Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2016, Az. 4 StR 501/16

4. Strafsenat | REWIS RS 2016, 2024

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Gegenstand

Vorsätzliche Gefährdung des Straßenverkehrs: Innerörtliches Überholen mit überhöhter Geschwindigkeit


Tenor

1. Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 23. Mai 2016 wird als unbegründet verworfen.

2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die den [X.] im Revisionsverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Gründe

1

Das [X.] hat den Angeklagten wegen fahrlässiger Tötung in Tateinheit mit vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die ausgeführte Sachrüge gestützten Revision. Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.

2

1. Die tateinheitliche Verurteilung wegen vorsätzlicher Gefährdung des Straßenverkehrs gemäß § 315c Abs. 1 Nr. 2b, Abs. 3 Nr. 1 StGB hält rechtlicher Überprüfung stand.

3

a) Nach den Feststellungen befuhr der Angeklagte am 10. Juli 2015 um 20.16 Uhr mit einem geliehenen Pkw der Marke [X.] „mit deutlich überhöhter Geschwindigkeit“ die zwei Richtungsfahrbahnen aufweisende [X.] im Stadtzentrum von [X.]  . Dabei nahm er bei „moderatem Verkehrsaufkommen“ in schneller Folge mehrere Spurwechsel vor, um vorschriftsmäßig fahrende Fahrzeuge überholen zu können. Unmittelbar nach einem Überholmanöver nahm der zu diesem Zeitpunkt auf der linken Fahrspur fahrende Angeklagte wahr, dass die nur noch rund 30 bis 40 Meter entfernte Lichtzeichenanlage an der Kreuzung [X.]/    Ka.  straße/U.      straße auf [X.]. Etwa 40 Meter vor der Kreuzung eröffnet rechts auf der [X.] ein dritter [X.], der 100 Meter nach der Kreuzung zu einer Rechtsabbiegespur wird. Der Angeklagte beabsichtigte, die Kreuzung noch vor einem Umschalten auf Rotlicht zu passieren, um nicht vor der Ampel warten zu müssen. Da sich jedoch vor ihm auf der linken wie auch der rechts daneben führenden Fahrspur Fahrzeuge befanden, die ihre Geschwindigkeit angesichts der Gelblicht zeigenden Lichtzeichenanlage verringerten und demnach deutlich langsamer fuhren als der Angeklagte, nahm er einen durchgängigen Spurwechsel von der linken über die mittlere auf die wenige Meter zuvor neu hinzugekommene und zu diesem Zeitpunkt freie [X.] vor, die er wenige Fahrzeuglängen vor der Haltelinie erreichte. Der Angeklagte fuhr nun mit einer Geschwindigkeit von mindestens 109 km/h auf die Kreuzung zu. Zum gleichen Zeitpunkt befuhr die Zeugin [X.].   mit einem [X.] (Zeitwert rund 9.000 Euro) die mittlere Fahrspur. Die Zeugin beabsichtigte auf den rechten Fahrstreifen zu wechseln. Nachdem sie sich durch einen Schulterblick vergewissert hatte, dass sich auf dem neu hinzugekommenen [X.] kein Fahrzeug befand, betätigte sie den Blinker und setzte nach einem erneuten Schulterblick zum Wechsel auf die rechte Fahrspur an. Ihre dabei gefahrene Geschwindigkeit betrug in Vorbereitung eines Halts an der Haltelinie noch 30 km/h. Im selben Moment näherte sich der Pkw des Angeklagten, der sich im Zeitpunkt des Schulterblicks der Zeugin [X.].   noch auf der linken oder der mittleren [X.] befunden hatte und deshalb von ihr nicht wahrgenommen werden konnte, von hinten an. Wegen der durch den Angeklagten gefahrenen Geschwindigkeit war es ihm nicht möglich, auf den von der Zeugin [X.].   eingeleiteten Spurwechsel rechtzeitig zu reagieren. Es kam deshalb zu einer spitzwinkligen Streifkollision zwischen beiden Fahrzeugen. In deren Folge stellte sich der [X.] des Angeklagten nach rechts auf und geriet in eine rotierende Flugbewegung. In der Folge schleuderte das Fahrzeug über den Kreuzungsbereich, prallte gegen den Mast einer Lichtzeichenanlage und erfasste etwa 75 Meter nach dem Ausgangspunkt der Kollision den an einem anderen Lichtzeichenmast auf seinem Fahrrad wartenden 26-jährigen        [X.]. Der Geschädigte wurde etwa 11 Meter durch die Luft geschleudert und erlitt tödliche Verletzungen. Der neben dem Geschädigten stehende Zeuge L.     konnte sich durch einen Sprung retten und blieb unversehrt. An der Lichtzeichenanlage entstand ein Sachschaden in Höhe von 14.848,82 Euro. Der Pkw der Zeugin [X.].   erlitt einen Totalschaden. Sie selbst blieb unverletzt.

