Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 370/17

4. Senat | REWIS RS 2018, 6206

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Gegenstand

Vertragliche Bezugnahmeklausel - Auslegung - Anwendbarkeit eines Haustarifvertrags - Anspruch auf Jahressonderzahlung


Tenor

1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des [X.] vom 29. Juni 2017 - 6 Sa 583/16 - wird zurückgewiesen.

2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über Ansprüche des [X.] auf höhere [X.] für die [X.] und 2013.

2

Der Kläger ist bei dem Beklagten, einem Träger für Einrichtungen auf dem Gebiet der Eingliederungshilfe, im [X.] tätig. Er ist nicht Mitglied einer [X.].

3

Am 25. April 2007 schloss der Beklagte mit der in seinem Haus gewählten Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung, die [X.]. die Überleitung der Arbeitsverhältnisse der Beschäftigten zum 1. Juli 2007 in den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst ([X.]) und zum Zwecke der Konsolidierung [X.]. den Ausschluss der in § 20 [X.]-B gewährten Sonderzahlung für die befristete Laufzeit der Sanierungsvereinbarung bis zum 30. Juni 2012 vorsah.

4

Unter dem Datum des 30. Mai 2007 vereinbarten die Parteien die „Neufassung des Arbeitsvertrages zur Überleitung in den [X.]“ (im Folgenden [X.] 2007). Darin ist [X.]. geregelt:

        

§ 1 Fortführung des Arbeitsverhältnisses

        

(1) Mit diesem Arbeitsvertrag wird kein neues Arbeitsverhältnis begründet, sondern das seit dem 01.10.1994 bestehende Arbeitsverhältnis fortgeführt.

        

Die bislang getroffenen Vereinbarungen bleiben bestehen, soweit in diesem Vertrag nicht ausdrücklich eine Änderung vereinbart wird.

        

…       

        
        

§ 2 Geltung des TVöD

        

Ab dem 1. Juli 2007 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen (TVöD-B) und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen in der für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.]) jeweils geltenden Fassung, soweit in diesem Arbeitsvertrag nicht ausdrücklich etwas anderes vereinbart ist. Außerdem finden die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung. Der gekündigte [X.] findet keine Anwendung.

        

§ 3 Mitarbeiterbeiträge für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung

        

(1) Jahressonderzahlung

        

Der Anspruch auf die in § 20 TVöD-B tariflich gewährte Jahressonderzahlung wird für die Laufzeit der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 ausgeschlossen.

        

Für die Jahre 2004 bis 2007 verbleibt es hinsichtlich der noch nicht gewährten ‚Weihnachtsgeldzahlungen‘ bei den als Anlage 1 beigefügten Regelungen des [X.] vom 16. Dezember 2003, umgesetzt durch Änderungsvertrag/Arbeitsvertrag vom 13.02.2004 mit der Maßgabe, dass eventuelle Zahlungen für das [X.] nicht an den Mitarbeiter ausbezahlt werden, sondern als außerordentlicher Ertrag in die [X.] desjenigen Kalenderjahres einfließen, in dem der [X.] auf einem Konto des Arbeitgebers festzustellen ist.

        

…       

        

§ 13 Schlussbestimmungen

        

(1) Arbeitgeber und [X.] sind bei Abschluss der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 davon ausgegangen, dass der erforderliche Prozess der Sanierung der [X.] mit Ablauf der fünfjährigen Laufzeit der Sanierungsvereinbarung abgeschlossen ist. Sie haben sich jedoch verpflichtet, bereits vor Ablauf der Vereinbarung Verhandlungen mit dem Ziel aufzunehmen, die Laufzeit dieser Vereinbarung zu verlängern, wenn dies aus wirtschaftlichen Gründen erforderlich ist. Erforderlich ist eine Verlängerung der Laufzeit, wenn ein nach Vorschlag der Mitarbeitervertretung bestellter Wirtschaftsprüfer oder eine sonstige von der Mitarbeitervertretung aufgrund ihrer Eignung vorgeschlagene Person feststellt, dass ein ausgeglichenes Wirtschaftsergebnis deshalb nicht erreicht werden kann, weil von außen kommende Ursachen den Erfolg der Sanierungsbemühungen aufzehren.

