Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.11.2022, Az. I R 37/19

1. Senat | REWIS RS 2022, 8726

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Gegenstand

(Teilweise inhaltsgleich mit BFH-Urteil vom 02.11.2022 I R 29/19 - Tatsächliche Durchführung eines Gewinnabführungsvertrags)


Leitsatz

1. Die tatsächliche Durchführung des Gewinnabführungsvertrags (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG) bezieht sich nicht nur auf den Schlusspunkt des Ausgleichs aller aus dem Gewinnabführungsvertrag resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Die entsprechenden Forderungen und Verbindlichkeiten müssen auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden.

2. Kommt es während der Mindestvertragslaufzeit von fünf Jahren zur Nichtdurchführung des Gewinnabführungsvertrags, führt dies nicht nur zu einer Unterbrechung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft für einzelne Veranlagungszeiträume, sondern insgesamt zu einer (rückwirkenden) Nichtanerkennung der körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des [X.]/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat die Klägerin zu tragen.

Tatbestand

I.

1

Die Beteiligten streiten über die tatsächliche Durchführung eines [X.] und die damit zusammenhängende Anerkennung einer körperschaftsteuerrechtlichen Organschaft in den Jahren 2009 bis 2012 (Streitjahre).

2

Die [X.] erwarb am ….2008 mit Wirkung zum ….2008 sämtliche Geschäftsanteile an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), einer GmbH. Zugleich schloss die [X.] mit der Klägerin einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag ([X.]) ab. Darin verpflichtete sich die Klägerin, ihren gesamten Jahresüberschuss an die [X.] abzuführen. Im Gegenzug verpflichtete sich die [X.], jeden während der Vertragsdauer entstehenden Jahresfehlbetrag der Klägerin entsprechend § 302 des Aktiengesetzes ([X.]) auszugleichen. Nach Aktenlage und übereinstimmender Auffassung der Beteiligten galt der [X.] --abweichend von den (nicht entscheidungserheblichen) Angaben in der [X.] für die [X.] ab 01.01.2009; er war nicht vor Ablauf von fünf Jahren seit seinem Wirksamwerden kündbar.

3

Die Klägerin wies in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2008 einen handelsrechtlichen Verlustvortrag von … € aus. Für die Streitjahre erwirtschaftete sie jeweils Gewinne. Die jeweiligen Körperschaftsteuererklärungen enthielten in Zeile 2 der Anlage [X.] einen Hinweis auf die [X.] als [X.]; außerdem wurde in Zeile 28 die Zurechnung der [X.] zur [X.] als [X.] erklärt.

4

Für das [X.] ergab sich für die Klägerin ein Verlust von … €. Die Angaben in der Körperschaftsteuererklärung wurden entsprechend der [X.] vorgenommen. In Zeile 21 der Anlage [X.] ("Vom Organträger an die Organgesellschaft zum Ausgleich eines sonst entstehenden Jahresfehlbetrages zu leistender Betrag") nahm die Klägerin keine Eintragung vor.

5

Die Bilanz zum 31.12.2013 wurde am 10.11.2014 erstellt; eine Forderung der Klägerin gegenüber der [X.] war nicht berücksichtigt. Allerdings wies der Steuerberater der Klägerin in seinem Bericht über die Erstellung des Jahresabschlusses zum 31.12.2013 unter "Rechtliche Verhältnisse" und in einem an die Klägerin gerichteten Begleitschreiben vom 20.11.2014 darauf hin, dass der Verlust nach dem [X.] von der [X.] zu erstatten sei. Am 11.02.2015 zahlte die [X.] unter Angabe eines entsprechenden Überweisungszwecks … € an die Klägerin.

6

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (Finanzamt --[X.]--) veranlagte die Klägerin für die Streitjahre zunächst erklärungsgemäß. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 der Abgabenordnung --AO--).

