Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. IX ZR 4/11

IX. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 9969

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL

IX ZR 4/11

Verkündet am:

19. Januar 2012

Preuß

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle
in dem Rechtsstreit

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
nein
[X.]R:
ja
[X.] § 178 Abs. 3
Der Eintrag in die Tabelle bewirkt lediglich die positive Feststellung des Anspruchs in angemeldeter Höhe; eine negative Feststellung jenseits der Anmeldung folgt daraus nicht.

[X.], Urteil vom 19. Januar 2012 -
IX ZR 4/11 -
LG [X.]

[X.]

-
2
-
Der IX.
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhandlung vom
19. Januar 2012
durch [X.] [X.],
[X.], Prof. Dr. Gehrlein, [X.] und die Richterin Möhring

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil der 8.
Zivilkammer des [X.] vom 7.
Dezember 2010 wird auf Kosten der [X.] zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand:

[X.]

(fortan: Schuldnerin) führte bei der beklagten [X.] ein Girokonto.
Mit Schreiben vom 14.
Juni 2002 räumte diese ihr einen Über-ziehungskredit von 5.000

Ab März 2005 ließ die Beklagte keine Verfü-gung mehr über das Girokonto zu; ausgenommen waren Belastungen mit eige-nen Forderungen. Das Konto stand zum 20.
März 2005 mit 3.281,78

Am 23.
März 2005 wurden dem Konto 239,99

am 31.
März 2005 weitere 1.500

en belastete die [X.] das Konto mit einer Tilgungsrate in Höhe von 3.195,53

eines an die Schuldnerin ausgereichten Darlehens sowie mit Zinsen und Kontoführungskos-ten in Höhe von 106,93

April 2005 betrug der negative [X.] auf dem Girokonto 4.844,28

er
Überziehungskredit war nicht gekündigt.

1
-
3
-

Am 19.
April 2005 beantragte die Schuldnerin die Eröffnung des [X.] über ihr Vermögen. Mit Beschluss vom 27.
Mai 2005 eröffnete das Insolvenzgericht das Insolvenzverfahren und
bestellte die Klägerin zur In-solvenzverwalterin. Die Beklagte meldete am 9.
Juni 2005 ihre Forderung aus dem Girokonto in Höhe von 4.844,28

diese wurde antragsgemäß in Höhe des Ausfalls zur Tabelle festgestellt.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Auszahlung der beiden Gutschriftbe-träge
nebst Zinsen und vorgerichtlicher Kosten in Anspruch. Das Amtsgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt, das [X.] hat ihre
Berufung
zurückgewiesen und die Revision
zugelassen. Die Beklagte will mit der [X.] die Abweisung der Klage erreichen.

Entscheidungsgründe:

Die Revision bleibt ohne Erfolg. Die Vordergerichte haben richtig ent-schieden.

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf [X.] der beiden gutgeschriebenen Beträge aus §
96 Abs.
1 Nr.
3, §
131 Abs.
1 Nr.
1, §
143
Ins[X.] Die Verrechnung der beiden Gutschriften im letzten Monat vor
Stellung des Insolvenzantrags sei eine unzulässige Aufrechnung gemäß §
96 Abs.
1
Nr.
3 Ins[X.] [X.] der eigenen Forderung hätte die Beklagte zu dieser [X.] nicht in dieser Art beanspruchen dürfen, weil sie
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3
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4
-
einen fälligen Anspruch auf Rückführung des Überziehungskredits nicht gehabt und Verfügungen der Schuldnerin mit Ausnahme von Belastungen zu ihren Gunsten nicht mehr zugelassen habe. §
178 Abs.
3 [X.] stehe der Geltendma-chung dieser Forderungen nicht entgegen. Rechtskräftig sei mit dem [X.] nur festgestellt, dass die Beklagte gegen die Schuldnerin eine Forde-rung
aus
dem Girovertrag in Höhe des festgestellten Betrages habe. Eine Rechtskrafterstreckung darauf, dass eine festgestellte Forderung nicht höher als angemeldet sei, lasse sich §
178 Abs.
3 [X.] auch nach Sinn und Zweck der Vorschrift nicht entnehmen.