        

Bei der Ermittlung des Wirtschaftsergebnisses sind analog diejenigen Kriterien zugrunde zu legen, die bei der Ermittlung der Erfolgsbeteiligung anzuwenden sind.

        

Sollte eine Verlängerung der Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und [X.] zustande kommen, werden die [X.] ein entsprechendes Änderungsangebot unterbreiten.“

5

Am 28. August 2012 schloss [X.]. der Beklagte mit der [X.] [X.] einen Anwendungstarifvertrag (im Folgenden [X.]), der [X.]. die folgenden Regelungen enthielt:

        

Präambel

        

...     

        

Ein von der Mitarbeitervertretung vorgeschlagener Gutachter hat im Febr[X.]r 2012 festgestellt, dass auf Grund von außen kommender Ursache ein ausgeglichenes Wirtschaftsergebnis nach Auslaufen der Sanierungsvereinbarung nicht erreicht werden kann. Die [X.] [X.] hat als Berater an der Entwicklung und Gestaltung des [X.] maßgeblich mitgewirkt. Nachdem das [X.] im September 2011 diese Sanierungsregelung mittels Dienstvereinbarung nicht als wirksame kollektivrechtliche Regelung angesehen und damit für unzulässig erklärt hat, kann die erforderliche Laufzeitverlängerung nur auf der Basis einer anderen vertraglichen Regelung vereinbart werden. Die bewährte Zusammenarbeit von Vorstand, Mitarbeitervertretung und [X.] zur wirtschaftlichen Konsolidierung der Diakonie Himmelsthür wird damit in sachlicher und tariflicher Kontinuität fortgesetzt. Dies entspricht zugleich dem Wunsch der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Diakonie Himmelsthür, wie er in einer Beschäftigtenbefragung der [X.] [X.] im September 2011 mit einer Mehrheit von 97% (710 Stimmen) geäußert wurde. Die Vertragsparteien verbinden mit dem Abschluss des [X.] die feste Erwartung, dass der erfolgreiche Konsolidierungsprozess der Diakonie Himmelsthür fortgesetzt und nachhaltig abgesichert werden kann. Ziel bleibt für die Tarifvertragsparteien die Vollanwendung des TVöD-B, auf der Basis einer leistungsgerechten Refinanzierung durch den Kostenträger. …

        

Die Diakonie Himmelsthür ist Mitglied im [X.] der [X.] und auf diese Weise der verfassten [X.] zugeordnet. Die kirchliche Zuordnung wird von den Vertragsparteien bejaht und soll durch diesen Vertrag unterstrichen werden. Durch die Mitgliedschaft im [X.] ist die Diakonie Himmelsthür mit anderen diakonischen Einrichtungen verbunden und setzt sich dafür ein, dass faire und partnerschaftlich ausgehandelte Bedingungen für die Ausgestaltung der diakonischen Arbeit und ihrer Beschäftigungsverhältnisse zugrunde gelegt werden.

        

…       

        

§ 3 Jahressonderzahlung

        

(1)     

Die Beschäftigten, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung. Diese bestimmt sich nach § 20 TVöD-B, sofern nachfolgend nichts Abweichendes genannt wird.

        

(2)     

Abweichend von den in § 20 Abs.2 TVöD-B genannten Beträgen gelten für die Beschäftigten des jeweiligen Unternehmens die nachfolgend genannten Prozentsätze für die Ermittlung der Jahressonderzahlung. Berechnungsgrundlage ist der für die jeweilige [X.] tarifvertraglich festgeschriebene Prozentsatz (derzeit: 90/80/60%). Dieser stellt die kalkulatorische Ausgangsbasis (100%) dar; die in Absatz 3 ausgewiesenen Prozentsätze werden von dieser Ausgangsbasis berechnet.