7

Im [X.] an eine im Jahr 2016 durchgeführte Außenprüfung erließ das [X.] für die Streitjahre die [X.] vom 26.07.2016 über Körperschaftsteuer, über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 des Körperschaftsteuergesetzes in der für die Streitjahre geltenden Fassung ([X.]) und über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer, die es für das [X.] auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] und für die Jahre 2010 bis 2012 auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. [X.] sowie § 164 Abs. [X.] stützte. Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sei mangels tatsächlicher Durchführung nicht anzuerkennen, da der Anspruch der Klägerin auf Ausgleich des im [X.] erwirtschafteten Verlusts weder bei der Klägerin noch bei der [X.] bilanziell berücksichtigt worden sei. Die Einsprüche der Klägerin wies das [X.] mit Einspruchsentscheidung vom 22.11.2017 zurück.

8

Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das [X.] ([X.]) wies sie hinsichtlich der geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 27 Abs. 2 und § 28 Abs. 1 Satz 3 [X.] mit Urteil vom 06.06.2019 - 1 K 113/17 (Entscheidungen der Finanzgerichte 2019, 1714) als unzulässig ab. Im Übrigen hat es die Klage als unbegründet abgewiesen. Die körperschaftsteuerrechtliche Organschaft sei für sämtliche Streitjahre nicht anzuerkennen, da der [X.] jedenfalls für das [X.] und damit innerhalb der [X.] von fünf Jahren nicht tatsächlich durchgeführt worden sei (§ 17 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]). Die tatsächliche Durchführung eines [X.] vollziehe sich in zwei Stufen: Zunächst seien die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten aus dem [X.] sowohl bei der [X.] als auch bei der Organgesellschaft bilanziell auszuweisen (im Fall eines Verlustausgleichs nach § 277 Abs. 3 Satz 2 des Handelsgesetzbuchs --HGB-- Verbuchung in der Gewinn- und Verlustrechnung der Organgesellschaft unter dem Posten "Erträge aufgrund eines [X.]"). Auf der zweiten Stufe folge die Erfüllung. Im Streitfall fehle bereits die Grundvoraussetzung der bilanziellen Erfassung.

9

Die Klägerin macht mit ihrer Revision die Verletzung materiellen Rechts geltend und beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die [X.] 2009 bis 2012 vom 26.07.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2017 dahin zu ändern, dass für die Klägerin --ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 0 €-- jeweils eine Körperschaftsteuer von 0 € festgesetzt wird, sowie die geänderten Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Körperschaftsteuer für die Streitjahre vom 26.07.2016 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 22.11.2017 aufzuheben.

Das [X.] beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung --[X.]O--). Das [X.] hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Einkünfte sind steuerrechtlich der Klägerin zuzurechnen, da wegen fehlender tatsächlicher Durchführung des [X.] für die Streitjahre eine körperschaftsteuerrechtliche Organschaft zwischen der Klägerin als Organgesellschaft und der B-GmbH als Organträgerin nicht anzuerkennen ist.

1. Verpflichtet sich eine [X.], Aktiengesellschaft oder Kommanditgesellschaft auf Aktien mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland (Organgesellschaft) durch einen Gewinnabführungsvertrag i.S. des § 291 Abs. 1 AktG, ihren ganzen Gewinn an ein einziges anderes gewerbliches Unternehmen abzuführen, so ist das Einkommen der Organgesellschaft unter bestimmten Voraussetzungen dem Träger des Unternehmens (Organträger) zuzurechnen (§ 14 Abs. 1 Satz 1 [X.]). Zu diesen Voraussetzungen gehört u.a., dass der Gewinnabführungsvertrag auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen ist und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 [X.]).

Sofern sich eine andere als die in § 14 Abs. 1 Satz 1 [X.] bezeichnete Kapitalgesellschaft mit Geschäftsleitung und Sitz im Inland [X.] damit auch eine inländische GmbH wie die [X.] wirksam verpflichtet, ihren ganzen Gewinn an ein anderes Unternehmen i.S. des § 14 [X.] abzuführen, gelten nach § 17 Satz 1 [X.] die §§ 14 bis 16 [X.] entsprechend. Darüber hinaus sind die zusätzlichen Voraussetzungen des § 17 Satz 2 [X.] zu berücksichtigen.