II.

Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten rechtlicher Prüfung stand.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf [X.]
der dem Girokonto der Schuldnerin gutgeschriebenen Beträge in Höhe von 1.739,99

gemäß §
667 BGB aufgrund des zwischen der Schuldnerin und der beklagten [X.] zustande gekommenen Girovertrages.

a)
Die Verrechnung der Gutschriften mit den Gegenforderungen durch die Beklagte
war gemäß §
96 Abs.
1 Nr.
3 [X.] von Gesetzes wegen [X.]. Auch wenn diese Regelung indet sie auch auf Verrechnungen im [X.]kontokorrent Anwendung. Der maßgebende [X.]-punkt nach §
140 Abs.
1 [X.] bestimmt
sich nach dem Entstehen des [X.]
([X.],
Urteil vom 17.
Juli 2008 -
IX
ZR 148/07, [X.], 547 Rn.
8
ff).
Die Verrechnungslagen sind hier im letzten Monat vor An-6
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8
-
5
-
tragstellung entstanden. In dieser [X.] gingen die Zahlungen auf dem Kontokor-rentkonto der Schuldnerin ein und begründeten ihre Ansprüche auf Gutschrift. Demgegenüber war
der Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des der Schuldnerin eingeräumten [X.] nicht fällig, weil der Überzie-hungskredit nicht gekündigt war und der in Anspruch genommene Betrag den eingeräumten Kredit nicht überstiegen hat. Die Beklagte hat deswegen durch die Verrechnung eine inkongruente Deckung unter Benachteiligung der [X.] der Gläubiger (§
129 Abs.
1 [X.]) erhalten, deren Anfechtbarkeit sich aus §
131 Abs.
1 Nr.
1 [X.] ergibt
(vgl. [X.], Urteil vom 7.
Mai 2009 -
IX
ZR 140/08, NZI
2009, 436 Rn.
8
f, 12; vom 7.
Juli 2011 -
IX
ZR 100/10, NZI
2011, 675 Rn.
6).

Die Anfechtbarkeit der Verrechnungen, welche die Beklagte im Rahmen des der Schuldnerin eingeräumten [X.] vorgenommen hat, ist nicht gemäß §
142 [X.] eingeschränkt. Dies wäre nur der Fall, wenn die [X.] der Gutschriften durch die Duldung von Verfügungen ausgegli-chen wird, die der [X.]kunde zur Tilgung der Forderung von [X.] trifft. [X.], die eigene Forderungen der [X.] betreffen, erfül-len diese Voraussetzungen nicht ([X.], Urteil vom 11.
Oktober 2007 -
IX
ZR 195/04, NZI
2008, 175
Rn.
6; vom 7.
Mai 2009, aaO Rn.
12).

b) Die Beklagte hat nicht deswegen, weil sie ihre tatsächlich bestehende Darlehensforderung nur teilweise, nämlich gekürzt um die Gutschriften
in Höhe von insgesamt 1.739,99

, angemeldet
hat und es insoweit gemäß §
178 Abs.
1 [X.] zur Feststellung der unvollständig angemeldeten Forderung gekommen
ist, ihre nicht angemeldete Restforderung verloren. Gemäß §
177 Abs.
1 Satz
3 [X.] können Anmeldungen nachträglich geändert werden (vgl. [X.]/
[X.], [X.], 13.
Aufl., §
177 Rn.
12
ff). Dabei gibt es weder für die Änderungs-9
10
-
6
-
meldung noch für die Forderungsanmeldung eine Ausschlussfrist. Sie sind bis zum Schlusstermin möglich (HK-[X.]/[X.], 6.
Aufl., §
177 Rn.
1). In das [X.]sverzeichnis ist eine nachträglich angemeldete und festge-stellte Forderung aufzunehmen, §
188 [X.] ([X.], aaO, §
188 Rn.
6). Insoweit nimmt sie an der [X.] teil.

