Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2010, Az. 4 StR 394/09

4. Strafsenat | REWIS RS 2010, 9671

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[X.]IM NAMEN DES VOLKES URTEIL 4 StR 394/09 vom 4. Februar 2010 in der Strafsache gegen wegen Brandstiftung mit Todesfolge - 2 - Der 4. Strafsenat des [X.] hat in der Sitzung vom 4. Februar 2010, an der teilgenommen haben: Vorsitzende [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] Athing, [X.]in am [X.] [X.], [X.] am [X.] [X.], [X.]als beisitzende [X.], St[X.]tsanwalt als Vertreter der [X.], Rechtsanwalt - in der Verhandlung - als Verteidiger, Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle, für Recht erkannt: - 3 - 1. Die Revisionen der St[X.]tsanwaltschaft und des Angeklagten gegen das Urteil des [X.] vom 20. März 2009 werden verworfen. 2. Die St[X.]tskasse trägt die Kosten des Rechtsmittels der [X.] und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen. Der Angeklagte hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen. Von Rechts wegen Gründe: Das [X.] hat den Angeklagten wegen Brandstiftung mit [X.] zu einer Freiheitsstrafe von 14 Jahren verurteilt. Die dagegen gerichtete, auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützte Revision des Ange-klagten bleibt ebenso wie das mit der Sachrüge begründete - vom Generalbun-desanwalt nicht vertretene - Rechtsmittel der St[X.]tsanwaltschaft ohne Erfolg. 1 I. Das [X.] hat im Wesentlichen Folgendes festgestellt: Am 13. September 2008 entschloss sich der Angeklagte, in der von ihm und seinem [X.] bewohnten Mietwohnung in [X.]einen Brand zu legen und diese dadurch zu zerstören. Die Wohnung befand sich in einem Reihen-haus mit 2 1/2 Etagen, in denen noch weitere vier Mietparteien wohnten. Zur Ausführung seines Vorhabens verteilte der Angeklagte in den späten [X.] - 4 - stunden größere Mengen Benzin in drei verschiedenen Räumen seiner Woh-nung. Als er gegen 22.45 Uhr das von ihm verteilte Benzin entzündete, kam es, für den Angeklagten überraschend, zu einer heftigen Verpuffung des mittlerwei-le entstandenen Benzin-Luft-Gemisches, die u. a. dazu führte, dass ein Teil der [X.] wurde. Sodann entwickelte sich ein offener Wohnungsbrand, der von der Wohnung des Angeklagten in der 1. Etage auch auf die Dachgeschosswohnung der Eheleute [X.]übergriff. In dieser Wohnung hielt sich zur Tatzeit [X.]