        

(3)     

Für die Beschäftigten der jeweiligen Unternehmen der Diakonie Himmelsthür gelten ausschließlich die in den nachfolgenden Unterabschnitten ausgewiesenen Prozentsätze.

        

a.    

Die Beschäftigten der [X.] erhalten einen Sockelbetrag in Höhe von 30% der in § 20 Abs.2 TVöD-B ausgewiesenen Prozentsätze. Dieser Sockelbetrag wird in den Jahren 2013 bis 2016 jährlich um jeweils 7,5% gesteigert.

        

…       

        
        

§ 8 Inkrafttreten und Kündigung

        

(1)     

Dieser Tarifvertrag tritt am 1. Juli 2012 in [X.].“

6

Der Beklagte zahlte an den Kläger in den Jahren 2012 und 2013 eine Jahressonderzahlung auf Grundlage des [X.].

7

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2012 machte der Kläger für das [X.] die Differenz zwischen der gezahlten zu einer Jahressonderzahlung auf Grundlage des [X.]-B iHv. 80 % eines Bruttogehalts geltend. Dies wies der Beklagte mit Schreiben vom 13. Febr[X.]r 2013 zurück.

8

Mit seiner dem Beklagten am 11. April 2014 zugestellten Klage hat der Kläger die Zahlung der Differenz zwischen den in den Jahren 2012 und 2013 geleisteten zu den sich aus dem [X.]-B ergebenden [X.] geltend gemacht. Er hat dazu die Auffassung vertreten, für die Berechnung der [X.] sei allein § 20 Abs. 2 [X.]-B maßgeblich. Der [X.] finde auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Dieser stelle keine den [X.] ersetzende oder diesen abändernde Regelung dar. Es handele sich zwar um eine Nachfolgeregelung zur Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007, insoweit sei im Arbeitsvertrag jedoch nur vereinbart, dass der Beklagte mit der Mitarbeitervertretung eine Sanierungsvereinbarung zu treffen habe. Diese Kompetenz habe die [X.] nicht auf die [X.] übertragen dürfen. Entsprechende Änderungen hätten mit dem jeweiligen Mitarbeiter vereinbart werden müssen.

9

Der Kläger hat sinngemäß beantragt,

        

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 2.885,16 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22. April 2014 zu zahlen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Auffassung vertreten, aufgrund der vertraglichen Verweisungsklausel finde der [X.] auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Gerade die Zusammenschau der Regelungen in §§ 2 und 13 [X.] 2007 habe für den Kläger bereits bei Vertragsschluss erkennen lassen, dass es in Abhängigkeit von den Feststellungen des externen Gutachters zu einer über den 30. Juni 2012 hinausgehenden Absenkung des [X.]-B mittels [X.] Vereinbarung kommen könne. Er habe das in der Sanierungsvereinbarung vom 25. April 2007 sowie in den Einzelverträgen beschriebene Verfahren zur Festlegung der Verlängerungsnotwendigkeit der Sanierungsvereinbarung durchlaufen. Nachdem ein externer Gutachter im ersten Q[X.]rtal 2012 festgestellt habe, die in der Sanierungsvereinbarung für die Aufnahme von Verhandlungen niedergelegten Voraussetzungen seien erfüllt, habe die gemeinsame Mitarbeitervertretung entschieden, die Verhandlungen über die Fortführung der Sanierungsvereinbarung nicht mehr hausintern, sondern durch die Tarifvertragsparteien, dh. durch den Arbeitgeber und die [X.], zu führen und ihr Verhandlungsmandat für die Nachfolgeregelung in die Hände der [X.] zu legen. Die vertragliche Bezugnahmeklausel sei dahin auszulegen, dass der mit [X.] abgeschlossene Haustarifvertrag die Bestimmungen des [X.]-B für die Dauer seiner Geltung abändere und damit verdränge.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des [X.] hat das [X.] das arbeitsgerichtliche Urteil abgeändert und der Klage stattgegeben. Mit seiner vom [X.] zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision des [X.]n ist unbegründet. Das [X.] hat dem Kläger gegen den [X.]n einen Anspruch auf Zahlung von 2.885,16 Euro brutto nebst Zinsen als weitere [X.] für die [X.] und 2013 rechtsfehlerfrei zugesprochen. Der Kläger hatte im streitgegenständlichen Zeitraum aufgrund von § 2 [X.] 2007 einen Anspruch auf Zahlung einer Jahressonderzahlung nach § 20 [X.] in der bis zum 29. Februar 2016 geltenden Fassung (im Folgenden [X.]) und nicht nur einen verringerten Anspruch auf [X.] gemäß § 3 [X.].

