Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2012, Az. I ZB 13/11

I. Zivilsenat | REWIS RS 2012, 8390

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BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS

I [X.]/11

Verkündet am:

8. März 2012

Führinger

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in der Rechtsbeschwerdesache

Nachschlagewerk:
ja
[X.]Z:
ja
[X.]R:
ja

[X.]
[X.] § 8 Abs. 2 Nr. 1, § 82 Abs. 1 Satz 1; ZPO § 139
a)
Fasst der Verkehr die aus dem Namen einer Sehenswürdigkeit (hier: [X.]) gebildete Marke (hier: [X.]) im Zusammenhang mit Waren, die typischerweise als [X.]eandenken oder darf vertrieben werden, nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit und nicht als Produktkennzeichen auf, fehlt der Marke jegliche Unter-scheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.].
b)
Allein der Umstand, dass die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Umfeld einer Sehenswürdigkeit an Touristen vertrieben oder für sie er-bracht werden können, rechtfertigt nicht die Annahme, einer aus dem Namen der Sehenswürdigkeit gebildeten Marke fehle jegliche Unter-scheidungskraft (§
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]).
-
2
-
c)
Einer Marke fehlt nicht deshalb jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.], weil es sich um die Bezeichnung eines bedeutenden Kulturguts handelt.
d)
Das [X.] ist nicht nach §
82 Abs.
1 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
139 ZPO verpflichtet,
den Markeninhaber im [X.] einer Einschränkung des Wa-renoder Dienstleistungsverzeichnisses hinzuweisen. Im [X.] ist die Entscheidung des [X.]s daher auch nicht aufzuheben, um dem Markeninhaber Gelegenheit zur Ein-schränkung des [X.] zu geben.

[X.], Beschluss vom 8. März 2012 -
I [X.]/11 -
[X.]

-
3
-
Der [X.]
Zivilsenat des [X.] hat auf die mündliche Verhand-lung vom 8.
März 2012 durch [X.] [X.] und [X.], Dr. Schaffert und Dr. Koch

beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers wird der an [X.] Statt am 4.
Februar 2011 zugestellte Beschluss des 25.
Senats ([X.]) des [X.] unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen aufge-hoben, soweit die Beschwerde des Markeninhabers gegen die Anordnung der Löschung der Marke Nr.
305
44
198 für die Waren "Pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sani-tärprodukte für medizinische Zwecke; Teppiche, Linoleum und an-dere Bodenbeläge" und die Dienstleistungen "Versicherungswe-sen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; [X.]; Telekom-munikation; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Wa-ren; Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft, des Garten-baus und der Forstwirtschaft" zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweitigen [X.] und Entscheidung an das [X.] [X.].

Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 200.000

festgesetzt.
-
4
-
Gründe:

[X.] Für den Markeninhaber ist seit dem 4.
Oktober 2005 die Wortmarke Nr.
305
44
198

[X.]

für folgende Waren und Dienstleistungen eingetragen:

Klasse
4
Kerzen;

Klasse
5
pharmazeutische und veterinärmedizinische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke;

Klasse
15
Musikinstrumente

Klasse
24
Webstoff und Textilwaren, soweit in Klasse
24 enthalten; Bett und Tischde-cken;

Klasse
25
Bekleidungsstücke, Schuhwaren, Kopfbedeckungen;

Klasse
26
Spitzen, Stickereien, Bänder und Schnürbänder; Knöpfe, Haken und Ösen, Na-deln; künstliche Blumen;

Klasse
27
Teppiche, Fußmatten, Matten, Linoleum und andere Bodenbeläge; Tapeten (ausgenommen aus textilem Material);

Klasse
29
Fleisch, Fisch, Geflügel und Wild; Fleischextrakte; konserviertes, getrocknetes und gekochtes Obst und Gemüse; Gallerten (Gelees); Konfitüren, [X.]; Eier, Milch und Milchprodukte; Speiseöle unette;

Klasse
30
Kaffee, Tee, Kakao, Zucker, [X.], Tapioka, Sago, Kaffee-Ersatzmittel; Mehle und Getreidepräparate; Brot, feine Backwaren und Konditorwaren, Speiseeis; Honig, Melassesirup; Hefe, Backpulver; Salz; Senf; Essig, Saucen (Würzmittel); Gewürze; [X.];

1
-
5
-
Klasse
32
Biere; Mineralwässer und kohlensäurehaltige Wässer und andere alkoholfreie Getränke; [X.] und Fruchtsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;

Klasse
33
alkoholische Getränke (ausgenommen Biere);

Klasse
34
Tabak; Raucherartikel; Streichhölzer;

Klasse
36
Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte; [X.];

Klasse
38
Telekommunikation;

Klasse
39
Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren; Veranstaltung von [X.];

Klasse
43
Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen;

Klasse
44
Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der [X.].

