Bundespatentgericht, Urteil vom 04.12.2018, Az. 3 Ni 3/17 (EP)

3. Senat | REWIS RS 2018, 934

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Tenor

In der Patentnichtigkeitssache

betreffend das europäische Patent 1 455 756

([X.] 602 27 556)

hat der 3. Senat (Nichtigkeitssenat) des [X.] auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 4. Dezember 2018 unter Mitwirkung des Vorsitzenden [X.], des Richters [X.], der Richterin [X.]. [X.], des Richters [X.]. [X.] und der Richterin [X.]. Dr. Wagner

für Recht erkannt:

[X.] Das [X.] Patent 1 455 756 wird mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig erklärt.

I[X.] Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II[X.] [X.] ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des am 9. Dezember 2002 als internationale Anmeldung PCT/[X.]/041655 angemeldeten und in [X.] Verfahrenssprache mit Wirkung für die [X.] erteilten Patents [X.] (Streitpatent), das die Priorität der [X.] Anmeldung 340040P vom 10. Dezember 2001 in Anspruch nimmt. Die im Einspruchsverfahren geänderte Fassung des [X.] ist am 23. September 2015 als [X.] [X.] (vorliegend [X.]) veröffentlicht worden. Das Patent wird vom [X.] unter der Nummer 602 27 556 geführt. Das beschränkt aufrechterhaltene Streitpatent, das in vollem Umfang verteidigt wird, trägt die Bezeichnung „[X.] antagonist“ („Pharmazeutische nanoparticuläre Zubereitung eines Tachikaninrezeptorantagonisten“) und umfasst neun Patentansprüche, deren nebengeordnete Patentansprüche 1, 6, 7 und 9 wie folgt lauten:

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2

Die [X.] Fassung der nebengeordneten Patentansprüche 1, 6, 7 und 9 hat folgenden Wortlaut:

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3

Wegen des Wortlauts der unmittelbar oder mittelbar hierauf rückbezogenen weiteren Patentansprüche wird auf die Patentschrift [X.] B2 verwiesen.

4

Die Klägerin, die das Streitpatent in vollem Umfang angreift, macht den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit geltend. Sie stützt ihr Vorbringen u. a. auf folgende Dokumente:

5

NIK1: [X.] B1

6

NIK2: Entscheidung der Beschwerdekammer des Europäischen Patentamts vom 17. Juli 2014 ([X.] - 3.3.07)

7

[X.]: [X.] B2

8

[X.]: [X.] 00/10545 A2

9

[X.]: EP 0 499 299 A2

[X.]: [X.], [X.] et al., [X.]. [X.]. 1999, 48, S. 336 bis 344

[X.]: [X.], [X.] et al., [X.]. [X.]. 2000, 43, [X.]234 bis 1241

NIK9: [X.], [X.] et al., Pharmaceutical Dosage Forms and Drug Delivery Systems, [X.] & Wilkins, [X.], [X.], [X.], 6. Aufl., 1995, [X.] und 64

NIK10: [X.], [X.] et al., Pharmaceutical Dosage Forms, [X.] Inc., [X.], 2. Aufl., 1989, [X.], S. 23

[X.]: [X.], [X.] et al., Lehrbuch der pharmazeutischen Technologie, [X.], [X.], 6. Aufl., 1987, S. 471 und 472

[X.]: [X.] 6,267,989 B1

NIK13: [X.], [X.] et al., [X.] 2004, 285, [X.] bis 146

[X.]: [X.] 6,096,742 A

[X.]: “[X.] NanoCrystal formulation”, [X.], 30. August, 2000, [X.] und 2 (Ausdruck aus http://www.pharmaceuticalonline.com/doc/ … v. 19.12.2016)

[X.]: Müller, [X.]H. et al., [X.] 2001, 47, S. 3 bis 19

[X.]a: Übersicht über die Ausgaben der Fachzeitschrift „[X.]“ mit Publikationsdatum (Ausdruck aus [X.]/... v. 18.1.2018), 4 Seiten