2. Nach der Rechtsprechung des Senats setzt die tatsächliche Durchführung des [X.] voraus, dass er entsprechend den vertraglichen Vereinbarungen vollzogen wird. Dies bedeutet u.a., dass die nach den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung ermittelten Gewinne tatsächlich durch Zahlung oder Verrechnung an den Organträger abgeführt werden (Senatsurteil vom 05.04.1995 - I R 156/93, [X.], 429). "Verrechnung" ist in diesem Zusammenhang dahin zu verstehen, dass es sich um eine einer tatsächlichen Zahlung gleich stehende Aufrechnung handeln muss; die reine Buchung der Forderung ohne Erfüllungswirkung ist dagegen nicht ausreichend (Senatsbeschluss vom 26.04.2016 - I B 77/15, [X.], 1177).

Nicht ausdrücklich entschieden ist bisher, zu welchem Zeitpunkt die tatsächliche Zahlung/Verrechnung erfolgen muss. Während ein Teil der Literatur der Auffassung ist, dass dies innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Schluss des entsprechenden Wirtschaftsjahres geschehen muss, lässt ein anderer Teil der Literatur eine tatsächliche Zahlung/Verrechnung innerhalb eines angemessenen Zeitraums nach Ende der Organschaft ausreichen (zum Streitstand [X.]/[X.]/[X.], § 14 [X.] Rz 138; [X.]/[X.], [X.], 2. Aufl., § 14 Rz 482; [X.] in [X.], [X.], 4. Aufl., § 14 Rz 318c, jeweils m.w.[X.]).

3. Die Voraussetzung der tatsächlichen Durchführung des [X.] bezieht sich aber nicht allein auf den Schlusspunkt des tatsächlichen Ausgleichs aller aus dem [X.] resultierenden Forderungen und Verbindlichkeiten. Vielmehr wird der [X.] nur dann durchgeführt, wenn er während der gesamten Geltungsdauer tatsächlich "gelebt" wird; schon vor dem Zeitpunkt der tatsächlichen Zahlung/Verrechnung muss also objektiv erkennbar sein, dass sowohl der Organträger als auch die Organgesellschaft ihre zivilrechtlichen Vertragspflichten (Senatsurteil vom 10.05.2017 - I R 51/15, [X.], 351, BStBl II 2018, 30) aus dem [X.] erfüllen werden. Daraus folgt, dass die entsprechenden Forderungen/Verbindlichkeiten auch in den Jahresabschlüssen gebucht werden müssen ([X.]/[X.]/[X.], § 14 [X.] Rz 138; [X.] in [X.]/Drüen, [X.]/[X.]/[X.], § 14 [X.] Rz 447; [X.]/[X.] in [X.]/[X.], Steuerliche Organschaft, 2. Aufl., Rz 3.50; kritisch [X.]/[X.], Der Konzern 2019, 450; a.[X.] in [X.]/[X.]/[X.], § 14 [X.] Rz 204 "Fehlende Einbuchung ..."; Binnewies/Mühling, [X.] --AG-- 2020, 176, 177; [X.], [X.] --GmbHR-- 2019, 1202, 1206).

Dem kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, dass § 14 [X.] auf den nach handelsrechtlichen Bilanzierungsgrundsätzen zutreffenden Gewinn abstelle, aber nicht auf die handelsbilanziellen Formalien und damit auch nicht auf die Ausweisvorschriften nach § 266 Abs. 2 Nr. B.II.2. HGB und § 277 Abs. 3 Satz 2 HGB (so aber Binnewies/Mühling, AG 2020, 176, 177). Dies beruht zum einen auf dem vom Gesetzgeber verfolgten Ziel, Manipulationen zu verhindern: Die Organschaft soll nicht zum Zwecke der willkürlichen Beeinflussung der Besteuerung und zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können (Senatsurteile in [X.], 351, BStBl II 2018, 30; vom 10.05.2017 - I R 19/15, [X.], 344, [X.], 81, jeweils m.w.[X.]). Dieser Gesichtspunkt hat dabei nicht (erst) im Rahmen der tatsächlichen Erfüllung der zivilrechtlichen Pflichten aus dem [X.] Bedeutung, sondern erfordert auch, dass diese Pflichten schon vor ihrer Erfüllung durch eine entsprechende Bilanzierung objektiv erkennbar anerkannt werden. Zum anderen handelt es sich bei den Regelungen über die Organschaft um eine Ausnahme vom steuerrechtlichen Grundprinzip der getrennten Besteuerung der einzelnen Steuersubjekte, so dass eine strenge Auslegung der vom Gesetzgeber hierfür vorgegebenen Anforderungen geboten ist (vgl. auch Senatsurteil vom [X.] - I R 68/09, [X.], 1132).