Der Antragsteller hat beim Deutschen Patent-
und Markenamt die Lö-schung der Marke beantragt, weil sie nicht unterscheidungskräftig und freihalte-bedürftig sei und auch das Schutzhindernis nach §
8 Abs.
2 Nr.
10 [X.] vorliege.

Das Deutsche Patent-
und Markenamt hat die Löschung der Marke we-gen fehlender Unterscheidungskraft angeordnet.

Die dagegen gerichtete Beschwerde des Markeninhabers ist ohne Erfolg geblieben (BPatGE 52, 267 = [X.], 922).

Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers, mit der er sich allerdings -
nachdem das [X.] die [X.] nur mit dieser Beschränkung zugelassen hatte
-
nicht gegen die Schutzent-2
3
4
5
-
6
-
ziehung für "Veranstaltung von [X.]en, Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen" wendet. Der Antragsteller beantragt, das [X.] zurückzuweisen.

I[X.] Das [X.] hat angenommen, es lägen hinsichtlich sämtlicher Waren und Dienstleistungen die Voraussetzungen der Schutzentzie-hung nach §
50 Abs.
1 und 2 Satz
1 in Verbindung mit §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]
und für die Dienstleistungen "Veranstaltung von [X.]en; Dienstleis-tungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen"
zudem die Vorausset-zungen der Schutzentziehung nach §
50 Abs.
1 und 2 Satz
1 in Verbindung mit §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] vor. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Marke fehle von Haus aus jegliche Unterscheidungskraft. Das [X.] sei eine hervorragend bekannte Sehenswürdigkeit. Für [X.] werde der Verkehr die Bezeichnung "[X.]" nur als beschreibenden Hinweis auf den Ort auffassen, an dem diese Waren ange-boten würden. Gleiches gelte für diejenigen Waren und Dienstleistungen, die als übliches Zusatzangebot im Umfeld von touristischen Sehenswürdigkeiten angeboten würden. Danach verblieben nur die Waren und Dienstleistungen "ve-terinärmedizinische Erzeugnisse; Teppiche, Linoleum und andere Bodenbelä-ge; Versicherungswesen; [X.]; Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft, des Gartenbaus und der Forstwirtschaft". Für diese Waren und Dienstleistungen fehle der Marke jegliche Unterscheidungskraft, weil der [X.] das [X.] stets nur als Bezeichnung des Schlosses Neuschwan-stein, eines Kulturguts von herausragender Bedeutung, und nicht als betriebli-chen Herkunftshinweis auffasse. Die Marke könne Unterscheidungskraft auch nicht allein durch die Art der Präsentation erlangen. Entscheidend sei allein der Sinngehalt der Wortmarke.

6
7
-
7
-
II[X.] Die Rechtsbeschwerde hat nur zum Teil Erfolg. Zu Recht hat das [X.] die Schutzentziehung der Marke für die Waren der Klas-sen
4, 15, 24, 25, 26, 27 mit Ausnahme von Teppichen, Linoleum und anderen Bodenbelägen, 29, 30, 32, 33 und 34 angeordnet. Die angefochtene Entschei-dung hält der rechtlichen Nachprüfung dagegen nicht stand, soweit das [X.] der Marke den Schutz für die Waren der Klasse
5 und für Teppiche, Linoleum und andere Bodenbeläge der Klasse
27 sowie für die Dienstleistungen der Klassen
36, 38, 39 (ausgenommen Veranstaltung von [X.]en)
und 44 wegen fehlender Unterscheidungskraft entzogen hat.

1. Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-dungsmittel aufgefasst zu werden, das die in Rede stehenden Waren oder Dienstleistungen als von einem bestimmten Unternehmen stammend kenn-zeichnet und die Waren oder Dienstleistungen damit von denjenigen anderer Unternehmen unterscheidet (vgl. [X.], Urteil vom 21.
Januar 2010
398/08, [X.]. 2010, 535 = [X.], 228 Rn.
33
Audi/[X.] [Vorsprung durch Technik]; [X.], Beschluss vom 1.
Juli 2010
I
ZB
35/09, [X.], 935 Rn.
8 = [X.], 1254
[X.]). Die Hauptfunktion der Marke besteht darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistun-gen zu gewährleisten. Da allein das Fehlen jeglicher Unterscheidungskraft ein Eintragungshindernis begründet, ist ein großzügiger Maßstab anzulegen, so dass jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft genügt, um das Schutz-hindernis zu überwinden ([X.], Beschluss vom 1.
Juli 2010
I
ZB
68/09, [X.], 158 Rn.
7 = [X.], 235
[X.]). Die Unterscheidungskraft ist im Hinblick auf jede der Waren oder Dienstleistungen, für die die Marke Schutz beansprucht, gesondert zu beurteilen. Abzustellen ist auf die Anschauung des angesprochenen Verkehrs. Dabei ist auf die mutmaßliche Wahrnehmung eines normal informierten, angemessen aufmerksamen und verständigen Durch-schnittsverbrauchers der fraglichen Waren oder Dienstleistungen abzustellen 8
9
-
8
-
([X.], Urteil vom 8.
Mai 2008
304/06, [X.]. 2008, 97 = [X.], 608 Rn.
67
EUROHYPO; [X.], Beschluss vom 21.
Dezember 2011

I
ZB
56/09, [X.], 270 Rn.
8 =
[X.], 337
Link economy).

2. Das [X.] hat angenommen, der Verkehr werde das [X.] "[X.]" im Sinne von "[X.]" [X.] und verwenden. Das [X.] sei weltweit bekannt und eine der wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten [X.]. Es werde im Jahresdurchschnitt von mehr als einer Million Menschen besucht. Bei dem überwiegenden Teil der Waren und Dienstleistungen, für die die Marke [X.] sei, handele es sich um Produkte, die typischerweise als [X.]eandenken oder als Zusatzangebot in der Nähe touristischer Sehenswürdigkeiten [X.] oder erbracht würden. Der Verkehr fasse die Verwendung der Bezeichnung "[X.]" im Zusammenhang mit diesen Waren und Dienstleistungen nicht als Hinweis auf ihre betriebliche Herkunft, sondern nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit auf. Entsprechendes gelte auch für die übrigen Waren und Dienstleistungen. Das [X.] sei aufgrund seiner [X.] und politikhistorischen Bedeutung Bestandteil des [X.]. Unabhängig von den tatsächlichen Eigentumsverhältnissen seien solche bedeutenden Kulturgüter ein Allgemeingut, das einer markenrechtlichen Monopolisierung und Kommerzialisierung generell entzogen sei.

Diese Ausführungen halten nicht in allen Punkten der rechtlichen Nach-prüfung stand.

a) Das [X.] ist allerdings zutreffend davon ausgegan-gen, dass die Marke "[X.]" für die Waren der Klassen
4, 15, 24, 25, 26, 27
(ausgenommen Teppiche, Linoleum und andere Bodenbeläge), 29, 30, 32, 33 und 34 nicht über die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] verfügt.
10
11
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-
9
-

aa) Das [X.] hat festgestellt, dass diese Waren typi-scherweise als [X.]eandenken und zur Deckung des Bedarfs der Touristen an Speisen, Getränken und sonstigen Artikeln im Umfeld touristischer Sehenswür-digkeiten vertrieben würden. Daraus konnte das [X.] zu Recht den Schluss ziehen, der Verkehr werde das Wort "[X.]" im Zusam-menhang mit diesen Waren nur als Bezeichnung der Sehenswürdigkeit "[X.]" und nicht als Produktkennzeichen auffassen.

bb) Gegen diese im Wesentlichen auf tatrichterlichem Gebiet liegende Beurteilung wendet sich die Rechtsbeschwerde ohne Erfolg mit der [X.], die Bezeichnung "[X.]" sei der Name des von Ludwig
I[X.]
er-bauten [X.]. Ein Name sei typisches Kennzeichnungsmittel und deshalb auch als Hinweis auf die betriebliche Herkunft geeignet. Einen sachbe-schreibenden Gehalt weise die Bezeichnung "Neunschwanstein" nicht auf. Sie diene auch nicht als Hinweis auf den Ort [X.] oder auf die Region [X.], zu denen das Schloss gehöre.