I. Der [X.] findet entgegen der Rechtsansicht des [X.]n auf das Arbeitsverhältnis der Parteien keine Anwendung. Das ergibt die Auslegung des [X.] 2007.

1. Wie das [X.] zutreffend angenommen hat, handelt es sich bei dem [X.] 2007 um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen, insbesondere die §§ 2, 3 und 13 [X.] 2007, nach den Regelungen über Allgemeine Geschäftsbedingungen auszulegen sind (st. Rspr. d. Senats, zuletzt [X.] 11. April 2018 - 4 [X.] - Rn. 30; zu den Maßstäben vgl. nur [X.] 14. Dezember 2011 - 4 [X.] - Rn. 29 mwN). Die Auslegung von typischen Vertragsklauseln ist der uneingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht zugänglich (st. Rspr., vgl. dazu nur [X.] 25. Oktober 2017 - 4 [X.] - Rn. 17; 7. Dezember 2016 - 4 [X.] - Rn. 21; 19. Mai 2010 - 4 [X.] - Rn. 15 mwN, [X.]E 134, 283).

2. In Anwendung dieser Maßstäbe hat das [X.] die einschlägigen Klauseln des [X.] 2007 zutreffend ausgelegt.

a) Zu Recht ist das [X.] davon ausgegangen, dass es sich bei dem [X.] nicht um einen den [X.] „ergänzenden, ändernden oder ersetzenden“ Tarifvertrag iSd. § 2 Satz 1 [X.] 2007 handelt.

aa) Nach dem Wortlaut der Bezugnahmeregelung in § 2 Satz 1 [X.] 2007 ist das Arbeitsverhältnis den Tarifbestimmungen des öffentlichen Dienstes „für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.])“ unterstellt worden. Damit sollten nur die von den Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] abgeschlossenen ([X.] in Bezug genommen werden. Dies können zwar auch firmenbezogene [X.] sein. Sie müssen dann aber unter Beteiligung des [X.] geschlossen worden sein. Nicht von der [X.] erfasst sind hingegen Haustarifverträge eines privaten Arbeitgebers. Diese sind - jedenfalls arbeitgeberseitig - nicht von den Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] abgeschlossen worden (st. Rspr., vgl. [X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 15; zuletzt 16. Mai 2018 - 4 [X.] 209/15 - Rn. 19; zum Ganzen [X.]/[X.] 17. Aufl. § 206 Rn. 29).

bb) Entgegen der Ansicht der Revision sind im vorliegenden Fall keine Anhaltspunkte vorhanden, aufgrund derer die Klausel im [X.] 2007 abweichend zu verstehen sein könnte.

(1) Die vom [X.]n in der Revisionsbegründung herangezogenen Urteile enthalten keine übertragbaren Aussagen.

