Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 227/14

IV. Zivilsenat | REWIS RS 2015, 4948

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BUNDESGERICHTSHOF

IM NAMEN DES VOLKES

URTEIL
IV ZR 227/14

Verkündet am:

23. September 2015

Schick

Justizangestellte

als Urkundsbeamtin

der Geschäftsstelle

in dem Rechtsstreit

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Der IV.
Zivilsenat des [X.] hat durch die Vorsitzende Richterin [X.], die Richterin [X.], die Richter Dr.
Karczewski, [X.] und die Richterin Dr. Brockmöller
im schriftli-chen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO mit Schriftsatzfrist bis zum 4.
September
2015

für Recht erkannt:

Auf die Revision des
[X.]
wird das Urteil des
20. Zi-vilsenats
des [X.]s [X.]
vom 2. Mai 2014 aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des [X.], an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf bis 19.000

.

Gründe:

Die [X.]eite (Versicherungsnehmer: im Folgenden d. [X.]) be-gehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rück-zahlung geleisteter Versicherungsbeiträge zweier Lebensversicherun-gen, und zwar einer Lebensversicherung
auf zwei Leben und einer
fondsgebundenen
Lebensversicherung.

Erstere wurde aufgrund Antrags
d. [X.] mit Versicherungsbeginn zum 1. Juli
1997
(Endziffer 93) und letztere aufgrund Antrags d.
[X.] mit 1
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Versicherungsbeginn zum 1. September 1997
(Endziffer 38) nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nach dem so genannten Policen-modell des § 5a [X.] in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden §
5a [X.] a.F.) abgeschlossen.

D. [X.] zahlte in der Folge die Versicherungsprämien. Mit Schreiben vom
29. Juni und 24. November 2005 kündigte er unter anderem diese
Verträge und der Versicherer zahlte den
jeweiligen Rückkaufswert aus.
Mit Schreiben vom 14. Dezember 2009
erklärte d. [X.]
den Widerspruch nach § 5a [X.] a.F.
zu den beiden Verträgen.

Mit der
Klage begehrt d. [X.] Rückzahlung aller auf die beiden [X.] geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich
bereits gezahlter
[X.].

Nach Auffassung d. [X.] sind die Versicherungsverträge nicht wirk-sam zustande gekommen, weil d. [X.] zum einen nicht ordnungsgemäß belehrt wurde und zum anderen das Policenmodell mit den Lebensversi-cherungsrichtlinien der [X.] nicht vereinbar sei.

Das [X.] hat die Klage abgewiesen; die Berufung des [X.] ist vom [X.] zurückgewiesen worden. Hiergegen rich-tet sich die Revision des [X.].

Entscheidungsgründe:

Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur [X.] an das Berufungsgericht.
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I. Dieses hat Prämienrückerstattungsansprüche
aus ungerechtfer-tigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungs-gemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Die
Verträge seien aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 [X.] a.F. ein Jahr nach Zahlung der jeweils ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden.

[X.] Die Revision ist begründet.

1. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. [X.] mit der vom Berufungsgericht gegebenen [X.] nicht versagt werden.

a) Die zwischen den Parteien geschlossenen
Versicherungsverträ-ge schaffen keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlungen. Sie sind in-folge des jeweiligen Widerspruchs d. [X.] nicht wirksam zustande gekom-men. Diese waren

ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz
4 [X.] a.F. normierten Jahresfrist

rechtzeitig.

[X.]) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden [X.] belehrte der Versicherer d. [X.]
auch un-ter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung

hin-sichtlich des Vertrages mit der Endziffer 93 nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz
1 [X.] a.F. über das Widerspruchsrecht.
Die [X.]sbelehrung im maßgeblichen Policenbegleitschreiben genügt diesen Anforderungen nicht, weil sie den Fristbeginn nur an den Erhalt des Versicherungsscheins,
nicht aber auch an den Erhalt der Allgemei-nen Versicherungsbedingungen und der Verbraucherinformation knüpft 8
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(vgl. [X.], Urteil vom 17. Dezember 1992

[X.], [X.]Z 121, 52, 57 unter [X.]; Senatsurteile
vom 20. Mai 2015 -
IV ZR 502/14, juris Rn.
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und vom 29.
Juli 2015 -
[X.], juris Rn.
25).