Nach Auffassung der Klägerin ist der Gegenstand des Patentanspruchs 1 neuheitsschädlich durch die Druckschrift [X.] vorweggenommen. [X.] offenbare eine nanopartikuläre Zusammensetzung von Substanz P - Antagonisten, wie beispielsweise dem darin als bevorzugt genannten Substanz P–Antagonisten [X.]. Zudem beschreibe die Druckschrift in den Beispielen 4 bis 7, die sich nach dem Verständnis des Fachmanns auf die bevorzugten Wirkstoffe und damit auch [X.] bezögen, Zusammensetzungen mit Teilchengrößen zwischen 25 und 145 nm, wobei die Zusammensetzungen [X.] oder [X.] als oberflächenaktive Substanzen enthielten. [X.] offenbare auch ein Herstellungsverfahren für diese nanonisierte Zusammensetzung, so dass die [X.] dieser Druckschrift auch ausführbar sei, zumal die Nanonisierung dem Fachmann bereits z. B. aus [X.], [X.] oder [X.] bekannt gewesen sei.

1-Rezeptorantagonist mit geringer Wasserlöslichkeit bekannt gewesen, woraus er mit seinem Fachwissen auf eine schlechte Bioverfügbarkeit geschlossen habe. Es habe dem in NIK9 bis [X.] dokumentierten allgemeinen Fachwissen entsprochen, zur Erhöhung der Bioverfügbarkeit von schwer wasserlöslichen Wirkstoffen zunächst die Teilchengröße des Wirkstoffs zu verringern, um damit seine Oberfläche zu vergrößern und somit das Auflösungsverhalten zu verbessern.

Auch das konkret im Streitpatent verwendete Konzept, zur Erzielung höherer Bioverfügbarkeiten einen schwer löslichen Wirkstoff in Form einer nanopartikulären Zusammensetzung bereitzustellen, welcher an seiner Oberfläche eine oberflächenstabilisierende Substanz (beispielsweise [X.] oder [X.]) adsorbiert habe, sei aus den Druckschriften [X.] und [X.] oder etwa aus der in [X.] beschriebenen NanoCrystal-Technologie bekannt gewesen. Hierbei sei vor allem der Übersichtsartikel [X.] besonders relevant. Zur Lösung des Problems der mangelhaften Bioverfügbarkeit wegen niedriger Löslichkeit und Auflösungsgeschwindigkeit des Wirkstoffs werde darin die Nanonisierung als sinnvolle Lösung bei der großtechnischen Herstellung vorgeschlagen. Die Nanonisierung sei der naheliegende [X.], wenn eine Mikronisierung nicht ausreiche, zumal sie nicht nur die Auflösungsgeschwindigkeit des Wirkstoffs verbessere, sondern gemäß der in der [X.] genannten [X.] auch die Sättigungskonzentration des Wirkstoffs erhöhe, so dass der Fachmann ohne erfinderisches Zutun zum Gegenstand der Patentansprüche 1 bis 3 gelange.

Sollte die Druckschrift [X.] nicht bereits neuheitsschädlich sein, so sei der streitpatentgemäße Gegenstand gemäß Patentanspruch 1 auch durch die Druckschrift [X.] allein nahegelegt, da sie allgemein [X.], darunter auch [X.], angebe, welche in nanopartikulären, pharmazeutischen Zusammensetzungen einsetzbar seien. Im Übrigen lehre auch die [X.] bei gering löslichen Wirkstoffen, die eine geringe Bioverfügbarkeit nach oraler Verabreichung zeigten, Wirkstoffnanopartikel, insbesondere Nanosuspensionen, in [X.] zu verwenden, um diesem Problem zu begegnen.

Auch die Gegenstände der weiteren Patentansprüche beruhten nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die Klägerin beantragt,

das [X.] Patent 1 455 756 mit Wirkung für das Hoheitsgebiet der [X.] für nichtig zu erklären.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte tritt dem Vorbringen der Klägerin in allen Punkten entgegen. Sie verweist u. a. auf folgende Dokumente:

HLNK 1 Gutachten Prof. Dr. L… v. 23. Juni 2017, 9 Seiten, mit

Anlagen 1 bis 7

Anlage 2 [X.] [X.], Pharmazeutische Technologie, [X.] Apotheker Verlag, [X.], 9. Auflage, 2000, S. 41 bis 52, 127 bis 132 und 140 bis 144

