kann in diesem Verfahren dahingestellt bleiben. Bei § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung handelt es sich nämlich, worauf auch die Beklagten selbst hinweisen, um eine Kannvorschrift. Die Anwendung ist also nicht zwingend, sondern liegt im Ermessen des Gebäudeeigentümers, hier also der Eigentümer insgesamt. Weiterhin hat der Gebäudeeigentümer bei der Ermittlung des Wärmeverbrauchs nach den anerkannten Regeln der Technik gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung zwischen den in der VDI 2077 genannten Verfahren die Wahl (vgl. dazu Riecke/Schmid, WEG, 4. Auflage, Rd.-Nr. 7f und 7g zu § 7 Heizkostenverordnung).

Hieran ändert auch nichts die Frage, ob es sich hier um eine Verbrauchsermittlungsvorschrift handelt, was wohl der Fall sein dürfte, oder um eine Kostenverteilungsvorschrift. Die Eigentümer haben aufgrund der ihnen gemäß § 21 Abs. 3 WEG zustehenden Befugnis zur Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums auch bei der Ermittlung des Wärmeverbrauchs, wenn insoweit verschiedene Möglichkeiten zur Verfahren stehen, die Wahl zwischen diesen. Die Beschlusskompetenz ergibt sich insoweit dann nicht aus § 16 Abs. 3 WEG (wie beim Kostenverteilungsschlüssel), sondern aus § 3 Heizkostenverordnung (vgl. dazu Riecke/Schmid, WEG, 4. Auflage, Rd.-Nr. 7h zu § 7 Heizkostenverordnung). Ungeachtet der Tatsache, dass die Verteilung der Kosten des Wärme- und Wasserverbrauchs nach den Bestimmungen der Heizkostenverordnung gemäß § 3 Satz 1 Heizkostenverordnung zwingend ist, kann daher die Verwaltung, sofern nach der Heizkostenverordnung mehrere Möglichkeiten zur Ermittlung des Wärmeverbrauchs und der Verteilung der Kosten bestehen, nicht einfach eine dieser Möglichkeiten der Verteilung der Heiz- und Warmwasserkosten in der Jahresabrechnung zugrunde legen. Vielmehr obliegt es zunächst den Eigentümern, im Wege eines Mehrheitsbeschlusses darüber zu entscheiden, nach welcher der nach der Heizkostenverordnung zur Verfügung stehenden Methoden der Wärme- und Wasserverbrauch zu ermitteln ist und die Kosten auf die Eigentümer zu verteilen sind. Ein entsprechender Beschluss, insbesondere zur Ermittlung des Wärmeverbrauchs gemäß § 7 Abs. 1 Satz 3 Heizkostenverordnung nach der Bilanzmethode wurde vorliegend jedoch unstreitig nicht gefasst.

Ein solcher Beschluss ist hier insbesondere auch nicht konkludent in der Beschlussfassung über die Jahresabrechnung 2012 enthalten. Denn aus dem für die Beschlussauslegung maßgeblichen Beschlusswortlaut und dem sonstigen Protokollinhalt lässt sich der Wille und das Bewusstsein der Eigentümer, eine von den bestehenden Regelungen abweichende Methode zur Ermittlung des Wärme- und Warmwasserverbrauchs zu beschließen, nicht entnehmen. Wie im Falle einer Änderung des Kostenverteilungsschlüssels wäre vielmehr auch hier ein ausdrücklicher Beschluss erforderlich gewesen (vgl. dazu Bärmann 13. Auflage, Rd.-Nr. 115 zu § 16 WEG, BGH vom 9.7.2010, Aktenzeichen V ZR 202/09, bei juris Rd.-Nr. 16, BGH vom 10.7.2015, WuM 2015, 639).

Die Kostenentscheidung ergibt sich für die I. Instanz aus § 92 ZPO, für die II. Instanz aus §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Sache als Beurteilung eines Einzelfalls keine grundsätzliche Bedeutung hat, zumal nur gängige Rechtsregeln zur Anwendung gelangten und eine Rechtsfortbildung oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung nicht geboten ist (§ 574 Abs. 2 und 3 ZPO).

Eine Entscheidung über eine vorläufige Vollstreckbarkeit war nicht veranlasst, da ein Rechtsmittel gegen das Urteil nicht gegeben ist.

Datenquelle d. amtl. Textes: Bayern.Recht

Meta

1 S 14998/14 WEG

30.11.2015

LG München I

Urteil

Sachgebiet: S

Zitier­vorschlag: LG München I, Urteil vom 30.11.2015, Az. 1 S 14998/14 WEG (REWIS RS 2015, 1565)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 1565

Auf dem Handy öffnen Auf Mobilgerät öffnen.


Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

Ähnliche Entscheidungen

V ZR 193/17 (Bundesgerichtshof)

Wohnungseigentum: Nichtigkeit eines von den Vorgaben der Heizkostenverordnung abweichenden Beschlusses


V ZR 9/19 (Bundesgerichtshof)

Verteilung von Heiz- und Warmwasserkosten in einer Wohneigentumsanlage unter Berücksichtigung von Rohrwärmeverlusten


V ZR 193/17 (Bundesgerichtshof)


I-3 Wx 194/06 (Oberlandesgericht Düsseldorf)


19 S 29/1923 (Landgericht Düsseldorf)


Referenzen
Wird zitiert von

Keine Referenz gefunden.

Zitiert

V ZR 202/09

Zitieren mit Quelle:
x

Schnellsuche

Suchen Sie z.B.: "13 BGB" oder "I ZR 228/19". Die Suche ist auf schnelles Navigieren optimiert. Erstes Ergebnis mit Enter aufrufen.
Für die Volltextsuche in Urteilen klicken Sie bitte hier.