Im Anwendungsbereich des §
96 [X.] folgt dies schon daraus, dass die Herstellung der Aufrechnungs-
oder Verrechnungslage auch ohne eine Erklä-rung des Insolvenzverwalters für die Dauer und die Zwecke des [X.] unwirksam ist. Außerhalb des §
96 [X.] lebt eine Forde-rung gemäß §
144 Abs.
1 [X.] nach wirksamer Anfechtung der Erfüllung und Vollzug der Rückgewähr rückwirkend als Insolvenzforderung wieder auf, und zwar in der Gestalt,
die sie vor der Erfüllung hatte
(HK-[X.]/Kreft, aaO, §
144 Rn.
3). Diese Forderung kann zur Tabelle angemeldet werden.

c)
Aus §
178 Abs.
3 [X.] ergibt sich nichts anderes.

aa) Allerdings bewirkt die Eintragung in die Insolvenztabelle nach den zu §
322 ZPO entwickelten Grundsätzen in gleichem Umfang Rechtskraft zwi-schen den Parteien, wie es bei einem rechtskräftigen Urteil der Fall ist.
Doch würde ein solches nur einen Teil der Forderung feststellendes Urteil weder die Gläubigerin
hindern, ihre
noch nicht angemeldete Teilforderung nachträglich anzumelden, noch wäre rechtskräftig über die Wirksamkeit der Verrechnungen entschieden.
Das [X.] wäre gemäß §
322 Abs.
1 ZPO nur inso-weit der Rechtskraft fähig, als über den durch die Klage erhobenen Anspruch erkannt ist. Dies wäre nur bezüglich
des als Insolvenzforderung festgestellten Saldos der Fall, nicht aber auch bezüglich der einzelnen in die Saldoabrech-nung eingegangenen Gutschriften und Belastungen (vgl.
[X.], 91, 92
f; 11
12
13
-
7
-
[X.], Urteil vom 20.
Januar 2004 -
XI
ZR 69/02, [X.], 466, 467). Über den weitergehenden Anspruch der Beklagten auf Rückzahlung des Kontokorrent-kredits, der bisher nicht angemeldet war, ist ohnehin wie bei einer Teilklage we-der zusprechend noch aberkennend entschieden. Mit ihrer Klage machte
die Klägerin deswegen auch nicht das kontradiktorische Gegenteil dessen geltend, was in dem gedachten [X.] rechtskräftig festgestellt wäre.
Aus §
322 Abs.
2 ZPO kann schon deswegen nichts im Sinne der Beklagten herge-leitet werden, weil die Vorschrift auf Gegenforderungen, die lediglich als Rech-nungsposten im Rahmen einer Abrechnung in Betracht kommen, weder [X.] noch entsprechend anwendbar ist ([X.], aaO, 467
f).

bb)
Die Vorschrift des §
178 Abs.
3 [X.] hat keine weiterreichenden [X.]. Für diese gibt es keinen Anhalt. Aus §
144 Abs.
1 [X.] und der vom Gesetz eröffneten Möglichkeit der nachträglichen Forderungsanmeldung folgt, dass es für eine erweiternde Auslegung des §
178 Abs.
3 [X.] auch kein Be-dürfnis gibt.

2.
Die Nebenforderungen
(Zinsen, vorgerichtliche Kosten) beruhen auf §
143 Abs. 1 Satz
2 [X.], §
819 Abs.
1, §
818 Abs. 4, §
291, §
288 Abs.
1

14
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-
8
-
Satz
2 BGB ([X.], Urteil vom 1.
Februar 2007 -
IX
ZR 96/04, [X.]Z
171, 38
Rn.
11
ff), §§
286, 288 BGB.

Kayser
Raebel
Gehrlein

[X.]
Möhring

Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 26.09.2008 -
17 [X.] -

LG [X.], Entscheidung vom 07.12.2010 -
8 S 11/08 -

Meta

IX ZR 4/11

19.01.2012

Bundesgerichtshof IX. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 19.01.2012, Az. IX ZR 4/11 (REWIS RS 2012, 9969)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 9969

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Referenzen
Wird zitiert von

IX B 120/22

VII R 23/21

Zitiert

IX ZR 4/11

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