[X.] Tribunal de Grande Instance de Paris, Nr. RG 16/01225, Urteil vom 26. Januar 2018, 18 Seiten

[X.]a Deutsche Übersetzung der [X.], 27 Seiten

Nach Auffassung der Beklagten sind die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche des [X.] neu. Die [X.] beschreibe [X.], die für die Behandlung des chronischen Erschöpfungssyndroms eingesetzt würden. Als einer von ihnen werde auch der Wirkstoff [X.] genannt. Allerdings seien 1-Acylpiperidine als besonders bevorzugte [X.] für die Behandlung von [X.] genannt, zu deren Wirkstoffklasse [X.] aufgrund seiner abweichenden chemischen Struktur nicht zähle. Soweit die Druckschrift gemäß den Ausführungsbeispielen 4 bis 11 eine nanopartikuläre Zusammensetzung mit „[X.]“ als aktivem Wirkstoff nenne, könne ihr nicht unmittelbar und eindeutig entnommen werden, dass es sich hierbei um [X.] handele, da „[X.]“ weder in der Beschreibung noch in der Erläuterung der besagten Beispiele definiert sei. Zudem werde der Fachmann aufgrund der Druckschrift [X.] nicht in die Lage versetzt, mit seinem allgemeinen Fachwissen die im Streitpatent beschriebene Erfindung nachzuarbeiten. Denn die [X.] lehre nicht gezielt die Herstellung einer nanopartikulären Zusammensetzung von [X.].

Die Gegenstände der unabhängigen Patentansprüche beruhten auch auf einer erfinderischen Tätigkeit. Insbesondere sei die nanopartikuläre Zusammensetzung gemäß Patentanspruch 1 nicht durch die Druckschriften [X.], [X.], [X.], [X.] oder [X.] nahegelegt. Zwar führe die Verringerung der Teilchengröße zu einer Erhöhung der Lösungsgeschwindigkeit. Die Sättigungskonzentration bzw. Löslichkeit von Arzneistoffen könne durch eine Teilchenverkleinerung aber lediglich im kolloiden Bereich verbessert werden. [X.] weise eine geringe Löslichkeit auf. Somit stelle sich die Frage, inwiefern der Fachmann erwarten konnte, dass eine Maßnahme, die zur Erhöhung der Auflösungsgeschwindigkeit führe, auch die Löslichkeit erhöhe.

Zudem habe es zum Prioritätszeitpunkt zahlreiche etablierte Möglichkeiten zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit gegeben, von denen nicht vorhersagbar gewesen sei, welche zum Erfolg führen würde. Außerdem lenke die [X.] den Blick des Fachmanns weg von der Nanonisierung in Richtung auf eine chemische Modifikation, da sie eine Phosphorylierung von [X.] vorschlage und das so erhaltene Prodrug gut wasserlöslich sei.

Vor dem Hintergrund der Alternativmethoden habe die patentgemäße nanopartikuläre Zusammensetzung von [X.] auch deshalb nicht nahegelegen, weil die Nanonisierung zum einen damals keine Standardmethode gewesen sei und sie zum anderen keinen zwingenden [X.] der Mikronisierung dargestellt habe.

Die wissenschaftlichen Ansprüchen nicht genügende [X.] spiegele als Werbung für die [X.] nicht das Fachwissen wieder und könne daher nichts Gegenteiliges belegen. Die darin geäußerten Erwartungen an die Nanonisierung hätten sich auch nicht erfüllt. Anders als von der Klägerin ausgeführt, hätte der einschlägige Fachmann die [X.] nicht herangezogen, da diese nicht aufgestellt worden sei, um eine Korrelation zwischen der Verringerung der Partikelgröße und der Löslichkeit von Arzneistoffen im Hinblick auf eine schlechte Bioverfügbarkeit herzustellen. Selbst wenn der Fachmann diese Relation beachtet hätte, wäre er zu dem Schluss gelangt, dass eine Verbesserung der Löslichkeit erst bei technisch nur sehr aufwändig zu erreichenden Partikelgrößen und dann auch nur in geringfügigem Ausmaß zu erwarten wäre. Eine Erfolgserwartung habe daher nicht bestanden.