(a) In dem Urteil vom 14. Dezember 2005 (- 10 [X.] 296/05 -) hat das [X.] keine allgemeine Auslegungsregel aufgestellt. Dies war nicht notwendig, weil nach den Feststellungen des [X.]s auch die Klägerin selbst ausdrücklich den Zweck der Vereinbarung darin gesehen hat, eine Gleichstellung der nichttarifgebundenen mit den tarifgebundenen Arbeitnehmern des [X.]n herbeizuführen und eine Differenzierung zwischen diesen beiden Gruppen durch den - seinerseits tarifgebundenen - Arbeitgeber überflüssig zu machen ([X.] 14. Dezember 2005 - 10 [X.] 296/05 - Rn. 17). Entsprechende Feststellungen existieren vorliegend nicht.

(b) In Bezug auf das herangezogene Urteil des Senats vom 23. Januar 2008 (- 4 [X.] 602/06 -) räumt der [X.] selbst ein, dass dort der in der Klausel ebenfalls enthaltene Verweis auf die Geltung der Betriebsvereinbarungen des Arbeitgebers eine wesentliche Rolle gespielt hat. Eine entsprechende Bezugnahme auf Betriebsvereinbarungen enthält § 2 [X.] 2007 nicht. Im Übrigen hält der Senat an dieser Argumentation nicht mehr fest (vgl. ausf. [X.] 11. Juli 2018 - 4 [X.] 533/17 - Rn. 27).

(c) Auch die durch den Senat in dem Urteil vom 7. Juli 2010 (- 4 [X.] 120/09 -) im Hinblick auf die Anwendbarkeit eines „Konzerntarifvertrags“ aufgestellten Rechtssätze führen im vorliegenden Fall zu keiner anderen Beurteilung. Der Senat hat in der Entscheidung gerade offengelassen, ob der nicht kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit geltende Tarifvertrag bereits deshalb keine Anwendung finde, weil er als Firmentarifvertrag von der Verweisung im Arbeitsvertrag nicht mit umfasst sei ([X.] 7. Juli 2010 - 4 [X.] 120/09 - Rn. 17).

(d) Schließlich sind die Aussagen in den beiden Urteilen vom 11. Oktober 2006 (- 4 [X.] 486/05 -) und vom 20. Januar 2009 (- 9 [X.] 147/08 -) schon deshalb nicht auf die vorliegende Konstellation übertragbar, weil den Entscheidungen jeweils Sachverhalte zugrunde lagen, in denen es um die Einbeziehung firmenbezogener [X.] und nicht - wie hier - um von einzelnen Arbeitgebern geschlossene Haustarifverträge ging.

(2) Soweit der [X.] weiter im Hinblick auf seine [X.] darauf verweist, der Abschluss eines firmenbezogenen Verbandstarifvertrags käme für ihn als ändernder oder ersetzender Tarifvertrag nicht in Betracht, so führt dies nicht dazu, dass für die Arbeitnehmer bei Vertragsschluss erkennbar gewesen wäre, dass deshalb - abweichend vom üblichen Verständnis - auch Haustarifverträge des [X.]n gemeint seien. Es wäre Aufgabe des [X.]n als Verwender der Klausel gewesen, dies im Wortlaut des Arbeitsvertrags klar zum Ausdruck zu bringen (vgl. [X.] 18. April 2007 - 4 [X.] 652/05 - Rn. 32, [X.]E 122, 74), anstatt durch die Formulierung „für den Bereich der kommunalen Arbeitgeberverbände ([X.])“ nur die von den Tarifvertragsparteien des [X.]/[X.] abgeschlossenen ([X.] in Bezug zu nehmen und zum Vertragsgegenstand zu machen.

b) Der weitere Hinweis des [X.]n, die [X.] in § 2 Satz 1 [X.] 2007 sei ergänzend dahingehend auszulegen (vgl. [X.]/[X.] Der Tarifvertrag 2. Aufl. Teil 10 Rn. 81), dass (auch) der [X.] für das Arbeitsverhältnis Wirkung entfalten solle, geht fehl. Dabei kann offenbleiben, ob eine ergänzende Auslegung in den Fällen, in denen der Arbeitgeber gar nicht gemäß § 3 Abs. 1 TVG an die [X.] gebunden ist, überhaupt in Betracht kommen kann.