auf, die sich nicht mehr in [X.] bringen konnte und an den Folgen einer Brandgasvergiftung verstarb. Der Brand erfasste auch den Dachstuhl und weitere wesentliche Gebäudeteile. Die Mieter der beiden Erdgeschosswohnungen wurden rechtzeitig auf den Brand aufmerksam und konnten das Gebäude unverletzt verlassen. Das [X.], das ein Motiv für die Tat letztlich nicht feststellen konn-te, hat angenommen, dass der Angeklagte trotz der objektiven Gefährlichkeit seiner Tathandlung nicht mit bedingtem Tötungsvorsatz handelte, sondern den Tod von K. [X.](lediglich) grob achtlos und unter Außerachtlassung der sich auch nach seinen individuellen Fähigkeiten und Kenntnissen aufdrän-genden tödlichen Folgen verursachte. [X.] Die Revisionen decken weder zum Nachteil noch zum Vorteil des [X.] Rechtsfehler auf. 4 1. a) Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, das [X.] habe die aus [X.] stammenden Zeugen [X.]und [X.]nicht über das ihnen als [X.] Geistliche zustehende Zeugnisverweigerungsrecht gemäß § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO belehrt, hat keinen Erfolg. 5 - 5 - [X.]) Da sich ein mögliches Zeugnisverweigerungsrecht im Sinne des § 53 Abs. 1 Nr. 1 StPO nur auf Tatsachen erstreckt, die dem betreffenden [X.] in seiner Eigenschaft als Seelsorger anvertraut oder bekannt geworden sind und nicht auf das, was er in ausschließlich karitativer oder fürsorgerischer Tätigkeit erfahren hat ([X.]St 51, 140, 141; vgl. auch [X.] NJW 2007, 1865), kam jedenfalls dem Zeugen [X.]ein solches Zeugnisverweigerungs-recht nicht zu. Denn der Angeklagte bat den Zeugen zunächst lediglich darum, ihm für einige Tage Unterkunft zu gewähren, was dieser jedoch ablehnte. [X.] bei diesem ersten noch bei dem zweiten Zusammentreffen mit dem Ange-klagten erfuhr der Zeuge [X.] den Grund für dieses Hilfeersuchen. 6 [X.]) Im Hinblick auf das, was dem Zeugen [X.]anlässlich seines [X.] mit dem Angeklagten bekannt wurde, mag die Rechtslage [X.] zu beurteilen sein, denn der Angeklagte, der sich schon in der [X.] an diesen Zeugen mit der Bitte um seelsorgerischen Beistand gewandt [X.], äußerte bei dieser Gelegenheit sinngemäß, eine schlimme Tat begangen zu haben. Gleichwohl kann die Rüge nicht durchgreifen. Eine Pflicht zur Belehrung in Fällen des § 53 StPO besteht nicht (vgl. [X.], Urteil vom 19. März 1991 - 5 [X.], NJW 1991, 2844, 2846, in [X.]St 37, 340 insoweit nicht abge-druckt; Senatsurteil vom 27. Mai 1971 - 4 StR 81/71, [X.] (1971), 93, 94); das Gericht darf regelmäßig davon ausgehen, dass der Zeuge sein Recht zur Zeugnisverweigerung kennt ([X.] 52. Aufl. § 53 Rdn. 44). Dies gilt für den Geistlichen eines fremden Landes jedenfalls dann, wenn er sich - wie der Zeuge [X.] - in [X.] dauerhaft aufhält und hier eine Ge-meinde betreut. Im Übrigen wurde der Zeuge aus Anlass seiner polizeilichen Vernehmung am 2. Oktober 2008 über sein Zeugnisverweigerungsrecht belehrt und äußerte daraufhin, in —Glaubens- und Gewissensdingenfi werde er keine Angaben machen. Seine Bekundungen zur Begegnung mit dem Angeklagten hat er demnach in Kenntnis seines Rechts zur Verweigerung des Zeugnisses 7 - 6 - gemacht; Anhaltspunkte für ein dahin gehendes Missverständnis sind weder vorgetragen noch ersichtlich. b) Die Nachprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der erhobenen Sachrüge weist keinen den Angeklagten [X.] Rechtsfehler auf. Die Wertung des [X.]s, der Angeklagte habe den Tod der [X.]jedenfalls leichtfertig verursacht und sei deshalb der Brandstiftung mit Todes-folge im Sinne des § 306 c i.V.m. § 306 a Abs. 1 Nr. 1 StGB schuldig, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. 8 Soweit der Gesetzgeber die leichtfertige Todesverursachung unter Strafe gestellt hat, umschreibt das Gesetz nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] mit dem Begriff der [X.]keit ein Verhalten, das - be-zogen auf den Todeseintritt - einen hohen Grad von Fahrlässigkeit aufweist. [X.] handelt hiernach, wer die sich ihm aufdrängende Möglichkeit eines tödlichen Verlaufs aus besonderem Leichtsinn oder aus besonderer Gleichgül-tigkeit außer Acht lässt ([X.]St 33, 66, 67). Gemessen daran war die Gefähr-dung von Leib und Leben anderer im Hause anwesender Mitbewohner ange-sichts der vom [X.] zum konkreten Tathergang getroffenen Feststellun-gen auch für den Angeklagten in seiner konkreten, angespannten psychischen Verfassung zum Tatzeitpunkt hochgradig wahrscheinlich. Die dagegen gerichte-ten Einwände des Beschwerdeführers erschöpfen sich darin, die nachvollzieh-bare Beweiswürdigung der [X.] durch eine eigene zu ersetzen, ohne jedoch Rechtsfehler aufzuzeigen, die den Bestand des Urteils gefährden könn-ten. 9 2. Auch die Revision der St[X.]tsanwaltschaft bleibt erfolglos. 