Die Nanonisierung sei damit kein Lösungsweg gewesen, der sich nach den Gegebenheiten des technischen Gebiets und den Umständen des Einzelfalls als naheliegend oder auch nur gleichwertig gegenüber den zahlreichen anderen Lösungsmöglichkeiten angeboten habe. Weder sei sie ein generelles, für eine Vielzahl von Anwendungsfällen in Betracht zu ziehenden Mittel gewesen, noch sei ihre Nutzung im fraglichen Kontext objektiv sinnvoll und zweckmäßig erschienen.

Für ihren gesamten technischen Vortrag bietet die Beklagte [X.] an.

Entscheidungsgründe

Die auf den [X.] der mangelnden Patentfähigkeit (Art. II § 6 Abs. 1 Nr. 1 IntPatÜG i. V. m. Art. 138 Abs. 1 a) EPÜ) gestützte Klage ist zulässig und erweist sich auch als begründet.

[X.]

1. Das Streitpatent betrifft pharmazeutische Zusammensetzungen enthaltend die Verbindung 2-(R)-(1-(R)-(3,5-Bis(trifluormethyl)phenyl)ethoxy)-3-(S)-(4-fluor)phenyl-4-(3-(5-oxo-1H,4H-1,2,4-triazol)methylmorpholin, die folgende Strukturformel aufweist (vgl. [X.]4 [X.] [0006] bis [0008]):

Abbildung

Bei dieser Verbindung handelt es sich um den Wirkstoff „[X.]“, der in der älteren Literatur auch als „L-754,030“ oder „[X.]“ bezeichnet wird (vgl. [X.]8, [X.], li. [X.]. zweiter Abs. des Abschnitts „Introduction“).

Das Streitpatent führt einleitend aus, dass [X.] ein Substanz [X.] bzw. Tachykininrezeptor-Antagonist ist, der auch als [X.] ([X.]) Antagonist bezeichnet wird (vgl. [X.]4, [X.] [0001], [0004] und [0006]). [X.] sind insbesondere wirksam bei der Behandlung von Schmerz, Depressionen, Angstzuständen, Entzündungen und Hauterkrankungen.

Zudem war zum Prioritätszeit bekannt, [X.] pharmazeutische Wirkstoffe zur Steigerung der Löslichkeit in Form von nanopartikulären Zusammensetzungen einzusetzen (vgl. [X.]4 [X.] [0005]).

2. In Anbetracht des vorstehend dargelegten Hintergrundes und unter Berücksichtigung des vom Streitpatent gegenüber dem Stand der Technik tatsächlich [X.] ist die dem Streitpatent zugrunde liegende objektive technische Aufgabe darin zu sehen, eine Formulierung von [X.] mit verbesserter Bioverfügbarkeit bereitzustellen (vgl. [X.]4 [X.] [0006], S. 3 [0011]).

3. Gelöst wird diese Aufgabe gemäß Patentanspruch 1 durch eine nanopartikuläre Zusammensetzung mit folgenden Merkmalen:

1.1 Nanopartikuläre Zusammensetzung, umfassend

1.2 die Verbindung 2-(R)-(1-(R)-(3,5-Bis(trifluormethyl)phenyl)ethoxy)-3-(S)-(4-fluor)phenyl-4-(3-(5-oxo-1H,4H-1,2,4-triazol)methylmorpholin oder ein pharmazeutisch annehmbares Salz davon, wobei

1.3 an der Oberfläche der Verbindung wenigstens ein Oberflächenstabilisator in einer Menge adsorbiert ist, die ausreicht, um eine wirksame mittlere Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm beizubehalten, wobei

1.4 „wirksame mittlere Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm“ bedeutet, dass wenigstens 95 Gew.-% der Partikel eine Partikelgröße von weniger als etwa 1000 nm besitzen.

4. Bei dem vorliegend zuständigen Fachmann handelt es sich um einen in der Forschung und Entwicklung eines [X.] tätigen pharmazeutischen Technologen, der über eine mehrjährige Erfahrung in der Entwicklung und Herstellung von [X.] verfügt und der in einem Team arbeitet, dem jedenfalls ein Mediziner angehört.