aa) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle einer lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach [X.] und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit bzw. Unvollständigkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre. Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrags „zu Ende gedacht“ werden (ausf. zu den Voraussetzungen und Maßstäben [X.] 19. Mai 2010 - 4 [X.]  - Rn. 23 , 31 ff., [X.]E 134, 283 ; 6. Juli 2011 -  4 [X.] 706/09  - Rn. 27 , 31 ff., [X.]E 138, 269).

bb) Denkt man die Vorstellungen der Parteien im Sinne der Grundsätze der ergänzenden Vertragsauslegung zu Ende, so hätte dies vorliegend jedenfalls nicht zur Folge, dass der [X.] automatisch zur Anwendung käme.

(1) So folgt aus § 13 [X.] 2007, dass die Parteien den Fall der (weiterbestehenden) Sanierungsbedürftigkeit nicht ungeregelt gelassen haben. Insofern liegt keine Lücke vor.

(2) Unterstellt man zu Gunsten des [X.]n, es habe insoweit eine Lücke bestanden, als die Arbeitsvertragsparteien nicht bedacht hätten, dass im [X.] die neue Sanierungsvereinbarung nicht mehr mit der Mitarbeitervertretung, sondern mit einer [X.] abgeschlossen werden würde, so kann der Vertrag gleichwohl nicht dahingehend ergänzend ausgelegt werden, der geschlossene [X.] solle als Haustarifvertrag unmittelbar anstelle des [X.] zur Anwendung kommen, weil es an einem entsprechenden Änderungsangebot iSd. § 13 Abs. 1 aE [X.] 2007 fehlt. Die Parteien haben in § 13 Abs. 1 [X.] 2007 vereinbart, dass der [X.], sollte eine Verlängerung der Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und [X.] zustande kommen, ein entsprechendes Änderungsangebot unterbreiten werde. Dieser gemeinsame Wille, die neue Sanierungsvereinbarung erst aufgrund einer weiteren Änderung des Arbeitsvertrags zur Anwendung kommen zu lassen - wie dies im Jahr 2004 offenbar bereits bezüglich einer weiteren Sanierungsvereinbarung geschehen war -, ist im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung zwingend zu berücksichtigen. Der [X.] wäre gehalten gewesen, dem Kläger im Wege eines [X.] anzubieten, den [X.] im Arbeitsverhältnis zur Anwendung zu bringen.

(3) Der weitere Einwand des [X.]n, die Vereinbarung eines Änderungsangebots in § 13 Abs. 1 aE [X.] 2007 habe auf zu berücksichtigenden kirchenrechtlichen Besonderheiten beruht und wäre in Bezug auf einen Haustarifvertrag nicht erforderlich gewesen, ändert hieran nichts. Zum einen hat der [X.] nicht näher erläutert, warum eine Bezugnahme auch auf zukünftige Dienstvereinbarungen der Mitarbeitervertretung nicht möglich gewesen sein soll (vgl. zur Möglichkeit vertraglicher Inbezugnahme von Dienstvereinbarungen [X.] 22. März 2018 - 6 [X.] 835/16 - Rn. 43 ff.). Zum anderen hat ein etwaiger besonderer Grund dafür, einer neuen Sanierungsvereinbarung nur durch eine erneute Vertragsänderung Geltung zu verschaffen, keinen Eingang in den Arbeitsvertrag gefunden und kann daher im Rahmen der ergänzenden Auslegung des [X.] keine Berücksichtigung finden.

c) Der [X.] ist auch nicht durch § 2 Satz 2 [X.] 2007 in Bezug genommen worden, wonach „[a]ußerdem … die im Bereich des Arbeitgebers jeweils geltenden sonstigen einschlägigen Tarifverträge Anwendung“ finden. Das [X.] hat diese Klausel zutreffend unter Rückgriff auf die einschlägige Rechtsprechung des Senats zu (im Wesentlichen) wortgleichen Klauseln ausgelegt.