Zutreffend hat das Berufungsgericht weiter ausgeführt, dass die im Versicherungsschein enthaltene Belehrung auch deshalb inhaltlich [X.] ist, weil sie keinen Hinweis darauf enthielt, dass der Widerspruch in Schriftform zu erheben war. Die notwendige Belehrung über das ge-setzliche Formerfordernis (vgl. Senatsurteil vom 28. Januar 2004 -
IV ZR 58/03, [X.], 497 unter 3 b) konnte d. [X.] nicht aus der [X.] entnehmen, dass zur Wahrung der Frist die rechtzeitige Absendung des Widerspruchs genüge. Selbst wenn ein verständiger Versicherungs-nehmer nur verkörperte Erklärungen als der Absendung zugänglich an-sieht, so bleibt für ihn dennoch unklar, ob hierzu eine Verkörperung in Textform ausreicht oder ob es nicht der traditionellen Schriftform bedarf (vgl. Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1104 Rn. 24 und [X.], juris Rn. 12).

Die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts, die Beklagte habe die Übergabe
der Verbraucherinformation hinsichtlich des Versiche-rungsvertrages mit der Endziffer 38
bei Antragstellung nicht bewiesen, ist

entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung -
revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Bestätigung im [X.],
belegt dies gerade nicht. Es ist revisionsrechtlich deshalb auch nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht aus der unterbliebenen Reaktion des [X.] auf die später im Versicherungsschein enthaltene Information, ihm sei bei Antragstellung eine Verbraucherinformation aus-gehändigt worden, keine Schlüsse gezogen hat. D. [X.] hat zu diesem Vertrag unstreitig
eine Widerspruchsbelehrung nicht erhalten, so dass 13
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keine ordnungsgemäße Belehrung i.S. von § 5a Abs. 2 Satz
1 [X.] er-folgt ist.

Für einen solchen Fall bestimmte §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.

Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des [X.] der [X.] vom 19.
Dezember 2013 ([X.], 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7.
Mai 2014 ([X.], [X.]Z 201, 101 Rn.
17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der [X.] und der [X.] keine Anwendung findet und für davon er-fasste Lebens-
und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. [X.]
wie hier

nicht ordnungsgemäß über das Recht zum [X.] belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.

bb) Die Kündigung der
Versicherungsverträge
steht den
Wider-sprüchen
nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
36 m.w.[X.]). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits voll-ständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
37 m.w.[X.]).

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b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechts-widrigkeit des §
5a Abs.
2 Satz
4 [X.] a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur ei-ne Rückwirkung entspricht dem [X.] (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
42-44).

2. Der Höhe nach umfasst der [X.] nach §
812 Abs.
1 Satz
1 Alt.
1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. [X.] bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwick-lung den jedenfalls bis zur Kündigung der
Verträge
genossenen Versi-cherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung [X.] (Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
45 m.w.[X.]; vgl. auch Senatsurteile vom 29. Juli 2015

[X.], [X.], 1101 Rn.
35 ff. und [X.], [X.], 1104 Rn. 33 ff.).

Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuver-

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weisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7.
Mai 2014 [X.]O Rn.
46).

[X.] [X.] Dr.
Karczewski

[X.] Dr. Brockmöller
Vorinstanzen:
[X.], Entscheidung vom 09.12.2011 -
9 [X.]/11 -

OLG [X.], Entscheidung vom 02.05.2014 -
20 U 15/12 -

Meta

IV ZR 227/14

23.09.2015

Bundesgerichtshof IV. Zivilsenat

Sachgebiet: ZR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 23.09.2015, Az. IV ZR 227/14 (REWIS RS 2015, 4948)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2015, 4948

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IV ZR 448/14

IV ZR 76/11

IV ZR 384/14

20 U 15/12

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