I[X.]

1. Die patentgemäße Lehre, wie sie im erteilten Patentanspruch 1 formuliert ist, ist vor der Prüfung der Patentfähigkeit auszulegen (vgl. [X.], 232, [X.]. – Brieflocher).

Einer Auslegung bedarf im vorliegenden Fall der in Merkmal 1.3 enthaltene Begriff „Oberflächenstabilisator“. Hierbei ist aus Sicht des in Abschnitt [X.]4. definierten Fachmanns der technische Wortsinn dieses Merkmals nach dem Gesamtinhalt der Patentschrift zu ermitteln. Zunächst entnimmt der Fachmann dem [X.] die ergänzende Information, dass als Oberflächenstabilisator die Stoffe Hydroxypropylcellulose, Hydroxypropylmethylcellulose, Polyvinylpyrrolidon, [X.] von Ethylenoxid und Propylenoxid, [X.] und [X.] verwendet werden können. Nachdem aber erst in Patentanspruch 4 einzelne Vertreter der Oberflächenstabilisatoren genannt sind, wird der Fachmann dem Begriff in Anspruch 1 einen weiteren Sinngehalt zumessen. Um diesen zu ermitteln, wird er sich der Beschreibung des Streitpatents zuwenden, der er zunächst einmal entnimmt, dass der Oberflächenstabilisator die Funktion hat, eine Agglomeration der zerkleinerten Wirkstoffpartikel zu verhindern. Hierfür wird der Stabilisator ohne chemische Reaktion und folglich ohne Ausbildung einer chemischen Bindung auf den Partikeln adsorbiert (vgl. [X.]4 [X.] 13 bis 15, 24 bis 29, [X.] 4 bis 6). Als geeignete Repräsentanten dieser Stoffe nennt die Beschreibung grundsätzlich organische wie anorganische pharmazeutische Zusatzstoffe, die verschiedene Polymere, natürlich vorkommende Stoffe, und Tenside inkludieren (vgl. [X.]4 S. 3 [0011], [0013], S. 4 [0023] und [0024]). Daraus ergibt sich für den Fachmann, dass unter dem Begriff „Oberflächenstabilisator“ jedweder pharmazeutischer Zusatzstoff zu verstehen ist, der aufgrund seiner Adsorption auf der Oberfläche der Wirkstoffpartikel deren Agglomeration verhindert.

2. Es kann im Ergebnis dahingestellt bleiben, inwiefern die von der Klägerin geltend gemachte mangelnde Neuheit gegeben ist. Der [X.] gemäß den erteilten Patentansprüchen 1 bis 9 beruht jedenfalls nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.

2.1 Der Fachmann, der nach einer Lösung der patentgemäßen Aufgabe sucht, ist mit der Entwicklung von pharmazeutischen Formulierungen von Arzneimitteln vertraut. Vor dem Hintergrund, dass ihm bekannt ist, dass es sich bei [X.], um einen schwerlöslichen Wirkstoff handelt (vgl. [X.]7, [X.]/337 seitenübergr. Abs., [X.]8, [X.] re. [X.]. 2. Abs.), wird er sich solchen Formulierungstechniken zuwenden, die bei schwerlöslichen Arzneistoffen angewendet werden. Zu diesen Techniken zählen insbesondere die chemische Modifikation des Wirkstoffs durch Einführung von hydrophilen Gruppen, die Salz- bzw. Solvatbildung, die Zerkleinerung, [X.] mit lipidischen Lösungsmitteln, Mikroemulsionen, die Komplexbildung mit Cyclodextrinen, Feststofflösungen, der Gebrauch oberflächenaktiver Stoffe und selbstemulgierende Medikamentensysteme ([X.]) sowie [X.] (vgl. [X.] 1 Anlage 2, [X.] bis 51). Für den Fachmann liegt es auf der Hand, sich bei der Entwicklung einer geeigneten Formulierung von Apreptitant mit all diesen bekannten Formulierungstechniken zu befassen (vgl. [X.], 1023 – [X.]; [X.] 2015, 356 - [X.]). Im Zuge dessen wird sich der Fachmann auch der Zerkleinerungstechnik zuwenden. Dabei gerät die Lehre der Druckschrift [X.]6 aus dem [X.] in sein Blickfeld, die ihm eine Verbesserung der Bioverfügbarkeit von schwerlöslichen Arzneistoffen durch eine Zerkleinerung der Wirkstoffpartikel auf Nanometergröße lehrt. Die Partikel haben eine effektive mittlere Partikelgröße von weniger als 400 nm, wobei insbesondere 99% der Partikel einen mittleren Partikeldurchmesser von 400 nm aufweisen. An der Oberfläche der Wirkstoffpartikel ist ein Oberflächenmodifizierungsmittel adsorbiert, welches eine [X.] verhindert (vgl. [X.]6, Patentanspruch 1, [X.] bis 55, [X.] 3 bis 5, [X.] 48 bis 56). Die Methode gemäß [X.]6 ist für schwerlösliche Wirkstoffe verschiedener Arzneistoffklassen geeignet. Darunter befinden sich auch angstlösende Beruhigungsmittel (vgl. [X.]6 [X.] 39 i. V. m. Z. 43).