4. Nach diesen Maßgaben hat das [X.] zu Recht entschieden, dass der [X.] nicht i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] tatsächlich durchgeführt worden ist.

a) Die Klägerin hat im [X.] einen Verlust erzielt, ohne ihren aus dem [X.] folgenden Verlustausgleichsanspruch gegen die Organträgerin (B-GmbH) in der Bilanz zum 31.12.2013 zu aktivieren. Der Verlustausgleichsanspruch wird lediglich in einem Bericht des Steuerberaters über die Erstellung des Jahresabschlusses sowie einem Begleitschreiben an die Klägerin erwähnt.

b) Ob der tatsächliche Ausgleich des [X.] durch die B-GmbH am 11.02.2015 noch rechtzeitig war, kann unter diesen Umständen dahingestellt bleiben. Die Nichtdurchführung des [X.] folgt jedenfalls aus der fehlenden Buchung einer entsprechenden Forderung der Klägerin in ihrem Jahresabschluss zum 31.12.2013. Die Hinweise in internen Berichten und Begleitschreiben auf den Verlustausgleichsanspruch reichen nicht aus, um den [X.] "zu leben" und die daraus resultierenden Vertragspflichten objektiv erkennbar anzuerkennen. Entsprechendes gilt für die Angaben in der Anlage [X.] der Steuererklärung, zumal sie nach den Feststellungen des [X.] unvollständig waren (kein Eintrag in Zeile 21 der Anlage [X.]).

c) Darüber hinaus hat das [X.] zutreffend die Voraussetzungen einer sog. Heilung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 [X.] verneint. Nach dieser Regelung gilt der Gewinnabführungsvertrag unter bestimmten, dort aufgeführten Voraussetzungen auch dann als durchgeführt, wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält. Der Anwendungsbereich ist nach diesem Wortlaut aber auf fehlerhafte Bilanzansätze mit einer Wirkung auf den abgeführten Gewinn oder ausgeglichenen Verlust beschränkt und bezieht sich auf die Höhe des abzuführenden Gewinns oder auszugleichenden Verlusts. Nicht erfasst ist dagegen der fehlerhafte Ausweis eines in der Organgesellschaft verbleibenden Gewinns oder Verlusts durch den unterlassenen Ausweis einer Forderung (Verlustausgleichsanspruch) oder einer Verbindlichkeit (Gewinnabführungsverpflichtung) der Organgesellschaft auf der Grundlage des [X.].

d) Ob und inwieweit aus Gründen der Verhältnismäßigkeit geringfügige Unregelmäßigkeiten bei der Vertragsdurchführung unschädlich sein können (zum Streitstand [X.]/[X.]/[X.], § 14 [X.] Rz 147, m.w.[X.]; ablehnend [X.] in [X.], a.a.[X.], § 14 Rz 310), muss im Streitfall ebenfalls nicht entschieden werden. Wenn die Durchführung des [X.] nicht durch die Buchung der daraus resultierenden Forderungen/Verbindlichkeiten im Jahresabschluss erkennbar wird, handelt es sich unabhängig von der betragsmäßigen Höhe der Forderung/Verbindlichkeit jedenfalls nicht um eine nur geringfügige Unregelmäßigkeit (a.A. [X.] in [X.]/[X.], [X.], § 14 Rz 649.1).

