Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2002, Az. 1 StR 140/02

1. Strafsenat | REWIS RS 2002, 2379

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[X.]/02vom10. Juli 2002in der [X.] -Der 1. Strafsenat des [X.] hat am 10. Juli 2002 beschlossen:Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des [X.] vom 8. Oktober 2001 mit Ausnahme [X.] zum äußeren Tatgeschehen aufgehoben.Die weitergehende Revision wird verworfen.Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlungund Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, aneine andere [X.] des [X.] zurückverwiesen.Gründe:[X.] hat den Angeklagten wegen Mordes zu lebenslangerFreiheitsstrafe verurteilt und festgestellt, daß seine Schuld besonders schwerwiegt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten, mit der er die [X.] formellen und materiellen Rechts geltend macht, hat mit der Sachrügeteilweise Erfolg, weil das Schwurgericht das Vorliegen der Voraussetzungendes § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat. Im übrigen ist [X.] unbegründet im Sinne von § 349 Abs. 2 StPO.II.- 3 -Der Angeklagte tötete seine frre, zur Tatzeit neunzehnjährige Freun-din, die sich von ihm getrennt hatte, heimtckisch und aus niedrigen Beweg-grmit mindestens 95 Messerstichen, nachdem er sie mit dem [X.], nun endlich seine Schulden bei ihr zu begleichen, nochmals in seineWohnung gelockt hatte.1. Die Begr, mit der das [X.] das Vorliegen erheblichverminderter Schuldfähigkeit verneint hat, begegnet durchgreifenden rechtli-chen Bedenken. Sie leidet an [X.].Die sachverständig beratene [X.] setzt sich bei der Prfung derSchuldfähigkeit des Angeklagten nicht vertieft mit der Persönlichkeit des Ange-klagten und dessen Werdegang auseinander. Zusammenfassend beurteilt sieden hochintelligenten, aber leistungsunwilligen, zum Zeitpunkt der Tat ffund-zwanzigjährigen Angeklagten wie folgt: Insgesamt habe sich die [X.] Angeklagten bei den psychologischen Testversuchen durch unreife Zausgezeichnet, die in Richtung einer Persönlichkeitsstörung gehen könnten.Die vorhandene [X.] und Antriebslage bringe [X.] und Unbeha-gen mit sich, weshalb eine Affinität bestehen könne, Abhilfe in toxischer [X.] zu suchen. ..." Eine erhebliche Beeinträchtigung des [X.] des Angeklagten komme letztlich nur beim Hinzutreten einer ent-hemmend wirkenden Substanz in Betracht....". Letzteres sowie eine [X.]handlung sch[X.]t die [X.] fr den Zeitpunkt des Beginns der Tat aus.Erst im Zuge der Tatbegehung könne es zu einer Affektentladung gekommensein.Ob eine schwere andere seelische Abartigkeit im Sinne der §§ 20, 21StGB vorliegt, hat der Tatrichter auf der Grundlage einer Gesamtbetrachtungder Persönlichkeit des Angeklagten, seiner Entwicklung sowie der Tat und dem- 4 -Nachtatgeschehen zu beurteilen (vgl. [X.]R StGB § 21 seelische [X.] und 37; [X.], 75; [X.], 243; [X.], Urteil vom27. Juni 2001, 1 [X.]; [X.], [X.] vom 28. November 2001, 5 [X.]/01). Die Darlegungen der [X.] zu der Frage, ob der Angeklagteunter einer Perslichkeitsstrung mit dem Gewicht einer schweren anderenseelischen Abartigkeit leidet, lassen schon diese gebotene Gesamtschau vonTterperslichkeit und Tat vermissen. Vor allem aber bleibt die Affinitt [X.] zu Gewalt und Tod, wie sie in Handlungen und [X.] zuTage tritt, vllig auûer Betracht. An verschiedenen Stellen des Urteils findensich hierzu folgende Feststellungen:Im Jahre 1994 [X.] sich der Angeklagte ein Ktzchen schenken und t-tete es, nach Meinung einer Freundin, weil ihm das Spaû machte. [X.], so eine andere Zeugin, [X.] ohne Grund gettet. [X.] liebeer Horrorfilme und realistische Darstellungen von [X.]. Weiterbrstete er sich [X.] - wohl weitgehend ohne realen Hinter-grund - damit, er habe wrend eines Urlaubs in der [X.] einen Menschendie Treppe hinabgestrzt und gettet, im Bestattungsunternehmen [X.] in [X.] mit Leichen gearbeitet, im Kreiskrankenhaus in [X.] an Sektionen teilgenommen und von 1994 bis 1997 in [X.]als Obduktions-helfer gearbeitet. Von der [X.] sei er nicht als Wachmann angenommenworden, da er als extrem gewaltttig eingestuft worden sei. Sch[X.]lich hat [X.] wrend seiner Ttigkeit in einer Videothek dort Mse gefangen,mit einem Teppichmesser aufgeschnitten, tet und zuletzt vielfach mitdem Autrfahren.Eine umfassende, vertiefte Auseinandersetzung mit der [X.] mlicherweise zu einer anderen Beurteilung der- 5 -Schuldfigkeit des Angeklagten gefrt. Dies zwingt zur Aufhebung [X.] mit den Feststellungen hierzu. Da zudem nicht vlligauszusch[X.]en ist, [X.] neue Erkenntnisse zur inneren Verfassung des Ange-klagten auch die Bewertung der subjektiven Tatseite des Angeklagten bezg-lich der Mordmerkmale "heimtckisch" und "aus niedrigen Beweggr" be-einflussen k, hat auch der Schuldspruch keinen Bestand. Die rechtsfeh-lerfrei getroffenen Feststellungen zum ûeren Tatgeschehen bleiben dagegenaufrecht erhalten.Sollte die nunmehr zur Entscheidung berufene [X.] aufgrundder neuen Verhandlung - unter Heranziehung eines anderen Sachversti-gen - das sichere Vorliegen einer erheblich verminderten Schuldfigkeit frfeststellbar erachten, so steht das Verschlechterungsverbot der [X.] in einem psychiatrischen Krankenhaus (§ 63 StGB) - solltendie Voraussetzungen im rigen gegeben sein - nicht entgegen (§ 358 Abs. 2Satz 2 StPO).2. Auf die [X.] Verletzung des § 265 StPO bzw. eines Verstoûesgegen das Gebot eines fairen Verfahrens durch ein "Überraschungsurteil"mangels tatschlichen und rechtlichen Hinweises seitens des Gerichts auf [X.] eines Ausspruchs zur besonderen Schuldschwere im Sinne von§ 57a Abs. 1 Nr. 2 StGB kommt es nicht mehr an.Der Senat neigt aber dazu, [X.] dem Angeklagten mindestens aus demGang der Hauptverhandlung klar werden [X.], [X.] das Gericht die Annahmebesonders schwerer Schuld erwt (anders Senat in [X.] NJW 1996, 3285).- 6 -III.Im rigen hat die Überprfung des Urteils auf Grund der [X.] keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.[X.] Nack Boetticher Schluckebier Hebenstreit

Meta

1 StR 140/02

10.07.2002

Bundesgerichtshof 1. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 10.07.2002, Az. 1 StR 140/02 (REWIS RS 2002, 2379)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2002, 2379

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