Bei der Nanonisierung handelt es sich um eine im Vergleich zur Mikronisierung jüngere aber wohletablierte Technik. Die Nanonisierung ist gemäß der Publikation [X.]15 im Jahr 2000 bereits so ausgereift, dass sogar eine nanopartikuläre [X.] als Arzneimittel basierend auf der „NanoCrystal“-Technologie gemäß [X.]6 zugelassen worden ist. Bei dem Wirkstoff des Arzneimittels handelt es sich um [X.], einem Wirkstoff zur Verhinderung der Abwehrreaktion bei transplantierten Nieren. Zudem wird in [X.]15 hervorgehoben, dass die „NanoCrystal“-Technologie universell anwendbar ist und sie zudem eine erhöhte Bioverfügbarkeit bei schlecht wasserlöslichen Wirkstoffen und eine Eliminierung des Food Effekts bewirkt (vgl. [X.]15, [X.], [X.] zweiter vollst. Abs.). Der gemäß [X.]16a im März 2001 veröffentlichte Übersichtsartikel [X.]16 gibt ein Jahr später einen historischen Abriss über die Entwicklung der „NanoCrystal“-Technologie. So berichtet die [X.]16, dass die traditionelle Herangehensweise zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von schwerlöslichen Wirkstoffen zunächst deren Mikronisierung gewesen ist, welche eine Partikelverteilung zwischen 0,1 bis 25 µm lieferte. Diese hat aber nicht immer zu einer ausreichend hohen Bioverfügbarkeit der Wirkstoffe geführt, sodass in Folge die mikronisierten [X.] zu [X.] weiter zerkleinert worden sind (vgl. [X.]16 S. 4 li. [X.] letzt. vollst. Abs. und [X.]. Abs.). Als Nanonisierungsverfahren der ersten Generation wird die „NanoCrystal“-Technologie genannt, die auf einer Zerkleinerung der in einer [X.] dispergierten [X.] in einem Perlmahlverfahren basiert. Die nächste Generation, die [X.], stellt Nanosuspensionen von Wirkstoffen bereit, die nach einer Hochdruckhomogenisation erhalten werden (vgl. [X.]16 S. 4 re. [X.]. erster und letzt. vollst. Abs.).

In Anbetracht dessen, dass die Nanonisierung zum Prioritätszeitpunkt eine von der Fachwelt anerkannte Formulierungsmethode zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von schwerlöslichen Wirkstoffen war, kann somit in deren Anwendung bei der Formulierung von [X.] keine erfinderische Tätigkeit gesehen werden.

Der Einwand der Beklagten, die streitpatentgemäße Lösung habe nicht nahegelegen, da für ihre Entwicklung ein intensives Forschungsprogramm erforderlich gewesen sei, greift nicht durch. Dem Fachmann sind zwar, wie bereits ausgeführt, zum Prioritätszeitpunkt verschiedene Formulierungstechniken zur Verbesserung der Bioverfügbarkeit von schwerlöslichen Wirkstoffen bekannten gewesen, die jeweils mit Vor- und Nachteilen verbunden sind. Aus fachlicher Sicht wird er aber für die Entwicklung einer neuen Arzneimittelformulierung jede dieser Methoden in Betracht ziehen und diese im Rahmen von [X.] auf ihre Brauchbarkeit untersuchen. Die hierfür notwendigen Versuche übersteigen den auf dem vorliegenden Gebiet der Arzneimittelformulierung üblichen Rahmen nicht, da die Wirksamkeit der Formulierung nur durch umfangreiche Untersuchungen festgestellt werden kann, welche aber nicht über das allgemeine Können und Wissen des Fachmanns hinausgehen.