(1) Der Annahme des [X.]s, das Wort "[X.]" verfüge im Zusammenhang mit den in Rede stehenden Waren nicht über Un-terscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.], steht nicht der [X.] entgegen, dass die Bezeichnung als Name eines Bauwerks unterschei-dungskräftig ist. Entscheidend ist allein, ob der Verkehr das [X.] als Un-terscheidungsmittel auffasst, das die fraglichen Waren als von einem bestimm-ten Unternehmen stammend kennzeichnet. Daran fehlt es, wenn das angespro-chene Publikum das Wort "[X.]" im
Zusammenhang mit [X.]ean-denken und darf wegen der großen Bekanntheit des Schlosses nur auf das Gebäude bezieht und deshalb nicht als Produktkennzeichen auffasst.

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15
-
10
-
(2) Der Rechtsbeschwerde verhilft auch nicht zum Erfolg, dass die hier in Rede stehenden Waren anderen Zwecken als der Verwendung als Souvenir oder [X.]ebedarf dienen können. So können etwa je nach Art und Aufmachung Musikinstrumente als [X.]eandenken Verwendung finden. Sie können aber auch
etwa wegen ihrer Größe oder ihres Preises
für
diesen Zweck von [X.] nicht in Frage kommen. Der Markeninhaber hatte hierzu in den [X.] beispielhaft auf die Bezeichnung von Klavieren unter der Marke hingewiesen, die unter den Warenoberbegriff der Musikinstrumente fallen und als [X.]eandenken unddarf weithin ausscheiden.

Auf die Verwendung der Marke für die in Rede stehenden Waren zu an-deren Zwecken als [X.]eandenken und darf kommt es nicht an. Das Eintra-gungshindernis nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] steht der Eintragung einer [X.] für mit einem weiten Warenoberbegriff bezeichnete Waren und Dienstleis-tungen schon dann entgegen, wenn es
wie hier
hinsichtlich einzelner unter den Oberbegriff fallender Waren und Dienstleistungen vorliegt (vgl. [X.], [X.] vom 10.
Juni 2010

I
ZB
39/09, [X.], 65 Rn.
26 = [X.], 65
Buchstabe
T mit Strich).

Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde ist dem Markeninhaber in diesem Zusammenhang auch nicht durch Zurückverweisung der Sache an das [X.] Gelegenheit zu geben, in dem [X.] einzuschränken und Erzeugnisse, die typischerweise als [X.]eandenken oder darf in Betracht kommen, von der Eintragung [X.]. Der Grundsatz des Vertrauensschutzes und der Anspruch der [X.] auf ein faires Gerichtsverfahren gebieten es zwar, von der Abweisung einer Klage als unzulässig abzusehen und das Berufungsverfahren durch Zurückver-weisung wiederzueröffnen, wenn das Berufungsgericht unter Verletzung der Pflicht aus §
139 Abs.
1 Satz
2 ZPO nicht auf die Stellung sachdienlicher Anträ-ge hingewirkt hat (vgl. [X.], Urteil vom 12.
Mai 2010
I
ZR
121/08, GRUR 16
17
18
-
11
-
2010, 633 Rn.
37 =
[X.], 912
Sommer unseres Lebens; Urteil vom 6.
Oktober 2011
I
ZR
54/10, [X.], 405 Rn.
16 =
[X.], 461

[X.]). Diese Rechtsprechung ist aber auf eine Fallkonstellation nicht übertragbar, in der der Markeninhaber in einem Rechtsbeschwerdeverfahren

gegebenenfalls nach Erörterung in der mündlichen Verhandlung vor dem Se-nat
das Warenverzeichnis einschränken will. §
82 Abs.
1 Satz
1 [X.] in Verbindung mit §
139 ZPO verpflichten das [X.] nicht, den Markeninhaber im Löschungsverfahren auf die Sachdienlichkeit einer Ein-schränkung des Warenund Dienstleistungsverzeichnisses hinzuweisen. Eine Einschränkung des Waren-
und Dienstleistungsverzeichnisses stellt einen Teil-verzicht auf die Marke dar (vgl. [X.], Beschluss vom 13.
Dezember 2007