aa) Aus der Wortwahl ergibt sich, dass mit dieser ergänzenden Bezugnahmeregelung Tarifverträge erfasst werden sollten, die „neben“ dem [X.] oder „zusätzlich“ zu diesem zur Anwendung kommen können. Dabei kann es sich allerdings nur um Tarifverträge handeln, deren inhaltliche Regelungsbereiche sich nicht mit denen des [X.] überschneiden. Andernfalls wären sie nicht „neben“ dem, sondern vielmehr „anstelle“ des [X.] anwendbar ([X.] 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 17 mwN; vgl. zuletzt 16. Mai 2018 - 4 [X.] 209/15 - Rn. 22).

bb) Der Senat hat auch bereits mehrfach darauf hingewiesen, dass dieses Auslegungsergebnis durch die Bezugnahme auf die „sonstigen“ einschlägigen Tarifverträge bestätigt wird ([X.] 16. Mai 2018 - 4 [X.] 209/15 - Rn. 23; 15. Juni 2016 - 4 [X.] 485/14 - Rn. 21 mwN; 26. August 2015 - 4 [X.] 719/13 - Rn. 18). Ein verständiger Vertragspartner des Arbeitgebers durfte diese Formulierung als inhaltliche Einschränkung der Verweisung dahingehend verstehen, dass es sich insoweit nur um solche Tarifverträge handeln sollte, die sich in ihrem inhaltlichen Regelungsbereich von denen der Tarifverträge des [X.]/[X.] unterscheiden und diese nicht „verdrängen“. Auch wenn - worauf der [X.] in seiner Revisionsbegründung hingewiesen hat - als Bedeutung des Adverbs „sonstig“ in Betracht kommt „andere, anderweitig, weitere, zusätzlich, abweichend, anders, anders geartet, davon verschieden“ (vgl. Duden.de Stichwort „sonstig“ unter Synonyme), folgt daraus nicht, dass es sich bei den in § 2 Satz 2 [X.] 2007 erfassten Tarifverträgen um solche handeln soll und muss, die vom [X.] abweichend, anders geartet und verschieden sind. Damit blendet der [X.] die weiteren Wortbedeutungen wie „weitere“ oder „zusätzlich“ aus. Nach der Auslegung des [X.]n käme der Regelung in § 2 Satz 2 [X.] 2007 die Funktion einer Tarifwechselklausel zu. Eine kleine dynamische Verweisung kann jedoch über ihren Wortlaut hinaus nur dann als große dynamische Verweisung (Tarifwechselklausel) ausgelegt werden, wenn sich dies aus den besonderen Umständen ergibt ([X.] 15. Juni 2016 - 4 [X.] 485/14 - aaO). Solche sind dem Wortlaut der [X.] im [X.] nicht zu entnehmen.

d) § 3 [X.] führt auch nicht aufgrund von § 13 [X.] 2007 zu einer Kürzung des Anspruchs auf Jahressonderzahlung. Er bezieht sich nur auf den Abschluss einer Dienstvereinbarung mit der Mitarbeitervertretung. Der Abschluss eines [X.] mit einer [X.] ist dort nicht vorgesehen. Wie bereits ausgeführt, kann die Regelung nicht ergänzend dahingehend ausgelegt werden, dass eine in der Rechtsform eines Tarifvertrags abzuschließende Sanierungsvereinbarung automatisch im Arbeitsverhältnis der Parteien zur Anwendung kommt. Wie auch die Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und [X.] bedarf die Sanierungsvereinbarung zwischen Arbeitgeber und [X.] der Zustimmung des [X.] zu einem entsprechenden Änderungsangebot des [X.]n.