Das weitere Argument der Beklagten, die Nanonisierung sei mit Nachteilen behaftet, wie der [X.], der Gefahr der Bildung von unerwünschten [X.] und einer zu langen Mahldauer, die der Fachmann nicht habe beherrschen können, überzeugt gleichfalls nicht. Denn aus [X.]6 war dem Fachmann bekannt, dass durch die Adsorption einer oberflächenaktiven Substanz auf der Oberfläche der Wirkstoffpartikel eine Agglomeration verhindert wird (vgl. [X.]6, [X.] 44 bis 47). Zudem wird der Fachmann entsprechende Vorkehrungen treffen, um die Bildung von unerwünschten [X.] beim Mahlvorgang zu verhindern. Diese sind bspw. die Wahl eines thermostabilen [X.] von [X.] als Ausgangsstoff und die Kühlung der [X.] während der Zerkleinerung (vgl. [X.]14, [X.]. 1 Z. 27 bis 32, [X.]. 2 Z. 44 bis 49; [X.]6 [X.] 46 bis 48). Nachdem die Mahldauer gemäß [X.]6 bei der Verwendung einer „high shear media“ Mühle unter einem Tag liegt und somit nicht wie bei der Verwendung einer Kugelmühle bis zu fünf Tage in Anspruch nimmt (vgl. [X.]6 [X.] 43 bis 45), entstehen weder zu hohe Kosten noch ist mit einer Kontamination aufgrund einer ungewöhnlich langen Mahldauer zu rechnen. Somit bestanden die genannten Nachteile zum Prioritätszeitpunkt nicht bzw. sie waren für den Fachmann beherrschbar, ohne dass er erfinderisch tätig werden musste.

Die von der Beklagten als Vorteil der streitpatentgemäßen Lösung geltend gemachte Eliminierung des [X.], die aufgrund der Nanonisierung von [X.] auftrete, stellt lediglich das zwangsläufige Ergebnis einer Anwendung der Nanonisierung dar (vgl. [X.]15 [X.], zweiter vollst. Abs.) und kann somit allenfalls als Bonus-Effekt gesehen werden, welcher aber eine erfinderische Tätigkeit nicht zu begründen vermag.

Die vorstehenden Ausführungen zur erfinderischen Tätigkeit stehen auch nicht im Widerspruch zu den parallelen Entscheidungen des [X.] (vgl. [X.]2) und des [X.] (vgl. [X.]9/9a), weil in diesen Verfahren die erfinderische Tätigkeit nicht vor dem Hintergrund der [X.]15 und [X.]16 diskutiert worden ist. Eine Übertragbarkeit der in den parallelen Verfahren gemäß [X.]2 und [X.]9/9a getroffenen Einschätzungen scheidet für das vorliegende [X.] daher von vornherein aus.

Der Patentanspruch 1 ist daher nicht bestandsfähig.

2.2 Die pharmazeutische Zusammensetzung nach den Patentansprüchen 6 und 7, die eine nanopartikuläre Zusammensetzung nach den Ansprüchen 1 bis 5 und einen pharmazeutisch annehmbaren Träger umfasst bzw. auf einem festen Träger sprühgetrocknet oder sprühbeschichtet worden ist, erweist sich ebenfalls als nahegelegt. Denn aus [X.] ist bekannt, dass die [X.] und ein pharmazeutisch verträglicher Träger für die Bereitstellung einer pharmazeutischen Zusammensetzung verwendet werden. Zudem können [X.] als Träger mit einer Dispersion der Nanopartikel sprühbeschichtet werden (vgl. [X.]6 S. 6 Z. 19 bis 24).