4

Das [X.] ist davon ausgegangen, dass der Angeklagte das Setzen des Blinkers durch die Zeugin [X.].   sowohl aufgrund des erst kurz vor dem Überholvorgang erfolgten Einfahrens auf die rechte [X.] als auch wegen der deutlich überhöhten Geschwindigkeit und des bestehenden Geschwindigkeitsunterschiedes nicht sehen konnte (UA 58).

5

b) Diese Feststellungen belegen, dass der Angeklagte bei einem Überholvorgang falsch gefahren ist (§ 315c Abs. 1 Nr. 2b StGB).

6

aa) Ein falsches Fahren bei einem Überholvorgang liegt vor, wenn der Täter eine der in § 5 [X.] normierten Regeln verletzt oder einen anderweitigen Verkehrsverstoß begeht, der das Überholen als solches gefährlicher macht, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Verkehrsverstoß und der spezifischen Gefahrenlage des Überholens besteht (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. Februar 1993 - 2 St RR 244/92, [X.] 1993, 269, 271; Urteil vom 7. Februar 1968 - 1 b [X.], [X.], 280, 282; [X.], Beschluss vom 20. April 1989 - 5 Ss 86/89, [X.], 280, 281; Urteil vom 28. Juli 1981 - 2 [X.]/81, [X.], 44, 46; [X.] in: [X.] Kommentar zum StGB, 12. Aufl., § 315c Rn. 96, 99 f.; [X.]/[X.] in: [X.]/[X.], StGB, 29. Aufl., § 315c Rn. 18; [X.] in: [X.], 2. Aufl., § 315c Rn. 16).

7

bb) Daran gemessen ist der Angeklagte bei seinem Überholen schon deshalb falsch gefahren, weil die gefahrene Geschwindigkeit ihm ein Anhalten innerhalb der übersehbaren Strecke unmöglich machte (§ 3 Abs. 1 Satz 4 [X.]) und gegen § 3 Abs. 3 Nr. 1 [X.] (zulässige Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften) verstieß. Durch diese Regelverstöße wurde das Überholen als solches erheblich gefährlicher gemacht, denn der Angeklagte konnte deshalb nicht mehr auf den durch das Setzen des Blinkers angezeigten Spurwechsel der Zeugin [X.].   reagieren. Dass diese Vorschriften auch dazu bestimmt sind, (innerörtliche) Überholvorgänge zu schützen steht außer Frage.

8

Der Senat braucht unter diesen Umständen nicht zu entscheiden, ob die Feststellungen auch die Annahme einer unklaren Verkehrslage im Sinne des § 5 Abs. 3 Nr. 1 [X.] tragen.

9

2. Im Übrigen hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beschwerdeführers ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

Sost-Scheible        

       

Roggenbuck        

       

Cierniak

       

Bender        

       

Quentin        

       

Meta

4 StR 501/16

22.11.2016

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Beschluss

Sachgebiet: StR

vorgehend LG Köln, 23. Mai 2016, Az: 113 KLs 34/15, Urteil

§ 315c Abs 1 Nr 2 Buchst b StGB, § 3 Abs 1 S 4 StVO, § 3 Abs 3 Nr 1 StVO

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.11.2016, Az. 4 StR 501/16 (REWIS RS 2016, 2024)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2016, 2024

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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Referenzen
Wird zitiert von

4 StR 469/17

4 StR 501/16

4 StR 342/19

4 StR 79/20

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