10 a) Die St[X.]tsanwaltschaft beanstandet, dass das [X.] an das Vorliegen der Voraussetzungen eines bedingten Tötungsvorsatzes zu hohe [X.] - 7 - forderungen gestellt habe. Angesichts der vom [X.] getroffenen Fest-stellungen, wonach der Angeklagte insgesamt 28 Liter Brandbeschleuniger in seiner im mittleren Stockwerk eines Mehrfamilienhauses gelegenen Wohnung ausgebracht habe, hätte bedingter Tötungsvorsatz allenfalls dann verneint wer-den können, wenn der Angeklagte aufgrund besonderer und außergewöhnlicher Umstände darauf hätte vertrauen dürfen, dass der Tod von weiteren Hausbe-wohnern nicht eintreten werde. Solche Umstände habe die [X.] indes-sen nicht festgestellt. Auch die Erwägung des [X.]s, der Angeklagte habe gegenüber den anderen Hausbewohnern keine feindliche Gesinnung [X.], stehe der Annahme eines bedingten Tötungsvorsatzes nicht entgegen. Die den Angeklagten überraschende Verpuffung stelle in diesem Zusammen-hang lediglich eine unerhebliche Abweichung vom Kausalverlauf dar. b) Die Beweiserwägungen, mit denen das [X.] einen bedingten Tötungsvorsatz verneint hat, halten indessen revisionsrechtlicher Nachprüfung stand. 12 [X.]) Nach der ständigen Rechtsprechung des [X.] setzt bedingt vorsätzliches Handeln voraus, dass der Täter den Eintritt des tat-bestandlichen Erfolges als möglich und nicht ganz fern liegend erkennt und dass er ihn billigt oder sich um des erstrebten Zieles willen mit der Tatbe-standsverwirklichung abfindet (st. Rspr.; vgl. nur [X.]St 36, 1, 9; [X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 53). In Abgrenzung zu der [X.] Fahrlässigkeit müssen beide Elemente der inneren Tatseite, also so-wohl das Wissenselement als auch das Willenselement in jedem Einzelfall [X.] geprüft und durch tatsächliche Feststellungen belegt werden ([X.]R [X.]O). Tritt die Lebensgefährlichkeit einer äußerst gefährlichen Gewalthandlung offen zu Tage, liegt es zwar nahe, dass der Täter mit der Möglichkeit eines töd-lichen Ausgangs der von ihm in Gang gesetzten Handlungskette rechnet. Da es 13 - 8 - jedoch auch Fälle geben kann, in denen der Täter zwar alle Umstände kennt, die [X.] zu einer das Leben gefährdenden Behandlung machen, er sich aber gleichwohl nicht bewusst ist, dass der Tod des Opfers eintreten kann, [X.] es für den Schluss auf die Billigung eines Todeserfolges im Hinblick auf die insoweit bestehende hohe Hemmschwelle einer sorgfältigen Prüfung des [X.] ([X.], Urteil vom 22. November 2001 - 1 [X.], [X.], 314, 315). Bei Inbrandsetzung eines Gebäudes sind im Rahmen der Gesamtwürdi-gung insbesondere die Beschaffenheit des Gebäudes (im Hinblick auf Flucht-möglichkeiten und Brennbarkeit der beim Bau verwendeten Materialien), die Angriffszeit (wegen der erhöhten Schutzlosigkeit der Bewohner zur Nachtzeit), die konkrete Angriffsweise sowie die psychische Verfassung des [X.] und seine Motivation bei der Tatbegehung zu berücksichtigen ([X.]R StGB § 212 Abs. 1 Vorsatz, bedingter 39). [X.]) Nach diesem Maßstab hat die [X.] sehr wohl in den Blick genommen, dass neben der objektiven Gefährlichkeit der Tathandlung auch verschiedene weitere Umstände für das Vorliegen eines bedingten Tötungsvor-satzes sprachen, so die (Nacht-)zeit der Tatbegehung, das - für den Angeklag-ten erkennbare - Vorhandensein einer leicht brennbaren [X.] im Gebäude, das Ausbringen des Brandbeschleunigers an verschiedenen Stellen und die sorgfältige Planung der Tat. Das [X.] hat jedoch auch - [X.] beraten - die psychische Verfassung des Angeklagten mit der ge-danklichen Einengung auf die Zerstörung des früheren mit seiner Frau gemein-sam bewohnten Lebensraumes sowie das fehlende Motiv des Angeklagten für die Tötung anderer Hausbewohner berücksichtigt und zusätzlich erwogen, dass der Brandbeschleuniger nicht in unmittelbarer Nähe des möglichen Fluchtwegs ausgebracht war. Dass es auf der Grundlage dieser umfassenden Würdigung letztlich zur Verneinung des (bedingten) Tötungsvorsatzes gekommen ist, lässt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Rechtsfehlerhaft überspannte [X.] - 9 - gen an die tatrichterliche Überzeugungsbildung (vgl. dazu [X.], Urteile vom 11. Januar 2005 - 1 StR 478/04, NJW 2005, 1727 und vom 4. Dezember 2008 - 4 StR 371/08) lassen diese Erwägungen ebenfalls nicht erkennen. Die [X.] hat ihre Zweifel daran nicht überwinden können, dass der Angeklagte die erhebliche Ausweitung des [X.] mit den tödlichen Folgen für das Tatop-fer in sein Wissen aufgenommen hatte. Diese Wertung des Tatrichters ist vom Revisionsgericht hinzunehmen. Tepperwien Athing [X.] Ernemann Franke

Meta

4 StR 394/09

04.02.2010

Bundesgerichtshof 4. Strafsenat

Sachgebiet: StR

Zitier­vorschlag: Bundesgerichtshof, Entscheidung vom 04.02.2010, Az. 4 StR 394/09 (REWIS RS 2010, 9671)

Papier­fundstellen: REWIS RS 2010, 9671

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