2.3 Die Verwendung der streitpatentgemäßen Zusammensetzungen zur Herstellung eines Medikaments zur Behandlung oder Prävention von Angstzuständen oder Erbrechen gemäß Patentanspruch 9 ist gleichfalls nicht bestandsfähig, da dem Fachmann aus [X.]7 bzw. [X.] 8 bekannt war, dass [X.] ein für die Behandlung von Erbrechen geeigneter Wirkstoff ist (vgl. [X.]7 [X.], re. [X.]. letzt. vollst. Satz; [X.]8 [X.], spaltenübergr. Abs.).

2.4 Ein bestandsfähiger Rest ist für den Senat auch nicht in den Gegenständen der jeweils nachgeordneten Patentansprüche 2 bis 5 bzw. 8 zu erkennen. Die Beklagte hat auch nicht vorgetragen, dass ihnen ein eigenständiger patentfähiger Gehalt zukäme. Diese Ansprüche fallen daher ebenso der Nichtigkeit anheim.

3. Der Senat hat davon abgesehen, dem Antrag der Beklagten entsprechend ein Gutachten eines gerichtlich bestellten Sachverständigen über Fragen zu verschiedenen Aspekten der Verbesserung der Bioverfügbarkeit von Arzneimittelwirkstoffen, insbesondere zum Verständnis des Fachmanns einzuholen. Der Sachverständigenbeweis dient dazu, dem Gericht Fachwissen zur Beurteilung von Tatsachen zu vermitteln oder entscheidungserhebliche Tatsachen festzustellen, soweit hierzu besondere Sachkunde erforderlich ist. Im Verfahren vor dem [X.] ist ein solcher Beweis in der Regel nicht erforderlich, da die [X.] und die technischen Beschwerdesenate mit sachverständigen Richtern besetzt sind (vgl. [X.] 2014, 1235 [X.] u. Rn. 8 – Kommunikationsrouter; [X.], [X.], 10. Aufl., § 81 Rn. 157; Busse, [X.], 8. Aufl., § 87 Rn. 23, § 88 Rn. 11). Insbesondere bedarf es eines Sachverständigenbeweises nicht, wenn sich das Gericht die erforderlichen Sachkenntnisse etwa durch Studium der Fachliteratur selbst beschaffen kann (vgl. [X.]/[X.], ZPO, 39. Aufl., [X.]. § 402 Rn. 3). Nach diesen Grundsätzen war vorliegend kein Beweis durch Sachverständige zu erheben, da der Senat aufgrund seiner Fachkenntnisse in der Lage ist, anhand der Fachliteratur, insbesondere der von den Parteien zur Verfügung gestellten Literatur, einschließlich mehrerer Privatgutachten, das darin wiedergegebene Fachwissen zur Tatsachenbeurteilung zur Kenntnis zu nehmen und damit den gegebenen Sachverhalt umfassend zu erkennen und zu würdigen.

II[X.]

Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 2 [X.] i. V. m. § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 99 Abs. 1 [X.] i. V. m. § 709 Satz 1 und Satz 2 ZPO.

IV.

Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Berufung gegeben.

Die Berufungsschrift muss von einer in der [X.] zugelassenen Rechtsanwältin oder Patentanwältin oder von einem in der [X.] zugelassenen Rechtsanwalt oder Patentanwalt unterzeichnet und innerhalb eines Monats beim [X.], [X.] 45a, 76133 [X.] eingereicht werden. Die Berufungsfrist beginnt mit der Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils, spätestens aber mit dem Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.

Die Berufungsschrift muss die Bezeichnung des Urteils, gegen das die Berufung gerichtet wird, sowie die Erklärung enthalten, dass gegen dieses Urteil Berufung eingelegt werde.

Meta

3 Ni 3/17 (EP)

04.12.2018

Bundespatentgericht 3. Senat

Urteil

Sachgebiet: Ni

Zitier­vorschlag: Bundespatentgericht, Urteil vom 04.12.2018, Az. 3 Ni 3/17 (EP) (REWIS RS 2018, 934)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2018, 934

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Die hier dargestellten Entscheidungen sind möglicherweise nicht rechtskräftig oder wurden bereits in höheren Instanzen abgeändert.

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