I
ZB
39/05, [X.], 719 Rn.
32 =
[X.], 1098
idw Informations-dienst Wissenschaft). Die aus §
139 ZPO folgende Pflicht des Richters zur Pro-zessleitung umfasst keine Hinweise zur Änderung der materiell-rechtlichen Grundlagen der Entscheidung, wie dies bei einem Hinweis zur Einschränkung des Warenund Dienstleistungsverzeichnisses der Fall wäre. Durch einen ent-sprechenden Hinweis verstieße das Gericht gegen seine Pflicht zur Unpartei-lichkeit gegenüber den Beteiligten. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Senatsentscheidung "Yoghurt-Gums" (Beschluss vom 9.
September 2010

I
ZB
81/09, [X.], 654 =
[X.], 753). In jenem Verfahren hatte das [X.] durch einen fehlerhaften Hinweis die Markeninhaberin davon abgehalten, eine Beschränkung des [X.] bereits in der mündlichen Verhandlung zu erklären.

(3) Das [X.] hat auch zu Recht angenommen, der [X.] komme nicht deshalb Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] zu, weil nicht auszuschließen sei, dass die Bezeichnung "[X.]" auf den Waren oder ihrer Verpackung in Art einer Marke ver-wendet werde.

19
-
12
-
Allerdings gehören zu den Umständen, die in die Beurteilung der [X.] einzubeziehen sind, auch die üblichen Kennzeich-nungsgewohnheiten auf dem in Rede stehenden Warensektor. Hierzu rechnet die Art und Weise, in der Kennzeichnungsmittel bei den betreffenden Waren und Dienstleistungen üblicherweise verwendet werden, und insbesondere die Stelle, an der sie angebracht werden ([X.], Beschluss vom 24.
April 2008

I
ZB
21/06, [X.], 1093 Rn.
22 = WRP
2008, 1428
Marlene-Dietrich-Bildnis
I). Daher kann es von der tatsächlichen Art und Weise der Anbringung auf oder im Zusammenhang mit der betreffenden Ware oder Dienstleistung abhängen, ob ein Zeichen von den angesprochenen Verkehrskreisen im Einzelfall
als betrieblicher Herkunftshinweis verstanden wird. Im Eintragung und Löschungsverfahren erfordert es die Annahme der Unterscheidungskraft nicht, dass grundsätzlich jede denkbare Verwendung des Zeichens markenmäßig sein muss. Es genügt, wenn es praktisch bedeutsame und naheliegende Möglichkeiten gibt, das Zeichen bei den Waren und Dienstleistungen, für die es Schutz beansprucht, so zu verwenden, dass es vom Verkehr ohne weiteres als Marke verstanden wird ([X.], Beschluss vom 31.
März 2010
I
ZB
62/09, [X.]Z 185, 152 Rn.
21
Marlene-Dietrich-Bildnis
II; Beschluss vom 24.
Juni 2010
I
ZB
115/08, [X.], 1100 Rn.
28 = [X.], 1504
[X.]!). Die Anbringung eines Zeichens in der Art einer Marke auf der Ware, auf Etiketten der fraglichen Ware oder auf der Verpackung führt aber nicht ausnahmslos dazu, dass der Verkehr es als Herkunftshinweis versteht. Vielmehr kann auch bei dieser Art der Anbringung die Frage, ob der Verkehr das Zeichen als Herkunftshinweis ansieht, nach der Art des Zeichens und der Waren
variieren, an denen es angebracht wird (vgl. [X.], Urteil vom 14.
Januar 2010
I
ZR
92/08, [X.], 838 Rn.
20 = [X.], 1043

[X.]). Dies kommt etwa in Betracht, wenn der Verkehr das [X.] wegen einer besonderen Nähe zu den Verwendungsmöglichkeiten der Waren unabhängig von der konkreten Präsentation auf der Ware, auf Etiketten, Anhän-gern, Aufnähern oder der Verpackung jeweils nur in einem beschreibenden 20
-
13
-
Sinn auffasst und ihm deshalb keinen Herkunftshinweis entnimmt (vgl. [X.], Beschluss vom 15.
Januar 2009
I
ZB
30/06, [X.], 411 Rn.
13 = [X.], 439
STREETBALL; [X.], [X.], 1100 Rn.
30
[X.]!).