II. Der Kläger erfüllte die Voraussetzungen für die Auszahlung der Jahressonderzahlung nach § 20 [X.] iVm. § 2 Satz 1 [X.] 2007 in den Jahren 2012 und 2013.

1. § 20 [X.] lautete auszugsweise:

        

§ 20 

        

Jahressonderzahlung

        

(1)     

Beschäftigte, die am 1. Dezember im Arbeitsverhältnis stehen, haben Anspruch auf eine Jahressonderzahlung.

        

(2)     

Die Jahressonderzahlung beträgt bei Beschäftigten, für die die Regelungen des Tarifgebiets West Anwendung finden,

                          

in den [X.]n 1 bis 8

90 v.H.,

                          

in den [X.]n 9 bis 12

80 v.H. und

                          

in den [X.]n 13 bis 15

60 v.H.

                 

des der/dem Beschäftigten in den Kalendermonaten Juli, August und September durchschnittlich gezahlten monatlichen Entgelts; unberücksichtigt bleiben hierbei das zusätzlich für Überstunden und Mehrarbeit gezahlte Entgelt (mit Ausnahme der im Dienstplan vorgesehenen Überstunden und Mehrarbeit), Leistungszulagen, Leistungs- und Erfolgsprämien. Der [X.] bestimmt sich nach der [X.] am 1. September. Bei Beschäftigten, deren Arbeitsverhältnis nach dem 30. September begonnen hat, tritt an die Stelle des [X.] der erste volle Kalendermonat des Arbeitsverhältnisses. In den Fällen, in denen im Kalenderjahr der Geburt des Kindes während des [X.] eine elterngeldunschädliche Teilzeitbeschäftigung ausgeübt wird, bemisst sich die Jahressonderzahlung nach dem Beschäftigungsumfang am Tag vor dem Beginn der Elternzeit.

                 

…       

        

(5)     

Die Jahressonderzahlung wird mit dem Tabellenentgelt für November ausgezahlt. Ein Teilbetrag der Jahressonderzahlung kann zu einem früheren Zeitpunkt ausgezahlt werden.“

2. Der Kläger stand sowohl am 1. Dezember 2012 als auch am 1. Dezember 2013 in einem Arbeitsverhältnis zum [X.]n. Er erhielt eine Vergütung nach der [X.] 5, so dass ihm eine Jahressonderzahlung [X.]. [X.]. Mit seinem Klageantrag hat der Kläger [X.] geltend gemacht. Das [X.] hat ihm daher - unter Berücksichtigung der von der [X.]n geleisteten Zahlungen - 2.885,16 Euro brutto zugesprochen. Die Berechnung dieses Betrags hat der [X.] mit seiner Revision nicht angegriffen.

3. Der Kläger hat mit seinem Schreiben vom 11. Dezember 2012 die sechsmonatige Ausschlussfrist des § 37 [X.] nicht nur für die Sonderzahlung 2012, sondern auch für 2013 gewahrt (§ 37 Satz 2 [X.]).

4. Der Anspruch auf Zinsen [X.]. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage beruht auf § 288 Abs. 1, § 291 BGB. Ausweislich der [X.] wurde die Klage dem [X.]n bereits am 11. April 2014 zugestellt. Das [X.] hat Zinsen ab dem 22. April 2014 zugesprochen. Hiergegen hat sich der Kläger in der Revision nicht gewandt.

III. [X.] beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

        

    Eylert    

        

    Rinck    

        

    Klose    

        

        

        

    Kiefer    

        

    [X.]    

                 

Meta

4 AZR 370/17

11.07.2018

Bundesarbeitsgericht 4. Senat

Urteil

Sachgebiet: AZR

vorgehend ArbG Hildesheim, 28. April 2016, Az: 3 Ca 394/15, Urteil

§ 20 TVöD BT-B, § 1 TVG, § 611 BGB

Zitier­vorschlag: Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 11.07.2018, Az. 4 AZR 370/17 (REWIS RS 2018, 6206)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 6206

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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