5. Schließlich hat das [X.] zutreffend entschieden, dass die Nichtdurchführung des [X.] für das [X.] für sämtliche Streitjahre zur rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft führt.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil in [X.], 351, BStBl II 2018, 30) wird § 14 [X.] nicht von einem allgemeinen Grundsatz getragen, dass sämtliche Erfordernisse einer Organschaft während der gesamten Vertragslaufzeit des [X.] vorliegen müssten. Vielmehr ist auch während der [X.] des [X.] grundsätzlich eine "Unterbrechung der Organschaft" für einzelne Veranlagungszeiträume denkbar. Dies hat der Senat zum einen für die Voraussetzung der gewerblichen Tätigkeit einer Organträger-Personengesellschaft (Senatsurteil vom 24.07.2013 - I R 40/12, [X.], 139, [X.], 272) und zum anderen für die Voraussetzung der finanziellen Eingliederung (Senatsurteil in [X.], 351, BStBl II 2018, 30) anerkannt.

b) Die für den Streitfall maßgebliche Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] sieht jedoch vor, dass der [X.] auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und "während seiner gesamten Geltungsdauer" durchgeführt werden muss.

Aufgrund des systematischen Zusammenhangs mit der Regelung der [X.] kann daraus zwar nicht geschlossen werden, dass die Nichtdurchführung des [X.] in einem Veranlagungszeitraum nach Ablauf der [X.] zu einer rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft seit Vertragsbeginn führt ([X.]/[X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], [X.], § 14 Rz 322). Der Wortlaut des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 [X.] macht aber deutlich, dass eine Nichtdurchführung des [X.] während der [X.] die Organschaft insgesamt entfallen lässt ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 14 Rz 491). Dies lässt sich auch dem Senatsurteil in [X.], 351, BStBl II 2018, 30 entnehmen, da sich die dortigen Ausführungen zu einer etwaigen Unterbrechung der Organschaft nicht auf die [X.] des [X.] und die Durchführung des [X.] während der [X.] beziehen (vgl. auch [X.]/[X.], Der Betrieb 2018, 400, 403 f.; [X.], GmbHR 2017, 1222; [X.], GmbH-Steuerberater 2018, 86, 89; zur Anwendung im Fall der Insolvenz vgl. das Senatsurteil vom 02.11.2022 - I R 29/19, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt).

c) Im Streitfall ist der [X.] mit Wirkung ab dem 01.01.2009 abgeschlossen worden. Die Nichtdurchführung des [X.] für das [X.] liegt innerhalb der [X.] von fünf Jahren und führt somit für sämtliche Streitjahre zur rückwirkenden Nichtanerkennung der Organschaft.

Dass die für die Durchführung des [X.] erforderlichen Maßnahmen (Buchung der Forderungen/Verbindlichkeiten sowie deren Erfüllung) erst in den Jahren ab 2014 und damit nach Ablauf der [X.] vorzunehmen waren, ändert daran nichts. Das Kriterium der tatsächlichen Durchführung bezieht sich nicht auf die innerhalb eines bestimmten Zeitraums vorzunehmenden Maßnahmen, sondern auf diejenigen Maßnahmen, die zur Durchführung des [X.] für den Zeitraum der [X.] erforderlich sind ([X.]/[X.], a.a.[X.], § 14 Rz 488; [X.] in [X.], a.a.[X.], § 14 Rz 318c; [X.]/[X.] in [X.]/Herlinghaus/[X.], a.a.[X.], § 14 Rz 322).

6. [X.] beruht auf § 135 Abs. 2 [X.]O.

Meta

I R 37/19

02.11.2022

Bundesfinanzhof 1. Senat

Urteil

vorgehend Schleswig-Holsteinisches Finanzgericht, 6. Juni 2019, Az: 1 K 113/17, Urteil

§ 14 Abs 1 S 1 Nr 3 S 1 KStG 2002, § 266 Abs 2 HGB, § 277 Abs 3 S 2 HGB, § 291 Abs 1 AktG, KStG VZ 2009, KStG VZ 2010, KStG VZ 2011, KStG VZ 2012

Zitier­vorschlag: Bundesfinanzhof, Urteil vom 02.11.2022, Az. I R 37/19 (REWIS RS 2022, 8726)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2022, 8726

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