Feststellungen dazu, dass der Verkehr bei den in Rede stehenden Wa-ren aufgrund von Kennzeichnungsgewohnheiten auf dem Produktsektor
das [X.] "[X.]" bei einer bestimmten Präsentation als Marke und nicht nur als Bezeichnung des Schlosses [X.] oder als [X.] auf das Schloss auffasst, hat das [X.] jedoch nicht ge-troffen. Ohne entsprechende Feststellungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Bezeichnung "[X.]" im Zusammenhang mit [X.] und darf allein durch die Art ihrer Präsentation Unterschei-dungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] erlangt.

b) Die Rechtsbeschwerde hat jedoch Erfolg, soweit das Bundespatentge-richt die Löschungsentscheidung des [X.] Markenamts we-gen fehlender Unterscheidungskraft der Marke gemäß §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]nG für die übrigen Waren und Dienstleistungen
mit Ausnahme der nicht in die [X.] gelangten Dienstleistungen der Veranstaltung von [X.]en und der Dienstleistungen zur Verpflegung und Beherbergung von Gästen
stätigt hat.

aa) Das [X.] hat angenommen, für "pharmazeutische Erzeugnisse; Sanitärprodukte für medizinische Zwecke" sei die Marke nicht un-terscheidungskräftig, weil diese Waren ein typisches Zusatzangebot für [X.]
etwa zur Behandlung von [X.]ekrankheiten
in oder nahe bei [X.] darstellten. Auch die Dienstleistungen "Finanzwesen, Geldge-schäfte; Telekommunikation; Transportwesen; Verpackung und Lagerung von Waren" seien als Zusatzangebot im Umfeld touristischer Sehenswürdigkeiten anzusehen.
21
22
23
-
14
-

bb) Diesen Ausführungen kann nicht zugestimmt werden. Das [X.] hat einen unzutreffenden Maßstab an die Beurteilung der [X.] im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] angelegt und keine konkrete Prüfung des [X.] anhand der Umstände des Einzelfalls vorgenommen. Allein der Umstand, dass die in Rede stehenden Wa-ren und Dienstleistungen im Umfeld des Schlosses [X.] an [X.] vertrieben oder für sie erbracht werden können, führt nicht zum Fehlen [X.] Unterscheidungskraft der Marke "[X.]" für die fraglichen Wa-ren und Dienstleistungen. Entscheidend ist vielmehr, ob der Verkehr die [X.] der Marke für diese Waren und Dienstleistungen nur als Bezugnahme auf das Bauwerk "[X.]" oder als Unterscheidungsmittel für die Produkte und Dienstleistungen auffasst. Konkrete Feststellungen dazu hat das [X.] nicht getroffen. Sie liegen auch nicht ohne weiteres auf der Hand. Es ist nichts dafür vorgetragen oder sonst ersichtlich, dass eine verbreitete Übung und dadurch bedingt eine Gewöhnung des Verkehrs besteht, die fraglichen Waren oder Dienstleistungen -
dazu gehören pharmazeutische Erzeugnisse und Sanitärprodukte für medizinische Zwecke und Dienstleistun-gen in den Bereichen des Finanzwesens, der Geldgeschäfte oder der Tele-kommunikation
-
mit den Namen von Sehenswürdigkeiten zu versehen, um ei-nen entsprechenden Bezug -
hier zu dem Bauwerk
-
herzustellen.

Dem Senat ist im Rechtsbeschwerdeverfahren eine abschließende Ent-scheidung zur Frage des Vorliegens des [X.] nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]
für die in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen mangels ausreichender tatrichterlicher Feststellungen verwehrt.

cc) Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Marke auch für die Waren "veterinärmedizinische Erzeugnisse; Teppiche, Linoleum und andere Bodenbeläge" und die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Im-24
25
26
-
15
-
mobilienwesen; Dienstleistungen im Bereich der Landwirtschaft, des Garten-baus und der Forstwirtschaft" jegliche Unterscheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] fehlt. Der Verkehr werde die Bezeichnung "Neuschwan-stein" wegen der großen Bekanntheit des Bauwerks nur als solche und nicht als Unterscheidungsmittel auffassen. Die Bezeichnung sei einem Markenschutz auch deshalb entzogen,
weil bedeutende Kulturgüter der Allgemeinheit einer markenrechtlichen Monopolisierung und Kommerzialisierung generell entzogen seien.

dd) Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

(1) [X.] des §
8 Abs.
2 Nr.
1 und 2 [X.] (Art.
3 Abs.
1 Buchst.
b und [X.]) sind, auch wenn sich ihre Anwen-dungsbereiche überschneiden, voneinander unabhängig und gesondert zu [X.], wobei jedes Eintragungshindernis im Lichte des Allgemeininteresses aus-zulegen ist, das ihm jeweils zugrunde liegt ([X.], Urteil vom 8.
April 2003

53/01 bis 55/01, [X.]. 2003, 161 =
[X.], 514 Rn.
67 und 71

Linde, [X.], [X.]; Urteil vom 12.
Februar 2004
363/99, [X.]. 2004, 19 =
[X.], 674 Rn.
67
f.
Postkantoor). An das Vorliegen der Unter-scheidungskraft im Sinne von §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] dürfen daher nicht we-gen eines möglichen Freihalteinteresses nach §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] erhöh-te Anforderungen gestellt werden (vgl. [X.], Beschluss vom 1.
März 2001

I
ZB
54/98, [X.], 1042, 1043 =
[X.], 1205
[X.]; Beschluss vom 17.
Mai 2001
I
ZB
60/98, [X.], 1043, 1045 =
[X.], 1202
Gute Zeiten
Schlechte Zeiten; Beschluss vom 27.
April 2006
I
ZB
96/05, [X.]Z 167, 278 Rn.
17
[X.]). Die Eintra-gungshindernisse sind in der [X.] (vgl. [X.], [X.], 674 Rn.
78
Postkantoor; hierzu auch Erwägungsgrund
8 Satz
3 MarkenRL) und im [X.] erschöpfend angeführt (vgl. [X.], Beschluss vom 28.
Juni 2001
I
ZB
1/99, [X.], 64, 65 =
[X.], 1445 27
28
-
16
-

INDIVIDUELLE). Liegen die Voraussetzungen des §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] nicht vor, kann der Marke nicht wegen eines allgemein von den Voraussetzun-gen des §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] losgelösten Freihaltebedürfnisses oder einer dem Urheberrecht entlehnten Gemeinfreiheit der Schutz nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] versagt oder entzogen werden.

(2) Mit Erfolg rügt die Rechtsbeschwerde, das [X.] habe nach diesen Maßstäben der Marke für die hier in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen den Schutz nicht wegen fehlender Unterscheidungskraft nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.] entziehen dürfen. Der Umstand, dass es sich bei dem [X.] um eine weithin bekannte, bedeutende Sehenswür-digkeit handelt, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme mangelnder Unterscheidungskraft der Marke. Das gilt auch dann, wenn man
wie das [X.]
das [X.] zum nationalen Erbe oder zum Weltkulturerbe rechnet.

Da nicht auszuschließen ist, dass die Annahme fehlender Unterschei-dungskraft durch das [X.] vom Gedanken eines allgemeinen Freihaltebedürfnisses an der Bezeichnung von Gegenständen mit überragen-dem kulturellen Wert beeinflusst worden ist, kann die Entscheidung auch inso-weit keinen Bestand haben.

[X.] Auf die Rechtsbeschwerde des Markeninhabers ist der angefochtene Beschluss unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise aufzu-heben und die Sache an das [X.] zurückzuverweisen (§
89 Abs.
4 Satz
1 [X.]). Dieses wird die erforderlichen Feststellungen zur Be-urteilung des [X.] nach §
8 Abs.
2 Nr.
1 [X.]
insoweit
29
30
31
-
17
-
nachzuholen und auch zu prüfen haben, ob für die noch in Rede stehenden Waren und Dienstleistungen

beispielsweise für Transportwesen

ein Freihal-tebedürfnis nach §
8 Abs.
2 Nr.
2 [X.] besteht oder die Voraussetzungen des [X.] nach §
8 Abs.
2 Nr.
10 [X.] vorliegen.

Bornkamm
Pokrant
Büscher

Schaffert
Koch
Vorinstanz:
[X.], Entscheidung vom 04.02.2011 -
25 W(pat) 182/09 -

Meta

I ZB 13/11

08.03.2012

Bundesgerichtshof I. Zivilsenat

Sachgebiet: ZB

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 08.03.2012, Az. I ZB 13/11 (REWIS RS 2012, 8390)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2012, 8390

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